Packhass – Klappe, die hundertfünfzehnte

Nach zwei Monaten wieder in den Blog eingeloggt, mit ein bisschen schlechtem Gewissen und dann steht da dieser Kommentar bei meinem Nutzernamen – @theresaprl ist Alumni.

Ich bin den letzten Tag in meiner Wohnung, mein Koffer ist viel zu wenig gepackt, Stimmung und Himmel sind grau und ich muss morgen zu einer unaussprechbaren Uhrzeit am Flughafen sein. Umarmungen wurden ausgetauscht, Toasts ausgesprochen. @theresaprl ist Alumni. Nur switcht man selbst nicht so einfach um, wie es dein Blogstatus tut.

Ich bin dankbar für den Strand, der acht Minuten von meiner Wohnung entfernt liegt, für meine Lieblings-Viertklässler, für Kaffee in der Küche mit meiner Mitbewohnerin und besten Freundin (s/o to Amina). Ich bin dankbar für ein Jahr, das mir von Estnisch bis zu einer gesunden „Was-nicht-passt-wird-passend-gemacht-Einstellung“ so viel beigebracht hat. Ich bin dankbar, dass ich diese Möglichkeit hatte.

Eigentlich will ich garkeinen Blogeintrag über Abschied und Ende schreiben. Ich will lieber über die großartigen Momente schreiben, die ich hier hatte.

Zum Beispiel, als ich mit Aaron bei einem Wandertrip durch Estland auf einer randomn estnischen Sommerhausparty landete und wir dreckig und mit Wanderrucksäcken zum Bleiben und Mitfeiern eingeladen wurden.

Zum Beispiel, als ich mit Fanny in Minsk bei Nieselregen die beste Tretboottour hatte, die die Menschheit je gesehen hat und wir dann mit Steffi die Nacht durchquatschten, obwohl ich um fünf zum Flughafen aufbrechen musste.

Zum Beispiel, als ich mit meiner Familie keinen Elch sah und trotzdem einen großartigen Urlaub in den drei baltischen Ländern hatte.

Zum Beispiel, als zwei Deutsche, die in Estland arbeiten, von Norwegen nach Schweden reisten und in einem Kino einen Englisch untertitelten Film über drei Inder sahen, die nach Spanien reisen.

Zum Beispiel, als ich gestern in meine Wohnung kam und eigentlich nicht viel tun wollte – und dann waren da diese sieben Leute, die sich wegen meiner Überraschungs-Abschiedsparty heute übermüdet aus dem Bett quälen.

Aitäh. Und ich weigere mich Tschüs zu sagen. Ich sage auf Wiedersehen.

 

Where the sun never sets

Im estnischen Winter gibt es ein Credo, das einen so ziemlich überall begleitet: im Sommer ist das (durch beliebige(n) Ort/Aktivität ersetzen) bestimmt sehr schön. Oder, alternativ: das mache ich im Sommer, da lohnt es sich mehr.

Das führt natürlich dazu, dass man alles auf den Sommer verschiebt und dann mit Entsetzen feststellt: der Sommer hat ja nur drei Monate! :0

Und der Sommer in Estland ist wirklich (Achtung: kitschig aber wahr) wunderbar. Vergessen sind die Tage, in denen die Bürgersteige einer Schlittschuhbahn glichen, vergessen sind die 10 Schichten, die Winterjacken, die erfrorenen Finger, die Dunkelheit.

War das schlimm? Manchmal.

Was hilft? Vitamin-C-Tabletten, schwimmen gehen, Tee, gute Freunde.

Lohnt es sich? So, so sehr. (Nicht nur, aber auch, weil danach der Sommer kommt.)

Es ist 18 Stunden hell am Tag – man weiss manchmal nicht: ist es schon oder noch hell? Ich gehe ohne Jacke aus dem Haus, ich liege in der Sonne am Strand und friere nicht, trotz Ostseewindes. Ich sehe meine Koffer drohend auf dem Schrank liegen. Natürlich sagt es jeder am Ende seines Auslandsjahres: die Zeit rennt. Aber das macht es nicht weniger wahr.

Und natürlich finde ich, genau wie jeder andere, jetzt sei gerade nicht die Zeit zu gehen. Aber das muss so sein, denke ich.

In der Schule reiht sich Festakt an Festakt, die besten Schüler werden ausgezeichnet, es wimmelt von Blumen, Schokolade und Ferienvorfreude. Mittendrin die Deutsche, die inzwischen auch irgendwie dazugehört.

