Zwei Tage am Meer

Meine Zeit hier in Fray Bentos neigt sich dem Ende zu. In drei Wochen werde ich bereits in Montevideo wohnen. Irgendwie ging das jetzt doch schneller als gedacht. Nach ewiger Suche haben wir endlich eine Wohnung gefunden, die einigermaßen bezahlbar ist und eine mega Lage in dem sicheren, aber zentralen Stadtviertel Palermo nahe der Uferpromenade gefunden. Sie ist ab dem 2. Mai beziehbar, deshalb verbringen wir die ersten Tage noch in einem Hostel direkt neben der NatCom. Aber das ist jetzt definitiv die beste Lösung. Von der Wohnung müssen wir auch nur noch 20 Minuten zur Arbeit laufen, was meinen von unserem ewig langen Arbeitsweg hier in Fray Bentos geschundenen Füßen auf jeden Fall gut tun wird.

Letztes Wochenende unternahm ich mit einer anderen Freiwilligen noch einen kleinen Trip an die Küste. Samstags waren wir auf dem 18. Geburtstag ihrer Gastschwester eingeladen und konnten diese kulturelle Erfahrung auch noch mitnehmen. So etwa konnten wir das obligatorische Fotoshooting mit der Torte miterleben.

Nach einer Nacht in Nueva Helvecia machten wir uns am nächsten Tag mittags auf nach Montevideo. Nach einem kurzen Schock, weil sie ihren Geldbeutel vergessen hatte und wir deswegen den Bus nach Colonia Valdense verpassten und die Tante der  Gastfamilie uns deswegen schnell dorthin bringen mussten, saßen wir dann zum Glück im Bus in Richtung Hauptstadt. Von dort sind es nur noch circa zwei Stunden Fahrt. Nach kurzem Umstieg im Tres Cruces Busbahnhof, wo wir uns mit Proviant eindeckten, stiegen wir dann in den Bus von Rutas del Sol, der uns ans Meer bringen sollte. Die Fahrt zog sich ziemlich, aber die Landschaft war dann doch etwas abwechslungsreicher als im Westen des Landes und so erreichten wir bei Einbruch der Dunkelheit das Terminal, von dem aus die Shuttle in den kleinen Ort fahren. Cabo Polonio ist ein kleines Dorf, das inmitten des gleichnamigen Nationalparks liegt und deswegen nur von den Anwohner*innen mit Privatautos angefahren werden darf. Alle anderen müssen das safarifahrzeugähnliche Shuttle nehmen, mit dem es dann quer durch die Dünen und den Wald über den Strand geht. Allrad ist hier unabdingbar! In Cabo Polonio gibt es keine Straßen, sondern nur Sandwege. Wir verliebten uns direkt in das süße Örtchen. Ganz so extrem, wie es in manchen Dokus und Reiseführern dargestellt wird, ist es übrigens nicht. Cabo Polonio ist zwar nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen, doch es gibt überall und zu jeder Tageszeit Strom aus Solarpaneelen und fließendes Wasser ist auch vorhanden. Wir übernachteten in einem winzigen Hostel, in das Zimmer passte genau das Bett und mehr eigentlich auch nicht. Frühstück war sogar inklusive, was aufgrund der touristischen Preise und beschränkten Einkaufsmöglichkeiten im Ort auf jeden Fall von Vorteil war. Am nächsten Tag erkundeten wir die Gegend, beobachteten die Seelöwen, die sich auf den Felsen vor dem Ort entspannen und sahen uns den Leuchtturm an, der aus unerklärlichen Gründen leider nur von donnerstags bis sonntags bestiegen werden kann. Nachmittags kletterten die Temperaturen wieder auf über 25 Grad, weshalb wir den Rest des Tages am Strand verbrachten und baden gingen. Abends picknickten wir auf den Felsen vor den Seelöwen und schauten uns den Sonnenuntergang an. Die Ruhe in dem Ort aufgrund der fehlenden Autos und die Entspanntheit der Menschen waren auf jeden Fall eine wirklich schöne Auszeit.

Den nächsten Tag nutzten wir dazu, auszuschlafen und dann eine kleine Wanderung am Strand entlang zum Cerro de la buena vista (zu deutsch „Hügel der schönen Aussicht“) zu unternehmen. Diese war tatsächlich länger als gedacht, nach etwa anderthalb Stunden erreichten wir das zweite Cap, das die Bucht begrenzt und machten dort Mittagspause, bevor wir den Hügel hochkletterten. Von dort machten wir uns dann wieder auf den Rückweg, weil wir um 18 Uhr das Shuttle zurück erwischen mussten. Ich musste schließlich, anders als meine Mitfreiwillige, die noch ein paar Tage in Punta del Diablo angehangen hat, am nächsten Tag wieder arbeiten. Hier befand ich mich schließlich 440 km von Fray Bentos entfernt, für die ich wegen der gemächlichen Busse im Land etwa elf Stunden brauchen sollte. Und so ging es zunächst erst zurück nach Montevideo, wo ich noch drei Stunden auf den nächsten Bus warten musste. Ein nächtlicher Aufenthalt in Tres Cruces ist aber gar kein Problem, weil die Menschen hier teilweise wirklich nachtaktiv sind. So haben die meisten Ticketschalter und viele Essensmöglichkeiten geöffnet und es herrscht noch reger Betrieb. Um 6:30 kam ich dann endlich wieder in Fray Bentos an und legte mich nochmal anderthalb Stunden hin, bevor es dann zur Arbeit ging. So hielt sich die Müdigkeit zum Glück in Grenzen.

