Schattentheater in Georgien

Im Südkaukasus kommt es gerne vor, dass man sich in einer Situation wiederfindet, die man noch eine Stunde davor nicht hätte erwarten können. Und so passiert es, dass ich zehn vor sieben am Donnerstagabend in einer Kunstschule nahe der Grenze zu Südossetien sitze und dem Schattentheater vier georgischer Kinder zuschaue. Wie kommt es dazu?

Etwa zweieinhalb Monate nach Beginn des Freiwilligendienstes, nach der Hälfte für diejenigen, die ein halbes Jahr bleiben, kommen die Freiwilligen aus derselben Region zusammen zum Zwischenseminar. In unserem Fall findet es in Georgien statt, genauer gesagt in Saguramo, einem kleineren Ort in der Nähe von Tbilissi und zusammen mit den vier Freiwilligen aus der Türkei, den elf aus Georgien, der einzigen Freiwilligen aus Aserbaidschan und uns, acht Armeniern.

Um die Woche, die wir ohnehin in unserem schönen Nachbarland verbringen werden, auch voll auszunutzen, fahren wir bereits am Donnerstagabend mit dem viel gelobten Nachtzug von Yerevan aus nach Tbilissi. Dieses Mal haben wir auch mehr Glück: Der Zug fährt, allerdings habe ich mir wohl an irgendetwas den Magen verdorben und muss die Fahrt noch leicht fiebernd antreten. Obwohl wir nur Holzklasse fahren sind die Betten komfortabel genug: Direkt nach der Abfahrt richten wir uns zum Schlafen ein und trotz anderthalbstündiger Unterbrechung an der Grenze kommen wir morgens immerhin einigermaßen ausgeruht in Georgiens Hauptstadt an. Ich begleite noch Eliane, eine weltwärts-Freiwillige, zu ihrem Hostel und schließe mich den anderen in der Wohnung von Julia und Tabea an, die sich, zusammen mit Merrit und Christa, dazu bereit erklären, uns für das Wochenende aufzunehmen. Nachdem wir uns bei Tee etwas ausgetauscht haben, geht es erst zu einem Kunstmarkt, dann auf zu einem Sight-Seeing-Trip; hoch zur Mother Georgia und zur Narikala-Festung: Von hier aus genießen wir einen Blick über die gesamte Stadt.

Den Abend verbringen wir entspannt in der WG bei gemeinsamem Kochen und Tabu-Spielen, ein wenig erschöpft von dem Tag nach der doch nicht ganz so erholsamen Nacht.

Dementsprechend beginnt auch der Samstag eher entspannt: Erst gegen 13.00Uhr machen wir langsam los besichtigen die Sameba Kathedrale, eine beeindruckende Kirche, die erst im Jahr 2004 fertiggestellt wurde, und werden dabei sogar zufällig Zeugen einer Hochzeit. Da unsere Gruppe doch mittlerweile sehr groß ist, teilen wir uns auf; ich gehe zusammen mit Julia, Lena, Georg, Tabea und Emely zu einem Streetfoodmarkt, wo wir den ersten Glühwein des Jahres genießen und ein paar Lari an den kleinen Handwerksständen lassen.

Den Abend verbringen wir wieder alle zusammen in einem kleinen, georgischen Restaurant, wo wir riesige Mengen an Khinkali und Khatchapuri verdrücken. Sehr satt ziehen die anderen noch weiter zu ein paar Bars, Lena und ich machen es uns bei Tabea und Julia zuhause gemütlich.

Sonntag kommen die Freiwilligen aus der Türkei an und aufgrund der Größe der Gruppe fühlen wir uns langsam wirklich wie auf Klassenfahrt. Es geht hoch zum Mtatsminda Park, wo wir Achterbahn fahren und anschließend ins Teehaus, bevor die Gruppe sich wieder teilt; mit 17 Personen gemeinsam etwas zu unternehmen ist eben doch ein wenig anstrengend.

Montag beginnt schließlich das Zwischenseminar; und zwar erst mal mit Kaffee und Kuchen, etwas, was sehr bezeichnet ist für die dort verbrachte Zeit. Wir sind nicht direkt in Tbilissi, sondern in Saguramo, und zwar in der „Nature School“. Diese sei so ähnlich wie Waldorfschulen aufgebaut wird uns erklärt, jedenfalls ist es sehr gemütlich hier: Unsere Betten stehen in Klassenzimmern und in beinahe jedem Raum ist ein Klavier.

Der Seminarinhalt ist für uns leider weniger relevant: Es gibt weniger Input und mehr Austausch; den wir allerdings in unseren drei Tagen in Tbilissi und vorher in der Türkei schon ziemlich ausführlich hatten. Die Stimmung ist dafür umso besser. Den ganzen Tag ist Klaviermusik zu vernehmen, denn Basti, ein Freiwilliger aus Georgien, nutzt die freie Zeit zum Üben.