Jede Zeit ist umso kürzer, je glücklicher man ist. (Credit: @Gaius_Plinius_Secundus_Maior, 23-79 n. Chr.)

Natürlich freue ich mich auch wieder auf Deutschland. Auf Kulturveranstaltungen, wo ich problemlos alles verstehe, auf neue Herausforderungen und immer und vor allem auf die Menschen.

Estland hat mir viel beigebracht, über mich selbst, andere und die Welt. Und noch bin ich hier und sehr dankbar dafür. Für den Sommer ist viel geplant. Ich werde am Wochenende nach Tartu reisen, das Jugendsängerfest und die Mittsommernacht fallen auf Ende Juni, ich möchte nach Oslo, St. Petersburg und Stockholm. Und eigentlich auch dringend nach Minsk, Budapest, Moskau, Tiflis, Brest, Pärnu, Kaunas und noch mal nach Narva. Ein Sommer ist kurz – aber das Leben geht ja weiter.

 

 

Der Tag, an dem ich beschloss, einen Schwarzwälder Kirschkuchen zu backen

Meine Kollegin und ich planen ein DACHL-Projekt.

Brainstorming in einem Café, euphorische Stimmung.

Thema berühmte Persönlichkeiten? Zeitstrahl – Schnitt

Thema Sehenswürdigkeiten? Rechercheauftrag – Schnitt

Thema Essen – Close up

Es fällt der fatale Satz.

„Dann kann ich für die vierte Klasse einen Schwarzwälder Kirschkuchen backen.“

 

Später – Selbstzweifel

Mutter und Oma raten von der Operation ab

Zu schwierig, sagen sie

Das Risiko sei zu groß

In mir erwacht ein trotziger kleiner Funke Entschlossenheit.

Ich werde diesen Kuchen backen.

 

Es ist ein Kampf.

Ich gegen die langsam entstehende Torte.

Ein Kampf, der zwei Tage andauert.

Wir tragen beide Wunden davon; ich Verbrennungen, der Kuchen diverse Schnittwunden.

Erschwerend kommt hinzu, dass ich den Unterschied zwischen Toidu- und Vahukoor partout nicht verstehe – bis zu jenem schicksalshaften Moment gegen 00:30 Uhr, als ich letztendlich aufgebe die Kochsahne (per Hand, einen Mixer besitze ich nicht) steif schlagen zu wollen.

 

Und doch.

Stolz kann ich verkünden: es hat sich gelohnt.

Als ich den Kuchen in die Klasse trage, vergehen drei Sekunden nahezu absoluter Stille.

Dann bricht eine Euphorie los, die ich selten erlebt habe.

Drei Kinder schwören mir spontan ewige Liebe und Treue, zwei sind in Ohnmacht gefallen, vom Rest hört man „Kuchen“-Schreie auf Estnisch und Deutsch.

Ich backe nie wieder für Erwachsene!

 

Die schlechte Nachricht: die fünfte Klasse will jetzt auch einen Kuchen.

 

 

 

– some catchy title about how fast 6 months can pass –

Während einige meiner Mitfreiwilligen gerade wieder an den Werbellinsee zurückkehren, bricht für mich die zweite Hälfte meines Freiwilligendienstes an.
Und um die typischen Klischees aller Auslandsjahrblogschreiber zu erfüllen: ja, die Zeit ist wahnsinnig schnell vorbei gegangen. Gerade, wegen allem, was ich erleben durfte. Seit Weihnachten kann man jeden Tag ein größeres Stück blauen Himmel sehen und ich merke, ich bin erst jetzt so richtig angekommen. Die Luft riecht nach Frühling, Tallinn und meine Reisemotivation wachen wieder auf.

Im Januar war mich Rebekka aus Vilnius besuchen und wir sind zusammen in die chinesische Neujahrsfeier auf dem Vabaduse Väljak gestolpert. Da ich Silvester in Deutschland verbracht habe, war es für mich besonders schön doch noch ein Feuerwerk in Tallinn sehen zu können.

Auch in Tallinn wird Mitte Januar das Jahr des Hahns mit einem Feuerwerk begrüßt


Ein Tourifoto an Tallinns beliebtestem Aussichtspunkt darf natürlich nicht fehlen!