An diesem Tag lernte ich auch die Eltern meines Mitfreiwilligen kennen, die aktuell zu Besuch in Uruguay sind. Ich freute mich sehr darüber und wir verbrachten die nächsten zwei Tage mit ihnen und wurden sogar bekocht <3

Seit Freitag bin ich wieder alleine, weil die drei gerade noch eine zehntägige Tour durch Uruguay machen.

Gestern wurde ich spontan von Bekannten noch mit zur „Semana de la cerveza“ (Bierwoche) nach Paysandú genommen. Dort gab es mehrere Konzerte und viele Essens- und Marktstände und wir verbrachten einen schönen Abend. Um 3:30 war ich dann wieder zuhause und schlief erstmal aus. Die nächsten zwei Tage steht nichts an, was auch mal gut ist, um mich etwas auszuruhen und ein paar Haushaltssachen zu erledigen.

Von Pinguinen, Wanderungen und zu vielen Umzügen

Inzwischen ist schon mehr als die Hälfte meines Aufenthalts vorbei. Es kommt mir verrückt vor, in etwas mehr als 4 Monaten schon wieder zurück in Deutschland zu sein. So lang ist ein Jahr eigentlich gar nicht. Meine letzte große Reise ist nun auch vorbei, für mich ging es mit meinem Mitfreiwilligen noch für 10 Tage nach Patagonien. Die Anreise war lang, wir mussten zunächst von einer Kollegin nach Argentinien gebracht werden und dann den Bus nach Buenos Aires nehmen. Dort verbrachten wir die Nacht am Flughafen, an dem überraschend viel los war und die paar Stunden gingen schneller rum als gedacht. Um 7:40 hob dann unser Flieger nach El Calafate ab. Die Stadt liegt in der Provinz Santa Cruz im Süden des Landes, hier liegt die Bevölkerungsdichte bei weniger als 1 Einwohner*in pro Quadratkilometer. Dementsprechend verwirrt waren wir beim Landeanflug als wir nur eine karge wüstenähnliche Landschaft sehen konnten und einfach keine Landebahn auftauchen wollte. Doch schließlich kamen wir gut an dem winzigen Flughafen an und nahmen einen Shuttle in den Ort. In diesem lernten wir zufällig eine andere Deutsche kennen, die aktuell ein Praktikum in Buenos Aires absolviert und verabredeten uns noch mehrfach mit ihr. El Calafate ist ein sehr touristischer Ort, man merkt, dass dort alles auf die (besonders europäischen und US-amerikanischen) Urlauber*innen ausgelegt ist. Dementsprechend teuer und edel sind die meisten Restaurants und Läden dort. Irgendwie wirkt es nicht so, als würden dort wirklich Menschen leben. Wir besuchten zunächst ein Museum, in dem unter anderem nachgebaute Dinosaurierskelette ausgestellt sind, die in der Region gefunden wurden. Besonders angetan hat es mir aber das Riesenfaultier, das hier vor zehntausenden Jahren noch gelebt hat und dessen Überreste in einer Höhle in der Gegend gefunden wurden. Abends testeten wir ein arabisch-venezolanisches Restaurant (ja, wilde Kombi!) und aßen leckere, aber überteuerte Falafelwraps. Generell ist Patagonien wunderschön und unbedingt eine Reise wert, jedoch nichts für einen schmalen Geldbeutel. Am nächsten Tag stand eins der Highlights der Reise an, der Ausflug zum „Perito Moreno-Gletscher“ im Nationalpark „Los Glaciares“, der auch auf der UNESCO-Welterbeliste steht. Es war unglaublich beeindruckend, diese Eismassen zu sehen und auch zu hören, wie Teile des Gletschers abbrechen. Die Temperaturen in Patagonien waren im Vergleich zum unendlichen Sommer am Río Uruguay ziemlich niedrig, weswegen wir aufgrund fehlender Winterjacke den Zwiebellook voll ausreizen mussten. Meine Outfits bestanden meistens aus einer Leggings unter meiner Wanderhose, einem Langarmshirt, einem Kurzarmshirt und dann je nach Temperatur ein dünner Pulli und schließlich ein dicker Pulli und eine Regenjacke. Eine Mütze und Handschuhe wären aber manchmal tatsächlich nicht schlecht gewesen… Ich möchte mir das Wetter dort nicht im Winter vorstellen!

