Routine – und wie sie auch gerne mal über den Haufen geworfen wird (Woche 5)

Schon wieder ist eine Woche vergangen und so langsam stellt sich bei mir in vielen Bereichen eine gewisse Routine ein.

Montags bereite ich vormittags die Stunden für Mittwoch und Donnerstag vor, da ich erst später Unterricht habe. Vorausgesetzt natürlich, ich schaffe es, mich nach einem langen Wochenende an dem ich entweder Besuch hatte oder selbst unterwegs war, aus dem Bett zu quälen.

Nachmittags treffe ich mich meistens mit einem Schüler, der im November seine Deutschprüfung auf dem Niveau C1 ablegen wird und noch ein bisschen an seiner Kommunikation arbeiten möchte. Vorausgesetzt, der Schüler ist nicht gerade auf Klassenfahrt in Prag.

Bevor es dann Abends zum Sprachkurs geht, gehe ich meistens noch einkaufen, vorausgesetzt, ich beschließe nicht kurz vorher, dass eine Riesenmenge an Bratkartoffeln ein völlig legitimes Abendessen ist.

Dienstags geht der Unterricht ebenfalls erst später los und ich nutze den Morgen, um meiner Verpflichtung gegenüber mir und meinem Gewissen nachzukommen und putze, wasche,… und mache all das wofür ich in den vergangenen Tagen keine Zeit hatte (zumindest habe ich mir eingeredet, ich hätte keine Zeit). Vorausgesetzt, ich bin nicht, wie auch am Montag, zu faul zum Aufstehen und beschließe kurzerhand, dass der Haushalt auch noch ein paar Stunden warten kann.

Nach der Schule treffe ich mich häufig mit einer Schülerin, nicht um mit ihr Deutsch zu üben, sondern einfach nur, um mal wieder ein neues Café in Brno auszuprobieren (meine Sammlung an Kaffeebildern wächst stetig) und über alles und nichts zu reden. Vorausgesetzt, wir hatten dieses Treffen nicht auf Montag verschoben.

Abends geht es dann zum Rollschuhlaufen und hier gibt es zur Abwechslung mal kein „vorausgesetzt“. Rollschuhlaufen steht tatsächlich als fester, unter keinen Umständen verschiebbarer Termin in meinem Kalender.

Mittwochs hat mein innerer Schweinehund dann aber keine Chance mehr und ich quäle mich tatsächlich wie geplant aus dem Bett und mache mich auf den Weg zur Schule. An dieser Stelle sei aber gesagt, dass es beim Unterrichten grundsätzlich keine Routine gibt. Ich lasse mich jedes Mal aufs Neue auf die Situation ein, ohne vorher zu wissen, wie die Schüler:innen drauf sind, ob sie vorher vielleicht Sport hatten und immer noch völlig überdreht sind (wie diese Woche geschehen) oder ob sie im Anschluss einen Mathetest schreiben und für Deutsch keine einzige Gehirnzelle mehr übrig haben (was ich absolut nachvollziehen kann). Aber gerade das sorgt auch immer wieder für einzigartige Momente, die ich bestimmt nicht so schnell vergessen werde.

Und wer sich jetzt fragt, wann ich denn dann endlich einkaufen gegangen bin, wenn es scheinbar am Montag schon dringend nötig war, der kann beruhigt sein, denn am Mittwoch war es endlich soweit. Warum ich das so groß ankündige? Weil ich mich tatsächlich getraut habe, auf dem Markt einkaufen zu gehen. Und was soll ich sagen – es war wirklich gut. Zumindest habe ich all das bekommen was ich wollte. Inklusive einer Einweisung in die wichtigsten Obst- und Gemüsenamen auf Tschechisch von einem überaus netten Gemüsehändler, der zwar kein Wort Englisch konnte, dafür aber umso motivierter versucht hat, mir Tschechisch beizubringen. Einzig mein Wunsch, keine Plastiktüten zu verwenden hat ihn etwas verwirrt. Das lag aber weniger an der Sprachbarriere sondern viel mehr an meinem Wunsch selbst.

Um wieder zum Thema Routine zurückzukommen – am Mittwochabend geht es dann wieder zum Sprachkurs, einen Temin, auf den ich mich jedes Mal freue. Vorausgesetzt, es regnet nicht in Strömen. Allgemein kann ich mich aber nicht über das Wetter beschweren, die wirklich verregneten Tage kann ich an einer Hand abzählen.

