Baklava am Bosporus



Verrückte Pläne kann man schnell schmieden – so auch unser Plan, spontan doch nicht Skifahren zu gehen, sondern einfach nach Istanbul zu fahren.
Unsere ambitionierte Idee, über Batumi nach Trabzon nach Istanbul zu fahren, schien mir erst etwas zu chaotisch, um zu funktionieren. Zu Gut war die Idee aber, um sie nicht umzusetzen.
Besser als eine Woche Skifahren war es alle Male und entgegen meiner Erwartungen hat auch alles funktioniert.

Na ja, Tadeus hat zwar keinen Zug bekommen, seinen Bus verpasst – aber könnte ihn noch mit einem Taxi hinterher jagen und einholen. Doch noch mal alles gut gegangen.

Die Türkei ist für mich ein immer bekanntes und auch präsentes Land gewesen, war aber nie das Land gewesen, wo ich unbedingt hinreisen wollte. Als aber die Idee aufkam, einmal nach Istanbul zu kommen, fiel mir auf wir verlockend die Stadt ist.
Istanbul ist im Gegensatz zu Tbilisi halt wirklich eine Metropole – eine Stadt, die ein ganzes Land für sich sein könnte, mit mehr Einwohner:innen als Georgien insgesamt hat.

Die Reise begann – wie bei uns üblich so chaotisch und eigen. Anstatt zusammen nach Batumi zu fahren, haben wir alle unseren eigenen Weg oder Zeit genommen. Sofie ist morgens, ich abends Zug gefahren und Tadeus dann Bus, den er schicksalhaft durch einen Anruf dann doch noch bekommen hat.

Morgens in Batumi hatten wir dann nicht so ganz genau einen Plan, wie wir nach Trabzon kommen wollten. Wir sind erst mal mit dem Taxi bis zur Grenze gefahren und wie erhofft gab es hinter der Grenzkontrolle dort dann auch Busse nach Trabzon.
Nach stundenlangem Sitzen kamen wir dann in Trabzon an – warum wir noch mal genau hier einen Zwischenstopp machen wollten … es war günstiger, von hier zu fliegen und die Bilder bei Google hatten ganz cool ausgesehen. Unser Eindruck von Trabzon war eher anders. Die Stadt nicht als hässlich zu beschreiben ist schwierig, touristisch war es dort kein bisschen, aber dafür wenigstens „authentisch“.

Entspannt mit schlechtem Wetter haben wir dort erst mal unseren ersten Urlaubstag verbracht. Das Wetter war so ekelhaft, dass man sich außer zum Essen kaum aus dem Airbnb heraus getraut hat.
Türkisches Essen ist aber ein Highlight an sich. Von Baklava, Kebab, Dürum bis Gözleme und Börek haben wir uns die ganze Woche satt gegessen. Den darauffolgenden Tag wollten wir schließlich dann auch nutzen, dass wir in Trabzon sind bzw. in der Umgebung. Unser Ziel war Uzungöl – der Ort, den man auch bei Googlebildern sah, wenn man Trabzon googelt.

Bilder von einer grünen Sommerseeoase haben wir gefunden – in unserem Fall sind wir aber in einem nebligen Schneeparadies angekommen. Die Baumspitzen von schweren Schneewolken verhangen.
Durch den Schnee sind wir gestapft- vorbei an den Warnschildern. Auf Bären könnten wir treffen, auf Wildschweine. Uns egal, wir wollten hoch hinaus. Irgendwann ich dann aber nicht mehr. Einfach zu kalt. Dafür haben wir dann im Schnee noch unsere Orangen gegessen und das obligatorische “Gipfelsefie“ gemacht. Sofie bestand darauf.
Schnell dann wieder runtergelaufen. Tadeus war noch Eisbaden, Sofie und ich haben uns eher für Essen und Wärme entschieden.

