Im letzten Monat haben wir uns zum Online-Zwischenseminar hier in Villa getroffen. Außerdem waren meine Tage ziemlich prall gefüllt mit Reiseplanung, Wanderungen und natürlich der Arbeit an meiner Einsatzstelle.
Obwohl die ersten Monate meines Freiwilligendienstes schon vorbei sind, sind meine To-do-Listen noch nicht kürzer geworden. Somit komme ich erst jetzt, nach über einem Monat Abstand zu meinem letzten Eintrag, wieder zum Schreiben.
Außer langer Listen gab es im November noch das kulturweit Online-Zwischenseminar. Bis vor drei Jahren fand es in Präsens, häufig sogar hier in Villa General Belgrano in Präsens statt. Denn das Dorf ist ziemlich zentral in Argentinien gelegen. Doch seit der Pandemie wissen wir, wie viel unkomplizierter und billiger die Planung von Onlineseminaren ist. Natürlich hatten wir Argentinienfreiwillige keine Lust, 5 Tage lang allein vor dem Bildschirm zu hocken. Schließlich wussten wir vom Online-Unterricht und dem einen Onlinetag des Vorbereitungsseminars nur zu gut, wie anstrengend dies sein kann. Somit entschieden sich 11 von uns, die Seminarwoche gemeinsam hier in Villa zu verbringen. Eigentlich ist es fast unmöglich, eine Unterkunft für so viele zu finden, die dann außerdem noch genügend Platz und WLAN für so viele Videokonferenz-Teilnehmer bietet. Zum Glück war meine Vermieterin Móni so lieb und hat mir bei der Suche geholfen. Schließlich nahmen wir eine Cabaña (etwa „Hütte“, häufig zur Vermietung an Feriengäste) von denen direkt gegenüber. Somit konnten wir auch das Glasfaser-Wi-Fi in Mónis Haus verwenden. Wir setzten uns letztendlich in 4er-Gruppen vor die Laptops. Es hat dann eigentlich auch echt gut funktioniert, somit konnten wir uns wenigstens zu viert unmittelbar über die Inhalte austauschen.
Unter anderem ging es um Reflexion über unsere bisherige Arbeit und das Leben an einem neuen Ort. Der Austausch mit den anderen Freiwilligen war natürlich sehr nützlich und interessant. Ich bin die einzige Freiwillige in Argentinien, die nicht in einer Stadt wohnt. Mir ist auch klar geworden, wie viel Vorteile das Leben in einem Dorf mit sich bringt. Beispielsweise muss ich keine Zeit in Busen oder Bahnen verbringen, um etwa zur Einsatzstelle zu gelangen. Ich muss nicht um fünf aufstehen und bin auch nicht erst um sechs wieder zu Hause. Außerdem ist es viel sicherer auf den Straßen. Zum Beispiel kann ich bedenkenlos nachts unterwegs sein und treffe vielleicht nur ein paar müde umherwandernde Hunde, die es irgendwie geschafft haben, ihren Gartenzaun zu überwinden. Überdies gibt es hier einen sehr guten Stressausgleich: Einen so schönen wilden Bach findet man natürlich in kaum einer Stadt. Auch Berge sind nicht weit.
Andererseits gibt es weniger kulturelle Angebote: keine Kinos, Theater, Universitäten oder große Museen. Und wenn man sich nicht so wirklich ins Zeug legt und ständig andere Sachen zu tun hat, so wie ich, dann ist es auch schwieriger, Leute kennenzulernen. Aber dafür gibt es in Buenos Aires bestimmt keine Reiterhöfe vor bergiger Kulisse!
Da muss also jeder für sich abwägen, wie viel Interesse er im Bewerbungsbogen für „Stadt“ und „Land“ ankreuzt. Ich wollte meine Chancen erhöhen bzw. konnte mich nicht entscheiden und könnte es immer noch nicht.
Des Weiteren wünschten wir Freiwilligen ein paar aktuelle Themen Argentiniens auf unserem Zeitplan, diese bekamen wir dann auch. So etwas ist sowieso Dauergast auf meinen To-do-Listen: Beschäftigung mit der politischen und gesellschaftlichen Situation im Land. Auf dem Seminar hatten wir nur deutsche Quellen. Auch sonst habe ich bisher leider noch keine komplexen Einblicke in argentinische Perspektiven gewinnen können. Dabei wäre es eine echt gute Gelegenheit, Spanisch zu lernen. Doch Politik scheint hier, wie so häufig, ein heikles Thema zu sein und für mich als Neuling ist es schwierig im Mediendschungel den Überblick über die Interessen der jeweiligen Medienkonzerne zu behalten. Aber genau wie Spanisch lernen, ist es eine Aufgabe, mit der ich im nächsten August schon schön weit gekommen sein will.
