Vorbei

Und plötzlich, von einem Moment auf den anderen, ist alles anders.

Am Donnerstag bin ich noch in der Schule, der Unterricht ist verkürzt, und ich bereite alles für das Brieffreundschaftsprojekt in einer georgischen Schule vor, dass ich zusammen mit einer anderen Freiwilligen geplant habe. Etwas Besonderes zur Weltlage denke ich mir nicht; Armenien hat offiziell immer noch nur einen einzigen Coronafall. Am Ende des Tages treffe ich noch zwei Siebtklässlerinnen, die ihren Brief an die georgischen Schüler noch nicht geschrieben haben.

„Kein Problem“, sage ich, „In Georgien sind die Schulen diese Woche noch geschlossen. Aber bringt es bitte morgen mit!“

Nachmittags gehen alle Lehrer zusammen essen, zu Ehren des Weltfrauentags. Wir schlagen uns den Bauch voll und tanzen, doch ich bin ein wenig traurig, heute habe ich erfahren, dass meine Eltern mich nicht wie geplant im April besuchen werden.

Donnerstagabend eine neue Information: Drei neue Coronafälle, Freitag fällt die Schule aus.

Und Montagvormittag, um 10Uhr, sitze ich schon wieder auf unserem Sofa im Wohnzimmer zuhause, und trinke zum Trost (endlich) echten deutschen Filterkaffee aus meiner Lieblingstasse. Wenn ich aus dem Fenster schaue keine Berge, sondern der Rhein.

Alles ging so schnell, dass es gespenstisch war. Freitagnacht die Nachricht, wir müssen zurückkehren.

Samstagmorgen wird der Flug gebucht.

Samstagnachmittag packe ich alles, was in meine Tasche passt.

Sonntagmorgen fahre ich nach Yerevan.

Montagfrüh, um 5.35Uhr steige ich in Armenien in ein Flugzeug.

Vier Stunden später (von denen drei von der Zeitumstellung verschluckt wurden), komme ich in Deutschland an.

So schlicht, so schnell.

Vorbei.

time passes by

Ob es jetzt daran liegt, dass ich vorletzte Woche meinen Laptop in Jerewan vergessen und so etwas aus dem Rhythmus gekommen bin, oder dass ich schlicht und einfach faul war – jedenfalls habe ich das Bloggen ein wenig schleifen lassen in letzter Zeit… Das wird allerdings ab heute nachgeholt 🙂

Mitte Februar nehme ich das nächste kleine, aber zumindest eigene Projekt in Angriff: Zum Valentinstag können die Schüler der 8. und 9. Klasse Grüße an ihre Freunde verschicken, wie es auch in Deutschland oft üblich ist. Näheres dazu kommt aber in einem eigenen Blogartikel ;).  Am selben Tag findet sich nach dem Unterricht eine kleine Gruppe von Schülern zusammen, mit denen ich über den

Beamer im Deutschraum  „tschick“ (nach dem gleichnamigen Bestseller von Wolfgang Herrndorf) schaue, inklusive eines grooooßen Haufen Chips, Popcorn und anderer Snacks, die wir zusammengetragen haben. Bei Interesse, der Trailer zum Film:

Eigentlich wollte ich auch eine kleine Feier zu Karneval organisieren, aber ich muss leider zugeben, dass mein Privatleben mir hier einen Strich durch die Rechnung macht: Lena, Paula und Georg; die drei Freiwilligen, die nur ein halbes Jahr bleiben, machen sich am 21. Februar zurück nach Hause, daher verbringe ich einen Abend in Yerevan, um sie zu verabschieden, was zu einer sehr emotionalen Angelegenheit wird.

Insbesondere Lena, die hier in Armenien zu meiner besten Freundin geworden ist, fehlt mir sehr und es tut weh, dass ich sie mindestens ein halbes Jahr nicht mehr sehen werde. Im Gegensatz zu meinen Freunden in Deutschland und meiner Familie gehören die drei ganz selbstverständlich zu meinem Leben hier, was mich ihren Verlust viel deutlicher spüren lässt.

