Vom Goldjungen und dem Zauberfloh
Um die Avenida 9 de Julio in Buenos Aires zu überqueren braucht man normalerweise zehn Minuten und vier Ampelphasen. Mit 20 Fahrstreifen gilt sie als die breiteste Straße der Welt.
Man kann es auch schneller schaffen. Wenn irgendwo auf der Welt ein Spiel der argentinischen Nationalmannschaft angepfiffen wird, dann wird Buenos Aires zur Geisterstadt. 12 Millionen sitzen dann vor den Bildschirmen und feuern in allen Ecken und Winkeln der Metropole ihre Elf an.
Wer dieser Tage durch die Straßen der argentinischen Hauptstadt schlendert, der muss schon schalldichte Ohrenschützer tragen und Tomaten auf den Augen haben, um nicht auch von dieser unverdeckten WM-Euphorie gepackt zu werden, die bei jedem Sieg der „Gauchos“ in einem blau-weißen Fahnenmeer vor dem Obelisken, dem Wahrzeichen von Buenos Aires, ihren überschäumenden Höhepunkt findet. Die Stadt zeigt sich solidarisch zum Nationalteam und jedes Schaufenster ist mit Fahnen, Schleifen und Girlanden geschmückt. Auch die Straßenhändler, die normalerweise billigen Schmuck und bunte Tücher verkaufen, haben ihr Sortiment komplett auf Fanartikel in biancoceleste umgestellt.
„Olé, olé, olá ,ooooooooh…Argentinaaaaaaa, es un sentimiento, no puedo paraaaaaar!“
(Ole, Ole, Ola, Argentinien, ein Gefühl, wie es mich begeistert!)
Dieser Fangesang erklärt eigentlich schon alles. Die Begeisterung für den Fußball nimmt in Argentinien ungeahnt große Dimensionen an. Wo sonst auf der Welt wird ein ehemaliger Fußballclubpräsident zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt.
Das verwundert nicht. Das südamerikanische Land hat schließlich einen Fußballgott!
Sein Name: Diego Armando Maradona oder auch D10S (Dios = span. Gott; 10 war die Rückennummer Maradonas).
Der inzwischen 49-jährige „Pibe de Oro“ (Goldjunge) feiert gerade ein regelgerechtes Come-Back. Vor allem wegen der sehr knappen Qualifizierung Argentiniens für Südafrika wurde er anfangs stark kritisiert. Einen seiner Tadler fertigte er später skandalös-spektakulär mit den Worten: „La Tenés Adentro (LTA)“ (Du hast ihn drin) ab. LTA ist seitdem ein Modeschimpfwort.
Doch von Sieg zu Sieg im Fußballturnier, steigt Maradonas Kurs. Wortwörtlich. Mehr im Spaß schlug die Tageszeitung „Clarín“ vor, mit dem Druck von 1000 Peso-Scheinen mit Maradonas Antlitz zu beginnen. „Diego sabe.“ Allwissend. Unantastbar.
Genauso wie sein jüngster Schützling. Lionel „La Pulga“ (Der Zauberfloh) Messi. Das jüngst 23 Jahre alt gewordene Balltalent wird hier als Maradonas Nachfolger gefeiert. Und die Stimmen der Spielkommentatoren überschlagen sich ein jedes Mal, wenn „La Pulga“ mit dem Ball in Richtung Strafraum stürmt. Noch immer fehlt ihm ein WM-Tor. Doch die Menschenmasse beim Public Viewing auf der Plaza San Martín würde vor Begeisterung außer Rand und Band geraten, wenn der Publikumsliebling Messi ausgerechnet gegen Deutschland, die „Gauchos“ in das Halbfinale ballern würde. Messi soll Deutschlands Alptraum werden. Denn es gibt noch eine Rechnung zu begleichen. Das Elfmeterschießen bei der WM 2006 in Deutschland ist nicht in Vergessenheit geraten. Facebook-Gruppen wie „Deutschland, dieses Mal rettet dich nicht einmal ein Spickzettel“ und „Argentinien wurde 2006 gegen Deutschland betrogen!“ gewinnen täglich an Mitgliedern.