Am letzten Tag des Seminars wurde uns noch eine schlechte Nachricht mitgeteilt: Auch die Mittel für die auswärtige Bildungspolitik wurden gekürzt. Somit musste sich kulturweit schweren Herzens dazu entscheiden, das Nachbereitungsseminar im August ebenfalls in das World Wide Web zu verschieben. Zugunsten von mehr besetzten Einsatzstellen und dem Präsens-Vorbereitungsseminar, welches sehr wichtig zum Kennenlernen ist. Im ersten Moment war ich ziemlich traurig, mein freiwilliges soziales Jahr nicht schön ausklingen lassen zu können, weil ich die letzte Woche in den Fäden des Webs gefangen sein werde. Doch nun finde ich es eigentlich sogar gut, denn so kann ich die Nachmittage schon nutzen, um mich auf meinen nächsten Lebensabschnitt vorzubereiten, der ja dann schon einen Monat später beginnen soll.
In der Woche des Zwischenseminars bekam ich außerdem eine Nachricht, dass ein Paket für mich angekommen sei. Eigentlich ist es hier sehr schwierig, Pakete aus dem Ausland zu empfangen, da der Prozess beim Zoll ziemlich kompliziert ist und man häufig noch viel bezahlen muss. Doch in meinem Fall war es zwar für die Sender eher kompliziert, doch dieser Weg ist definitiv eine gute Möglichkeit, anstrengenden Papierkram zu umgeben. In den sozialen Netzwerken finden sich nämlich immer mal wieder sehr nette Leute, die aus irgendeinem Grund mit sechs Koffern Freigepäck aus Deutschland einreisen. Und manchmal brauchen sie nicht ganz so viel Platz und fragen, ob denn irgendjemand einer weit entfernten kleinen Lida etwas schicken möchte. Und so nahm der Mann mit den sechs Koffern das Paket von Mama mit dem gebastelten Adventskalender, dem Lebkuchen und all den vergessenen Sachen ganz unbekümmert mit über die Grenze. Der Weg von Buenos Aires in unser Dörfchen war dann nicht mehr weit, ich musste nur noch meinen Willy auf einem Zettel hinterlassen und durfte mein genau 5 Kg schweres Päckchen abholen.
Auch wenn die Möglichkeiten für Wochenenden in Villa General Belgrano bald ausgeschöpft sind, gibt es doch ziemlich viel spannende Sachen in der Umgebung. Zwar sind keine neuen Welten, neues Leben oder neue Zivilisationen zu erforschen, aber immerhin gibt es zwei Gebirgszüge, die allerdings schon so einige zuvor gesehen haben. Letztes Wochenende war ich zum Beispiel in La Cumbrecita. Dies ist ebenfalls ein Touristendorf voller deutscher Restaurantnamen. Allerdings ist es viel kleiner und liegt auf 1450 m Höhe in den Sierras Grandes. Die Busfahrt von VGB aus dauert ca. eine Stunde. Als ich loslief, traf ich eine Frau, die ebenfalls zu den Wasserfällen wandern wollte. Und so liefen wir zusammen. Der Ausblick vom Cerro Wank, der auf dem Weg lag, auf die grünen Weiten war phänomenal. Leider hatte ich nicht an Badesachen gedacht, sonst hätte ich mich im Cascada Escondida (versteckter Wasserfall) abkühlen können. Dieser war tatsächlich nicht so leicht zu finden. Wir mussten unseren eigenen Weg suchen, denn in der felsigen Buschlandschaft gab es keine ausgetretenen Pfade.
Auf dieser Wanderung kreisten meine Gedanken allerdings noch um etwas anderes: Ich bin nämlich mitten in der Reiseplanung für die Sommerferien! Ich werde „Travel-Office“ machen. Denn die Aufgaben, die ich von der Schule bekommen habe, kann ich auch unterwegs erledigen. Zum Beispiel auf Busfahrten, die hier über einen Tag dauern können. Ich werde von Buenos Aires, wo wir Argentinien Freiwilligen zusammen Weihnachten feiern werden, nach Ushuaia fliegen. So einen Flug, oder auch Busfahrten, im Internet zu buchen ist hier als Ausländer tatsächlich nicht so einfach. Denn aufgrund des offiziellen Wechselkurses würde alles doppelt so viel kosten, wenn ich es direkt mit meinem deutschen Konto bezahlen würde. Da ist es also gut, dass ich super liebe Leute kenne, die es buchen können und denen ich das Geld dann in Bar geben kann. Von Ushuaia aus werde ich dann in den Anden, entlang der Chilenisch-Argentinische Grenze, reisen und hoffen, dass ich es in den 1,5 Monaten bis nach Bolivien schaffe. Für so ein Abenteuer gibt es natürlich sehr viel vorzubereiten. Ich muss mir schöne Wanderrouten und interessante Städte mit spannenden Orten heraussuchen, die alle gut mit Busen verbunden sind. Ebenso muss ich mir überlegen, was ich noch so brauchen könnte. Zum Beispiel habe ich mir auch noch ein kleines billiges Zelt bestellt. Dieses war auf der hiesigen Online Plattform doppelt so teuer wie auf der in Europa üblichen. So ist das leider mit vielen Sachen. Genau erklären, warum das so ist, kann ich wie gesagt noch nicht.
Es gibt hier also sehr viele Möglichkeiten, Zeit zu verbringen. Und irgendwie habe ich so meine Zweifel, dass es irgendwann weniger werden.