Am nächsten Tag dann der Flug nach Istanbul. Zu früh oder zu spät am Flughafen, gestresst oder entspannt – egal – fliegen immer kacke und nervig.
Angekommen nachmittags wurde erst mal auf der europäischen Seite der Stadt die Gegend um unser Airbnb und der Stadtteil Karaköy erkundet. Wir haben Simit gegessen und Çai am Rande Galata Brücke getrunken. Wie es sich für Touristen gehört. Streit um Authentizität gab es in dieser Woche oft. Muss man das jetzt sehen oder nicht? Ist das überhaupt interessant? Kultur oder Konsum? Vielleicht ein Kühlschrankmagnet?

Wie auch immer man seinen Urlaub mag, ich war von Istanbul begeistert.
Tbilisi lebt, aber Istanbul ist ein dagegen einziger Rausch. Die Stadt ist so groß, dass wir natürlich wussten, sie nicht richtig begreifen zu können. Verloren gefühlt haben wir uns sofort, aber das hat auch den Reiz ausgemacht, sich einfach von der Stadt treiben zu lassen.
Pläne hatten wir nur ein bisschen. Die Klassiker wollten wir als Erstes abarbeiten, am ersten richtigen Tag sind wir also erst mal zur Hagia Sophia. Unseren Plan vor allen anderen um sieben Uhr morgens aufzustehen, könnten wir dann nicht ganz umsetzen, wir waren nicht wie erst erdacht um zehn, sondern um eins bei der Hagia Sophia.
Die Moschee war beeindruckend und riesig, trotzdem sehr dunkel. An den anderen Moscheen hat mir eher gefallen, dass die meistens hell, offen und einladend sind. Teppichboden macht dabei schon einen großen Unterschied. Die Hagia Sophia hatte dagegen eher etwas von einer Kirche, eben genau diese ehrfürchtige kalte Stimmung war dort auch. Nach der Hagia Sophia sind Sofie und ich noch etwas rumgeschlendert und haben einen versunkenen Palast besichtigt, abends waren wir noch zu zweit vegan essen – Tadeus wollte etwas alleine machen und nun ja, jeder braucht seine Freiräume.

Die Tage darauf sind wir viel wirklich viel gelaufen … nach Cihangir, zum archäologischen Museum, zum großen Basar, in unzählige Moscheen. Auf die asiatische Seite war zu Fuß schwierig, da mussten wir dann eine Fähre nehmen. Entgegen unseren Erwartungen war einfach mal so kurz rüberfahren dann doch nicht so einfach bei ungefähr eineinhalb Stunden unterwegs sein. Wir haben Üsküdar und Kadiköy besucht. Schön war die Architektur im Gegensatz zur europäischen Seite nicht, es gab wie erwartet in Kadiköy Unmengen an Cafés, auch vegane Supermärkte, aber sonst für uns nicht viel Interessantes.

Sofie und ich hatten an dem Punkt so viel gesehen und waren rumgelaufen, dass nun ausruhen angesagt war. Die Tage danach wurde die Nutzung des ÖPNVs von Istanbul auch verstärkt, so viel rumlaufen war einfach nicht mehr drin. Die Dinge, die man in der Stadt besichtigen konnten, wurden trotzdem nicht weniger. Wir waren in noch mehr Moscheen im Istanbul Museum of Painting and Sculpture und in den Vierteln Balat und Fener. Den letzten Tag wäre, wenn unsere Kraft nicht versagt hätte, natürlich noch mehr Kulturbesichtigung drin gewesen. Aber hier gab es gleichzeitig eine Sache, die wir in Georgien schmerzlich vermisst haben. Ikea.
Als sind Sofie und ich an unserem letzten Tag zu Ikea gefahren. Jonte war schon da gewesen. Es war wie zu erwarten und erhofft genauso wie in Deutschland.

Die Meinungen über die Stadt waren zuletzt sehr unterschiedlich, gesehen haben wir aber auch alle unterschiedliche Teile der Stadt. Noch mal nach Istanbul kommen wollen, würde ich auch jeden Fall. Dort Mal für eine längere Zeit zu Leben ist schwer einzuschätzen. Die Stadt ist zu groß, um komplett dort zu leben … vermutlich würde man sich immer nur in seinem Stadtteil oder seiner Gegend aufhalten und bewegen. Die Freude auf Ruhe und Tbilisi war bei uns allen aber groß, für mich ja auch so langsam die letzten Wochen dort …

Bis bald!

