Archiv für den Monat: März 2017

In Lima regnet es nie?!

Eigentlich hatte ich unter diesem Titel etwas ganz anderes geplant. Ich wollte darüber schreiben wie hoch der Wasserverbrauch in einzelnen Gegenden in Lima ist und inwiefern Wasser Teil der Menschrechte ist. Doch jetzt kam alles ganz anders.

Schon als ich im September angekommen bin erzählten mir alle : „In Lima regnet es nie!“. „Toll“, dachte ich mir „Regenschirm umsonst gekauft!“. Und tatsächlich ist das Klima hier sehr seltsam, meistens ist der Himmel bewölkt und die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Geregnet hat es aber nicht. Regen in Lima war für mich ein leichte nieseln, auch schon eine Seltenheit, aber immer noch kein richtiger Regen.

Während es in Lima trocken bleibt, herrscht in anderen Regionen Regenzeit. So regnet es in den Anden und der Selva (Regenwald) viel. Die (Nord-)Küste bleibt aber weitergehend trocken. Aber auch etwa 20km von Lima entfernt gab es schon im Januar heftige Regenfälle. Auch Anfang März auf meiner Heimreise nach Lima sah ich, dass die Panamericana beschädigt ist und kurz danach mussten wir mitten in der Wüste einen Fluss überqueren, der über die Autobahn lief. Ich habe mir nichts dabei gedacht, aber letzte Woche hat sich alles geändert.

Dienstag auf Mittwoch Nacht hat es in Lima geregnet, so stark dass am nächsten Tag noch Wasser auf den Straßen stand. Gegen 10/11 Uhr viel dann das Wasser aus, gegen Nachmittag/Abend soll es wieder kommen. Am Abend hatten wir immer noch kein Wasser, derweil sahen wir in den Nachrichten was die Huaycos (Schlammlawinen, die bei starken Regenfällen entstehen). Ganze Regionen wurden zerstört und Familien verloren ihr zu Hause. Am gleichen Abend erfuhr ich, dass die Schulen geschlossen bleiben.

Das Wasser kam 4 Tage lang nicht zurück, zwischen durch bekamen wir Wasser von der Nachbarin und stellten fest, dass unsere Tanks noch voll sind, dass Wasser nur nicht hinunterfließt. Auch konnte ich mich zwischendurch bei einer Freundin duschen, die noch Wasserreserven hatten. Gegen Samstag Abend kam wieder Wasser aus den Leitungen, Sonntag früh waren die Leitungen wieder leer. Jeden Tag wird versprochen, dass das Wasser wieder kommt. Erst am Abend und dann am nächsten Morgen – ich glaub schon gar nicht mehr dran. Es ist seltsam all die überfluteten Regionen zu sehen und zu wissen, dass uns das Wasser abgestellt wurde – Sparkurs??

Zu dem Leitungswasser kam noch ein anderes Problem – Trinkwasser. In meiner WG kochen wir das Wasser eigentlich immer ab oder filtern es. Das Wasser aus der Leitung ist sonst nicht trinkbar. Jetzt wo wir kein Wasser bekommen müssen wir uns welches kaufen – einfacher gesagt als gemacht. Schon Freitag Mittag schrieb mir eine Freundin etwas panisch es gebe kein Wasser mehr in den Supermärkten. Auch ich bin dann Mittag mit einer Freundin in den Supermarkt – die Wasserregale waren fast leer – es gab nur noch Wasser mit Sprudel oder Geschmack. Wir schnappten uns die letzten großen Flaschen mit Sprudelwasser – immerhin wohnen wir zu 6. Während unseres Einkaufs wurden wir vermehrt darauf angesprochen wo wir das Wasser gefunden haben, und ob es noch welches ohne Sprudel gibt. Die Menschen, die es sich leisten können,  fingen an Wasser zu horten. Auf der anderen Seite wurde auch viel Wasser für Hilfsaktionen gekauft. Heute waren wir in einem Supermarkt, der gar kein Wasser mehr hatte – nur noch Limos. Morgen wollen wir mit allen leeren Flaschen in die Uni gehen und hoffen, dass die Trinkwasserspender noch gehen. Laut den Nachrichten ist auch der Kauf von Trinkwasser rationiert.

Seit gestern sind auch die ersten Meldungen nach Deutschland übergeschwappt und ich werde vermehrt gefragt wie es mir geht. Es ist nicht da erste mal, dass ich so lange kein Wasser habe. Allerdings fühle ich mich etwas hilflos –  ich habe keine Ahnung ob sich die Situation bessern wird und obwohl es mich nervt kein Wasser zu haben, weiß ich auch, dass es einigen Menschen viel schlechter geht als mir im Moment. Ich sitze eigentlich nur hier und warte. Was anderes kann ich nicht tun. Ob ich mich eingeschränkt fühle kann ich nicht sagen, ich kann mich immer noch frei bewegen und fast alles machen was ich sonst auch so mache.

