Random facts and figures

Bei den meisten Leuten entstehen viele Fragezeichen, wenn ich über Estland rede. Welches von den drei kleinen Ländern „da oben“ ist das noch mal? Um ein bisschen klarer zu machen in welchem Umfeld ich mich seit zwei Wochen bewege, hier ein paar (wissenswerte?) Fakten über Estland.

Um Estlands heutige Strukturen, Minderheiten, seine Sprache und Kultur zu verstehen, muss man sich kurz über die estnische Geschichte informieren. Da ich mir eine kompetente Zusammenfassung nicht zutraue, füge ich hier eine Infoseite der estnischen Botschaft ein: http://www.estemb.de/estland/geschichte#top Die Seite zu lesen dauert bei mir eine Minute und zwölf Sekunden (ja, ich habe gestoppt) und für einen knappen Überblick kann ich sie wirklich sehr empfehlen!

1. Estland ist das kleinste und nördlichste Land des Baltikums und hat ca. 1,3 Millionen Einwohner. Davon sind 70% Esten, 25% Russen und 5% eine andere Nationalität.
2. Viele Esten zählen ihr Land zu Nord- und nicht zu Osteuropa.
3. Viele von Estlands Einwohnern sind Atheisten und nur 16% der Bevölkerung empfinden Religion als einen wichtigen Teil ihres Lebens (Gallup Umfrage).
4. In Estland wurde Skype erfunden.
5. Im Punkto Digitalisierung und Technik ist Estland sehr weit vorne: an Bushaltestellen, in Geschäften und Cafés gibt es freies WLAN, es gibt viele kleine Start-Ups, an meiner Schule gibt es ein online-Klassenbuch und alles läuft über einen ID und einen personal code (den ich noch nicht habe :D).
6. Estnisch hat 14 Fälle und ist mit Finnisch und Ungarisch verwandt, aber auch von der deutschen Sprache beeinflusst (wer den Link tatsächlich angeklickt hat, weiß bescheid!).
7: Durchschnittstemperaturen: -4.7°C im Februar (kann aber nicht sein, weil es jetzt schon gefühlte -5°C sind) und 16,7°C im Juli.
8. Fast 50% des Landes sind von Wald bedeckt.
9. Ein Drittel aller Esten wohnt in Tallinn (und seit kurzem auch ich! :))
10. Estland hat 1526 Inseln, auf vielen haben sich bunte & lebhafte Bräche entwickelt (Handarbeiten, Traditionen bei der Hochzeit). Bsp.: Muhu-Inseln.
11. Viele Esten gehen kategorisch nicht bei rot über die Straße.
12. Wenn es dunkel ist, muss man als Fußgänger einen Reflektor an der Kleidung tragen, um von Autos besser bemerkt zu werden. Wer keinen Reflektor hat, kann einen Strafzettel bekommen.
13. Günstig sind: Kartoffeln, Zwiebeln, öffentliche Verkehrsmittel (mit ID Card sogar kostenlos!), Taxis – alles andere ist ungefähr deutsches Niveau, manches auch etwas teurer, da Estland viel importiert.
14. Eine Praktikantin am TSG hat die Erfahrung gemacht, dass Esten in der Wohnung selten Schuhe tragen und nicht über der Türschwelle die Hand schütteln (erst in der Wohnung).
15. Holzhäuser mit einem steinernen Fundament sind typisch für Tallinn und entstanden häufig Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund von neuen Feuerschutzvorschriften.

Der 5-Tages-Blues oder „Lörts“

(Da ich es fertig gebracht habe den bestehenden Artikel ausversehen zu löschen, habe ich ihn hier neu geschrieben!)

Seit fünf Tagen bin ich nun hier in Tallinn. Fünf Tage, in denen ich wenig verstanden und viel Tee getrunken habe. Es ist anstrengend nicht mal an den normalen Smalltalk-Kassengesprächen teilnehmen zu können, weil man in der Landessprache nur Hallo sagen und bis drei zählen kann. Zugegeben, an diesem desolaten Zustand bin ich selbst schuld, aber ein Estnischkurs wurde noch nicht gefunden – in diversen Sprachinstituten kam dieser nicht zustande. Das Interesse an der finno-ugrischen Sprachfamilie scheint aufgrund des Schwierigkeitsgrades recht gering.

Es ist aufgrund der Seeluft schon erstaunlich kalt hier und ich trage meistens um die vier Schichten Kleidung übereinander. Ich habe gelernt, dass die Esten ein eigenes Wort für nassen Schnee haben: „Lörts“. Ich hoffe, ich überlebe den Winter. Immerhin hat unser Vermieter uns gestern die Heizung unserer Wohnung erklärt und somit auch deren Funktionstüchtigkeit bewiesen!

In der Schule wurde ich sehr freundlich aufgenommen und hospitiere nun erst einmal zwei Wochen. Ich erkläre alle 45 Minuten wer ich bin, wo ich herkomme und was ich eigentlich hier mache (das muss ich aber, ehrlich gesagt, selbst noch herausfinden). Die SchülerInnen verstehen größtenteils sehr gut Deutsch, wer sich traut, spricht es meistens auch gut. Am KSG lernt man durchschnittlich ab der zweiten Klasse Deutsch.

