Von Abschied zu Neubeginn

Perspektiven auf den Abschied

Während der letzten Wochen blickte ich sehr gefasst auf mein baldiges Ende in Nová Baňa. Ich war weiterhin über meine alltäglichen Kontakte erfreut, spürte gleichzeitig aber auch die Sehnsucht weiterzugehen, um neue Erfahrungen zu sammeln.

Eine Woche vor meiner Abreise begann meine gelassene Haltung jedoch zu bröckeln. Allmählich fühlte ich mich unruhig und missmutig. Zuerst fiel es mir schwer diesen Gefühlswandel einzuordnen, jedoch bemerkte ich rasch, dass meine Betrübtheit auf die nahende Abfahrt und das damit verbundene Abschiednehmen zurückzuführen war.

Besonders stark verspürte ich diese Wehmut am Ende der vorletzten Schulwoche: An jenem Freitag gab ich die letzten Stunden meines Englischseminars, in das ich während meines Aufenthalts in Nová Baňa viel Tatkraft gesteckt hatte. Die selbstständige Planung und Durchführung des Seminars lehrte mir sehr viel: Ich baute meine Selbständigkeit aus und entwickelte neben Frustrationstoleranz auch ein besseres Gespür für passende Aufgaben, Unterrichtskonzepte und die richtige Balance zwischen Freundlichkeit und Durchsetzungsvermögen. Es fiel mir schwer von den Schülerinnen und Schülern Abschied zu nehmen, da sie mir sehr ans Herz gewachsen waren.

Fremdsprachen als große Bereicherung

In der letzten Stunde mit einer Deutschklasse, sollte ich zum Abschied noch einmal eine finale Motivation für das Erlernen der deutschen Sprache aussprechen. In der Slowakei zählen die unmittelbare Nähe zu Österreich und gute Karriereaussichten zu den wichtigsten Gründen, um Deutsch in der Schule als Fach auszuwählen. Im Unterschied zu Englisch scheint Deutsch jedoch vielen Schülerinnen und Schülern schwierig zu sein. Während meiner Arbeit als Freiwillige hatte ich stetig bemerkt, dass Schüchternheit und die Angst vor Fehlern meine Schülerinnen und Schüler hemmten Deutsch mündlich zu üben. Dabei ist es der kontinuierliche Gebrauch einer Fremdsprache, der uns hilft Fortschritte zu machen. Ich war sehr stolz, dass es mir anschließend gelang das Wesentliche meiner Worte auf Slowakisch zu übersetzen. Anschließend sollte ich erklären, warum ich mich in den vergangenen zehn Monaten so anstrengt hatte die slowakische Sprache zu erlernen und was mir dabei geholfen hatte.

Es war für mich wichtig die Landessprache zu lernen, da ich die Slowakei besser kennenlernen wollte. Ich glaube außerdem, dass uns jede Sprache, die wir verstehen oder sprechen einen einzigartigen Blick auf unsere komplexe Welt eröffnet. Neben dieser Überzeugung waren für mich aber die persönlichen Kontakte von größerer Bedeutung. Unbedingt wollte ich mich integrieren und zugehörig werden. Meine slowakischen Kolleginnen und Kollegen, sowie mein Vermieter und weitere Kontakte erleichterten mir die Integration, indem sie mir eine große Geduld entgegenbrachten, die mich ständig anspornte dazuzulernen. So wandelten sich Missverständnisse langsam zu Erfolgserlebnissen und ich gewann von Tag zu Tag ein besseres Verständnis für meine Umgebung.

Meine letzte Woche in Nová Baňa

Die letzte Schulwoche war für  mich sehr abwechslungsreich, da ich an verschiedenen Schulausflügen teilnahm. Wir fuhren in Raftingbooten über den Fluss Hron und erkundeten auf einer Wanderung die Umgebung und das Zentrum der UNESCO-Weltkulturerbe-Stadt Banská Štiavnica.

Abschied und Aufbruch

An den Nachmittagen packte ich meine Habseligkeiten zusammen und nahm mir noch einmal Zeit für die kleinen Routinen, die ich während meiner Zeit in Nová Baňa entwickelt hatte. Besonders viel Freude hatte mir in den letzten Monaten mein Sportkurs bereitet. Im Anschluss an mein letztes Training überraschten mich die Frauen meiner Sportgruppe mit einem Picknick und einer selbstgestalten Karte. Diese gedankenvolle Geste rührte mich sehr und ich sträubte mich bei dem Gedanken diese liebgewonnen Menschen verlassen zu müssen.