Ja, es ist nicht leicht dieser Tage als Deutscher durch Argentinien zu wandeln. Was man sich da nicht alles anhören muss: Man solle sich warm anziehen. Diesmal werde kein Zettel aus dem Strumpf gezaubert werden können und die deutsche Nationalmannschaft bestehe ja eh nur aus Polen, Brasilianern und Türken. Mesut Özil habe sogar einen falschen Pass.
Absurdes Zeug, was vor allem Eines beweist. Argentinien hat Angst vor Deutschland. Und zwar gewaltige. Das gestehen sich nur die wenigsten ein, aber es ist offensichtlich. Es darf nicht sein, dass die Deutschen den Argentiniern schon wieder die schöne Stimmung kaputt machen. Schon gar nicht, weil Südafrika 2010 Maradonas WM ist.
Argentinien hat keinen Grund sich zu verstecken. Seit Jahren war das Team nicht mehr so stark wie heute. In Spieler wie „Carlitos“ Tevez, „La Pulga“ Messi, „Bayernkiller” Milito und “San Martín” Palermo werden große Hoffnungen gelegt. Zu Recht. Sie spielen alle in Spitzenvereinen. Großteils international. Doch auch Deutschland steht nicht schlecht da. Der deutsche Fußball wurde in Argentinien bisher mit den gängigen Klischees gegenüber einer Industrienation gleichgezogen: modern, geordnet, kontrolliert und etwas langweilig. Dadurch berechenbar. Jetzt gibt es da eine neue Mannschaft. Blutjung. Mit Talenten. Und sie zaubern. Die Begegnung wird mit Sicherheit eines der spannendsten Spiele des Turniers.
Schauen wir, ob am Samstag die Sonne in einem biancoceleste gefärbten Himmel über dem Río de la Plata lacht. Ob das Land explodiert. Oder ob es weint, weil ihm einmal mehr „die Beine abgehackt“ (Maradona 1994) wurden.
Nachtrag:
Es wurden ihnen die Beine abgehackt. Und wie.
Ja. Ich habe meine Idee mit dem Bloggen aufzuhören doch wieder verworfen, irgendwie gibts es ja doch was zu erzählen. Und da es wohl auch manche interessiert, mach ich mich halt nochmals an die Arbeit und berichte von den wichtigsten Begebenheiten.
„Nada de esto, nade de esto fue un error“
Im Mai hatte ich das unbeschreiblich große Glück einen Schüleraustausch nach Paraguay mitbegleiten zu dürfen. Eine fantastische Woche. Den folgenden Artikel hatte ich für das „Argentinischen Tageblatt“ (Ausgabe 05-06-10) geschrieben, Argentiniens Tagsezeitung Nr.1.
Bilder gibt es ganz unten.
Plattdeutsch im “Herzen Südamerikas”
Das Ergebnis des einwöchigen Schüleraustausches zwischen Schülern der Deutschen Schule Hurlingham und des Colegio Neuhof der Mennonitenkolonie Menno im paraguayischen Chaco:
34 singende Jugendliche rezitieren zusammen das „Paraguaylied“, selbst gedichtet auf die Melodie eines bekannten Hits des argentinischen Sängers „Coti“. Das Lied fasst die größten Momente und Erlebnisse des Austausches zusammen. Und da reihte sich ein Höhepunkt an den anderen.
Während der Besuch der Schüler aus Paraguay im vergangenen Oktober in Buenos Aires den ersten Teil des gemeinsamen Projektes darstellte, ging der Austausch mit dem Gegenbesuch der Argentinier in die zweite Phase.
Das Abenteuer begann am 8. Mai am Flughafen Jorge Newbery in Buenos Aires. Nach eineinhalb Stunden Flug und der Ankunft in der Mennonitenherberge von Asunción, erwartete die Delegation aus Hurlingham eine exklusive Stadtführung, die von zwei engagierten Schülern des Colegio Nacional de Asunción und einer freiwilligen Helferin aus Deutschland organisiert wurde.
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt wurden bestaunt und ein erster Eindruck des argentinischen Nachbarlandes konnte gewonnen werden.