Vorgestern habe ich das Viertel Kalamaja erkundet, das nah am Hafen liegt. Hier wurden Lagerhallen und die für Estland typischen Holzhäuser künstlerisch zu Geschäften und Cafés umgestaltet. Ich habe den besten Schokokuchen seit Wochen genossen und bei einer Bedienung bestellt, die mich zwar sofort als Ausländerin erkannte, aber mich (dank Englisch) großartig verstand.

eine der bunt besprayten Lagerhallen in Kalamaja

eine der bunt besprayten Lagerhallen in Kalamaja


Schokoladenkuchen im Café F Hoone - sehr zu empfehlen!

Schokoladenkuchen im Café F Hoone – sehr zu empfehlen!

Auch mein Vorhaben zu Inlinern habe ich in die Tat umgesetzt, allerdings war das Erlebnis nicht ganz so grandios wie erhofft – günstige Inliner verlangen einen Mehraufwand an Kraft, der meine Kondition übersteigt. So konnte ich zwar einen schönen Ausblick aufs Meer genießen, wurde aber permanent von glücklicheren und erfolgreicheren Fahrern überholt und das Vergnügen war von kurzer Dauer. Aber ich gebe nicht auf… ich entscheide mich nur um 😉

Im Großen und Ganzen fällt es mir noch schwer zu glauben, dass ich tatsächlich ein Jahr hierbleiben werde. Unsere Wohnung haben Anita und ich aber schon gemütlich eingerichtet. Dazu haben wir ca. eineinhalb Stunden nach einem Möbelhaus gesucht, das nicht nur Betten verkauft. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das tatsächlich nicht so einfach.
Als wir schließlich mit zwei Wäschekörben, einem Spiegel, einem Wäscheständer und einer Schranktür wieder auf der Straße standen, sahen wir der Wahrheit ins Auge: der Bus war für den Rücktransport keine Option mehr. Der Taxifahrer, der uns schließlich nachhause bugsierte, klemmte die Schranktür kurzerhand so ins Auto, dass sie fünf Zentimeter von Anitas Kopf entfernt war und leicht in seinen Nacken drückte. Unser Held des Tages!

Und hier zum Abschluss noch ein Bild von Tallinns Old Town, einfach weil schön!

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Ready for take off

Ich schreibe diesen Beitrag auf dem Entsendeseminar in Berlin, mit einer extrem wackligen WLAN-Verbindung in meinem Zimmer. Natürlich hätte man auch von zu Hause aus noch bequem etwas vor der Abreise schreiben können, aber… was soll ich sagen: meine Zeitplanung hinsichtlich Packens ist in etwa so fortgeschritten, wie mein Kochtalent (also garnicht, für die, die mich noch nie Kochen sehen haben).

Die letzten Tage brach immer mal wieder so die Erkenntnis durch „Gerade könnte für ein Jahr das letzte Mal sein, dass ich diesen Ort oder diese Person sehe“. Merkwürdiges Gefühl und auch ein bisschen beängstigend. Andererseits habe ich hier auf dem Entsendeseminar nun meine zukünftige und sehr nette Mitbewohnerin Anita kennengelernt. Und wie eine meiner Mit-Seminar-Teilnehmerinnen, Luana, sagte: „Zuhause ist man irgendwie „Die, die weggeht“, hier brechen gerade alle auf“ (Link zu Luanas Blog: luana-valeska.blogspot.com).

Und das ist auch eigentlich die andere große Neuigkeit: eine Wohnung wurde gefunden. Ich und meine Oma (die sich um meine drohende „Obdachlosigkeit“ mindestens genauso gesorgt hat) können aufatmen. Die Wohnung liegt zentral, ist natürlich eigentlich zu teuer und sehr schön. In zwölf Tagen wird dann schon mehr zu berichten sein.

Hier in Berlin wird ca 100 mal am Tag die Frage „Und wo gehst du hin?“ in allen erdenklichen Variationen gestellt. In Seminaren setzen wir uns mit unserer Rolle als Freiwillige_r auseinander, danach wird diskutiert, gegessen, im See geschwommen, oft auch mal geschlafen oder Ukulele gespielt. Inhaltliches werde ich vielleicht nach dem Seminar einbringen, an Tag drei ist ein umfassender Eindruck noch schwierig.

Auf jeden Fall dabei sein muss bei allen Treffen aber die kulturweit-Trinkflasche, die für mich schon zum internen Erkennungsmerkmal der Freiwilligen auf dem Gelände geworden ist. Sie ist eine schlichte metallene Schönheit und kann je nach Stimmung zum Transport diverser Getränke, aber auch als Blumenvase, so wie bei uns im Zimmer, verwendet werden.

meine Namensschild und die nachhaltige kulturweit-Trinkflasche

meine Namensschild und die nachhaltige kulturweit-Trinkflasche

 

vielfältig einsetzbar

vielfältig einsetzbar

 

Im Flur höre ich Leute auf dem Weg zum See und mein Neid treibt mich dazu diesen Blogeintrag zu beenden.
Hwad aega, Tschüss und genießt die Zeit!


Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie.
-Anatole France

Heimat und wo sie zu finden ist

Ist „Heimat“ schon umgesetzt, wenn man die passende Fußmatte hat? Sollte ich mir so eine Fußmatte zulegen? Erleichtert sie das Ankommen?

Oder die erstmal vielleicht wichtigere Frage: wohin soll ich sie legen? Ich suche noch immer nach einer Wohnung und es stellt sich doch eher als schwierig heraus, etwas zu finden. In Tallinn sind Wohnungen oft schnell vermietet: meist liegen zwischen Erstkontakt und Einzug nur etwa eine Woche. Vorausplanung wird dadurch etwas erschwert. Ein sehr unspontaner Teil von mir leidet bei den Worten: „Du wirst schon was finden“, ein anderer versucht es als Abenteuer zu nehmen.

Obwohl meine Abschiedsfeier schon stattgefunden hat und ich mit einem kleinen Teil meiner Selbst gedanklich auch schon in Estland bin, genieße ich die mir verbleibende Zeit in Deutschland. Ein bisschen fühle ich mich, wie in einem Ökoton: zwei Lebensräume gehen in einander über. Ich bin mitten drin und fühle mich ein bisschen verloren. Mal sehen, wo es mich hinverschlägt.

Meine Freunde haben mir dieses wunderbare Plakat gemacht – ich muss leider zugeben, dass auch ich Google Übersetzer bemühen musste, um es zu verstehen.

Abschiedsplakat

Frei übersetzt bedeutet die Aufschrift so viel wie:
„Neue Zeiten, neue Erfahrungen“.
Ein weiterer großartiger Geschenk(versuch) war es, als einer meiner Freunde bei seiner Bank 10€ in „estnisches Geld“ eintauschen wollte. Eine verwirrte Angestellte kam nach 5 Minuten mit zwei 5€-Scheinen wieder. Der Wille zählt!

Danke an alle, die mir den Abschied so schwer machen!


It’s time to say goodbye, but I think goodbyes are sad and I’d much rather say hello.
Hello to a new adventure.

Hallo Welt oder „Estländisch?“

Gefühlsmäßig saß ich gestern noch in den Abiturprüfungen, doch irgendwie fliegt die Zeit vorbei und es ist schon Ende Juli. Erst jetzt, wo ich es schreibe, fühlt es sich real an: in weniger als zwei Monaten sitze ich im Flieger nach Estland.
Ich bin gerade 18 geworden, singe gerne (sowohl in der Dusche, als auch im Chor) und habe rote Haare. Ich rede laut und meistens viel, lese gerade „Quasikristalle“ und finde Selbstbeschreibungen zu anstrengend, um hier weiter zu machen.

Wenn ich erzähle, was ich nun nach der Schule vohabe, laufen die Reaktionen immer in etwa gleich ab.

Ich: „Ich gehe im September ein Jahr nach Tallinn!“
Gegenüber: *fragender Blick*
Ich: „Das ist die Hauptstadt von Estland“
Gegenüber: „Ah Estland… was spricht man denn da überhaupt? (diverse Experimente einen passenden Sprachnamen zu finden, enden meistens bei) Estländisch?“
Ich: „Estnisch“

Auch ich wusste bis vor kurzem noch nicht besonders viel über das kleine Land bei Litauen und Lettland, das für die kommenden zwölf Monate meine Heimat darstellen soll. Jetzt fühle ich mich zwar immer noch dilettantisch, wenn ich überall als Estlandexpertin angepriesen werde, weiß aber zumindest, dass Estland eine lange Tradtion des Singens, eine (aus der Sowjetunion herrührende) große russische Minderheit und kostengünstige Verkehrsmittel und Kartoffeln hat. Soweit die aus anderen Blogs und Internetseiten geklauten Informationen. Das kommende Jahr wird mir hoffentlich etwas differenziertere Einblicke ermöglichen.

Die Wohnungssuche gestaltet sich bisher eher als Sisyphusarbeit, meine Freunde witzeln schon ständig, sie würden mich wohl unter einer Brücke besuchen kommen müssen. Ich lache dann immer gequält und öffne schnell die ein oder andere Facebookgruppe, vielleicht gibt es ja etwas neues…

Gerade habe ich meinen Hin- und Rückflug gebucht und beschlossen diesen Blog anzufangen. Ich werde versuchen ihn mit meinen Gedanken, Erlebnissen und Bildern zu füllen und habe mir unter anderem deswegen ein Laptop zugelegt. Es ist großartig, lässt sich zu einem Tablet umbauen, wiegt kaum mehr als ein Buch und ich misstraue ihm allein deshalb zutiefst. Wir werden sehen, ob ich mich damit anfreunden kann.

Zwischen organisatorischem Krams, Vorfreude und Zweifel höre ich immer wieder Catch and Release (https://www.youtube.com/watch?v=puOoZB_uqY4).

In Ermangelung eines kreativen Abschluss- und Verabschiedungssatzes: Bis bald!


There’s a place I’m going, where no one knows me
It’s not lonely, It’s a necessary thing
So let it wash over me, I am ready to loose my feet