Ich gebe zu, es war nicht geplant, dass der erste Eintrag meines Blogs zur gleichen Zeit, wie der zweite erscheint, aber nun ist es wohl so. Obwohl ich guten Gewissens nicht behaupten kann, ich hätte überhaupt keine Zeit gehabt weiter von meiner Zeit hier zu berichten, ist mir doch immer wieder etwas, und war es auch die Langeweile, dazwischengekommen. Es ist aber in den letzten dreieinhalb Wochen schon einiges passiert.
Ich musste aber erst gerade einen englischen, einseitigen Bericht über meine Arbeit und Erfahrungen bisher bei der UNESCO Nationalkommission Ghana einreichen und dasselbe nochmal hier auf Deutsch statt englisch darzulegen erscheint mir sehr …Worthänger… „unattraktiv“.
Damit meine Erläuterungen also für mich spannender und für die Lesenden vielleicht greifbarer werden werde ich hier möglichst chronologisch auflisten, was ich in den letzten Wochen alles das erste Mal gemacht habe und kleine Erklärungen dazu geben:
Ich habe/bin das erste Mal:
Mit einem gut gefederten Jeep über so hügelige Straßen gefahren, dass man aufpassen muss mit dem Kopf nicht gegen die Decke zu stoßen (Hatte aber was von Achterbahn)
Instantnudeln in einer Metallflasche zubereitet
- Wurde leider un(an)fassbar heiß und ich hatte weder Löffel noch Gabel, sodass ich die Nudeln aus der Flasche in meinen Mund kippen musste
Twi gesprochen
- nachdem ich mit „Ete sein“ (Wie geht es dir) angesprochen wurde, wusste ich, was „Mir geht es gut“ heißt.
Allein Tro Tro (Kleinbus, der Öffis ähnelt) gefahren
- Das Tro Tro Netz hier ist sehr zuverlässig und geordnet, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Wenn man aber weiß, wo man hinmuss um Tro Tros in eine bestimmte Richtung zu erwischen und weiß, wo man wieder raus will, dass kommt man ziemlich gut und günstig (ca. 20-35 ct. Pro Fahrt) Von A nach B. Es gibt aber auch Tro Tros, die längere Strecken und sogar bis ins Ausland fahren. Da zahlt man höhere, aber im Vergleich immer noch sehr annehmbare Preise.
An dem See gewesen, um den sich meine Arbeit dreht (Das Biosphärenreservat hat eine unfassbar schöne Vegetation)
- Einerseits war ich dort für Wasserproben und Umfragen in den Communities um den See, denn der Managementplan für das Biosphärenreservat wir neu entworfen und dazu werden Daten benötigt, andererseits für das so genannte Coevahcop Camp. Eine Art Sommercamp, bei dem Studierende Communityarbeit am See betreiben. Das sind zum Beispiel gemeinsam gefeierte Gottesdienste, Umweltbildung in Schulen, Klamotten und Schuhe verteilen, oder auch das Medical Health Screening, bei dem alle, die wollten untersucht wurden und dann kostenlos Medikamente bekamen. Während diesem wunderbaren fünftägigen Aufenthalt sind die folgenden sechs Punkte passiert.
In selbigen See voll bekleidet geschwommen (Die Badesachen waren einfach zu weit weg)
Frisch gepflückte Papaya und Kokosnuss geschnitten und gegessen
Yam (eine Wurzelknolle, ähnlich der Kartoffel) geschält
- Das Beste, was man mit diesem Yam meiner Meinung nach machen kann, ist frittieren. Das schmeckt dann genau, wie dicke Stakehouse Pommes. Richtig gut!
Einen Riesenbottich Bohnen sortiert in gut und schlecht (Hab mich gefühlt, wie Aschenputtel)
Für die Küche Wasser aus einem Brunnen geholt
Ich wurde das erste Mal auf eine ghanaische Hochzeit eingeladen, die praktischerweise einen Tag vor meiner Abreise stattfindet.
