Der 5-Tages-Blues oder „Lörts“

(Da ich es fertig gebracht habe den bestehenden Artikel ausversehen zu löschen, habe ich ihn hier neu geschrieben!)

Seit fünf Tagen bin ich nun hier in Tallinn. Fünf Tage, in denen ich wenig verstanden und viel Tee getrunken habe. Es ist anstrengend nicht mal an den normalen Smalltalk-Kassengesprächen teilnehmen zu können, weil man in der Landessprache nur Hallo sagen und bis drei zählen kann. Zugegeben, an diesem desolaten Zustand bin ich selbst schuld, aber ein Estnischkurs wurde noch nicht gefunden – in diversen Sprachinstituten kam dieser nicht zustande. Das Interesse an der finno-ugrischen Sprachfamilie scheint aufgrund des Schwierigkeitsgrades recht gering.

Es ist aufgrund der Seeluft schon erstaunlich kalt hier und ich trage meistens um die vier Schichten Kleidung übereinander. Ich habe gelernt, dass die Esten ein eigenes Wort für nassen Schnee haben: „Lörts“. Ich hoffe, ich überlebe den Winter. Immerhin hat unser Vermieter uns gestern die Heizung unserer Wohnung erklärt und somit auch deren Funktionstüchtigkeit bewiesen!

In der Schule wurde ich sehr freundlich aufgenommen und hospitiere nun erst einmal zwei Wochen. Ich erkläre alle 45 Minuten wer ich bin, wo ich herkomme und was ich eigentlich hier mache (das muss ich aber, ehrlich gesagt, selbst noch herausfinden). Die SchülerInnen verstehen größtenteils sehr gut Deutsch, wer sich traut, spricht es meistens auch gut. Am KSG lernt man durchschnittlich ab der zweiten Klasse Deutsch.

Vorgestern habe ich das Viertel Kalamaja erkundet, das nah am Hafen liegt. Hier wurden Lagerhallen und die für Estland typischen Holzhäuser künstlerisch zu Geschäften und Cafés umgestaltet. Ich habe den besten Schokokuchen seit Wochen genossen und bei einer Bedienung bestellt, die mich zwar sofort als Ausländerin erkannte, aber mich (dank Englisch) großartig verstand.

eine der bunt besprayten Lagerhallen in Kalamaja

eine der bunt besprayten Lagerhallen in Kalamaja


Schokoladenkuchen im Café F Hoone - sehr zu empfehlen!

Schokoladenkuchen im Café F Hoone – sehr zu empfehlen!

Auch mein Vorhaben zu Inlinern habe ich in die Tat umgesetzt, allerdings war das Erlebnis nicht ganz so grandios wie erhofft – günstige Inliner verlangen einen Mehraufwand an Kraft, der meine Kondition übersteigt. So konnte ich zwar einen schönen Ausblick aufs Meer genießen, wurde aber permanent von glücklicheren und erfolgreicheren Fahrern überholt und das Vergnügen war von kurzer Dauer. Aber ich gebe nicht auf… ich entscheide mich nur um 😉

Im Großen und Ganzen fällt es mir noch schwer zu glauben, dass ich tatsächlich ein Jahr hierbleiben werde. Unsere Wohnung haben Anita und ich aber schon gemütlich eingerichtet. Dazu haben wir ca. eineinhalb Stunden nach einem Möbelhaus gesucht, das nicht nur Betten verkauft. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das tatsächlich nicht so einfach.
Als wir schließlich mit zwei Wäschekörben, einem Spiegel, einem Wäscheständer und einer Schranktür wieder auf der Straße standen, sahen wir der Wahrheit ins Auge: der Bus war für den Rücktransport keine Option mehr. Der Taxifahrer, der uns schließlich nachhause bugsierte, klemmte die Schranktür kurzerhand so ins Auto, dass sie fünf Zentimeter von Anitas Kopf entfernt war und leicht in seinen Nacken drückte. Unser Held des Tages!

Und hier zum Abschluss noch ein Bild von Tallinns Old Town, einfach weil schön!

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