Nach sieben Stunden unendlich erscheinender Busfahrt am Folgetag auf der Ruta Trans-Chaco konnten die müden Reisenden endlich in die Arme ihrer bereits wartenden Gastschwestern und –brüder geschlossen werden.
Die Kolonie Menno im Chaco Paraguayo ist die größte Kolonie der evangelischen Glaubensgemeinschaft der Mennoniten in ganz Südamerika. Sie zählt knapp 10 000 Einwohner, von denen 3500 in der Stadt Loma Plata wohnen. Die restlichen Koloniebewohner leben in den umliegenden Dörfern, die Namen wie „Friedensfeld“ oder „Neuhof“ tragen.
Die deutschen Namen im „Herzen Südamerikas“ mögen zunächst verwundern.
Doch die Mennoniten, die im Jahr 1927 größtenteils über Kanada in den Chaco kamen, haben ihre Wurzeln in Holland und Norddeutschland und bewahren die aus Europa mitgebrachte Mundart Plattdeutsch bis zum heutigen Tag.
Und so kommt es, dass die Kommunikation in der Kolonie Menno im Großen und Ganzen auf platt- und hochdeutsch abläuft.
Auf die Besucher aus Argentinien kamen also einige Herausforderungen zu: eine fremde Sprache, ein fremdes Land, eine fremde Kultur.
Während die das Landleben gewöhnten Paraguayer bei ihrem Besuch der Millionenstadt Buenos Aires im Oktober nicht schlecht über Züge und die Menschenmassen staunten, mussten die jungen Argentinier sich genauso erst einmal in ihrer neuen Umgebung einfinden. Die schnurgeraden Straßen bis zum Horizont, die endlosen Weideflächen, die breiten Flaschenbäume und die Tatsache, dass das Haus des Nachbarn nur mit dem Auto zu erreichen ist, waren für viele gewöhnungsbedürftig.
Am ersten Tag trafen sich alle Teilnehmer des Austausches im Colegio Neuhof um den Unterricht dort kennenzulernen. Glücklicherweise blieb auch genug Zeit, um die Früchte der schuleigenen Obstbäume zu kosten und die von den Paraguayern gebackenen Zuckerspezialitäten zu genießen.
Den Folgetag verbrachten die Reisenden in ihren Gastfamilien. Tätigkeiten wie Kühe melken, Motorrad fahren, Yakare jagen und Taubenschießen sind solche, die man in Buenos Aires nur schwer ausüben kann.äuse
Der Mittwoch stand ganz im Zeichen der Erkundung des kulturellen und wirtschaftlichen Zentrums Loma Platas. Beeindruckend waren die Besichtigungen des Schlachtbetriebs FrigoChorti und der Molkerei Trebol, die ihre Produkte bis über die Grenzen Paraguays hinaus verteilen. Beim Besuch des Colegio Loma Plata gab es eine Überraschung. Die Gruppe wurde vom ortsansässigen Radiosender ZP-30 über die Erfahrungen des Austausches befragt. Das Interview wurde später im Abendjournal des Senders ausgestrahlt.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen wurde die ASCIM vorgestellt, eine Kooperation zwischen den Indigenen und Mennoniten für soziale Dienstleistungen,. Die Schule, die Bäckerei und das Krankenhaus der indigenen Bevölkerung der Kolonie wurden anschließend besichtigt.
Danach hieß es nochmals Kräfte sammeln, bevor es am Donnerstag zum gemeinsamen Campingausflug in das benachbarte Naturschutzgebiet „Campo María“ ging. Das Reservat ist hauptsächlich für seinen Artenreichtum an Vögeln bekannt, darüber hinaus können des Öfteren Ameisenbären und Wildschweine beobachtet werden.
Während die Zelte aufgestellt wurden, bereitete ein Teil der Gruppe bereits einen schmackhaften und typisch paraguayischen Guiso zu.
Gut gestärkt konnte somit die umliegende Natur erkundet werden. Der Aussichtsturm des Lagerplatzes lieferte eine ausgezeichnete Sicht über das Gelände. Und wer nicht seinem Entdeckerdrang folgen wollte, der vertrieb sich die Zeit mit Fußball spielen oder dem Singen am Lagerfeuer.
