Winter und Kälte

Es ist kalt draußen – und dunkel – und nass – naja, im Moment ist es auch Nacht. Schon der 19. Dezember. Surreal, wie schnell die Zeit hier vergeht, das Seminar in Armenien ist schon wieder weit in die Ferne gerückt. Haben wir viel gemacht? Nein, nicht wirklich. Eigentlich nur versucht unseren Alltag zu leben, dabei rauschen die Wochen vorbei, ohne das wir uns aus dieser dunklen, mittlerweile Smog verhangenen Stadt heraus bewegen. Sicher zwei oder drei Wochen lang keinen Sonnenstrahl am Himmel gesehen.

So einladend und lebendig Tbilisi am Ende des Sommers gewirkt hat, mit vollen Straßen und bunten Baumen – so trist, trüb und verschlafen wirkt es jetzt.
So dominierend die alte Schöne kaputte Architektur der Stadt anfangs gewirkt hat, als man noch damit beschäftigt war, die Straßen der Stadt zu erkunden, so bedrückend ist es jetzt im grauen jeden Tag an den dominierenden Sowjetplattenbauten in Graubraun vorbeizulaufen – mein Schulweg umfasst leider wirklich nicht die schönsten Teile der Stadt.

Auf der Rückreise aus Armenien entlang der Grenze zu Aserbaidschan hab ich mich richtig auf Georgien gefreut, auf Tbilisi, auf die neue Wohnung. Umziehen hat sich aber als noch viel anstrengender herausgestellt, als ich mir während des Seminars noch ausmalte.

 

Angekommen in Tbilisi – erst mal total erschöpft, keine mobilen Daten mehr, musste ich wieder herausfinden, wo unsere neue Wohnung überhaupt genau ist. Das geschafft hab ich Jonte, der schon in der Wohnung seit drei Tagen war, begrüßt und mir die Zimmer angeschaut.

Jonte war mal so frei gewesen und hat die Zimmerordnung selbst verteilt. Mit meinem Zimmer war ich aus sehr zufrieden, definitiv die schönsten Möbel und das kleinste Bett, aber damit hatte ich kein Problem.
Tage später hat Jonte mir dann auch noch so nebenbei erzählt, dass die georgische Oma des Vermieters in der Wohnung gestorben ist. Genauer gesagt in meinem Bett. Nun ja … passt irgendwie zur Stimmung in der ganzen Wohnung. Leicht skurriler Sowjetflair mit der ganzen Einrichtung.

Die Woche danach so grau wie unspektakulär. Wie mussten uns immer noch ausruhen, wirklich sehr viel ausruhen von einer Woche Armenien. Im Laufe der Woche ist auch Tadeus wieder gekommen und sonst ist außer Alltag nichts Bedeutendes passiert. Zeitweise habe ich viel darüber nachgedacht, ob ich mittlerweile an meiner Alltagsroutine Freude gefunden habe, ich habe aber realisiert, dass die ganze Zeit hier nie wirklich als Alltag anerkennen kann – zu viel passiert. Die Wochen hier kann man mittlerweile leider schon abzählen, die Pläne, die Urlaube, die Reisen, die wir noch machen wollen, lassen sich jetzt schon kaum noch in die Wochen quetschen.

Anfang Dezember hat mich meine Freundin Emma aus Deutschland übers Wochenende besucht, sie ist Donnerstag Nachmittag angekommen und ich habe sie nach der Schule vom Flughafen abgeholt. Dann haben wir uns erstmal abends bei uns ausgeruht und dann habe ich ihr die Rustaveli und die Altstadt gezeigt. Später sind wir dann ins Lolita gegangen, natürlich gab es auch Khachapuri. Wir sind dann, weil Emma so müde war, relativ früh schlafen gegangen, weil wir für den nächsten Tag auch große Plane für die Stadterkundung hatten.