An meiner Schule gab es dann in Februar einen Wintersporttag, bei dem die ganze Schule in ein Wintersportressort 45 Minuten entfernt von Tallinn fährt. Dort bin ich das erste mal in meinem ganzen Leben Ski(-Langlauf) gefahren. Ich lag ca 70% der Zeit auf dem Boden und wurde permanent von meinen Schülern überholt, die mir im Vorbeifahren mitleidige Blicke zuwarfen. Trotzdem habe ich mich nicht entmutigen lassen und hatte am nächsten Tag Muskelkater in Teilen meines Körpers, denen ich zuvor noch nie Beachtung geschenkt hatte 😀

Teil der Langlaufstrecke in Anija

Danach haben einige Freunde und ich es endlich geschafft einen Ausflug nach Helsinki zu machen. Trotz des nicht besonders großartigen Wetters haben wir unsere 10 Stunden in Helsinki vollkommen ausgenutzt: Franka hat uns hervoragend herumgelotst, wir haben Handstand auf der gefrorenen Ostsee gemacht, Karamellsoße gekauft und das süßeste Kaffee der Stadt besucht (falls jemand demnächst nach Helsinki fährt: Regattacafé).

Sibelius Monument in Töölö, Helsinki – mit der vergleichsweise sehr kleinen Autorin darunter

 

„Kriegen wir das noch mal hin alle gleichzeitig in der Luft zu sein?“

 

Zu unserer Verteidigung: sowohl der Laternen-Vandalismus durch den Aufkleber, als auch die Zerstörung desselbigen durch Tipex waren bei unserem Eintreffen schon erfolgt. Wir haben nur den netten Hinweis auf Tallinn hinzugefügt ?

 

Und an diesem Wochenende haben wir uns auf den Weg zu einem alten Gefängnis in Rummu, 1,5 Stunden von Tallinn gemacht. Es liegt in der Mitte eines Steinbruchs, der mit Wasser vollgelaufen ist und wohl im Sommer ein beliebter Ort zum schwimmen ist. Aber auch im Februar war die Eisdecke war an einigen Stellen aufgeschnitten und ein Eistaucher in Neopreenanzügen schnorchelten unter dem Eis entlang.

Auch im Winter war der Besuch ein tolles Erlebnis, wir konnten auf dem ganzen See herumlaufen und sogar in das alte Gebäude auf dem See hineingehen – das normal nur schwimmend „betreten“ werden kann!

Volle Konzentration beim Erklimmen der Schotterberge


Aussicht von der Mitte des gefrorenen Sees


In einem Teil des alten Gefängnisses „Murru“ auf dem See


Die Esten wissen genau, wie das Wetter am besten zu nutzen ist!


Loch der Eistaucher

Zum Abschluss dieses Beitrags noch ein Bild, aufgenommen von der Stadtmauer Tallinns: man kann sehen, wie sich die Farben langsam ihren Platz im Stadtbild zurückerobern. Diese Stadt ist einfach schön. Tallinn, ma armastan sind!

Edit: Dieser Beitrag ist für Alessio, der mich genötigt hat endlich wieder etwas zu schreiben. Außerdem ist er für Tamina, die heute Geburtstag hat (♥) und für meine Omas, die meinen Blog immer als Erste lesen. Und natürlich für alle, die bis hier unten gelesen haben. Danke!

Uns geht es klasse, das Wetter ist super!

Dieser Beitrag handelt von einem adstringierenden Wochenende (das kein Wochenende war, sich aber wie eines anfühlte), vom Wetter (weil sich Deutsche im Ausland gerne beschweren) und vom Neuanfangen nach den Weihnachtsferien.

Um die komplette Wetterthematik schnell und effizient abzuhaken: ich habe das erste mal wirklich winterliche Temperaturen erlebt. Hier ein Bild aus dem Park hinter meinem Haus und zwei wundervolle Zitate meiner Freunde aus den letzten Wochen.

-draußen sind es -15°C, es stürmt, wir essen bei einer Freundin zu Abend, diese wird angerufen-
Anrufer: „Hallo, wie ist denn das Wetter bei euch?“, Amina (enthusiastisch): „Super!!“
-Verwirrung im Raum-
Amina: „Achso, ich dachte du fragst wie es mir geht…“

Aaron: „I can’t feel my hands when I’m in Estonia, but I love it, but I love it…“
(Zu der Melodie von „Can’t feel my face“ – The Weeknd)

maximal mögliches Zeigen des Gesichts ohne die Gefahr Nase und/oder Ohren zu verlieren

Natürlich übertreibe ich, momentan sind es wieder +5°C und alle freuen sich und sagen Dinge wie: „Wow, heute ist es voll warm, ich habe nicht mal lange Unterhosen an und kann meine Schienbeine trotzdem noch spüren!“ (sofern man eine gemeinsame Sprache hat, in der derart präzise Beschreibungen möglich sind).