Am nächsten Tag konnten wir ein neues Land von der Weltkarte freischalten. Es ging morgens mit dem Bus weiter nach Chile, 6 Stunden Fahrt für eine Strecke von 200 km, von denen wir anderthalb an der Grenze verbrachten. Zunächst wurden die Pässe auf argentinischer Seite kontrolliert und ein paar Hundert Meter weiter mussten wir erneut aussteigen (im Regen und Nebel), um uns auf chilenischer Seite auszuweisen. Sogar das Handgepäck wurde durchleuchtet. Vorher mussten wir bereits ein Online-Formular ausfüllen, um anzugeben, was wir an Lebensmitteln einführen. Obwohl wir es dort angegeben hatten, durften wir leider unser Obst nicht mitnehmen. Ich hoffe, die Beamt*innen haben es wenigstens gegessen, anstatt es wegzuschmeißen… Am Nachmittag kamen wir dann endlich in Puerto Natales an, einem süßen Städtchen, in dem man direkt gemerkt hat, dass wir jetzt näher am Pazifik als am Atlantik sind. Das Stadtmaskottchen ist besagtes Riesenfaultier, das hier gefunden wurde. Deswegen ist es auch auf jedem Straßenschild abgebildet und eine Statue ist an der Rambla zu finden. Hier probierten wir eine fantastische Calafate-Limonade (Calafate ist eine Beere aus der Region, die auch El Calafate seinen Namen gab) und hoben bunte chilenische Pesos ab (So langsam wird es durcheinander mit den ganzen Währungen… Aber die chilenischen Scheine waren die schönsten bisher!). Leider fiel uns auf, dass wir uns ja nun nicht mehr in der Materegion befanden, in der der Rhythmus spät in die Nacht verlegt ist, wodurch wir leider nach 20 Uhr nicht mehr einkaufen konnten. Und so traten wir am nächsten Tag um 7 Uhr morgens mit leerem Magen die Fahrt zum Nationalpark Torres del Paine an, um eine 8-stündige Wanderung zu machen. Nach der Ankunft im Park mussten wir noch einen weiteren Shuttle nehmen, um zum Besuchszentrum zu kommen, wo die Tageswanderung zu den „Torres del Paine“ startet. Diese führte uns durch Wald und an einem kleinen Fluss vorbei, an dessen Zuläufen man sich wunderbar die Wasserflasche auffüllen kann. Das Wasser kommt kalt und sauber direkt aus dem Berg. Es ging auch an einer Hütte vorbei, an der Wandernde in Zelten übernachten können, die den W- oder O-Trail laufen, die beide mehrere Tage gehen. Am Ende mussten wir ein recht langes Geröllfeld hochklettern, bevor wir endlich am Ziel der Wanderung ankamen, einer türkisblauen Lagune mit den drei Bergspitzen der „Torres del Paine“ (zu deutsch „Türme des blauen Himmels“ in der Sprache der indigenen Tehuelche). Hier saßen wir etwa eine Stunde, beobachteten die anderen Menschen vor Ort, die schöne Landschaft und aßen unser mageres Picknick, bestehend aus trockenem Baguette mit etwas Honig, einem Apfel und ein paar Chocolinas-Keksen. Danach begaben wir uns auf den Rückweg zum Startpunkt, den wir um 18 Uhr nach ziemlich genau 8 Stunden wieder erreichten. Von hier ging es dann mit Shuttle und Bus wieder zurück nach Puerto Natales. Ich bin mega stolz, diese Wanderung geschafft zu haben!

Am nächsten Morgen probierten wir ein sehr leckeres veganes Café zum Brunch aus und stiegen dann in den Bus nach Punta Arenas, wo wir eine Nacht verbrachten. Von der Stadt konnten wir leider nicht so viel sehen, weil es den ganzen Tag regnete, aber wir aßen leckere chilenische Riesenempanadas und kauften unser Busticket für den nächsten Tag (in dem nur noch 3 Plätze frei waren, also Glück gehabt!). Denn nun ging es schon zum letzten Stopp und zwar zurück nach Argentinien in die südlichste Stadt der Welt, nach Ushuaia. Die Busfahrt war lang, aber kurzweilig, da sie von einer 40-minütigen Bootsfahrt unterbrochen wurde, um die Magellanstraße zu überqueren und auf die Insel Feuerland zu kommen.

Am kommenden Tag entschieden wir uns dazu, ein bisschen Geld zu blechen und gleich zwei Bootstouren im Beaglekanal zu unternehmen. Und so ging es für uns zunächst mit einem kleinen Boot mit etwa 8 Personen zum Leuchtturm „Faro Les Éclaireurs“ und wir konnten viele Tiere beobachten. Das Wetter war traumhaft und wir konnten Wale, Robben und viele Kormorane sehen, das sind Vögel, die von Weitem ein bisschen aussehen wie Pinguine. Die ließen sich tatsächlich auch schon blicken. Eine Gruppe von Magellanpinguinen schwamm ein Stück von unserem Boot entfernt durch das Wasser. Das war alles sehr beeindruckend!
Irritiert haben mich im Vorbeilaufen jedoch jedes Mal die großen Kreuzfahrtschiffe im Hafen nach Ushuaia. Denn von hier starten mehrwöchige Kreuzfahrten in die Antarktis. Und das zum Preis von rund 10.000 Dollar pro Person! Sowas muss meiner Meinung nach wirklich nicht sein. Mir wäre es lieber, wenn die Pinguine dort einfach in Ruhe gelassen werden würden…