Freitag haben wir dann die zwei alten Betlemi Kirchen in der Altstadt besichtigt, sind dann über die Friedensbrücke gelaufen und mit der Gondel hoch zum botanischen Garten gefahren. Den Teil der Stadt besucht man meistens wirklich nur als Tourist. Der botanische Garten war schön, aber im Winter trist und grau und wir sind dann schnell zurück in die Altstadt gelaufen, um uns dort mit Jonte in einem Café zu treffen. Der große Plan für den Abend war das KHIDI. Der zweitbekannteste Techno Club nach dem Bassiani in Tbilisi. 25 Euro Eintritt schon sehr teuer – hat sich gelohnt – Emma und ich waren bis sechs Uhr im Club, bis wir vor Müdigkeit fast umgefallen sind. Samstag hatten wir dann bisschen ein Durchhänger, haben lange geschlafen und nachmittags sind wir dann zur Fabrika gegangen, wo ich mit Emma noch in ein paar Second Hand Läden war.

Das Wochenende mit Emma war sehr schön. Festgestellt haben wir in den Wochen darauf aber auch, was wir schon von den Georgier:innen gelernt haben: die Gastfreundschaft.
Besuch kommt bei uns in den letzten Wochen nicht zu knapp, anstatt das wir andere Orte erkunden und Land und Leute besuchen, besuchen uns andere. Freunde aus Deutschland, Familie, Freiwillige aus Armenien, Freiwillige aus Aserbaidschan. Schön ist es immer, Bericht über die Wochen um Weihnachten folgt das nächste Mal!
Bis dann und შობას გილოცავთ!

Blick auf den Ararat

 Armenien! Bevor wir gefahren sind und ich meine Sachen gepackt habe, ist mir aufgefallen, wie wenig ich über Armenien weiß. Also fast gar nichts, nur so ein bisschen. Die Hauptstadt ist Jerewan, Bergkarabach, Konflikt, Abhängig von Russland auch viele Kirchen wie in Georgien.

Ich hab mich eigentlich aber wieder sehr gefreut, ohne große Erwartungen in ein neues Land zu reisen und auch aus dem Alltagsstress rauszukommen (auch, wenn Armenien im Nachhinein auch so anstrengend war, dass Stress da nicht wirklich weggefallen ist).

Wir (Tadeus, Felix, Sofie und ich) sind auf jeden Fall am Samstagmorgen losgefahren, haben uns erst mehrere Lobiani geholt und uns dann bei der Metro Station getroffen. Wir saßen schon im Bus, als Felix gerade noch rechtzeitig kam und der Bus dann pünktlich losfuhr.  Die Fahrt war zusammengefasst, vor allem lang. Am Anfang noch sehr schön und abwechslungsreich den Übergang der Landschaften zwischen Georgien und Armenien zu sehen. Der Grenzübergang zwischen Georgien und Armenien war auch schnell gemeistert, keiner von uns wurde an der Grenze zurückgelassen, Sofie wurde nur einem Hund angefallen, der unbedingt auch was von ihrem Lobiani abhaben wollte.

Zum Ende der Fahrt hinhat es sich dann aber schon sehr zäh in die Länge gezogen, die Raucherpausen und Essenspausen haben mir dann auch wirklich gereicht, ich wollte einfach nur noch ankommen.

Kurz vor fünf waren wir dann auch endlich da. Vorteil unseres Airbnbs war es, dass es direkt in der Nähe des Busbahnhofs lag und wir so einfach in zehn Minuten dort hinlaufen konnten. 

Geschafft im Airbnb haben wir erst mal unser Zeug ausgepackt und ein bisschen entspannt. Die ganze Wohnung war sehr im ehemaligen Sowjetstil mit Gasheizung, Gasofen – wirkte wie in der Zeit zurückversetzt. 