Das kalte Wetter hat aber natürlich auch schöne Seiten, zum Beispiel die Eisbahn in der Nähe vom Vabaduse Väljak, auf der man mit einem tollen Blick auf die Altstadt seine Runden drehen/hinfallen kann.

Bevor ich in den Weihnachtsferien Urlaub in Deutschland machte, habe ich zusammen mit einer Kollegin einen Ausflug der 6ten Klasse zum Hafen begleitet – was auch für mich eine tolle Gelegenheit war das maritime Museum zu besuchen und die alten Schiffe anzusehen.

Ein Schnappschuss von einem Boot im alten Wasserflughafen

In der Weihnachtszeit sind Pfefferkuchen die wohl beliebteste Süßigkeit. Auch in der Schule haben wir sie mit einigen Klassen gebacken! Der hier abgelichtete ist allerdings ein Geschenk einer Schülerin gewesen und wurde Sekunden nach dem Foto enthauptet 😉

Als ich nach einem sehr schönen Weihnachten zuhause in Deutschland an meinem zuhause in Tallinn ankam, wartete vor der Tür schon ein hungriger und verfrorener Gast aus Belarus auf mich 😀 (Anmerkung: das Wort zuhause ist irgendwie problematisch geworden und führt immer zu Unklarheiten, weil ich selbst durcheinander komme, wann ich mit „zuhause“ Deutschland und wann meine Wohnung in Estland meine). Zusammen sind wir immer zu lange wach geblieben, haben uns mit Önologie und den wirklich wichtigen Fragen des Lebens befasst, Black Mirror geschaut und die Probleme der „generation y“ erörtert. Danke Aaron! Es war mir ein Fest!

Am vergangenen Wochenende verbrachte ich einen Abend bei einem Freund in der kleinen Stadt Paide (8000 Einwohner) in der Mitte Estlands. Hier habe ich neue Ideen gesammelt, was es in den kommenden Monaten zu tun und zu ändern gilt, ich bin sogar so motiviert, dass ich mir einen Wecker und einen Kalender zur besseren Zeitplanung und -nutzung angeschafft habe!

In meiner zweiten Arbeitswoche hier muss ich mich erst einmal wieder etwas einfinden, ein großes Thema an der Schule ist aber momentan der Wettbewerb „KSG sucht den Superstar“, bei dem die Kinder deutsche Lieber vortragen werden und gerade mit der Songauswahl beginnen. Ich wurde für die Jury rekrutiert, habe große Angst jemanden zum weinen zu bringen und überlege vorher zur Einstimmung etwas DSDS zu sehen.

Langsam werden die Tage wieder länger und ich habe einen Chor gefunden, dessen Arbeitssprache Englisch ist (Juhu! Wer es nicht mitbekommen hat: meine Versuche einen estnischen Chor zu besuchen wurden durch die Sprachbarriere etwas beeinträchtigt. Einmal fand ich mich in einer Volkstanzgruppe wieder, weil die Probe verlegt worden war – das war in der Infomail aber irgendwie an mir vorbeigegangen).

Nach diesen Momentausschnitten meiner letzten Wochen wünsche ich allen eine gute Zeit = head aega! Bis zum nächsten Mal!

You’ve changed – I’d hope so

Die verbleibende halbe Stunde vor dem Sprachkurs könnte ich entweder mit der panischen und verspäteten Wiederholung von Estnischvokabeln verbringen, oder mich diesem Blog widmen… Tja, was soll ich sagen: vabandust, ma ainult rägin natuke eesti keelt.

In den letzten zwei Wochen habe ich die Möglichkeit bekommen Kiev und Lviv zu erkunden und eigentlich ist mir erst dadurch klargeworden, wie wohl ich mich in Tallinn inzwischen fühle. Zwar war mir klar, dass Kiev etwas sechs mal so groß ist wie Tallinn und dass dort Ukrainisch und Russisch gesprochen und daher auch Kyrillisch geschrieben wird… aber trotzdem war ich irgendwie nicht darauf vorbereitet orientierungslos am Bahnhof zu stehen, ohne Straßennamen lesen zu können. Letztendlich haben wir unser Hostel aber doch gefunden. Zusammen mit anderen Freiwilligen haben wir die Stadt erkundet, versucht den Umrechnungskurs der Währung zu verstehen und die Geschichte der Ukraine nachzuvollziehen. Für mich waren es sehr spannende Tage und es war auch schön sich mit den anderen „Osteuropafreiwilligen“ austauschen zu können. (Falls hier jemand mitliest: Danke für viele spannende und lustige Gespräche!)

