Aufgewacht im Kaukasus

Hi!
Anfangen ist schwierig, was soll ich auch als Erstes erzählen – wie wir mitten um vier Uhr nachts übermüdet hier gelandet sind, wie der erste Tag in der neuen Stadt war, wie ich mich von meinen Freunden und Freundinnen und Familie verabschiedet habe, aber vielleicht fange ich am besten erst mal damit an, wer ich bin.

Mein Name ist Lilofee, ich bin 18 Jahre alt, komme aus Düsseldorf und helfe jetzt für ein halbes Jahr in Tbilisi an einer Schule im Deutschunterricht als Freiwillige.
Heute bin ich nun seit eineinhalb Wochen in Tbilissi, und wenn mir wieder jemand schreibt, wie es denn nun hier so ist und wie es mir geht, weiß ich wirklich nicht, was ich antworten soll, diese Woche war schon so viel an Erfahrungen, Eindrücken, Erlebnissen und Gefühlen, sodass sie sich jetzt schon schlecht zusammenfassen lässt.
Naja, mein Ziel ist es aber diese Zeit so gut es geht festzuhalten, sei es mit den Unmengen Fotos, die ich die ganze Zeit mache oder eben mit diesem Blog.
Ich fange also am besten chronologisch an, mit dem Moment, als wir hier frühmorgens gelandet sind, sehr müde, aber durch einen Adrenalinkick auch hellwach zugleich.
Die Passkontrollen und das Kofferholen verliefen bei uns allen problemlos, man bekam nur einen kleinen Stempel in seinen Reisepass. In der Flughafenhalle wurden Felix und Klara dann relativ schnell durch Leute, die sie sich irgendwie organisiert hatten, abgeholt. Die Restlichen von uns standen dagegen noch länger etwas ratlos in der Eingangshalle des Flughafens, wo wir von Taxifahrern angequatscht wurden, mit diesen zu fahren. Letztendlich haben wir es aber geschafft, zwei Bolts zu rufen, was wir mit dem einzigen Bargeld, was wir hatten 26 Lari die georgische Währung) auch dann noch bezahlen könnten. Tadeus und ich wurden beide auch vor unserer Wohnung rausgelassen und haben nach etwas suchen auch schließlich den Eingang gefunden. Als Jonte und Sofie nach ein paar Schwierigkeiten auch schließlich in unserer Wohnung ankamen, brachten sie auch direkt einen streunen Hund bis vor unsere Haustür mit, wir haben ihn Anton getauft. – Insgesamt ein abenteuerliches Ankommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wirklich lange schlafen kam an diesem Tag aber auch nicht für uns infrage, denn wir wollten natürlich direkt Tbilisi erkunden und Sofie sollte am nächsten Tag schon weiter nach Batumi fahren, wo ihre Schule ist und wollte deswegen noch etwas von der Stadt sehen.
Wir sind alle erst mal zum Hauptbahnhof, um zu herauszufinden, mit welchem Zug Sofie am nächsten Tag nach Batumi fahren konnte und haben dort an der Metro dann auch noch Klara getroffen. Nachdem wir uns alle Metrotickets für ein halbes Jahr besorgt hatten, sind wir dann zur Rustaveli Allee gefahren, die größte Hauptstraße in Tbilisi, auf der viele Geschäfte und Sehenswürdigkeiten liegen. Nachdem wir dort verschiedene beeindruckende und wichtige Gebäude des Landes gesehen hatten, wie das Parlamentsgebäude, haben wir uns schließlich auch SIM Karten besorgt. Durch das viele Rumlaufen war es dann auch schon wieder 18 Uhr. Wir haben uns abends mit Felix verabredet und nachdem wir noch die Friedensbrücke ausgekundschaftet hatten, sind wir dann zum ersten Mal alle zusammen georgisch Essen gegangen, es war wirklich sehr lecker, dafür habe ich auch direkt am ersten Abend mein Vegetarier sein gebrochen. Als wir Felix und Klara verabschiedet hatten, die schon in ihre Airbnbs zurückgefahren sind, sind die anderen von uns noch mal durch das nächtliche Tbilisi gelaufen und schließlich sind Sofie und ich auch zurück zu unserer Wohnung, weil wir vom Tag schon sehr müde waren.