Am nächsten Morgen besuchen wir zunächst das „Museo Marítimo y del Presidio de Ushuaia“, ein Museum mit mehreren Ausstellungen in einem alten Gefängnisgebäude. Hier lernten wir etwas über die Geschichte des Gefängnisses, aber auch über die ersten Forschungsreisen in die Antarktis und einen Leuchtturm auf der Isla de los Estados. Danach ging es zu unserer zweiten Bootstour zur Isla Martillo, auch „Pinguininsel“ genannt. Dafür fuhren wir zunächst mit einem Minibus etwa eine Stunde weiter nach Osten, um dann auf ein Schlauchboot zu steigen und zur Insel zu fahren. Hier leben zwei Pinguinarten, Magellanpinguine und Eselspinguine, die wir von ganz nah beobachten konnten. Zu dem Zeitpunkt befand sich auch ein Filmteam auf der Insel, vermutlich, um eine Tierdoku aufzunehmen. Nach einem Heißgetränk und ein paar Medialunas (Croissants aus Hefeteig) ging es wieder zurück nach Ushuaia.

Tags drauf besuchten wir erneut das Museum und entschlossen uns dann trotz des schlechten Wetters eine kleine Wanderung zum „Glaciar Martial“, den Überresten eines Gletschers, zu unternehmen. Hier läuft man eine ehemalige Skipiste hoch und dann, bei guter Sicht, einen fantastischen Blick auf die Stadt und den Beagle-Kanal. Dann brach auch schon unser letzter Tag an, den wir im Nationalpark Tierra del Fuego verbrachten. Hier befindet sich die südlichste Poststelle der Welt, die natürlich überfüllt mit Touris war und in der überteuerte Postkarten verkauft wurden. Wir unternahmen hier noch eine letzte Wanderung, ein Weg, der durch Wald an der Küste entlangführt und mich landschaftlich sehr an die Bretagne erinnert hat. Nach der Rückkehr in die Stadt testeten wir noch ein süßes Café aus, bevor es um 18:30 zum Flughafen ging, um zurück nach Buenos Aires zu fliegen. Dort kamen wir gegen 23:30 an und fielen dann müde ins Bett in einem Hotel, das wir spontan ein paar Tage zuvor gebucht hatten. Den Tag verbrachten wir dann noch in Buenos Aires mit Postkarten schreiben und ein paar Besorgungen zu machen (Kosmetikprodukte sind hier so viel günstiger als in Uruguay!). Wir mussten auch Geld wechseln, um unser Taxi abends bezahlen zu können, was sich zunächst als nicht so einfach herausstellte. Gut, dass mein Mitfreiwilliger noch einen 50 €-Schein dabeihatte, den wir wechseln konnten. Abends ging es dann zurück nach Gualeguaychú und dann mit dem Taxi nach Fray Bentos. Da wir am 1. März unsere alte Unterkunft verlassen mussten, zogen wir mit unserer Rückkehr nach Uruguay auch direkt um, wir stoppten mit dem Taxi kurz am alten Haus, um unser restliches Gepäck zu holen und fuhren dann zu unserem neuen AirBnB. Am nächsten Tag ging es direkt zu Arbeit. Das war anstrengend… Patagonien war aber wirklich traumhaft schön und ich kann es allen, die die Möglichkeit dazu haben, nur ans Herz legen, dort einmal hinzureisen!

Ein paar Tage später bekamen wir noch Besuch von einer anderen Freiwilligen, die 3 Tage bei uns blieb. Solche Momente sind immer sehr schön!

Tatsächlich hält es uns aber nicht mehr lange in Fray Bentos. In 5 Wochen werden wir nach Montevideo ziehen, um dort den Rest unseres Aufenthalts in der UNESCO-Nationalkommission zu absolvieren. Das wird spannend! Etwas Sorge bereitet mir aktuell noch die Wohnungssuche, aber das wird schon irgendwie…

Karneval in Montevideo und Homezone-Wiedersehen <3

Diesmal hat es mich nicht lange in Fray Bentos gehalten. Momentan ist die Anzahl von Tourist*innen aber auch wirklich überschaubar und auch sonst gibt es im Museum nicht wirklich viel zu tun. Die Hitze spielt hier sicherlich auch eine große Rolle. Bei knapp 40 Grad und einer unglaublich hohen Luftfeuchtigkeit sind die meisten Leute nicht wirklich zu etwas zu gebrauchen. Auch bei uns im Haus, in dem wir keine Klimaanlage, sondern lediglich ein paar Deckenventilatoren haben, die vergeblich den ganzen Tag auf Hochtouren liefen, um uns ein bisschen frische Luft zu beschaffen, merkte man das allen an. So ging es freitagabends schon wieder weiter zum nächsten Trip, wir verbrachten das Wochenende in Montevideo. Hier wollten wir uns den Karneval anschauen und gleichzeitig nochmal ein kleines Homezone-Wiedersehen mit den meisten anderen Freiwilligen aus Uruguay genießen. Zwei werden schließlich nächste Woche schon wieder in Deutschland sein. Verrückt, wenn ich darüber nachdenke, dass bei mir jetzt fast auf den Tag genau Halbzeit ist. Die Zeit ging so schnell rum und gleichzeitig fühlt es sich an, als wäre ich schon ewig hier.