Hier im folgenden ein paar Eindrücke (unstrukturiert durcheinander geworfen):

Nationaloper in Lemberg in der Abendsonne

Nationaloper Lembergs in der Abendsonne

Portrait von Sergej Nigojan, dem ersten Toten bei den Prostesten auf dem Maidan 2013/2014

Portrait von Sergej Nigojan, dem ersten Toten bei den Prostesten auf dem Maidan 2013/2014

p1090344

Künstlermarkt in der Innenstadt in Kiews

Künstlermärkte in der Innenstadt in Kiews

Kunstwerk in der Altstadt Kiew (durch Zufall auf der Suche nach der nächsten Metrostation entdeckt)

Kunstwerk in der Altstadt Kiews (durch Zufall auf der Suche nach der nächsten Metrostation entdeckt)

p1090329

Von Studenten designtes Viertel in Kiew - und ich :D

Von Studenten designtes Viertel in Kiew – die Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“ und die Autorin, wetterfest eingepackt!

Wieder zurück in Tallinn erwarten mich einige organisatorische Sachen, Weihnachtsstunden in der Schule und Christmasshopping. Ich versuche Barrégriffe auf der Gitarre zu lernen und scheitere mal mehr, mal weniger 😀

Sonnenuntergang über meiner Schule, heute gegen 3 Uhr

Sonnenuntergang über meiner Schule, heute gegen 3 Uhr #nofilter

ce5de083-384a-4d08-921f-22fdfb13d44f

Mein Lieblingscafé in Tallinn will uns etwas über Optimismus beibringen: an einem regnerischen Tag und 3°C Außentemperatur Tische nach draußen stellen!

Schon nach drei Monaten hier merke ich, dass ich einiges gelernt habe (wie koche ich Reis, was ist Diplomatie und wie rettet man sein Handy, wenn es ins Klo fällt) und noch vieles lernen werde. Der Titel des Beitrags war heute in meinem Adventskalender und er trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf. Trotzdem freue ich mich, alle meine Lieben an Weihnachten wieder drücken zu können und hoffe, dass dort vieles beim Alten geblieben ist.

Ich wünsche allen eine schöne Weihnachtszeit und (falls ich zu faul bin bis dahin noch mal zu schreiben) kommt gut ins neue Jahr!

As time goes by

Nach etwas über 2 Monaten in Tallinn steht nun das Zwischenseminar bevor, das in meinem Fall eher Anfangsseminar heißen sollte. Ende der Woche werden Anita, ich und meine Erkältung (die sich mir über das Wochenende wie ein etwas anstrengender Bekannter aufgedrängt hat) in die Ukraine reisen, um unsere Erfahrungen mit anderen Kulturweitlern auszutauschen.

Während der letzten zwei Wochen habe ich angefangen die SchülerInnen bei ihren DSD Präsentationen zu unterstützen und habe mir fünf Filme beim Pöff-Festival for the black nights angesehen. Eine sehr dringende Empfehlung an alle Filmfreunde: „I, Daniel Blake“. Am Wochenende wurden in unserer kleinen Wohnung außerdem in einer etwas verfrühten Weihnachtsaktion Plätzchen gebacken, einschließlich heißen Punschs und amerikanischer Weihnachtsschlager. Es war mir ein Fest! Obwohl ich mich nach zwei Monaten doch schon etwas eingelebt habe, freue ich mich sehr an Weihnachten mal wieder Gespräche mit family und friends führen zu können, ohne das obligatorische „Hörst du mich?“ – „Haaaallo“ – „Nee, check ma dein Mikro“ – „Also bei mir bist du grad eh hängen geblieben“.