Aus Armenien haben wir Granatapfelwein mitgenommen, Simon hat einen Chaikocher und viel türkischen Tee gebracht und die Georgier verwöhnen uns mit Chacha.

Mittwochnachmittag wurde sich dann schließlich genug ausgetauscht: Wir fahren nach Mzcheta, der ehemaligen Hauptstadt Georgiens, begleitet von Dato, dem Leiter der Schule und Experte für die Geschichte der Region.

 

Donnerstag stellt sich nun gänzlich das „Klassenfahrtsfeeling“ ein: Vormittags gehen wir Wandern, am Nachmittag steht ein Besuch im Museum an. Leider spielt das Wetter nicht ganz mit: Zwar ist es nict allzu kalt, doch über den Bergen hängen dicke Nebelschwaden.

Um 14.30Uhr machen wir schließlich in Richtung Gori los, eine Kleinstadt, die sich damit rühmt, die Geburtsstadt eines der brutalsten Diktatoren der jüngeren Geschichte zu sein: Josef Stalins.
Von Julia, Tabea und Christa hören wir schon, dass das Stalin-Museum, welches wir besuchen wollen, wohl nur bedingt historische Informationen enthält, also gibt Simon uns auf der Busfahrt hin noch ein kurzes Briefing, indem er eine Lesung des Wikipediaartikels veranstaltet.

Das Museum selber ist eher als eine Dokumentation von Personenkult in totalitären Systemen zu sehen, als als neutrale Quelle. Nur einmal wird auf Stalins „Säuberungen“ eingegangen; jedoch werden dabei lediglich berühmte georgische Persönlichkeiten als Opfer genannt. Der Rest der Ausstellung sieht ungefähr so aus:

Schließlich sollen wir uns noch die Grenze zu Südossetien ansehen (hier finden sich einige Informationen zum Südossetien-Konflikt: http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54599/georgien), wo erst einmal fünf Leute nach ihren Pässen gefragt werden; für den Fall, dass wir verschleppt werden. Ich denke nicht, das danach jemand von uns erwartet hätte, in einer Kunstschule zu landen, wo ein Bischof uns begrüßt und wir ein Schattentheater von georgischen Schülern erleben dürfen. Wir erfahren, dass an diesem kleinen, unscheinbaren Ort jährlich ein Filmfestival stattfindet, zu dem sogar Studenten aus Deutschland kommen. Zum Abschluss müssen wir als Gruppe noch etwas Deutsches vorsingen, bevor wir uns wieder auf den Rückweg nach Saguramo machen.

Auch wenn das Seminar an sich nicht unbedingt informativ oder hilfreich war, ist es eine tolle Erfahrung gewesen, die anderen wiederzutreffen; manche von ihnen zum letzten Mal, und noch einmal das schöne Klassenfahrtsgefühl zu erleben.

Hadschorutsjun!

Lucy

Türkiye

Was ein Trip…

Die Herbstferien stehen vor der Tür und damit die erste freie Woche, zumindest für uns kulturweitler, die wir an Schulen sind. Natürlich sind alle mehr als begierig darauf, umherzureisen und diesen Teil der Welt kennenzulernen. Auch wenn wir in Armenien selbst längst noch nicht alles gesehen haben, diese ganzen 9 Tage, die uns zur Verfügung stehen, möchten wir richtig ausnutzen. Und so machen wir uns am Donnerstagabend vor den Ferien zu fünft auf zu einer Reise in die Türkei; über Tbilisi nach Ankara, dort zwei Tage bleiben und schließlich weiter nach Istanbul.

Wir alle stehen mit Vorfreude auf den Nachtzug nach Tbilisi am Bahnhof. 20€ kostet dieser zwar, dafür soll es eine Erfahrung sein, die sich definitiv lohnt. Aber – wie so oft hier in Armenien – es läuft nicht alles wie geplant.
„Der Zug fällt aus“, wir sollen ein Sammeltaxi nehmen; zum selben Preis. Wir haben keine andere Wahl, am nächsten Morgen um 9.00Uhr fährt unser Bus Richtung Ankara, auch wenn das bedeutet, dass wir schon um vier Uhr morgens in Tblisi ankommen.

Die restliche Hinfahrt – 24h Reisebus – ist ebenso anstrengend, jedoch weitgehen ereignislos.

Ankara

„Wieso wollt ihr nach Ankara? Fahrt direkt nach Istanbul!“ Das durften die anderen Freiwilligen und ich uns vor dem Urlaub oft anhören und so komme ich in die Stadt, mit dem leisen Vorurteil, dass sie nicht besonders viel zu bieten hat. Zwar freue ich mich darüber, Hannah und Vincent, die wir auf dem Vorbereitungsseminar kennengelernt haben, wiederzusehen, doch vor allem sehe ich Ankara als zweitägigen Zwischenstopp vor Istanbul. Selten wurde ich in meinen Erwartungen so sehr enttäuscht!