 

 

Warum ich im Amazonasbecken Barfuß laufen wollten…

Jetzt aber mal von Anfang an. Anfang Februar bekam ich besuch aus Deutschland, zwei Tage später ging es dann auch schon los nach Iquitos. Iquitos ist eine klein wirkende, aber eigentlich gar nicht so kleine Stadt ( 500.000 Menschen) im Regenwald Perus. Erreichen tut man sie nur per Flugzeug oder Boot, wir wählten aus Zeitgründen ersteres. Angekommen akklimatisierten wir uns einen Tag, bevor es dann in den Regenwald ging. zwei Boot, sieben deutsche und ein Peruaner später waren wir in unserem Camp – unsere Heim für die nächsten 4 Tage. Nach einem kurzen Mittagessen ging es auch schon los. Drei deutsche wurden gegen drei Frauen aus Uruguay ausgetauscht. Anweisung vom Guide: lange Sachen (Arme und Beine) und Gummistiefel – meine Leggins mit Kleid wurde abgesegnet. Schnell eine kleine Tasche gegriffen und das nötigste rein geworfen – Handy lass ich lieber im Camp, aber Regenponcho und Kopfleuchte sollte mit. Keine schlechte Idee, denn noch als wir im Boot saßen, fing es an zu regnen. Egal! Irgendwann hielten wir „mitten im nirgendwo“ im Dickicht am Rande des Flusses an. Austeigen! Ein Guide vorne Raus und einer hinterher ging es los – einfach mitten durch. Noch planschten wir fröhlich mit unseren Gummistiefeln in den Fützen. Leider wurde diese immer größer. Erst ging das Wasser bis zu den Haxen, dann bis zu den Knien und am tiefsten Punkt warteten wir Hüfttief durchs Wasser. Kein Problem, wenn der Boden unter uns geteert wäre, war er aber leider nicht. Manchmal balancierten wir auf Baumstämmen oder anderen Unebenheiten, manchmal fühlte sich der Boden unter uns an wie Treibsand und manchmal blieben wir in Wurzeln stecken. So auch ich. Ein Teufelskreis, denn bleibt man mit einem Fuß stecken, verlagert man automatisch das Gewicht auf den anderen, der wiederum automatisch tiefer rutsch. Beim ersten mal konnte ich mich noch ohne Mühe befreien, beim zweiten mal verlor ich fast meinen Gummistiefel und beim dritten mal zog ich mit beiden Händen an meinem Schuh – nix half!! Ich steckte zu tief fest. Die Guides eilten mir zu Hilfe – und weiter gings. Ich steckte sage und schreibe 10 mal fest und schon nach dem zweiten Befreiungsversuch waren meine Schuhe so voller Schlamm, dass ich nicht mehr richtig mit den Füßen rein kam. Mir kam recht schnell der Gedanke einfach die Schuhe zurück zu lassen und Barfuß weiter zu gehen. Ich verwarf den Gedanken ganz schnell wieder. Am „Ufer“ angekommen kippte ich den Schlamm und das Wasser aus den Schuhen und weiter gings. Auf unserem Weg sahen wir auch Tiere (Affen, Spinnen, Schnecken…), aber was mich wirklich beeindruckte war die Landschaft selbst. Die ganzen Pflanzen – alles so grün. Dabei vergaß ich sogar, dass mich die Moskitos von allen Seiten attackierten. So schön ich alles in diesem Moment fand so schrecklich war der nächste. Ich war ganz vorne, nur der Guide vor mir. Wir mussten wieder durchs Wasser – was solls, nass sind wir eh schon alle. Er drückte mit dem Fuß einen Baumstamm nach unten, auf dem wir balancieren können. Kaum auf dem Baumstamm hält er kurz inne, auf meine Frage was denn sei, sagt er: Ach es ist nur ein Alligator. In meinem Kopf fing alles an zu flackern, mein Herz schlug laut. Ein A-l-l-i-g-a-t-o-r????! Ich fragte zwei mal nach und wäre am liebsten umgekehrt. Unseren Guide hat das Tierchen gar nicht gestört. Mich dafür um so mehr. „Bei meinem Glück werde ich sicher ausrutschen – dem Alligator direkt ins Maul“ war mein etwas melodramatischer Gedanke. Im trockenen angekommen jubelte ich innerlich und lies mir das Tier noch einmal zeigen – ich sag nur noch den Kopf unterblubbern. Mittlerweile war es auch schon dunkel und wir waren auf dem Weg zurück zum Boot. Im Camp angekommen – erst mal duschen, essen und schnell ab ins Bett.

