Neben all den unzähligen Dingen, die 2020 für uns und mich neu sein sollten, gab es dann gegen Ende des Jahres noch eine weitere Premiere: Das erste Weihnachten, das ich nicht zuhause und mit meiner Familie verbringe. Ein komischer aber auch sehr logischer Schritt. Für dieses Ereignis habe ich mir dann eine andere tolle Gesellschaft besorgt, mit etwa der Hälfte der Freiwilligen in Rumänien plante ich das Fest gemeinsam in der zentral gelegenen Stadt Brașov zu verbringen. Fünf Tage in einem geräumigen AirBnB sollten es werden, und schon am Vortag der für uns Bukarester nicht allzu langen Reise bekamen wir doppelten Besuch von Freiwilligen mit einer sonst allzu weiten Reise.
Die Zugfahrt bestach dann gleich schon mit beeindruckenden Aussichten auf die schneebedeckten Karpaten und deren vereisten Wälder. Brașov liegt in den nördlichen Ausläufern der Karpaten und besonders die Altstadt kuschelt sich direkt an den “Zinne” genannten Hausberg. Schon auf dem Weg vom Bahnhof zur Unterkunft sichtbares und prominentestes Merkmal: Der “Hollywood”-Schriftzug, auf dem natürlich nicht Hollywood steht. Angekommen in unserer wunderbar zentral in der bald zu erforschenden Altstadt gelegenen Unterkunft blühte uns jedoch erstmal eine Aufgabe, die uns während der gesamten Zeit begleiten würde: Das Kochen für 13 hungrige junge Personen mit den verschiedensten Essensvorlieben und -beschränkungen. Nachdem wir dann irgendwann nach Mitternacht auch einmal vollzählig waren und die Zimmer erfolgreich verteilt wurden ging’s dann verhältnismäßig früh zur wahrscheinlich längsten Nacht unsererer Zeit ins Bett.
Am nächsten Tag stand dann natürlich erstmal das grundlegende Angucken der Stadt im Vordergrund. So wurde auch schnell klar, warum Brașov eine der touristisch interessantesten Orte des Landes ist: Die Altstadt ist nahezu komplett intakt und transsilvanientypisch mit schönen kleinen Häusern mit viel Stuck und Details bestückt. Darüber hinaus besticht der zentrale Platz und eine der schönsten Kirchen Rumäniens; alles, eher ungewohnt für Rumänien, bestens restauriert. Dass es ziemlich bewölkt war, war sogar vielmehr Feature als Makel, die Türme, Schornsteine und der etwas klein geratene Turm der großen gotischen Schwarzen Kirche geben einen tollen Kontrast vor den grünen Hügeln und tiefstehenden Wolken.
An Türmen, Stadtmauer und Synagoge vorbei und durch all das Mittelalterliche hindurch schlängeln wir uns dann letztendlich vor den nahen Hausberg und wagen den Aufstieg. Viel besser als die Seilbahn sind natürlich die leicht schlammigen Serpentinen die uns zur hoch oben thronenden Brașov-Insignie führen. Etwas länger als gedacht ist der Weg dann doch, trotz ins-schwitzen-kommen halten gemeinsames Weihnachtsliedersingen (der Enthusiasmus ist gemischt) und die immer wieder tollen Aussichten auf die (Alt-)stadt die Stimmung oben. Gegen Ende wird’s dann noch etwas verwunschener, wir betreten aufgrund der sich verziehenden Wolken den Nebelwald. Je höher wir kommen, desto mehr sieht man um sich herum hauptsächlich die schemenhaften Baumstämme des Waldes vor weißem Hintergrund.
Das sollte sich auch an unserem Ziel angekommen nicht wirklich verändern, nachdem wir uns hinter den Buchstaben vorbei auf die Aussichtsplattform geschlängelt haben ist eher wenig von Panoramablicken. Kurz noch kann man die roten Dächer der Altstadt erahnen, dann steht man vor einem einzigen weißen Nichts. Also ein schnelles Gruppenfoto noch und wir gehen das letzte Stück durch den Nebelwald bis zur Seilbahn, zu viel Bewegung muss ja auch nicht sein.