Ein fantastischer Sonnenuntergang über der Salzlagune stimmte prächtig auf die Nacht ein in der eine weitere kulinarische Neuheit auf die Argentinier zukam.
Beim sogenannten „Stockbrot“ handelt es sich um Hefeteig, der über einem dicken Stab oder Ast über dem Feuer gegart wird und später mit einer Hackfleischsauce gefüllt wird.
Die Stunden vergingen, die Gesänge verklangen und das Feuer brannte hernieder. Doch die Gespräche im flackernden Licht, bei Mate und Tereré werden wohl noch so manchem in guter Erinnerung geblieben sein.
Mit dem Freitag brach der letzte Aufenthaltstag an. Das Lager wurde wieder abgebrochen und den Schülerinnen und Schülern blieben noch ein paar Stunden in ihren Gastfamilien um ihre Kräfte zu regenerieren oder eine letzte Runde mit dem Motorrad über das Gelände zu holpern.
In einem von der Kolonie Menno organisiertem Asado fand das Pilotprojekt zwischen dem Colegio Neuhof und der Hurlingham Schule seinen schmackhaften Schlusspunkt.
Gemeinsam besann man sich nochmals auf das zusammen erlebte bis es schließlich Zeit war von Gasteltern und –geschwistern Abschied zu nehmen.
Angesichts des unermüdlichen Einsatzes der Paraguayer und der Begeisterung über das von ihnen auf die Beine gestellte, ist es sicher, dass dies zwar der erste aber sicher nicht der letzte Besuch der Hurlingham Schule im Chaco war.
Und so manchem konnte die letzte Zeile des „Paraguayliedes“ einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen:
„Nada de esto, nada de esto fue un error.”
„Diese Erde ist eine unbarmherzige Liebhaberin. Sie verhext. Sie ist eine Zauberin! Sie nimmt Sie in ihre Arme und lässt Sie nie wieder gehen.“
Die Worte eines Patagoniers zu Bruce Chatwin, dem berühmten Reiseautor.
Patagonien kann man nicht verstehen, wenn man nicht dort war.
Und wer dort war und nicht bleiben kann, den zieht es zurück.
Die Osterferien gaben mir die Möglichkeit nocheinmal zurückzukehren. Nach Feuerland. Ans Ende der Welt. Dort wo sich das Festland in eine Vielzahl kleiner Inseln verliert, um am südlichsten Punkt des Kontinentes, dem Kap Hoorn, nocheinmal von den wilden Wogen des Meeres umspült zu werden.
Wieviele Schiffe zerschellten an den rauen Küsten und wieviele Seeleute ließen hier ihr Leben. Was muss Magellan verespürt haben, als er das erste Mal an der Küste Feuerlands vorbeisegelte und in den tiefen, dunklen, alten Wäldern die Feuer der Ureinwohner erblickte?
Es muss wahrhaft magisch gewesen sein. Eine Art des Entdeckens und Erlebens, die es heute nicht mehr gibt. Vor allem, wenn man in einem tösenden Flugzeug durch die Wolkendecke bricht und sich plötzlich im Anflug auf eine Landebahn mitten im Beagle-Kanal befindet. Das hat nichts abenteurliches, nichts aufregendes. Auch am Ende der Welt gibt es Zivilisation.
Die südlichste Stadt der Welt heißt Ushuaia. Hier sollten wir (Markus war noch nicht zurück in Deutschland) den ersten Tag verbringen und auch übernachten.Weitere Pläne gab es vorerst nicht.
Ushuaia zählt immerhin stolze 64 000 Einwohner. Eine nette Stadt, eingebettet zwischen einer Bergkette und dem Beaglekanal.
Hier also die standardmäßigen Ankuftsangelegenheiten des ersten Tags erledigt. Hostel bezogen, Informationen eingeholt und eingekauft. Listo.
Das Hostel war übrigens außergewöhnlich gut. Gemütliche und warme Zimmer, nettes Personal, tolle Leute und ein super Frühstück. Und nicht zu vergessen. Ausblick auf den Beagle-Kanal.