Montevideo zeigte sich diesmal von einer deutlich besseren Seite als im September. Im Vergleich zu Fray Bentos und eigentlich jeder anderen Stadt in Uruguay ist man in Montevideo in einer anderen Welt. Es gibt Einkaufszentren, ÖPNV, viele Menschen, Kulturangebote und unzählige Märkte, auf denen man ganze Tage verbringen kann. Den Freitagabend verbrachten wir auf der Straße Isla de Flores, auf der jedes Jahr der große Karnevalsumzug „Desfile de Llamadas“ stattfindet. Die Gruppen sind nicht so unterschiedlich wie in Deutschland, sondern immer gleich aufgebaut und unterscheiden sich nur durch die Farbe ihrer Kostüme und Accessoires. Wir konnten Sambatänzerinnen aus dem ganzen Land bewundern und den Candombe-Trommlern lauschen. Interessant war auch der Teil der Gruppe, der aus Pärchen bestand, bei denen die Frau ein Kleid trägt, das an das 19. Jahrhundert erinnert und der Mann mit Stock und aufgeklebtem weißem Bart auftritt.

Samstags besichtigten wir das Museum zur Militärdiktatur in Uruguay und machten einen Abstecher ins Einkaufszentrum Punta Carretas im elegantesten Viertel Montevideos. Abends besuchten wir eine weitere Karnevalsveranstaltung, eine sogenannte Murga, die vergleichbar mit politischem Kabarett in Deutschland ist. Hier treten jedoch ganze Gruppen auf, die tanzend und singend aktuelle politische Themen kommentieren. Das war eine interessante Erfahrung, mangels Sprachkenntnissen im gesanglichen Kontext und detailliertem Wissen über uruguayische Politik, verstand ich aber leider nicht so viel, wie ich gerne hätte. Sonntags wurde zum Markttag und wir streiften über die Feria Tristán Narvaja, auf der alles Mögliche (und auch besonders viel Schrott) feilgeboten wurde. Wahrscheinlich hätten wir hier auch einfach versuchen können, alten Krempel zu verkaufen. Es war viel los und das machte es mit einer so großen Gruppe gar nicht so einfach, zusammenzubleiben. Abends begaben wir uns wieder an die Rambla, wo wir ein paar Jugendlichen dabei zusahen, wie sie die Vorderräder von ihren Fahrrädern abmontierten und dann stundenlang Wheelies um einen Springbrunnen fuhren, in dem Kinder badeten. Großstadt at its best, in Fray Bentos gibt es sowas nicht… Wir gönnten uns als Snack ein paar Churros, die an unzähligen Ständen an der Uferpromenade verkauft werden. Die Stimmung am Strand war unfassbar schön und dadurch, dass der Río de la Plata so breit ist, wirkte es, als wären wir wirklich am Meer.

Montevideo ohne schlechtes Wetter gibt es aber anscheinend nicht. Montags fing es natürlich an zu regnen, was aber bezüglich der Temperaturen natürlich nur von Vorteil war. Wir schauten uns noch das Mausoleum des Nationalhelden José Artigas an und zu dritt besuchten wir schließlich noch das Museum über den Flugzeugabsturz der uruguayischen Rugbymannschaft 1972. Unfassbar berührend und gut gemacht. Der Film über das Unglück „Die Schneegesellschaft“ (La sociedad de la nieve) ist auf jeden Fall eine absolute Empfehlung! Nach einem Snack in einem Café ging es dann auch schon wieder zurück nach Fray Bentos.

Ich muss sagen, am liebsten wäre ich in Montevideo geblieben. Die Möglichkeiten, die man dort hat, sind wirklich nicht mit hier zu vergleichen… Aber ich werde bestimmt bald wiederkommen!

In Fray Bentos hat es mittlerweile deutlich abgekühlt. Das macht den Alltag auf jeden Fall deutlich angenehmer. Obwohl wir in zwei Wochen leider schon wieder umziehen müssen… Ich hoffe, das hat bald mal ein Ende.

Ich kann aber sagen, dass ich es mir nicht vorstellen könnte, wie die meisten Freiwilligen jetzt schon wieder nach Deutschland zurückzukehren. Dafür fühlt sich mein Aufenthalt noch gar nicht komplett an. Ich freue mich auf die nächsten Monate und bin gespannt, was noch so alles passieren wird.