Am letzten Schultag verabschiedete ich mich noch einmal von Schülerinnen und Schülern, zu denen ich im Verlauf des Schuljahres ein engeres Verhältnis aufgebaut hatte. Der Austausch, der in Konversationsstunden oder informellen Gesprächen stattgefunden hatte, hatte mir immer sehr am Herzen gelegen und ich war dankbar für die Wertschätzung, die ich zum Abschied dafür erfahren durfte.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen in einem Waldrestaurant musste ich auch von den Lehrerinnen und Lehrern Abschied nehmen. Das fiel mir ebenfalls schwer, da ich mich von ihnen immer geherzt und umsorgt gefühlt hatte. Meine Kolleginnen und Kollegen hatten sich stets darum gesorgt, dass ich in den Kuchenpausen ausreichend aß und in Gespräche einbezogen wurde.

Besonders zu der argentinischen Spanischlehrerin Cecilia hatte ich eine enge Freundschaft aufgebaut. Für mich bleibt es ein großes Geschenk, dass ich auch in der Mittelslowakei die Möglichkeit erhalten hatte meinen engen Draht zu Lateinamerika zu verstärken. Zum Beispiel durch den Verzehr von Mate und Empanadas und die Möglichkeit, spanischsprachige Bücher auszuleihen. Ich bin nun überzeugt, dass ein Altersunterschied zwischen Freundinnen, auf Grund der unterschiedlichen Perspektiven aufs Leben, auch bereichernd sein kann.

Je näher meine Abreise rückte, desto besorgter blickte ich auf die große Menge an Gepäck, die ich mit dem Zug nach Bratislava transportieren sollte. Am Abend vor meiner Abreise überraschte mich meine enge Freundin Evka mit dem Angebot, mich mit dem Auto nach Bratislava zu bringen. Unsere enge Freundschaft hatte mich seit September begleitet und ich kann die Dankbarkeit, die ich für ihre Unterstützung empfinde, nicht in Worte fassen.

In meiner Erinnerung überwiegen die glücklichen Momente in Nová Baňa. Jedoch weiß ich auch, dass es ebenso Augenblicke gab, in denen ich mich einsam, traurig, fremd und zu Beginn auch überfordert gefühlt hatte. In Nová Baňa konnte ich mich an traurigen Tagen an meine Vermieterin Anna und ihren Mann Jan wenden, die mich in tröstenden Gesprächen aufheiterten. Ich nehme mir vor, dass ich mir ihre Gastfreundschaft als Vorbild nehme und sie mit mir in die Welt trage.

Neubeginn in Bratislava

In Bratislava arbeite ich nun während der letzten zwei Monate am Goethe-Institut. Hier unterstütze ich meine gute Freundin Luna, die als Kulturweitfreiwillige zwölf Monate am Institut arbeitet. Ich freue mich über die Möglichkeit, während meines Freiwilligendiensts nicht nur an einer Schule, sondern auch am Goethe-Institut zu arbeiten. Das historische Gebäude, der Innenhof, das Café und die Bibliothek kreieren eine besondere Atmosphäre. Zwar finden im Sommer weniger Veranstaltungen statt, doch nächste Woche  gibt es ein Jugendcamp, das sorgfältige Planung erfordert.

Ich habe Glück, dass ich mit so einer vertrauten Person zusammenarbeiten darf. Neben Luna leben in Bratislava auch weitere Freundinnen, so dass ich mich gut aufgehoben fühle. Auch die Stadt ist mir durch meine vergangenen Besuche vertraut. Trotzdem ist es ungewohnt, nach zehn Monaten in der Kleinstadt, wieder in einer Großstadt zu wohnen. In einem Augenblick begeistert mich die Reizüberflutung und im nächsten trauere ich der Ruhe Nová Baňas hinterher.

An meiner neuen Etappe gefällt mir besonders meine große Freiheit. Die kurze Zeit meines Aufenthalts in Bratislava erfordert nicht, dass ich mir hier ein „Leben“ aufbauen muss, so dass ich ausschließlich Moment für Moment genießen darf.