Am nächsten Tag wurden die Wanderschuhe angezogen, denn jetzt war Schluss mit lustig. Zwei Tage Hardcore-Wandern hatten wir uns im naheliegenden Nationalpark vorgenommen. Der Sicherheitsmann vom Supermarkt vermittelte uns noch schnell seinen Onkel als billigeren Chaufeur (oder auch nicht, so sicher bin ich mir da nicht) und schon befanden wir uns mit vollem Gepäck und etwas Proviant mitten im Park. Schnell noch das absolut regenbeständige und legendäre Península Valdés Zelt aufgebaut und ab ging die Post.
Entlang am Ufer des Lago Rocas führte uns der Wanderpfad. Über große Wurzeln und vermosste Steine. Einer dieser Wälder deren Alter man ganz deutlich pürt. Kein Mensch auf dem Weg. Nur das dumpfe Geräusch der eigenen Schritte im Zauberwald und ein paar entfernte Vögel. Auf der anderen Seite des Sees ein Vulkan. Wolkenumwoben. Die stillen Wasser des Sees und die Geräuschlosigkeit. Wäre die Melanchonie eine Landschaft, dann könnte man sie hier finden.
Das Ende des Pfades wurde von einem Schild versperrt, welches die Grenze zu Chile markiert. Diese wurde natürlich umgehend überschritten, wer weiß wann man so schnell wieder illegal nach Chile kommt.
Dort wo sonst niemand war, trafen wir Clément, einen Franzosen aus Paris. Wir teilten zusammen einen Mate. Obwohl er für den restlichen Tag mit uns zusammen wanderte, stellten wir erst ein paar Tage später in Ushuaia fest, dass Clément Schüler der Schule in Frankreich war mit der ich in der 9. Klasse einen Austausch hatte. Zufälle gibt’s eben doch immer wieder.
Wir wollten den Gipfel des Cerro Guanaco erklimmen ein Unterfangen von 8 Stunden. Dann fing es aber an zu Regen. Wir entschieden uns umzukehren, denn der Weg wurde immer matschiger. Zudem wäre die Sicht, die bei gutem Wetter wohl fantastisch ist, bei Regen das genaue Gegenteil gewesen.
Zurück am Campingplatz fand ein neuer Freund an uns gefallen. Ein verrückter, ausgehungerter Streuner, der uns nicht mehr allein lassen wollte. Dank dem Regen, war unser Zelt, das wirklich nur für warme und regenfreie Sommernächte konstruiert ist, klitschnass. Auf dem Zeltboden stand das Wasser. Beste Konditionen also für eine geruhsame Nacht. Vor allem nachdem sich der Hund mit irgendeinem (ich vermute Fuchs) im Gebüsch anlegte. Da es auch noch kalt wurde und wir nicht so Lust auf Bronchitis hatten, beschlossen wir den Parkrangern einen Besuch abzustatten und um Unterkunft zu bitten.Die Ranger waren aber nicht da und auch der Campingplatz war verlassen. Das Ganze wurde etwas unheimlich. Eine kleine Nachtwanderung zur nächsten Rangerstation folgte, die glücklicherweise besetzt war. Dort trieb sich auch der Campingplatzbesitzer rum. Nach kurzer Schilderung der Situation bot uns dieser einen Platz in einem Refugium an. Das war zwar kalt, aber trocken. Und mit Betten. Ging also nochmal gut.
Am nächsten Tag wurde wir dann mit Sonnenschein belohnt. Perfekt für die Wanderung entlang des Kanals.
Zurück in Ushuaia kehrten wir wieder im Hostel ein.
Der nächste Tag brachte ebenfalls stabiles Wetter und damit eine Bootsfahrt auf dem Beagle-Kanal. Unglaublich auch diese. Obowohl es auf dem Schiff wirklich kalt war, wollte man einfach nur an Deck bleiben. Links und rechts die Berge, vorbei an Kormoranen, Seelöwen und einem Leuchtturm. Das Wasser des Kanals ist auch seltsam. Es ist ungewöhnlich glatt, wirkt irgendwie schwer und schlägt kaum Wellen. Mehr wie graue Farbe zum Streichen.
Endstation. Die Pinguininsel.