Das liegt wahrscheinlich auch an dem jungen, etwas alternativen Viertel, in dem wir untergebracht sind, und an den freundlichen Menschen die wir treffen, doch Ankara zeigt uns ein strahlendes Lächeln bei unserem Besuch. Wir essen Falafeln, besichtigen das Atatürkmuseum, die Altstadt und die Burg und gehen Hannah und Vincent damit auf die Nerven, dass wir an den – im Vergleich nach Deutschland immer noch sehr günstigen – Preisen herummäkeln und alles in Armenische Dram umrechnen.

Zum Glück hat Karl seine Kamera mitgenommen, sodass ich dieses Mal tatsächlich Fotos in einer guten Qualität präsentieren kann.

 

Istanbul

Am Montag geht es dann mit dem Zug weiter in die größte Stadt, die ich jemals betreten habe: Istanbul, 15Millionen Einwohner. 5x Armenien, 15x Köln und fast 900x meine Heimatsstadt Remagen. Dementsprechend überfordert bin ich am ersten Tag auch, selbst die Aussicht vom Galataturm kann ich wegen Schwindel nicht richtig genießen. Erst gegen Abend, als wir von einer Mitarbeiterin des Goethe-Instituts und ihrem Mann in einen Pub eingeladen werden, komme ich etwas besser mit dem rauschenden Leben der Stadt klar.

Dienstagmorgen folgt auch schon mein persönliches Highlight unseres Trips: Das türkische Frühstück, ein Brunch in einem Café, der so satt macht, dass man bis abends nichts mehr essen muss. Ich probiere auch Sahlep, eine Gewürzmilch, die ähnlich wie Grießbrei schmeckt und stark an Weihnachten erinnert. Den Rest der Tage verbringen wir mit dem Must-See-Programm: eine Bootstour und die Hagia Sophia, die Festlichkeiten zum Nationalfeiertag (mit sehr vielen Flaggen und einem Feuerwerk, dass wir mit unserem super Timing leider verpassen, weil wir gerade in der Metro sind), eine weitere Moschee, der Bazar und außerdem eine exklusive Führung von Simon und Richard durch das Deutsche Archäologische Institut. Unfreiwillig machen wir eine weitere Bootsfahrt, als wir uns zu den Inseln aufmachen wollen und uns die Zeit vorher nicht ausrechnen, doch so bekommen wir auch noch einmal einen anderen Blick auf die riesige Stadt.

Bald kommt auch der Abschied: Freitagmorgen um 10.00Uhr machen wir uns auf zur Busstation, wo unsere 27,5h lange Fahrt beginnt. Wenigstens unsere Busbegleiterin ist etwas freundlicher, auch wenn Sie weder englisch noch russisch versteht. In Tblisi agekommen (Samstag um 16.30Uhr) trenne ich mich von den anderen: Sie wollen am folgenden Tag nach Yerevan trampen, ich steige für 25$ in ein Sammeltaxi und falle 7h später vollkommen fertig in der WG ins Bett.

Doch dieser Ausflug hat sich definitiv gelohnt!

Schulportrait

Ein eher kleineres, doch langsam sehr notwendiges Projekt: Das Schulportrait auf der pasch-net.de Website aktualisieren. Dort sind alle Pasch-Schulen gelistet, mit der Möglichkeit, sich dort vorzustellen. Auch die Hauptschule Nr. 1 in Chambarack ist dabei gewesen; dieses Schulportrait war allerdings schon sechs Jahre alt.

Also habe ich mir acht Schüler und Schülerinnen der 8. Klasse geschnappt, die ganz gut in Deutsch sind und motiviert genug, auch außerhalb der Schule ein bisschen zu arbeiten. Mit ihnen zusammen habe ich erst das alte Schulportrait gelesen und ein wenig erklärt worum es geht, danach durften sie sich aufteilen und eines der vier Themen, in die ich den Text unterteilt hatte (Chambarack, die Schule im Allgemeinen, der Deutschunterricht, die PASCH-Initiative und ihre Bedeutung für die Schule), wählen.

Eine Woche hatten sie Zeit, um Informationen zu sammeln, Fotos zu machen und einen kurzen Absatz zu ihrem Thema zu schreiben. Tatsächlich waren auch alle Gruppen, bis auf die drei Jungs, rechtzeitig fertig und ich konnte mich daran machen, die Texte zu korrigieren und sie in ein wenig geschliffeneres Deutsch zu bringen; eine Anforderung, die man 13-jährigen im Fremdsprachenunterricht nicht wirklich abverlangen kann.

Das Ergebnis findet sich unter: https://www.pasch-net.de/de/par/spo/eur/arm/3360417.html