Der erste Eindruck von Tbilisi ist jetzt noch schwierig für mich zu fassen, es ist eine schöne und wilde Stadt mit vielen Seiten. Die Stadt zeigt immer eine andere Fassade, je nachdem, wo man sich gerade aufhält. Mal wirkt sie wie die schicke Seite von Paris mit teurer Designermode in großen Geschäften am Freiheitsplatz, mal wirkt sie bei der Fabrika wie hippe und alternative Seiten von Berlin, mal besteht die Stadt nur aus wuseligen kleinen Ständen mit eigentlich allen Dingen, die man dort auf der Straße kaufen kann, oft eng und chaotisch.

Zu fassen ist die Essenz von Tbilisi aber nicht wirklich, zu flüssig sind die Teile der Stadt zu sehr im Wandel – das im nämlich sofort zu erkennen – festgefahren ist diese Stadt definitiv nicht, sie sprudelt eher geradezu vor Lebendigkeit.

Am nächsten Morgen (unser erster richtiger Tag) habe ich Sofie morgens um 8 Uhr erst mal zum Bahnhof gebracht, wo sie dann ihren Zug nach Batumi genommen hat. Danach bin ich noch mal zurück in die Wohnung und sollte mich dann um 10 Uhr mit meiner Ansprechperson  in der Schule treffen, natürlich habe ich mich erst mal verlaufen, und meine Schule, die auf einem Hügel liegt, erst eine halbe Stunde später gefunden. Dort wurde ich dann allen Lehrerinnen und Lehrern aus dem Deutsch Kollegium vorgestellt und schließlich auch dem Direktor. Danach bin ich noch ein bisschen durch die Stadt gelaufen und habe mir in einem Café etwas zu Essen gekauft. Abends haben Jonte, Tadeus und ich dann zusammen gekocht und unsere WG Küche eingeweiht.

Den Freitag hatten wir alle noch frei und mussten deswegen noch nicht arbeiten, wir haben also zu dritt den botanischen Garten von Tbilisi erkundet und sind erstmal mit der Seilbahn auf den Berg hochgefahren und sind dort noch auf einer alten Festung herumklettert. Die Aussicht über die Stadt war schon sehr beeindruckend. So richtig realisieren, dass ich jetzt für ein halbes Jahr hier leben werde konnte ich in dem Moment und jetzt auch noch nicht – für mich fühlt sich die ganze Stadt noch so fremd an – das Gefühl war für mich, wie als sei man in einem Computerspiel in einer fremden Welt abgesetzt worden, ohne eine wirkliche Verbindung zu meinem bisherigen Leben. Als wir dort über die Stadt blicken, fühlte sich alles sehr surreal an die Stadt mit ihrem weiten und verstreuten Panorama. In der Ferne konnte man den großen Kaukasus sehen.
Im botanischen Garten haben wir dann noch etwas die Ruhe genossen, die man in dieser sehr aktiven Stadt dann doch nur schwierig findet, und schließlich sind wir dann zur Fabrika, einem hippen renovierten Gebäude mit Geschäften und Bars gefahren, wo wir auch Klara getroffen haben. Dort haben wir nur etwas getrunken, weil alle Restaurants und Cafés voll waren, das Nachtleben von Tbilisi war sehr am Sprudeln. Wir sind also zu einem anderen Restaurant gelaufen (das Shavi Lomi, große Empfehlung) und haben dort sehr lecker georgisch gegessen. Danach ging der Abend aber noch damit weiter, dass wir einen Spielplatz mit ein paar streunenden Hunden, die es hier genauso wie Katzen überall in Tbilisi gibt, ausgekundschaftet haben. Felix, der hier seinen letzten Abend hatte, bevor er nach Kutaissi gefahren ist, ist mit uns dann noch einmal zur Fabrika gekommen, bis wir uns dann so um ein Uhr nachts verabschiedet haben.