Unser Heiligabend war zwar nicht wie vorher erhofft weiß, begrüßte uns jedoch von Anfang an mit Sonnenschein. Zuvor hatten wir schon entschieden, ein etwas ausgefalleneres Weihnachtsessen auf den 25. zu verschieben, um das gute Wetter für eine kleine Wanderung zu nutzen. Gekonnte Misskommunikation führte dann zu zwei getrennten, etwas kleineren Gruppen, konnte das wunderbare und für mich Grau-Bukarester sonst seltene durch Grün, Frischluft, Bewegung und die Berge erzeugte Hochgefühl nicht weiter trüben. Nach ein paar doch ziemlich starken und matschig-glitschigen Steigungen belohnen dann zusätzlich noch tolle Blicke über die siebenbürgische Hügel-/Berglandschaft und neue Perspektiven auf das in eben diese geschmiegte Brașov.
Das Weihnachtsessen besteht dann aus vielen verschiedenen Variationen von selbstgemachter Pizza, fachmännisch ausgerollt mit Weinflaschen. Und abends folgte dann nach gemeinsamen Wichteln ganz im Geiste der Weihnacht das (hier eigentlich tägliche) Würdigen des typisch rumänischen Țuica – Pflaumenschnaps & co.
Weihnachtsfeiertag Nr. 1 war dann als der weihnachtlichere Tag geplant, nach entspanntem Ausschlafen folgte ein kürzerer Spaziergang zur kleinen Festung Brașovs von deren Hügel wir erneut nette Aussichten genießen konnten. Diesmal gewannen wir allerdings nicht nur Einsichten auf die Schwarze Kirche und Umliegendes, sondern auch auf die erstaunlich gegensätzliche gegenüberliegende Seite der Stadt. Eigentlich zu erwarten besteht diese nämlich zu einem wesentlichen Teil aus den so allgegenwärtigen Plattenbauten. Doch genau so wie die Altstadt von ihrem Hollywood-Schriftzug überragt wird, hat auch diese Seite der Stadt einen massiven Eyecatcher: einen überdimensionierten Schornstein einer (so schnell ergoogelten) Müllverbrennungsanlage.
Zum Aufwärmen nach dem leicht nieseligen Spaziergang wurde es dann richtig dekadent: wir nutzen den Whirlpool unseres AirBnBs samt seiner verschiedensten Einstellungsmöglichkeiten – teils zu dritt mit einer vierten Person quer über den Füßen der anderen, so ist es sicherlich gedacht. Der Abend des Tages wurde dann von ausgiebigem mehrgängigen (!) Kochen und Essen geprägt, Highlights waren Knödel, Rosenkohl und eine typische Rumänische Torte. Hierbei muss Respekt an die motiviertesten und organisierenden Freiwilligen gezollt werden, meine Motivation für ausgefallenere Festessen hält sich in Grenzen.
Von unserem letzten ganzen Tag noch ein paar zusammengefasste Eindrücke:
Dem dezent anklingenden Schlafmangel wird gezwungenermaßen Tribut gezollt, nach ausgiebigem Ausschlafen werden zwei der wohl kontrastreichesten Filme geschaut – Borat 2 und Drei Haselnüsse für Aschenbrödel. Just zum Ende des Letzteren setzt dann auch zum ersten Mal ein beachtenswerter Schneefall ein, der sich jedoch nicht allzu lange halten sollte. Dennoch sorgte er für eine mehr als gelungene Szenerie für einen letzten (Foto-)Spaziergang durch die Altstadt, nass glänzende Straßen und der vereiste Wald der Berge präsentieren Brașov im Abendlicht nochmal von seiner schönsten Seite.
Und so näherte sich das Ende dieser vielleicht nicht sonderlich weihnachtlichen, jedoch von Abenteuer, Aktivität und toller, teils neuer Gemeinschaft geprägten Weihnacht, nicht jedoch meiner Winterferien, die mich noch nach Oradea, Cluj-Napoca und mit zahlreichem Besuch zurück nach Bukarest führen sollten.
wieder super Bilder (Text ist natürlich auch ganz nett ;))! wie schade, dass unsere Grenzen zu sind…