Gleich mehrere kleine Überraschungen kamen diese Woche aber auch hier in Tallinn an:

Ein kleiner Engel von meiner Familie und ein Adventskalender von den besten Freunden ♥

Ein kleiner Engel von meiner Familie und ein Adventskalender von den besten Freunden ♥

Außerdem hatten wir hier in Tallinn schon den ersten Schnee, der tatsächlich kalt ist (ehrlich?) aber daher auch viel weniger nass als in Deutschland und deshalb eigentlich ganz angenehm. Außerdem macht Schnee den grauen November viel heller. Für die folgenden Bilder, die bei einem Spaziergang nach der Schule entstanden sind, habe ich aber trotzdem Erfrierungen zweiten Grades an meinen Zehen in Kauf genommen. (Ja Oma, ja Mama, ich kaufe mir noch vernünftige Winterstiefel, versprochen! Grade liegt sowieso kein Schnee mehr.)

Sonnenuntergang im Park (ca 16:00 Uhr)

Sonnenuntergang im Park (ca 16:00 Uhr)

Schloss im Kadriorg Park im Schnee

Schloss im Kadriorg Park im Schnee

Ansonsten genieße ich die vielen Möglichkeiten, die Tallinn bietet. Obwohl ich nicht wirklich aus einer kleinen Stadt komme, ist die die Auswahl an kulturellen und kulinarischen Möglichkeiten für mich doch etwas Besonderes. Gleichzeitig liegt in Tallinn aber trotzdem alles sehr nah zusammen und selbst ich kann mich inzwischen ganz gut orientieren. An der Kasse kann ich, wenn ich sehr sehr wenig rede als wortkarg und unhöflich statt als Ausländer durchgehen. Noch kein Erfolg auf voller Linie, ich weiß. Aber naja, wie heißt es bei Pipi Langstrumpf so schön? „Damit sie etwas hätte, in das sie hineinwachsen könne.“ That’s what this is all about.

Die Viru-Tore am Nachmittag (16:00 Uhr)

Die Viru-Tore am Nachmittag (16:00 Uhr)

Restaurant in Telliskivi...

Restaurant in Telliskivi…

...mit deutschen Stickern zur Weltverbesserung!

…mit deutschen Stickern und deutscher Ironie!

Nicht alles hier ist einfach, nicht jeder Tag ist ein guter und auch das Leben im Ausland ist etwas, was ganz real geschieht. Mit allen Hochs und Tiefs und einigen zusätzlichen Problemen, wie zum Beispiel in einem Supermarkt Senf zu finden, wenn du nicht weißt, was das auf Estnisch heißt und dein Internet nicht funktioniert. Wenn du das allerdings geschafft und außerdem den zweiten Kartoffelsalat deines Lebens für das Stundenthema „Deutsches Essen“ mit der 6AB produziert hast – dann ist das schon ein gutes Gefühl.

Until next time – over and out!

Im Regenmantel durch Riga

Hinter mir liegt meine erste Woche Ferien hier in Estland. Es war eine Woche voller neuer Eindrücke, diverser Museumsbesuche und ja, leider auch voller Regen. Relativ spontan habe ich mich am Dienstagabend (23:30 Uhr) entschieden am Mittwoch (08:00 Uhr) nach Riga zu fahren. Was eigentlich mit meiner sonstigen Organisationsleidenschaft nicht zusammenpasst, hat sich als eine gute Entscheidung herausgestellt.

Riga empfängt mich zwar mit einem grauen Himmel, aber mit (im Vergleich zu Tallinn sommerlichen) 9°C! Ich werde von den in Riga temporär beheimateten Kulturweitis freundlich aufgenommen und beherbergt (danke an Barbara und Leo, falls ihr das lest!). Dadurch nehme ich am ersten Abend auch an einem Tanzabend in einer Bar teil, bei dem typisch lettische Volkstänze getanzt werden. Obwohl ich mich „nur“ bei drei Tänzen auf die Tanzfläche traue, genieße ich die Stimmung sehr. Letten tanzen mit Internationals, Profis mit blutigen Anfängern; Alter, Geschlecht und Nationalität spielen keine große Rolle. Die lettischen Volkstänze kommen mir geselliger vor als deutsche Tänze, weil die Pärchen miteinander interagieren und auch im Tanz durchwechseln.

Der folgende Tag ist trotz mäßigen Wetters zum Sightseeing bestimmt. Nach einem Frühstück im Lesecafé Kafka lasse ich mich durch die Stadt treiben und bestaune, was der Stadtführer als sehenswert betitelt. Riga hat schöne alte Gebäude und ein nettes Stadtzentrum, das zwar an Tallinn erinnert, allerdings deutlich größer ist.