Viele bunte Berge und viele Busfahrten

Für mich ging es mal wieder nach Argentinien. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich schreibe nur dann Blogeinträge, aber um ehrlich zu sein, ist die Urlaubszeit auch am spannendsten. Doch diesmal stand eine längere Reise an. Und so begab ich mich in der Nacht vom 21. auf den 22. Januar wieder zum Busterminal, um mal wieder nach Buenos Aires zu fahren. Nachdem unser Bus zehn Minuten vor der Endstation liegengeblieben war, war ich ziemlich froh, dass ich so viel Puffer vor meinem Flug eingeplant hatte. Dann ging es mit dem Uber zum Flughafen Ezeiza, der wirklich weit außerhalb liegt und der Weg morgens im Berufsverkehr deshalb ungefähr 40 Minuten in Anspruch nahm. Nach einem schnellen Frühstück war ich erstmal verwirrt: Ich hatte am Vortag eine Mail bekommen, in der ich über die Stornierung meines Fluges informiert wurde und mir ein neues Flugticket für einen Flug zehn Minuten später ausgestellt wurde. Also eigentlich alles entspannt. Nachdem ich erst aber zehn Minuten vor Schluss den neuen Check-In gemacht hatte, weil mir nicht bewusst war, dass der nötig war, konnte ich den neuen Flug bei bestem Willen nicht auf den Anzeigetafeln entdecken. Überall stand nur, dass der ursprüngliche Flug gecancelt wurde. Trotzdem lief ich zum Securitybereich für die Inlandsflüge und wurde ohne Probleme durchgelassen. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der neue Flug war eigentlich die Maschine, die bereits um 4:30 morgens hätte abfliegen sollen und aus unerklärlichen Gründen acht Stunden Verspätung hatte. Ich vermute ja, dass beide Flüge nicht voll waren und deshalb zusammengelegt wurden.

Und so überquerte ich in zwei Stunden das flache Land bis plötzlich eine Wolkendecke auftauchte, aus der kurz vor der Landung einige grün bewaldete Berge herausragten. Wie lange hatte ich schon keine Berge mehr gesehen?! In Uruguay gibt es jedenfalls keine… Ich war in Salta, im Norden Argentiniens gelandet und staunte bei der Taxifahrt zum Hostel über die grüne Landschaft, die gar nicht wüstenartig war, wie ich mir sie vorgestellt hatte. Ich verbrachte einige Stunden im Hostel, um auf die Freiwillige aus Argentinien zu warten, mit der ich die nächsten zwei Wochen verbringen sollte.

Die nächsten zwei Tage erkundeten wir die Stadt Salta (Salta capital), fuhren zum Beispiel mit der Seilbahn den Cerro San Bernardo hoch und probierten regionale Gerichte wie Humitas (in ein Maisblatt eingehüllte Käse-Mais-Masse) oder Tamales (das Gleiche aber noch mit Fleisch, z.B. vom Lama). Wir besichtigten auch das Museo de Arqueología de Alta Montaña, das vor allem die Anden- und Inkakultur thematisiert. Hier wird auch immer im Wechsel eine der drei Kindermumien, die auf dem Gipfel des Llullaillaco, eines Vulkans an der Grenze zu Chile, gefunden wurden, ausgestellt. Es war ein beklemmendes Gefühl, diese so gut konservierte 500 Jahre alte Mumie anzuschauen. Besonders vor dem Hintergrund, dass diese Kinder geopfert wurden und dort oben erfroren sind. Die indigene Bevölkerung der Region heißt die Ausstellung der Mumien im Museum nicht gut. Generell kommt mir Argentinien hier im Norden nicht ganz so europäisch vor wie Buenos Aires. An vielen Ecken sieht man die bunte Flagge der indigenen Bevölkerung wehen, die hier noch einen großen Anteil der Menschen ausmacht.

Da donnerstags ein Generalstreik gegen die neue Regierung angekündigt war, konnten wir einen geplanten Ausflug nicht machen und verbrachten den Tag nochmal in der Stadt. Am nächsten Tag nahmen wir einen Bus nach Tilcara, ein süßes Bergdorf, in dem wir in einem Hostel mit einer super Dachterrasse übernachteten. In Tilcara besuchten wir die Pucará, ein ehemaliges nachgebautes Inkadorf und einen Kaktusgarten. Allgemein merkten wir bei der Fahrt nach Tilcara, dass es immer höher in die Berge ging und die Landschaft viel trockener und wüstenartiger wurde. Die umliegenden Berge sind dort von Kakteen übersät, was eine mir bisher völlig unbekannte Landschaft ist.