Als es schon dunkel war, haben wir uns hinausgewagt und sind in die Innenstadt von Jerewan gelaufen. Von den Erzählungen der armenischen Freiwilligen wusste ich schon, dass Tbilisi und Jerewan wohl sehr unterschiedlich seien sollten, was man im Laufe der Woche beim Erkunden der Stadt dann auch selber gemerkt hat.

Unser Ziel war es erst mal uns am Abend SIM Karten zu besorgen, was auch einfach funktioniert hat. Jerewans Zentrum ist nämlich sehr strukturiert aufgebaut – ein rundes Zentrum mit großen breiten eckigen Straßen und einem geordneten Straßenaufbau. Der Stadtkern wirkte auf uns zuerst viel großer als der von Tbilisi und so bekam man auch das Gefühl, die Stadt sei insgesamt größer, trotzdem war das ganze Zentrum etwas lebloser. Dadurch, dass an bestimmten Seiten dort vor allem viele große Botschaften und Hotelgebäude waren, wirkten die großen Straßen leerer und unbelebter als die kleinen Gassen von Tbilisi. 

Nachdem wir unsere SIM Karten hatten, wollten wir dann typisch armenisch Essen gehen. Sofie hatte von einem Bekannten Empfehlungen für Sehenswürdigkeiten und Restaurants bekommen, ein Restaurant haben wir ausprobiert, das hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Pappsatt waren wir alle am Ende, aber dafür haben wir Tolma, gefüllte Weinblätter, Lavash, Ghapama (gefüllter Kürbis mit Fleisch), natürlich auch Khachapuri, weil wir als Georgier:innen nicht drauf verzichten konnten und noch mehr gegessen. Danach haben wir dann noch die armenischen Freiwilligen zum Kickerspielen in einer Bar getroffen, sind aber nicht wirklich lange geblieben, weil wir vom Tag ziemlich fertig waren und morgen für ein ganzes Kickerturnier noch mal kommen wollten.

 

Sonntagmorgen sind Sofie und ich als Erste wiedermal aufgewacht und weil in unserer Wohnung nichts zu Essen hatten, sind wir zum Frühstücken in ein Café in der Innenstadt gelaufen, zur Abwechslung gab es Mal wegen meiner Erkältung Tee und keinen Kaffee. Am hellen Tag hatte die Stadt etwas noch Ruhigeres und Verschlafeneres. Die Sicht auf die Hügel vor der Stadt hatte etwas noch Surrealeres als in Tbilisi, die Stadt könnte irgendwie auch auf dem Mars sein.

Als wir nach unserem Spaziergang zurück dann wieder im Airbnb waren, haben alle immer noch geschlafen, was wir dann aber schnell geändert haben.

Wir wollten nämlich bald losfahren und uns in Garni einen Tempel anschauen. Nach einer ungefährem Stunde Fahrt waren wir auch in Garni und haben uns noch mit Proviant versorgt: Gata, ein süßes Brot mit Walnüssen. Wir sind noch ein wenig durch die Gegend gelaufen und haben eine kleine Wanderung gemacht. Die Freiwilligen aus Armenien haben wir dann später beim Tempel getroffen. Der war auch sehr schön, aber extrem touristisch überlaufen, überall wurden Bilder gemacht. Insgesamt ein schöner und auch entspannter Ausflug, vor allem die Landschaft Armeniens ist sehr beeindruckend. 

Der Rückweg gestaltete sich dann aber erst etwas schwieriger, weil es nirgendwo in der Nähe Taxis gab, und wir erst mal etwas verloren in der Gegend herumstanden. Nach etwas Stärkung durch Kuchen und Abwarten sind wir dann aber auch nach Hause gekommen (Faszinierend in Georgien und in Armenien ist für mich immer noch die monumentale Auswahl an Kuchen, Torten und süßem Gebäck, was es quasi in jedem Supermarkt und in jeder Bäckerei gibt). 