Bei einem open Air Gottesdienst gewesen und zur ohrenbetäubend lauten Musik getanzt
Auf andere Deutsche getroffen
- Mitarbeitende vom Biosphärenreservat Schaalsee waren da um als Partnerorganisation mit dem Lake Bosomtwe einen am See gelegenen Informationscenter einzurichten, der Touristen, aber auch Schulklassen anziehen soll
Bäume gepflanzt
13 Stunden allein unterwegs gewesen
- Ich habe andere Freiwillige in Ada Foah, einem schönen, kleinen Ort an dem Ort, an dem der große Voltafluss ins Meer mündet. Die Fahrt war allerdings wirklich auslaugend
Echte Krokodile gesehen
- Leider unter ziemlich schlechten Haltungsbedingungen. Das „Crocodile Island“ beherbergt drei Krokodile im Betonbecken, ein paar halb ertrunkene Schildkröten, zwei depressive Affen und drei Pythonschlangen in Käfigen. Abgesehen von der halbstündigen Bootsfahrt dorthin keine Empfehlung wert
Bread with Egg genossen (eigentlich bin ich kein Fan von Rührei, aber das hat richtig gut geschmeckt)
Auf dem großen Kejetja Markt gewesen
- Einer dreistöckigen, riesigen Markthalle, in der man alles finden könnte, aber irgendwie nichts findet. Nicht mal den Ausgang
Selbst hier gekocht!
- Endlich habe ich nach einigem Hin und Her meinen eigenen Herd bekommen und schon einiges ausprobiert.
Einen Wasserausfall erlebt (es kam einfach nichts mehr aus den Hähnen)
Workouts bei 80 Prozentiger Luftfeuchtigkeit gemacht und danach geschwitzt, wie blöd
Es kommt immer mehr dazu, je länger ich nachdenke. Diese Auflistung hilft mir selbst auch. Manchmal habe ich das Gefühl nicht genug zu erleben. Ich denke mir dann, dass ich schließlich auch in München vor meinem Laptop sitzen und mich langweilen kann. Ich muss mir aber wohl häufiger klarmachen, dass ich bei nur einem Schritt vor die Tür hier mehr erlebe, sehe und lerne, als in einer Woche München.
Es wird leichter, habe ich jetzt auch schon vielen Leuten gesagt, die mich gefragt haben, wie es mir denn geht. Es wird jeden Tag leichter, denn ich lerne neue Leute kennen, mit denen ich mich verabreden kann, um am Wochenende etwas zu tun zu haben, ich weiß schon mehr über Sehenswürdigkeiten und schöne Ausflugsziele, ich weiß, dass die anderen Freiwilligen gar nicht unendlich weit weg sind, sondern nur eine Busfahrt und 8€. Mein Kalender besteht nichtmehr nur aus leeren Tagen, die vergehen müssen, sondern füllt sich mit Verabredungen und Events, auf die ich mich freue. Ich weiß, wo ich etwas zu essen bekomme, was mir schmeckt und was nicht.
Und trotzdem. Ich fühle mich auch manchmal fehl am Platz, weiß nicht wohin und stehe vor Problemen, für die ich keine Lösung finde. Ich kann nicht immer einschätzen, ob mich jemand abzieht, oder ob ich den normalen (hohen) Preis zahle. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, wenn mich jemand auf etwas einlädt, oder mir etwas schenken will. Ich bleibe aber zuversichtlich gestimmt und wage mich einfach immer weiter über meinen Tellerrand hinaus.
Hier noch eine kleine Hommage an mein P-Seminar Poetry Slam aus der Schule, das ich sehr vermisse:
Ich denke nach, ich denke vor, ich denke weiter
Ich stehe und habe die Augen geschlossen. Ich höre Vogelgezwitscher, Bässe dröhnen, Stimmen schreien und Grillen zirpen. Ich rieche gebratenes Ei, Orange, und Autoabgase, ich schmecke das Schokoladen- und das Ananasstück, das ich vorher gegessen habe, ich fühle warmen Wind, das Jucken meiner Mückenstiche und meine Fußsohlen, an denen ich vom vielen Laufen schon ein paar Blasen habe. Ich denke wirr. Meine Gedanken kreisen. Das Schubladensystem in meinem Kopf musste sich in vier Wochen auf das doppelte vergrößern und ich merke, dass zwischendurch IKEA geschlossen hatte, sodass vieles nun ungeordnet auf einem Haufen liegt.