Aber, macht euch selbst ein Bild:

p1090246p1090248p1090255p1090276p1090267
Neben dem Sightseeing besuche ich das Museum am Domplatz und zusammen mit Barbara auch das Nationalmuseum Lettlands. Sowohl das lettische, als auch das estnische Nationalmuseum kann ich nur sehr empfehlen. In den Kunstwerken der (Post-)Sowietzeit stellt sich die Geschichte sehr eindrücklich dar. Ein weiteres Highlight ist für mich die Architekturausstellung im Museum in Riga.
Im 5. Stock öffnet sich ein komplett heller Raum, der irgendwie luftleer wirkt. Das Einzige, was ihn füllt, sind die Farben und Gedanken der Besucher.

p1090301

Abends werde ich durch einige gemütliche/sehenswerte Bars in Riga geführt. Am nächsten Tag geht es schon wieder nach Tallinn, wobei der Bus während den vier Stunden Fahrzeit die estnische Stadt Pärnu und ansonsten hauptsächlich Felder und Wälder durchquert.

Heute war mein erster Schultag nach den Ferien; auf der Gitarre versuche ich grade „Wish you were here“ von Pink Floyd zu lernen und für meinen Sprachkurs sollte ich mich noch mit den estnischen Bezeichnungen für Lebensmittel auseinandersetzen. Gerade brechen Sonnenstrahlen durch die dichte Wolkendecke, die seit Tagen über Tallinn liegt (lag?). Juhu!

Let the sunshine in! https://www.youtube.com/watch?v=6RmXXTPrOgA
Alles Liebe, head aega und bis bald!

Moor und mehr

Ein weiterer großartiger Artikel aus dem Leben einer Kulturweitfreiwilligen mit den spannenden Themen:
Was habe ich die ganze Zeit so getrieben und bin ich vielleicht an meiner Erkältung gestorben?

Mir geht es gut, ich lebe und ich habe die unbestreitbare Realität in Estland akzeptiert: perfektioniere den Zwiebellook oder sterbe einen schleichenden aber unaufhaltsamen Kältetod (an dieser Stelle mein vollstes Mitgefühl und viele warme Gedanken an meine Mitfreiwilligen in Russland oder der Mongolei!). Ich habe meine Erkältung überstanden ausgestattet mit zwei Hosen, zwei Paar Socken und vier Oberteilen am letzten Wochenende mit Anita und Leo aus Riga das Moor im Lahemaa Nationalpark erkundet. In so einer Landschaft zu stehen kommt mir immer ein bisschen unwirklich vor, als wäre ich versehentlich in ein Kalenderbild gefallen und würde dort jetzt feststecken.

Der Jägala-Wasserfall ist mit 8m Höhe der höchste natürliche Wasserfall Estlands. Im Winter soll das Wasser frieren, sodass man hinter einer Eiswand laufen kann!

Der Jägala-Wasserfall ist mit 8m Höhe der höchste natürliche Wasserfall Estlands. Im Winter soll das Wasser frieren, sodass man hinter einer Eiswand laufen kann!


Zwei Kulturweitler erkunden das estnische Moor. Man beachte die minusgradtaugliche Multifunktionskleidung der Autorin.

Zwei Kulturweitler erkunden das estnische Moor. Man beachte die minusgradtaugliche Multifunktionskleidung der Autorin.


p1090206

Impressionen aus dem Moor. Beschreibung kann sich hier jeder individuell denken.

p1090168 p1090180 p1090191 Wahnsinnig schöne Eindrücke, die einen für die kleinen „Was-mache-ich-hier-eigentlich-noch-mal-und-warum-genau?“-Momente entschädigen. Gefehlt zur vollkommenen Perfektion hat eigentlich nur noch ein Elch, der friedlich grasend durch die Weiten zieht. Finden wir schon auch noch!

Ein altes Gebäude eines sowjetischen Armeestützpunkts, den sich die Natur lansam zurückerobert.

Alte Gebäude eines sowjetischen Armeestützpunkts, den sich die Natur lansam zurückerobert.


Spooky House!

Spooky House! credits to Anita, die das Bild gemacht hat (für viele ihrer tollen Bilder: anitarudat auf Instagram)!

Ansonsten habe ich meinen Sprachkurs begonnen und schlage mich mit meiner zu deutschen Aussprache und Verben wie teie töötate (=sie arbeiten) herum. Ich kann mich vorstellen (Mina olen Theresa), erklären, dass ich Deutsche bin (Mina olen Sakslane) und dass ich kein Wort verstehe (Ma ei räägi eesti keelt!). Das zählt schon fast als Konverstation!