Der nächste Tag war der Ostersonntag, der uns noch einmal hervorragendes Wetter bescherte. So beschlossen wir die unmittelbare Umgebung von Ushuaia zu erkunden und den Berg zum Glaciar Martial zu erklimmen.
Dann noch ein kleiner weiterer Aufstieg und schon war wieder eine klasse Sicht auf den Beaglekanal geboten.
Das waren also die Kurzferien in Feuerland. Viel Natur, Ruhe und ein paar nette Leute. Was will man mehr.
Ich bitte die wilde Anordnung zu entschuldigen, dass liegt am Programm oder an meiner eigenen geistigen Beschränktheit.
Ebenfalls bitte ich die Panoramaflut zu entschuldigen. Ich bin einfach zu stolz auf die Bilder.
Als Anhang zu meinem Bericht vom 24. März eine aktuelle Meldung.
Letzter argentinischer Junta-Chef veruteilt
Die vom anderen Ufer – Montevideo
Buenos Aires liegt direkt am großen Río de la Plata. Und damit auch direkt an der Grenze zu Uruguay.
Je nach finanzieller Lage kann kommt man innerhalb 1 – 5 Stunden nach Montevideo, der Hauptstadt des südamerikanischen Kleinstaates. Ganz Uruguay hat 3 300 000 Einwohner. Im Zentrum von Buenos Aires leben 2 750 000 Menschen. Ein interessanter Vergleich.
Die Bootsfahrt war erfrischend unspekatkulär. Immerhin holte sich Markus einen fiesen Sonnenbrand auf dem Hals, um seine Haut an südamerikanische UV-Werte heranzuführen.
Montevideo ist viel kleiner als Buenos Aires. Alles viel gemäßigter, wesentlich weniger Verkehr und mehr Ruhe. Seltsamerweise glich bei unserem Besuch Montevideo einer Geisterstadt. Alles war geschlossen und besonders viel sehen kann man in der Stadt eigentlich auch nicht. Aufmerksamkeit erregend sind die Stadtbewohner mit ihrem Mate und Thermosflasche. Sie scheinen sich nicht davon trennen zu können, zumindest rennen sie ständig damit durch die Straßen. Deswegen folgen jetzt noch ein paar Fotos. Wirklich schön ist die gesamte Promenade. Während man in Buenos Aires öfters vergisst, dass man in einer Hafenstadt lebt, ist der Fluss in Montevideo jederzeit präsent.
Der 24. März ist in Argentinien ein Feiertag. Erst wusste ich gar nicht warum: Das ganze nennt sich „Día de la Memoria, por la Verdad y la Justicia“. Anfürsich klingt das nach einem netten Feiertag. Wahrheit und Gerechtigkeit sind ja nicht gerade unbedeutende Werte.
Nach etwas Recherche fand ich dann aber heraus, dass es sich hierbei um einen Gedenktag handelt. Es gibt ihn wohlgemerkt erst seit dem Jahr 2006. In diesem jährte sich nämlich zum 30. Mal ein Ereignis, welches das dunkelste Kapitel der argentinischen Geschichte einleiten sollte.
Am 24. März 1976 putschte das Militär unter der Führung des Generals Jorge Videla die damals amtierende Präsidentin Isabel Perón aus der Casa Rosada.
Schon einmal hatten die Militärs geputscht. 1955 setzten sie Juan Perón von den Regierungsgeschäften ab. Seit dem trugen sie verschieden Präsidenten nach ihrem Gusto an die Staatsspitze. Anfang der 70er Jahre bekamen dann verschiedene Guerilla-Gruppen regen Zulauf. Besonders aktiv waren die peronistisch geprägten Monteneros, die in dieser Zeit durch Bombenattentate und Entführungen auf sich aufmerksam machten. Es herrschte Unsicherheit und Bürgerkriesstimmung in Argentinien. 1973 gewannen die Peronisten die Wahlen. Und Perón kam aus dem Exil in Spanien zurück nach Argentinien. Ein Jahr später starb er. Es folgte ihm seine dritte Ehefrau Isabel an die Spitze des Staates. Doch sie konnte die wirtschaftlichen und innenpoltischen Probleme des Landes nicht in den Griff bekommen.