Aus diesem Grund verzichte ich auf den Planungsaufwand und beschränke mich darauf, das Thema in meiner Deutsch-AG zu behandeln. Vor allem in der sechsten Klasse wird das zu einem vollen Erfolg:

Wir beginnen die Stunde damit, ein Mind-Map an der Tafel zu erstellen um zu schauen, was sie bereits über Karneval wissen oder damit verbinden. Das sind Worte wie Tanzen, Singen, Essen, Trinken, Kostüm, Feiern, Süßigkeiten. Anschließend lesen wir einen Infotext, machen Aufgaben dazu und schauen ein kurzes Video vom Rosenmontagszug in Köln. Vor diesem Hintergrund erzählen die Kinder selbst, was sie an Karneval am Interessantesten finden, als was sie sich verkleiden würden und so weiter. Das Beste kommt natürlich immer zum Schluss und ich zeige den Schülern echte, kölsche Tön, um einen Eindruck von der jecken Stimmung zu vermitteln. Weil ich mit 11-jährigen arbeite, springen sie bald von ihren Plätzen auf, beginnen in der Klasse zu tanzen und kichern ausgelassen über das Wort „sexy“. Gut gelaunt gehe ich aus diesen 45 min Karneval und freue mich darüber, die Schüler auf dem Weg nach Hause noch „Guten Morgen Barbarossaplatz“ singen zu hören.

Am Sonntag, dem 01.03. trifft das Coronavirus schließlich auch Armenien: Ein

Tjaa, jeder kennt die Standartfotostellen mit Teufelshörnern und Heiligenschein… Doch ich konnte nicht widerstehen!

Armenier, der aus Teheran zurückgeführt wird, ist erkrankt und Regierungschef und Gesundheitsminister erklären die Frühlingsferien, die eigentlich vom 23.03. bis zum 29.03. sein sollten, für vorverlegt, um das Risiko der Ausbreitung des Virus zu mindern. Meine Pläne, in den Ferien zu Arbeiten und mindestens ein Wochenende einen Ausflug zu machen, sind so nichtig, doch wenigstens muss ich keinen Urlaub für die spontane Freizeit aufbringen. Meine Woche verbringe ich mehr oder minder faul (und ein wenig feierwütig) in Yerevan, donnerstags mache ich zusammen mit Alma eine Bibliotheksrallye fürs Goethe-Institut und freitags liege ich etwas erkältet im Bett, doch insgesamt ist es sehr schön in der schon frühlingshaften Hauptstadt.

Diese beiden waren in BAK75, einer letzte Woche neu entdeckten Bar in Yerevan.

Aber auch in Chambarak ist der Wechsel der Jahreszeiten zu spüren und tagsüber klettert das Thermometer teils auf spektakuläre 14 Grad (was den Schnee, der teilweise noch in schmutzigweißen Hügeln am Straßenrand liegt, jedoch nicht zu interessieren scheint). Sogar die Hühner sind auf den Schulhof zurückgekehrt. Emma und ein paar der anderen Lehrer haben mir zwar versprochen, dass es auf jeden Fall noch einen Temperatureinsturz geben und erneut schneien wird, doch momentan genieße ich einfach die Sonne – und die Möglichkeit, wieder joggen gehen zu können!

Am Montag, den ersten Tag nach der Woche Ferien, werde ich in der Schule dadurch verwirrt, dass jeder, den ich sehe „Schnorrhavor Mart ute“ zu mir sagt: „Alles Gute zum 08. März.“ Es dauert beinahe eine Stunde, bis mir klar wird, dass sie den Internationalen Weltfrauentag meinen. Zu diesem Anlass, (als ob es in Armenien einen Anlass bräuchte), gibt es im Lehrerzimmer Torte und natürlich auch Wein und Wodka. Donnerstag plant die Lehrerschaft auch, festlich im Restaurant gemeinsam essen zu gehen, wofür der Unterricht extra auf 30 min pro Stunde verkürzt wird.

Relativ spontan besuchen mich am Dienstag Nourian und Stefan, andere Freiwillige aus Deutschland und den Niederlanden. Für ein Projekt zu filmen sind sie in Dilijan gewesen, und nachmittags fahren sie nach Chambarak. Emma erlaubt ihnen, über Nacht zu bleiben und so kann ich ihnen das kleine Dorf ein wenig zeigen und beweisen, dass es mehr als nur zwei geteerte Straßen hat, wie es in Stefans Reiseführer steht.

Hoffentlich werde ich für den nächsten Blogpost weniger lang brauchen… 😉 Momentan funktioniert meine Handykamera leider nicht, weswegen ich leider nicht allzu viele Fotos hinzufügen kann. Aber vielleicht wird sich das noch ändern!

Schöne Grüße aus Chambarak!