Donnerstags war es dann mit der Routine vollends vorbei, denn ich bekam Besuch von einem Freund aus Deutschland. Nach großem Hallo am Bahnhof machten wir noch ein wenig die Stadt unsicher, wobei sich Brno von seiner besten Seite zeigte. Denn als wir nichtsahnend auf den Freiheitsplatz schlenderten, standen wir plötzlich inmitten einer Menschenmenge, die sich um zwei, einander gegenüberstehende und lautstark singende und trommelnde Gruppen gebildet hatte. Mit meinem noch immer begrenzten Wissen über Brno und seine Gepflogenheiten konnte ich mir schließlich zusammenreimen, dass es sich hierbei um Anhänger der beiden Eishockeymannschaften der zwei großen Universitäten, Mendel und MUNI, handelte. Warum sich Brno von seiner besten Seite zeigte? Das Aufeinandertreffen lief durchweg friedlich ab, es wurden zunächst gemeinsam Spiele gespielt, bei denen alles von Mützen, über Schuhe, bis hin zu BHs gesammelt wurde  und anschließend zog der ganze Trupp brav hintereinandergehend und sich an sämtliche Verkehrsregeln haltend durch die Innenstadt bis zum Eishockeystadion. Wir stellten an dieser Stelle die These auf, dass es so einen Universitätsspirit in Deutschland eher selten gibt und dass ein solches Aufeinandertreffen vermutlich von sehr viel mehr Radau, Alkohol und Chaos begleitet gewesen wäre.

absolut friedliches Zusammentreffen gegnerischer Fans, wir waren beeindruckt.

Am Freitag spannte ich Chris dann direkt in meinen Unterricht mit ein, den wer könnte den Schüler:innen besser Fragen zum Thema „Studium in Deutschland“ beantworten, als jemand, der in Deutschland studiert? Den Freitagnachmittag verbrachten wir, wie es sich in Brno gehört, in einem Café, bevor wir uns auf den Weg zur Villa Tugendhat und anschließend in ein tschechisches Restaurant.

Svíčková – Knödel mit gekochtem Fleisch. Absolut empfehlenswert, genauso wie das tschechische Bier.

Samstags klapperten wir all jene Sehenswürdigkeiten ab, für die wir bisher noch keine Zeit hatten und machten uns auf den Weg zu gleich zwei Museen. Zum einen wollten wir die Kasematten unter der Burg Spilberk sehen – sie galten lange Zeit als eines der härtesten und sichersten Gefängnisse in Europa und zum anderen war es auch für mich an der Zeit, mich mit der Geschichte Brnos auseinanderzusetzen. Das Museum in Spilberk beherbergt neben einer Ausstellung zur Geschichte der Burg, auch Ausstellungen zu tschechischer Kunst, der Geschichte der Stadt Brno und dem Handwerk der Pyrotechnik. Alles in allem waren es am Ende fast zu viele Informationen, aber ein durchaus interessanter und lehrreicher Ausflug.

Ein Pony mitten im Stadtpark? In Brno ganz normal.

Durch solche Gitter waren die Gefangenen früher von den Aufsehern getrennt.

Ich hatte noch nie eine Ausstellung zu Feuerwerk gesehen, war aber völlig fasziniert von den Bildern.

Nachmittags trafen dann die beiden Welten in denen ich mich in letzter Zeit bewegt habe vollends aufeinander, denn wir trafen uns mit einer Schülerin. Der Anblick dieser zwei vertrauten Gesichter nebeneinander war auf der einen Seite überaus skurril, aber gleichzeitig auch total schön.

Kaffee verbindet.

Am Sonntag kam ich dann endlich auf meine Kosten, was meine Sehnsucht nach Natur angeht. Und das nach einer Straßenbahnfahrt von nur 15 Minuten. Wir wollten nämlich den Steinbruch, den man von jeder höher gelegenen Stelle in Brno sieht, erkunden. Was bei uns akribisch abgeriegelt worden wäre, wurde hier zum Naturlehrpfad, Lamazentrum und Spaziergängerparadies. Der angrenzende Wald erinnerte mich stark an den Schönbuch, meinen „Heimatwald“ und das mitgebrachte Vesper an zahlreiche frühere Wanderungen.

Meine Kulturweitverewigung (ganz klein unten am Rand)

Wie man sieht, erlebe ich trotz sich langsam einstellender Routine immer wieder Neues, über das ich noch viel ausführlicher berichten könnte als ich es sowieso schon tue. Ich bin gespannt, was die neue Woche bringt, welche Ereignisse dann die Routine durcheinanderbringen werden und sage bis dahin

„Ahoj!“