Ab 1976 begannen unter dem Begriff „Prozess der Nationalen Reorganisation“ dunkle Jahre des Terrors und der Brutalität. Eine Zeit der Anarchie und Gesetzlosigkeit, in der die Militärs schalteten und walteteten wie sie wollten. Alles was nur leicht entfernt Links roch wurde verhaftet. Es herrschte absolute Nulltoleranz gegenüber Andersdenkenden. Ob die nun linkspolitsch aktiv waren oder nur die Gewalttaten der Militärs ablehnten spielte keine Rolle. Es reichte allein im Adressbuch eines „Verdächtigen“ eingetragen zu sein, um selbst verhaftet zu werden. Überall witterte die Junta den Feind.
Im „Guerra Sucia“ (schmutziger Krieg) verschwanden schätzungsweise bis zu 30 000 Personen. Sie wurden in Konzentrationslagern auf brutalste Weise gefoltert und umgebracht. Die Leichen wurden über dem Meer aus Flugzeugen geworden oder in Massengräbern verscharrt. In den Lagern zur Welt gekommene Kinder wurden von Mitgliedern der Junta adoptiert, die Mütter getötet. Noch heute suchen Zahlreiche Männer und Frauen nach ihrer wahren Identität.
In den Bevölkerung bekam niemand richtig etwas mit. Man wusste, dass Leute verschwanden. Die sogenannten „Desapericidos“ (die Verschwundenen). Aber niemand ahnte etwas von den grausamen Ausmaßen, die die Verhaftungsaktion der Militärs angenommen hatte.
Als erstes protestierten die Mütter der Verschwundenen. Sie wollten wissen, was mit ihren Kinder geschehen ist. Jeden Donnerstag umrundeten und umrunden (stehende Proteste waren damals untersagt) sie die Plaza de Mayo, den Platz vor dem Präsidentenpalast. Daher kommt ihr Name: „Las madres de Plaza de Mayo.“ Sie forderten erst Aufklärung und später, als mehr und mehr bekannt wurde, was wirklich mit den „Desapericidos“ passierte, Gerechtigkeit und Bestrafung für die Verantwortlichen der Verbrechen.
Ein spannendes Kapitel der jüngeren Geschichte Lateinamerikas. Die Diktaturen in Zeiten des Kalten Kriegs. Im Zeichen des „Roll-Backs“, des amerikanischen Programms der Eindämmung des Kommunismus, bekamen Diktatoren teils aktive Unterstützung aus Washington. Lieber einen blutrünstigen Dikator, als eine Infizierung anderer südamerikanischer Länder mit dem kommunistischen Bazillus aus Kuba.
Auch die Junta konnte die wirtschaftlichen Probleme Argentiniens nicht lösen. Das Land ging mehr und mehr den Bach runter. Das Volk wurde immer unmutiger. In ihrem Versuch die Macht zu erhalten und das Volk an sich zu binden, hatten die Militärs leider keine bessere Idee als einen Krieg anzuzetteln. Der Falklandkrieg wurde zum Disaster für die argentinischen Streitkräfte. Nach 47 Tagen mussten sich die Soldaten gegen England geschlagen geben und der Versuch die Malvinen (Falklandinseln) zurückzuerobern, wurde zum Flop.
Wenig später wurde die Militärregierung abgesetzt. Davor erließen sie sich selbst aber noch eine Generalamnestie. Auch so ein Lateinamerikaphänomen: Die Probleme der Aufarbeitung der Verbrechen der Diktatoren. Erst im Jahr 2005!!! unter der Präsidentschaft von Nestor Kirchner wurden die Amnestiegesetz als nichtig erklärt. Seit dem werden die Verbrecher nach und nach zur Rechenschaft gezogen.
Jährlich wird nun also dem 24. März 1976 gedacht. Dieses Jahr war ich mitten auf der Avenida de Mayo, auf der verschiedene Demonstrantenzüge langsam zur Plaza de Mayo pilgerten. Dort sprach unter anderen die Präsidentin. Selbstversätndlich kamen auch die Madres de Plaza de Mayo zu Wort.
Der Tag steht übrigens unter dem Motto „Nunca más“. Nie mehr.
