Dieses Mal wecken mich die Katzen, die in mein Zimmer kommen. Ich frühstücke ein Brötchen und schmiere meine selbstgekaufte Butter drauf (die Butter in Brasilien schmeckt irgendwie anders). Dazu ein frisch gebrühter Kaffee. An den Gasherd muss ich mich wohl noch gewöhnen.
Ach ja, ich hatte ganz vergessen zu erwähnen: Wir haben seit Montagmorgen kein Wasser. Der Schock war groß, als ich nach dem Frühstück in freudiger Erwartung eines kühlen Wasserstrahls in die kleine Duschkabine stieg und nicht einmal ein klitzekleines Tröpfchen hervorlugte. A água acabou! Das Wasser ist weg!
„Es ist wahrscheinlich, dass wir erst am Freitag wieder Wasser bekommen. Das kommt ab und zu mal vor.“, teilt mir Nicolau mit. Und: „Die ganze Straße ist betroffen.“ Wie sagt man so schön: Andere Länder, andere Wasserverhältnisse. Jedes Mal, wenn wir die Toilette benutzen, müssen wir Wasser aus dem Hof holen und damit das Klo spülen. Dafür ist Nicolau so nett und hat vorgesorgt:
Wir sitzen also im Trockenen. Und meine Füße sind ganz erdig von meinem kleinen Spaziergang gestern. Doch anstatt zu lamentieren und Trübsal zu blasen, beschließe ich später, eine Runde laufen zu gehen. Ich will mir unbedingt den Amazonas Park anschauen (Bosque Rodrigues Alves Jardim Zoobotânico). Mehrere Tier- und Vogelarten haben dort auf einem großzügigen Gelände ihr Zuhause. Laut Tiago soll es auch Äffchen geben, die sich bei mancher Gelegenheit zu den wartenden Menschen an der Bushaltestelle gesellen. Ich laufe ein ganzes Stück, vorbei an öffnenden Essensständen und geschlossenen Bars (es ist Mittagszeit) und einem kleinen Krankenhaus. „Hoffentlich werden hier bald keine Corona-Patienten eingeliefert“, denke ich mir. Noch beträgt die Zahl der Infizierten in Belém Null.
Als ich endlich am Amazonas-Park ankomme, suche ich vergebens den Eingang. Ich frage eine Frau, die gerade ein riesiges Tor abschließt: „Desculpe, está aberto o parque? – Infelizmente não, por o vírus.“ – „Entschuldigung, ist der Park offen?“ – „Nein, leider nicht wegen des Virus.“
Krass. Auch bei keinem einzigen bestätigten Fall machen sie Schritt für Schritt das öffentliche Leben dicht. Ist wohl richtig so.
Zurück zuhause angekommen beschließe ich, direkt vor dem Pfarrhaus Mittag zu machen. Hier befindet sich nämlich ein kleines Selbstbedienungsrestaurant, eine Churrascaria, die auch Mittagstisch anbietet.
Ich laufe zurück in den Hof und ins Haus, nur um es 5 Minuten später wieder zu verlassen. Ich beschließe, Belém noch etwas genauer zu inspizieren und rufe mir ein Uber. Der Uber-Fahrer findet mich erst nicht, da ich eine sehr verwirrende Location angegeben habe. Wir plaudern. Er bemerkt sofort meinen Akzent im Portugiesischen. Woher ich denn komme? – Da Alemanha. Aus Deutschland. Was ich denn hier in Belém mache? Hm. What should I tell him now? – I tell him the truth,the whole truth but nothing but the truth.
Er ist enttäuscht, als er hört, dass ich nicht bleiben darf. „Schade, wir brauchen gute Lehrer hier“. Er selbst sei Angestellter bei der Stadtverwaltung in Belém. Das Taxi-Fahren sei nur eine Nebenbeschäftigung. Der Verdienst im öffentlichen Sektor ist einfach nicht gut. Er erzählt mir, dass er einen professionellen Abholservice betreibt und gibt mir daraufhin sein Kärtchen, das ich dankbar an mich nehme. Es ist wirklich frustrierend, dass nicht einmal der Staat seinen Mitarbeiter*Innen genug zahlen kann, sodass diese auf zwei Jobs angewiesen sind. Können wir uns das in Deutschland vorstellen? Beamte, die nachmittags Touristen in ihrem eigenen Auto durch die Altstadt kutschieren? Ich habe einen wahnsinnigen Respekt vor diesen Menschen, die das tagtäglich auf sich nehmen.
Eigentlich wollte ich einen Tagesblick auf das teatro da paz und die Praça da República werfen, der Fahrer rät mir allerdings dringend davon ab. Zu viele zwielichtige Gestalten seien auch am Nachmittag dort unterwegs und auch die Kriminalität auf Touristen und Ausländer sei relativ hoch. Daher vereinbaren wir, dass er mich an den Docas absetzt, wo ich gestern mit Tiago spazieren war. Ich bedanke mich, zahle und wünsche ihm alles Gute.
Ich schlendere ein wenig über die Hafenpromenade und beobachte das Wasser. Es wirkt trüber als gestern. Auf der anderen Seite, unverändert standhaft: die Süßwasserinsel. Ich gehe in mich. Der Gedanke, dass ich diesen traumhaften Anblick ein ganzes Jahr hätte genießen können, macht mich wahnsinnig. Ich werde zurückkommen – ob privat oder mit Freiwilligendienst – that’s for sure. Natürlich kann ich es mir aber nicht entgehen, noch einmal ein Eis bei Cairú zu holen. Ich weiß gar nicht mehr, welche Sorte ich bestelle, auf alle Fälle ist es EIN ERNEUTES GESCHMACKSERLEBNIS.
Ich bleibe noch eine ganze Weile an den Docas sitzen, ehe der Himmel über mir aufbricht: Die dunklen Wolken ergießen sich über das Stadtinnere. Am eigenen Leib erfahre ich, was „Amazonas-Regen“ bedeuten. Ich renne, um mich in Sicherheit zu bringen, vorbei am Tourismusbüro und zu den Taxis, die in Belém übrigens doppelt so teuer sind als Uber-Taxis. Durch die verregnete Innenstadt gelangen wir zurück nach Pedreira – und Überraschung: zum Supermarkt. Ich will wenigstens ein paar brasilianische Spezialitäten mitnehmen, ehe ich morgen zurück nach São Paulo und nach Frankfurt muss. Ist es dumm oder sinnvoll, Bohnen zu kaufen? Und Reis? Auf alle Fälle muss farofa mit. Und Alkohol (cachaça) will ich irgendwie auch nicht mitnehmen. Mit den Reis und den Bohnen kann ich zuhause wenigstens das brasilianische Nationalgericht zubereiten.
… Plus noch ein paar brasilianische Süßigkeiten, und mein Einkauf ist fertig!
Zufrieden packe ich meinen Koffer.
Danke für diesen tollen Blog. War sehr interessant zu lesen.
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