Samstag hatte Tadeus dann die Idee, einen Flohmarkt zu besuchen. Jonte hat sich an dem Tag mit der Ansprechperson von seiner Schule getroffen und konnte deswegen nicht mitkommen, aber auf dem Flohmarkt haben wir dann noch Klara getroffen. Es gab dort größtenteils Antiquitäten und wir haben uns für unsere WG als Dekoration noch eine alte Landkarte von Georgien gekauft. Dann sind wir noch ein bisschen bei der Rusatveli entlanglaufen und haben ein paar schöne Second Hand Kleidungsläden angeschaut und haben uns etwas zu Essen bei den vielen kleinen Bäckereien am Straßenrand, die es hier gibt, gekauft. Tadeus ist dann wieder nach Hause gefahren, um Fußball zu schauen, und Klara und ich sind noch ein bisschen durch ein paar Läden gelaufen.
Abends sind wir noch bei einem großen Markt, wo viel Gemüse verkauft wird, vorbeigelaufen und bei vielen Läden, in denen alles Mögliche wie Schuhe, Sonnenbrillen, Handyhüllen, Koffer und Klamotten verkauft werden.
Danach sind wir noch ein bisschen durch Tbilisi bei Nacht umhergeirrt, die Stadt schläft nachts definitiv nicht wirklich ein und sind dann wieder bei der Fabrika gelandet. – Unser Ziel, Einheimische kennenzulernen, haben wir an diesem Abend immer noch nicht wirklich geschafft, die georgische Sprache ist schon eine Barriere mit dem geschwungenen Alphabet und der für mich zumindest schwierigen Aussprache.

Sonntag haben wir dann nicht mehr viel gemacht, außer ein bisschen herumzulaufen und etwas Obst und Gemüse auf dem Markt zu kaufen, was dort günstiger als im Supermarkt ist und uns teilweise auch noch geschenkt wurde. An dem Abend haben wir auch nicht mehr wirklich viel gemacht, weil wir am nächsten Tag ja arbeiten sollten und das auch mein erster richtiger Tag in der Schule seien, sollte.

 

Montag fing dann sie Schule für mich an, nervös war ich ein bisschen, aber das würde vor allem von meiner Müdigkeit verdrängt. Früh aufstehen wird mir in Zukunft vermutlich auch am meisten schwerfallen, das habe ich im letzten halben Jahr einfach komplett verlernt. Zwar musste ich erst um 9 Uhr da sein, aber da meine Schule in einem anderen Stadtteil liegt, musste ich schon 30-40 Minuten früher losgehen und wollte am ersten Tag natürlich auch nicht zu spät kommen. An dem Tag bin ich, wie in der ganzen Woche immer bei verschiedenen Lehrerinnen mit in den Unterricht gekommen und habe mich vorgestellt und Fragen von den Schülerinnen und Schülern beantwortet. Die Fragen  waren je nach Klassenstufe auch immer unterschiedlich komplex, ich hatte in der ganzen Woche die Möglichkeit, alle Klassenstufen von der vierten bis zur zwölften Klasse kennenzulernen. Manchmal habe ich aber auch einfach nur zugehört oder geholfen, etwas an die Tafel zu schreiben. In der ersten Woche muss man natürlich erst mal seinen Platz in dem Ganzen finden und ich wollte mir den Unterricht erst mal allgemein anschauen.
Meine Schule ist mit 2500 Schülerinnen und Schülern ist hier auch sehr groß, was man vor allem in den Pausen gemerkt hat. Hier gibt es zwar nur fünf Minuten Pausen zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden, aber da es keinen richtigen Schulhof gibt, bricht in den Pausen mit Brüllen und Rennen ein großes Chaos aus, durch das man sich immer erst durchschieben muss, um zu seinem nächsten Raum zu kommen. Im Unterricht wurden die Schüler und Schülerinnen immer in A und B Gruppen aufgeteilt, einmal eher für Leistungsstarke und einmal für Leistungsschwächere. Dadurch ist die Gruppengröße mit ungefähr sechs bis 14 Schülerinnen und Schülern aber auch immer sehr angenehm und es entsteht kaum Unruhe im Klassenzimmer.

Puh – das ist jetzt sehr viel Text, wie ich grad merkte, für diese ersten eineinhalb Wochen sollte das erst mal reichen. Mal sehen, wann ich wieder dazu komme, den nächsten Blogeintrag zu schreiben, ich habe mir eigentlich alle zwei Wochen vorgenommen, aber hier kommt natürlich öfters was dazwischen.
Nächste Woche wollen wir aber auch vielleicht nach Batumi fahren, dann hab ich wieder viel zu berichten.
Bis bald!