Ferrocarril San Martín – Ein Stück Realität
Ja, mein Zug zur Arbeit ist wirklich alles andere als langweilig. Wenn nicht gerade ein Lastwagen auf der Fahrbahn steht oder der Zug eine Flutwelle vor sich her schiebt, dann gibt es immer noch ein paar Dinge, die die Reise ganz bestimmt zum Abenteuer machen.
1. Viele Menschen
2. Verkäufer
Im Zug lässt sich so ziemlich alles kaufen. Orangensaft, Sicherheitsschlösser, DVDs, USB-Sticks, Psychologiebücher, Kopfhörer, Pflaster, Taschen, Lampen und Taschenlampen.
Das wahrlich interessante und unterhaltende sind dabei die Werbesprüche der Verkäufer. Ich kenn sie alle. Ich kann sie alle.
Monoton und konitinuierlich wird da verkündet, dass die Qualität der Produkte die gleiche wie die aus dem Laden sei. Bloß eben 30 Peso billiger. Falls dann bloß die Farbe nicht gefällt, gibt es bestimmt „verschiedene Modelle zur Auswahl“. Zögern sollte man besser nicht. Denn die attraktiven Angebote gibt es bestimmt nur am heutigen Tag. Bald wird alles vergriffen sein. Kein Grund für Verwunderung, wenn am nächsten Tag der selbe Verkäufer mit den gleichen Produkten vorbeikommt. Denn: „una vez más“ (nocheinmal, nur auf Grunde des unglaublichen Talents des Verkäufers, der erneut ein „Hammer-Angebot“ macht) kann man das beste Schnäppchen in der Stadt machen.
Bizarr sind vor allem die Stimmen der Verkäufer. Verzerrt und verdreht. Entweder weil sie kaputt sind vom vielen Rumschreien, oder um Aufmerksamkeit zu erregen.
Meist sind die Verkäufer arme Schlucker. Generell sieht man bei einer Fahrt im San Martín ein Stück argentinsicher Lebensrealität. Viel Armut, bettelnde Kinder und Schmutz. Am Rande der Bahnlinie die Behausungen der Ärmsten der Armen. Auf der Fahrt zur Schule komme ich oft ins Grübeln. Jeden Tag die gleichen Verkäufer, die von morgens bis abends versuchen ihre Produkte an den Mann zu bringen, um wenigsten ein paar Peso zum Leben zur Verfügung zu haben. Dann wirken die Werbesprüche der Verkäufer gar nicht mehr so lustig.
Ja was ist denn nur passiert? Seit enorm langer Zeit kein Artikel mehr.
-kein Strom? -Nein
-kein Internet? – Nein
– keine Lust? -Negativ
– Schreibblockade – Niet
Was denn dann?
BESUCH!
Drei Wochen lang besuchte mich mein ehemaliger Schulkollege Markus Baumann aka Baumann. Baumann ist ein Lufti (Luft-und-Raumfahrttechnik-Student). Und als solcher hat er nicht nur die Gelegenheit wahrgenommen mit seinem Lieblingsnebensitzer (mir) Buenos Aires und Argentinien zu erkunden, sondern nebenbei sich ein Boeing 747 von innen anzusehen. Bei 1,95 m Körpergröße und dem geringen Sitzabstand im Flugzeug, weiß er jetzt schon worauf er sich bei seinem Studium spezialisieren wird.
Jedenfalls hat so ein Besuch immer zur Folge, dass man die persönliche Zeit, die einem bleibt, zum Schlafen nutzen sollte. Gerade in Buenos Aires, der Stadt der ewig Schlafmangel geplagten.
In diesem Sinne danke ich den Lesern, die mich verzweifelt nach dem Verbleib meiner neuen Artikel gefragt haben.
Danke auch an Boris, porteño hace 7 meses como yo, für die Forderung eines neuen Artikels, tanta onda in der Hafenstadt und die ewige Bereitschaft für das Trinken eines Bierchens.
Artikel folgen
„Es gibt kein Problem, das man nicht lösen kann. Und falls doch: Verdränge das Problem.“
Die Worte meiner Chefin bei der morgendlichen Dienstbesprechung.