Mayo, Mes de la Memoria

Der Mai ist in Uruguay der Mes de la Memoria (= Erinnerungsmonat), währenddessen der Opfer der Militärdiktatur gedacht wird. Deshalb sieht man zurzeit auch besonders viele Margariten, denen ein Blütenblatt fehlt, auf Häusern, Straßen und Spruchbändern abgebildet. Die Margarite ist ein Symbol für diejenigen, die immer noch fehlen und deren Verschwinden nicht aufgeklärt wurde.

 

Dónde están? und Margarite vor dem Universitätsgebäude

Jedes Jahr am 20. Mai findet ein Schweigemarsch zum Gedenken an die Opfer, aber auch, um mehr Aufklärung zu fordern, statt. Zigtausende Menschen liefen auch dieses Jahr die Avenida 18 de Julio, eine der zentralen Straßen Montevideos, entlang und hielten Schilder mit Bildern der Verschwundenen, aber auch mit Sprüchen wie “Dónde están?” (= Wo sind sie?). Natürlich verläuft der Marsch nicht in vollkommenem Schweigen, dafür sind es zu viele Menschen, aber es ist so ruhig, wie eine solche Menschenmasse sein kann. Es brabbelt mal ein Kind, ein Handy klingelt oder jemand schlürft seinen Mate, aber wenn man die Augen schließt, würde man nicht vermuten, dass man in einer riesigen Menschenmenge steht. 

Schweigemarsch-Teilnehmer:innen mit Bildern der Verschwundenen

Gegen Ende des Marsches werden die Namen der Verschwunden vorgelesen und die Masse antwortet nach jedem Namen mit “Presente” (= anwesend). Zum Abschluss ertönt die Nationalhymne und dann löst sich der Marsch auf, es wird wieder laut und die Menschen finden in Geselligkeit zusammen, treffen vielleicht Bekannte und verschwinden, wie auch wir, in den Gassen.

Ich fand diesen Schweigemarsch sehr eindrücklich anzusehen, besonders da wir keine Woche zuvor bei der pro-palästinensischen Kundgebung dabei waren, die zwar auch sehr geordnet ablief, aber sehr viel lebendiger und lauter war. Während bei dieser Demonstration lautstark für einen Waffenstillstand proklamiert und gesungen wurde, hing über der Veranstaltung am 20. Mai eine andere Art von Schwere und Introspektion.

Ein Eindruck von der pro-palästinensischen Demo

Aber auch die pro-palästinensische Demonstration wurde in den Kontext des Mes de la Memoria eingeordnet. Während der Kundgebung am Ende wurden nämlich nicht nur Gedichte palästinensischer Autor:innen (in spanischer Übersetzung) vorgetragen, es sprach auch ein Vertreter von Serpaj*, der betonte, dass der Mes de la Memoria nicht nur die Erinnerung an das Unrecht der Militärdiktatur beinhaltet, sondern auch die Pflicht, gegenwärtiges und zukünftiges Unrecht, wie es der Zivilbevölkerung in Gaza gegenüber geschieht, nicht hinzunehmen.

 

*Servicio Paz y Justicia (= Frieden- und Gerechtigkeitsdienst); setzen sich für die Aufarbeitung der Militärdiktaturen in Lateinamerika und politische Gefangene aus dieser Zeit ein

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