Die nächsten Tage waren eher entspannt – das Touri-Programm was ich von Anfang an erwartet hab: Bootstour, Tierreservate, rosa Delfine suchen und fischen.

#BeBoldForChange

Heute ist der 8. März – Internationaler Frauentag. Bis heute früh für mich ein Tag wie jeder andere, bis ein Kollege auf der Arbeit kurz inne hält und mir gratuliert – zum Weltfrauentag. Das ist mir noch nie passiert. Heute ist nämlich kein Tag wie jeder andere!

Während ich Fotos oder Viedoss auf Instagram und Facebook sehe, die zeigen was heute in der Welt gescheht, stelle ich mir immer mehr die Frage: Was für eine Rolle haben Frauen in Peru?!

Ich arbeite in einer Mädchenschule, etwa 80% meines Kollegiums ist weiblich. Aber warum?! Schon ganz am Anfang ist mir aufgefallen, dass an die Mädchen ganz andere Anforderungen gestellt werden, als an Jungen. Mädchen werden dazu erzogen stark zu sein, ihnen werden soziale Eigenschaften anerzogen und auferlegt, gleichzeitig wird aber auch Wert auf „Nachteilsförderung“ im naturwissenschaftlichen Bereich gelegt. Auch Sport kommt nicht zu kurz: Volleyball und Basketball ganz vorne. Und nicht zu vergessen Kunst. Mädchen werden zu „Alleskönnerinnen“ erzogen. Sie müssen sich ihrer Gesellschaft anpassen – nein! der männlichen Gesellschaft anpassen. Die Ansprüche an sie sind hoch, die Konkurrenz untereinander größer. Nur wenige tanzen aus der Reihe. Sie sind die Zukunft – aber sollte es das einzige Ziel der Zukunft sein starke Frauen zu erziehen?! Sollten wir nicht eine gleichwertige, gleich Starke Gesellschaft heranerziehen?!

Auf meiner Suche durch WorlWideWeb fand ich auch den World Report 2016 zu den Menschenrechten. Er zeigte mir Statistiken die ich eigentlich schon längst kannte, die ich aber längst nicht mehr im Kopf hatte. In meinem Spanisch-Kurs im Januar haben wir über politische Themen diskutiert, so auch über Genderdiscrimination. Wir waren 6 Frauen aus drei Ländern (USA, Peru, Deutschland). Frauen in Peru erfahren häufiger häusliche Gewalt (weitaus mehr als in Deutschland) und das Gesetz schützt sie nicht davor. Auch die Rate von Vergewaltigungen stieg in den letzten Jahren an, und dabei wird sich nur auf die offiziellen Zahlen berufen, die dunkle Ziffer wird weitaus höher vermutet. Auch Abtreibung wird immer wieder im Zusammenhang mit Frauenrechten genannt – in Peru ist es Verboten, Ausnahmen gibt es eigentlich keine. Aber auch im Alltag müssen sich Frauen mehr gefallen lassen. So ist die 2./3. Frage bei einem Job-Interview ob sie Verheiratet ist oder Kinder hat. Die Antwort (oder Nicht-Antwort) darf mit einbezogen werden, ob eine Frau die Stelle bekommt.

Jetzt habe ich viel dazu geschrieben, gegen was Frauen „ankämpfen“ müssen. Jetzt möchte ich aber lieber schreiben was ich, in Peru, gesehen habe. Ich kenne natürlich nicht alle Frauen und habe nicht mit allen ein persönliches Verhältnis, das alles beruht auf meiner persönlichen, subjektiven Erfahrung und soll keines Wegs Männer schlecht dastehen lassen.

Wenn ich an die Frauen hier denke, denke ich an herzliche Menschen. Menschen die mir geholfen haben, wenn ich mich verlaufen habe, die mich angelächelt haben wenn ich einen schlechten Tag hatte, die ohne mich zu kennen mich angesprochen haben und mir von sich erzählt haben. Frauen die ihr eigenes Geschäft haben und gleichzeitig ihre Familie lieben. Frauen,die jeden Tag Opfer bringen. Frauen, die nie aufgegeben haben. Frauen, die an allen anderen vorbei gerannt sind, um ans Ziel zu kommen. Frauen, die dankbar sind für ihre eigenen Privilegien.  Frauen, die stolz darauf sind wer sie sind. Frauen, die immer positiv sind…

Zum Schluss möchte ich noch einer ganz besonderen Frau, die leider gerade nicht in Peru ist, danken – nämlich meiner Mutter. Ohne sie wäre ich niemals jetzt da wo ich bin. Sie hat mich immer und in allem Unterstütz wo und wie sie nur kann. Und auch wenn ich es nicht immer gesagt habe bin und werde ich immer dankbar sein für alles was sie für mich getan hat. Denn ohne unsere Mütter sind wir niemand. DANKE MAMA!!!