Abends sind wir wie schon erwähnt noch mal in die Bar vom Vorabend gegangen, um ein Kicker Turnier veranstalten. Gegen meine Erwartungen hat es wirklich viel Spaß gemacht. Danach haben wir noch eine der bekanntesten Attraktionen von Jerewan bestiegen – die Kaskaden, das sind riesige Treppen. Oben sind wir dann auf der Aussichtsplattform wieder erfroren und dann zurück nach Hause gefahren.

Montagmorgen fing dann auch unser Seminar an – leider nur online. In unserer Wohnung hatten wir uns dann alle jeder einen Platz für sich zum Arbeiten gesucht. Wir haben das Ganze natürlich mit klassischen Einstiegsspielen angefangen und erst mal mit unserem neuen Trainer eine Vorstellungsrunde gemacht. Inhaltlich waren die Sachen, die wir während des Seminars gemacht haben (Text über bisherigen Freiwilligendienst schreiben, Film drehen, Besprechung spezieller Problemsituationen) fand ich sehr gut, und auch zumindest teilweise interessanter als das Vorbereitungsseminar. Der ganze Onlineaspekt hat es zu einem zäherem Unterfangen gemacht und vor allem in die Länge gezogen. Dann ging meine Motivation halt im Laufe der Woche auch etwas runter, die Müdigkeit wurde von Tag zu Tag vor dem Bildschirm eventuell etwas größer und die Kameras wurden immer weniger angeschaltet.

Abends nach dem ersten Seminartag ist Jonte dann noch zu uns gekommen, und wir haben etwas zusammen gekocht (ruhiger, aber schöner Abend). 

Unter der Woche haben wir sonst nichts mehr wirklich Großes gemacht, außer manchmal ein bisschen im Zentrum Jerewans rumzulaufen, wegen der Online Seminareinheiten hatten wir dann leider kleine Zeit, uns noch länger spezielle Sachen innerhalb oder außerhalb der Stadt anzuschauen. Trotzdem war unser einheitliches Talent immer zu jeder Einheit zu spät zu kommen, wodurch wir unseren Trainer eventuell zum Verzweifeln gebracht haben.

Den letzten Samstag sind wir dann aber noch einmal aus der Stadt herausgefahren, um noch ein bisschen mehr zu sehen: und zwar zu einem Kloster in der Nähe von Dilijan. Erst haben wir uns das Kloster angeschaut und sind ein bisschen in der Umgebung rumgelaufen, bis die armenischen Freiwilligen nachgekommen sind. Unser Plan war es dann noch wandern zu gehen und direkt in den Nationalpark von Dilijan zu fahren, um auch mal etwas Wald und nicht nur braune Berge und Hügel zu sehen. Aufgrund von Zeitmangel und unsicherer Taxirückfahrtsituation sind wir dann aber einfach irgendeinen Weg in der Umgebung des Klosters hochgelaufen und dann noch einen Hügel hochgeklettert. Aus dem ganzen Wanderplan ist dann eher ein kleiner Spaziergang geworden. Wir hatten mit unserem Taxifahrer von der Hinfahrt abgeklärt, dass er uns auch wieder abholen sollte und mussten deswegen schon wieder zurücklaufen. Auf der Rückfahrt sind wir dann alle vor Müdigkeit eingepennt und erst wieder bei Sonnenuntergang in den Vororten von Jerewan aufgewacht.

Sonntagmittag, Klara, Felix und ich saßen schon wieder im Bus Richtung Tbilisi, hab ich dann gemerkt, wie viele Eindrücke die ganze Woche hinterlassen hat und wie fern die Woche davor schon wirkte. Die ganzen Eindrücke sind schwer in einem Satz zusammenzuschachteln, aber nach Armenien würde ich auf jeden Fall noch einmal fahren, wenn ich die Zeit hätte (hier immer Mangelware). Müde und fertig war ich aber froh über die hoffentlich nächsten ruhigeren Wochen in Tbilisi. 

Bericht über Dezember kommt hoffentlich bald – vielleicht brauche ich aber auch wieder ein paar Wochen. Bis dann!