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Здравейте от София

„Wir singen:
Ohne Arbeit wär das Leben öde
Also sing ich müde meine kleine Ode
An die Arbeit“
(Wir sind Helden – (Ode) an die Arbeit)

Vierzig Stunden Woche – Ohne mich! Das denke ich, wenn ich am Abend nur noch müde und ausgelaugt ins Bett fallen möchte und mich kaum traue, noch irgendeiner anderen Aktivität als der Zubereitung meines Abendessens nachzugehen. In mir keimt dicker Respekt für meine Eltern und Großeltern, die es irgendwie geschafft haben neben dem Job noch Familie, Freunde, den Haushalt und das liebe Vieh unter einen Hut zu bekommen. Gestern erwischte ich mich dabei, wie ich sehnsuchtsvoll durch Google Maps scrollte. Mazedonien, Serbien, Rumänien, Griechenland – all diese Länder möchte ich in den kommenden Monaten so gerne besuchen. Und auch Bulgarien selbst gilt es natürlich zu bereisen. Zum Glück bleibe ich ein ganzes Jahr und nicht nur wenige Wochen!

Obwohl die ersten Arbeitstage anstrengend waren, gefällt mir mein neuer Job. Denn: An meinem Arbeitsplatz bin ich umgeben von Büchern. Wer in Sofia ist und Lust bekommt sich durch sämtliche Werke deutscher Autor_Innen zu lesen ist hier, in der Bibliothek des Goethe-Instituts, genau richtig. Meine Aufgaben spielen sich momentan noch viel vor dem Bildschirm ab: Ich unterstütze meine Chefin bei der Vorbereitung von Veranstaltungen und Projekten. Heute hatte ich meine erste Schicht am Informationstresen. Drei Stunden lesen und ein bisschen mit den Besucher_Innen quatschen – das klingt fair, finde ich. In naher Zukunft soll ich dann noch Führungen mitgestalten und mit etwas Glück steht auch der ein oder andere Spielenachmittag mit dem deutschsprachigen Kindergarten auf dem Programm. Obwohl aller Anfang natürlich schwer ist, habe ich nach nur fünf Tagen schon das Gefühl mich recht gut eingelebt zu haben. Das gilt übrigens nicht nur für das Institut, sondern für die Stadt Sofia an sich.

Mein Arbeitsweg führt mich jeden Tag an der Alexander-Newski-Kathedrale vorbei. Vom Goethe-Institut ist es nicht weit bis zum Zentrum und bei mir in der Nähe gibt es zahlreiche Bars und Kneipen. Vor allem kulinarisch gesehen bin ich hier im siebten Baklava-Himmel. Diese klebrige Süßspeise aus Blätterteig, Nüssen und Honig hatte es mir in Berlin schon angetan. Hier gehört sie fast täglich auf meinen Speiseplan. Obst und Gemüse kaufe ich nicht mehr im Supermarkt, sondern nur noch bei den kleinen Gemüseläden, die es an jeder Straßenecke zu geben scheint.

Der Straßenverkehr ist noch etwas gewöhnungsbedürftig. Hier gilt das Gesetz der Willensstärke. Der Klügere gibt nicht nach, sondern geht einfach über die Straße, egal ob da Autos kommen. Ich sage mir einfach immer wieder, dass wohl niemand freiwillig an einem Unfall beteiligt sein möchte und selbst der radikalste Autofahrer sich im Falle des Falles an seine Bremsen erinnern wird.

Im Goethe-Institut fand am Mittwochabend eine Veranstaltung mit einem deutschen Autoren statt. Leander Steinkopf stellte uns nicht nur sein (wie ich finde ziemlich tolles) Buch vor, sondern erzählte auch von seinem Leben als Schriftsteller und seiner Beziehung zu Sofia. Er sprach von übersättigten Deutschen, die, in der Hoffnung auf ein Abenteuer, nach Osteuropa reisen. Ein bisschen konnte ich mich in dieser Aussage wiederfinden. Denn um ehrlich zu sein: Anfangs hatte ich die naive Vorstellung, dass es hier irgendwie weniger „westlich“ zugehen würde als zu Hause. Dass es hier die gleichen Marken und Läden geben würde wie in Deutschland, hatte ich nicht auf dem Schirm.

Neben den Einkaufszentren, Casinos und Touristenattraktionen gibt es jedoch auch die bulgarischen Omas, die am Straßenrand sitzen und selbstgestrickte Socken verkaufen. Es gibt Gäste in der Bibliothek, die freundlich lächeln und mir sagen, dass sie keine Eile hätten, wenn ich das gewünschte Buch nicht auf Anhieb finden kann. Es gibt die Schulklassen, deren Kunstunterricht im Park stattfindet und nicht im Klassenzimmer. Irgendwie strahlt Sofia neben aller Modernität und Hektik eine Ruhe aus, die mir das Gefühl gibt, an diesem Ort noch eine ganze Weile bleiben zu wollen.

Auf dem Heimweg geht es an der Alexander-Newski-Kathedrale vorbei.

Am Montag hat der Sprachkurs begonnen – ich übe die Namen meiner Familienmitglieder in kyrillischen Buchstaben zu schreiben.

Stets freundlich und kompetent sitze ich am Tresen der Bibliothek ;).

Ein besonders leckeres Baklava, aus der Bäckerei direkt um die Ecke.

Einer der vielen Gemüseläden.

Kontrastprogramm: Extrem-Shopping.

Bei einer Stadtführung entdeckt und für die Zukunfts-Wunschliste gespeichert: Ein buntes Tor.

In Sofia gibt es eine Menge Street-Art zu bewundern. Dieses Bild ist erst am Samstag fertig geworden.

„Stadt der Feen und Wünsche“ von Leander Steinkopf. Wundervolle Berlin-Erzählung.

Marteniza – ein bulgarischer Glücksbringer, der jedes Jahr am 1. März verschenkt wird. Und in Sofia auch Mitte September noch in den Bäumen zu finden ist.

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