Das Ende des Jahres

2022 ist vorbei.

Um Weihnachten herum ist die Melancholie schon ein wenig gestiegen, die meisten von uns haben sich entschieden, in Georgien zu bleiben. Wir wollten zusammen Weihnachten feiern. Ein wenig traurig war ich schon nicht zu Hause zu sein – trotzdem hätte es sich nicht gelohnt für den Aufwand kurz nach Deutschland zu fliegen.

Für unser Weihnachtswochenende hatten wir ein wahrhaftiges Festessen geplant, was es auch wirklich wurde. Während sich Tadeus und Jonte um Rotkohl, vegetarischen Braten und Klöße gekümmert haben und Klara für den Nachtisch zuständig war, hab ich als Vorspeise einen Salat gemacht. Zusammen mit den Freiwilligen aus Gjumri in Armenien haben wir dann abends gefeiert – was vor allem Essen hieß. Geschenke wollten wir, wie hier traditionell erst an Neujahr verteilen.
Das georgische Äquivalent zu unserem Weihnachten mit Geschenken wird am 31.12 gefeiert. Wir wollten aber mit allen Traditionen standhalten und haben deswegen am 24. gefeiert.

Der Abend war hier Essen bis zum Umfallen – irgendwie aber auch eine Weihnachtstradition. Am ersten Weihnachtsfeiertag – verschlafen sind wir spät aufgewacht – haben wir zum Sonnenuntergang noch einen Ausflug zu den Chroniken von Georgien gemacht. Das ist ein monumentales Denkmal aus Säulen, relativ außerhalb des Zentrums auf einem Hügel.


Die Sicht war bedrückend wie beeindruckend zugleich. Jonte und ich hatten einen Ausblick auf das Tbilisi Reservoir und komplette Wohnviertel nur aus Sowjet-Plattenbauten, die wir noch nie betreten hatten, in den Randbezirken von Tbilisi. Eigentlich sah es unfassbar bedrückend, durch den warmen Sonnenuntergang, irgendwie aber harmonisch aus und hätte mit der Sicht auf die Berge für uns auch eine Stadt aus einem Science-Fiction Film sein können.

Wir haben realisiert, wie sehr wir uns dadurch eigentlich für die Stadt begeistern können, das Zentrum westlich und europäisch so genau, dass wir uns immer wohlfühlen, aber trotzdem gibt es Teile der Stadt, die uns durch ihr anders sein, immer wieder begeistert staunen lassen.

In der nächsten Woche fingen dann so langsam die Weihnachtsfeiern an, für die Schule hab ich meinen Kolleginnen eine kleine Weihnachtswintergeschichte illustriert und diese dann mit ihnen bei einer kleinen Weihnachtsfeier gelesen.

Die Weihnachtsfeiern fingen entspannt an, wir haben erst mal kleinere Tagesausflüge um Tbilisi herum gemacht und meistens kleine Ruinen und Festungen erklimmt. Nach kurzer Zeit aus der Stadt raus zeigten sich wieder die monumentalen Berge des Kaukasus, die wie Wurzeln aus dem Boden herausragten und sich durch die Gegend schlängelten.


Neujahr war schön – es gab meine Leibspeise Sushi – endlich konnte ich alle davon überzeugen. Da in Georgien Neujahr sozusagen Silvester und Weihnachten in einem Fest sind, hatten wir große Erwartungen. Um null Uhr war auch Feuerwerk zu sehen, aber trotzdem wirkte es relativ ruhig und man merkte, dass es schon wirklich ein Familienfest hier ist. Die Zeit, um genau null Uhr anfangen zu schießen mit Raketen, wurde hier auch nicht so genau gesehen, irgendwie passend zu Georgien.

Die Ferien hatten danach weitaus noch keine Ende – ohne Schnee war Skifahrern leider nicht möglich, aber Pläne lassen sich ja immer schnell ändern. Die komplette Reizüberflutung – wieder in einem anderen Land kommt aber das nächste Mal!

Frohes Neues!