Auf der Gitarre kann ich inzwischen schon acht Griffe und in der Stadt verlaufe ich mich immer weniger. Soweit das Neuste aus dem Baltikum, liebe Grüße an euch alle!


When your dreams ‚come alive you’re unstopable – Delacey

Grenzgänge

Meine Füße sind kalt, meine Hände auch, im Wasserkocher sprudelt Wasser für den dritten Tee. Ich glaube, ich werde krank. Edit: Befürchtung hat sich bestätigt.

Diese Woche waren Austauschschüler aus Stuttgart am KSG, was mir die Möglichkeit gab einen Ausflug der Gruppe nach Narva zu begleiten. Narva ist die östliche Stadt Estlands, durch die der gleichnahmige Fluss fließt. Dieser stellt die Grenze zwischen Estland und Russland (und somit die EU-Außengrenze) dar. Ein bisschen verbindet mich auch persönliches Interesse mit der Stadt: ich hatte mich dort auf einen Platz in einer NGO beworben, bevor ich das Angebot von Kulturweit bekam. Wo wäre ich gelandet?

Nach gut zweieinhalb Stunden steigen wir aus dem Zug 220 Tallinn-Narva. Der Zug fährt hier drei mal am Tag, immer auf der gleichen Strecke hin und her. Aus dem Nebel, der uns seit dem Aufstehen begleitet, schaut uns ein gedrungenes Bahnhofsgebäude entgegen. Drinnen mutet es für mein Gefühl noch etwas sovietisch an, auch wenn ich dergleichen nie mit eigenen Augen gesehen habe. In Narva sind ca 90% der Bevölkerung russischsprachig. Narva war dank der günstigen Lage seit dem Mittelalter eine Handelsstadt, wurde aber im zweiten Weltkrieg stark zerstört. In der Sovietunion entwickelte sich Narva zur Industriestadt, es wurden Wohnblöcke für Arbeiter gebaut, die aus Russland und anderen Sovietstaaten einwanderten. Evakuierte Esten durften lange nicht zurückkehren (#shortesterÜberblicküberStadtgeschichteever).

Bahnhof in Narva

Bahnhof in Narva

Den Fluss säumen zwei beeindurckende Grenzfestungen: die estnische auf der einen, die russische auf der anderen. Auf beiden Seiten des Flusses stehen Angler im Wasser und teilen sich in friedlicher Eintracht die Fische der Narva. Sind die eigentlich russisch oder estnisch?

Festungen in Narva (links) und Iwangorod (rechts) gegenüber

Festungen in Narva und Iwangorod gegenüber voneinander. Auf der linken Seite wehen die Flaggen Europas, Estlands und Narvas – rechts (nicht im Bild) weht die Russische.

Angler in der Narva

Angler in der Narva

Die Brücke über die Narva bildet gleichzeitig den Grenzübergang. Für mich, die ich eine wirkliche Grenze innerhalb Europas nie gesehen habe, ist die Situation skurril und schwer greifbar. Ein paar Meter weiter liegt ein anderes Land, in dem andere Bedingungen herrschen als auf dieser Seite der Narva. Die Zäune, Kameras und Schranken verunsichern mich. Aber die Grenze wird überwunden, sowohl durch die Sprache, als auch durch Menschen. Auf der Brücke warten Autos auf die Grenzkontrolle und Fußgänger mit Passierschein wandern zwischen den Ländern hin- und her.

Richtung Stadtzentrum gibt es hauptsächlich Wohnblocks, aber auch den alten Rathausplatz, auf dem eine Außenstelle der Universität Tartu eingerichtet wurde. An der Narva zieht sich eine lange Promenade entlang, die von herbstlich gefärbten Bäumen gesäumt ist. Jogger passieren die Fischer und die wenigen Flaneure auf der Promenade. Trotz all dieser schönen Orte macht die Stadt ohne wirkliches Stadtzentrum einen unvollständigen Eindruck auf mich.

Gegensätze ziehen sich an: die Außenstelle der Universität Tartu als das jüngste Gebäude in Narva, neben dem alten Rathaus von 1671, das erhalten geblieben ist

Gegensätze ziehen sich an: Außenstelle der Universität Tartu als das jüngste Gebäude in Narva neben dem alten Rathaus von 1671, das erhalten geblieben ist

p1090116

College am Rathausplatz

Promenade Narva

Promenade