Freitags ging es für uns mit dem Bus nach Purmamarca, ein anderes Bergdorf in der Nähe von Tilcara, um von dort eine Exkursion zu den Salinas Grandes zu starten. Das sind riesige Salzwüsten, die vor ein paar Millionen Jahren auf einem Hochplateau in den Anden entstanden sind und die es zum Beispiel auch in Bolivien gibt. Zwischendurch befanden wir uns schon auf 4170 Metern. Die Salinas waren sehr beeindruckend und die professionellen Fotos, die dort von Mitarbeitenden für 50 Cent Eintritt von uns geschossen wurden, machten den Ausflug noch besser. Traurig ist jedoch, dass überall Schilder stehen müssen, auf denen gefordert wird, dass die Massenförderung von Lithium in der Region aufhören muss. Dies stellt dort ein riesiges Problem dar. Danach liefen wir in Purmamarca noch den Rundweg um den „Berg der sieben Farben“.

Abends kehrten wir nach Tilcara zurück und konnten auf dem Dorfplatz noch eine Tanzgruppe bewundern, die traditionelle bolivianische Tänze aufführte. Am nächsten Tag brachen wir schon wieder auf und es ging nach Humahuaca, noch weiter nördlich, wo wir eine Exkursion in einem Geländewagen zum Hornocal unternahmen. Der Hornocal ist ein Berg, der vor allem als „Cerro de los 14 colores“, also Hügel der 14 Farben, bekannt ist. Hier befindet man sich auf 4.350 Meter, der höchste Punkt auf unserer Reise. Das haben wir auch gemerkt, als wir runter zum Aussichtspunkt liefen, da die Luft spürbar dünner ist als weiter unten im Tal. Wir waren so beeindruckt von dem Berg, dass wir mit den anderen Reisenden etwa 15 Minuten einfach nur da saßen und ihn bewundert waren. Die Gesteinsformation hat sich schon vor etwa 115 Millionen Jahren gebildet und die verschiedenen Sedimente sorgen für die vielen Farben des Berges.

Auf dieser Reise ist uns positiv aufgefallen, dass in der Gegend sehr viele Argentinier*innen Urlaub machen und auch viele junge Menschen unterwegs sind. Deshalb haben wir an so gut wie jedem Stopp tolle Menschen kennengelernt und alle waren sehr offen und interessiert, zum Beispiel eine Tour gemeinsam zu unternehmen oder essen zu gehen.

Den zweiten Tag in Humahuaca nutzen wir, um zum Inca Cueva Weg zu fahren, eine Wanderung, die uns vom Hostel empfohlen wurde. Der Bus, der Richtung bolivianische Grenze fährt, schmeißt einen dafür mitten im Nirgendwo raus und wir folgten einem Schild, auf dem „Inca Cueva“ stand. Zum Glück waren wir eine größere Gruppe mit dem gleichen Ziel und so liefen wir etwa eine Stunde durch eine ehemaliges Flussbett bis wir die eigentliche Höhlenformation aus rotem Stein erreichten. Auf dem Weg begegneten wir auch freilaufenden Lamas! Am Ziel angekommen erzählte uns ein Local etwas über die Höhlen, in denen auch eine der ältesten Mumien weltweit gefunden wurde. Im Anschluss machten wir Mittagspause an einer kleinen Oase. Danach gab es optional die Möglichkeit, an einer verlängerten Wanderung mit einem Guide teilzunehmen, die wir nutzten. Mit einer Gruppe bestehend aus 5 Personen und dem Guide machten wir uns also auf zu einer weiter entfernten Lagune. Zwischendurch regnete es und ich wurde ziemlich demotiviert, doch nach einer Klettereinheit an einer quasi vertikalen Felswand, wurden wir mit einem tollen Ausblick belohnt und konnten auch natürliche Wasserbecken und Pflanzen bewundern, die in dieser Umgebung bestehen können. Auf dem Rückweg ließ uns der Guide das letzte Stück alleine gehen, da er bereits nach Hause ging. Ein Haus mitten in dieser Bergwüste, eine Stunde von der nächsten Straße entfernt und mit dem Auto kaum erreichbar! Leider fing es dann schon an zu dämmern und zu regnen und wir waren alle bereits ziemlich durchgefroren, als wir die Straße erreichten. Wir wussten zwar ungefähr, wann der Bus kommen sollte, da es ja aber schließlich keine richtige Bushaltestelle gibt und er schon Verspätung hatte, spielten wir kurz mit dem Gedanken, zu trampen. Doch dann kam der Bus zum Glück noch und wir konnten durchgefroren, aber happy, unsere Kekse miteinander teilen.

Abends planten wir unsere zweite Woche der Reise und beschlossen, am nächsten Tag nach Iruya, ein winziges Dorf, zu fahren, von dem alle, die wir auf der Reise bisher getroffen hatten, geschwärmt haben. Die Busfahrt war ziemlich ruckelig, weil es von der Schnellstraße aus drei Stunden über unbefestigte Straßen geht, die zwischendurch auch von Eseln versperrt wurden. Iruya selbst hat mich nicht so wirklich umgehauen, die lange Fahrt würde ich nicht nochmal auf mich nehmen. Wir kletterten auf den „Mirador del Condor“ (Kondoraussichtspunkt), eine Wanderung, die ich vor Anstrengung kaum beenden konnte. Aber immerhin sahen wir einige Kondore, also hat es sich schon gelohnt!  Hier blieben wir zum Glück auch nur eine Nacht, da wir es auch mit einer unfreundlichen Hostelbesitzerin zu tun hatten. Dann saßen wir wieder im Bus, der uns in sechs Stunden nach San Salvador de Jujuy (Jujuy capital) bringen sollte. Eine anstrengende und ungemütliche Fahrt, die aber ein Ende nahm und wir in San Salvador mit einem süßen AirBnB belohnt wurden. Es tat gut, endlich mal wieder alle Sachen ausbreiten zu können und nicht direkt spülen zu müssen. Wir gönnten uns ein ausgiebiges Frühstück in der Wohnung und gingen ins Kino. Die zwei Tage ausruhen waren definitiv nötig. Danach hatten wir uns entschieden, wieder nach Salta zurück zu fahren, da man von dort am besten Ausflüge in die Umgebung unternehmen kann. Deshalb ging es für uns noch als Tagestrips nach Cachí und Cafayate, die zwar mit einem Minibus als geführte Tour stattfinden, was eigentlich überhaupt nicht meine Art ist, zu reisen, aber irgendwie tat es auch gut, mal nichts organisieren zu müssen und sich einfach rumfahren lassen zu können.

Unsere Reise neigt sich schon dem Ende zu. Wir sitzen gerade im Bus nach San Miguel de Tucumán, unserem letzten Stopp. Von dort aus geht es für mich morgen Nachmittag mit dem Flieger wieder zurück nach Buenos Aires und dann nach Uruguay. Ich habe das Gefühl, ich sollte mir Uruguay auch bald mal richtig anschauen… Am Wochenende geht es jedenfalls für Karneval mit anderen Freiwilligen wieder nach Montevideo, darauf freue ich mich schon! Generell werden die nächsten Wochen wieder sehr spannend.

Feiertage in Argentinien sind nicht zu empfehlen

Ich sitze am hinteren Ende des gefühlt kilometerlangen Retiro-Busbahnhofs in Buenos Aires. Die Feiertage verbrachte ich wieder in der Hauptstadt Argentiniens (ist ja auch definitiv eine coolere Stadt als Montevideo…). Aber Feiertage in Argentinien sind einfach nur mies. An Weihnachten war wirklich alles geschlossen. Und mit allem meine ich Läden, Restaurants und sogar Apotheken. Wir hatten kurzzeitig Angst, nichts zu essen zu bekommen, weil wir natürlich nichts eingekauft hatten. Die Naivität, an Weihnachten schön essen gehen zu können, wurde schnell von der Realität überschattet. Es lief darauf hinaus, dass wir Pizza auf der Straße essen mussten, weil das der einzige Laden war, der offen hatte. Hier trafen wir sogar zufällig andere kulturweit-Freiwillige aus Brasilien, ich glaube, das sagt schon alles über die Essenssituation an dem Abend aus. Auch an Geld zu kommen, stellte sich wieder schwierig heraus und so verbrachte ich nach Weihnachten 3h bei Western Union und verließ die Filiale mit 200 Scheinen à umgerechnet 1€. Inflation lässt grüßen. Generell habe ich gemerkt, dass die Preise hier im Vergleich zu vor 6 Wochen wirklich angezogen haben. Mit einem Konto mit Euro oder Dollar ist es immer noch günstig, aber trotzdem merke ich die Veränderung. Mir tun die Leute hier aufgrund der wirtschaftlichen Lage sehr leid. Ich konnte auch einige Demonstrationen gegen den neuen Präsidenten beobachten.

Umso verwunderter war ich bei der Führung durch den argentinischen Kongress. Wenn man nicht weiß, wo man sich befindet, könnte man glatt meinen, ein prunkvolles Theater betreten zu haben. Das macht es noch mehr schade, zu wissen, dass das Land sich in so einer tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise befindet.

Die Woche hier lässt sich vor allem mit dem Wort spontan beschreiben. Es waren sehr viele andere kulturweit-Freiwillige ebenfalls hier und so wurde es auf jeden Fall nicht langweilig. Von einer spontanen Geburtstagseinladung über zwei Treffen mit den brasilianischen Freiwilligen und unzählige Café-reuniones bis zu einem Silvesterabend, der erst 6h vorher feststand, war alles dabei. Zwischendrin verbrachte ich auch Zeit alleine und besichtigte unter anderem das ESMA-Gelände, auf dem während der Militärdiktatur politische Gegner*innen festgehalten und gefoltert wurden, das Museo Malvinas e Islas del Atlántico Sur, das die territorialen Streitigkeiten zwischen Argentinien und Großbritannien über die Kontrolle der Falklandinseln thematisiert, und die bunten Häuser im Viertel La Boca und konnte somit meine letzten Touri-Bucketlist-Punkte für Buenos Aires auch abhaken.

In der Woche vor Weihnachten, in der mein Mitfreiwilliger bereits nach Brasilien abgereist war und ich in den 5 Tagen genau eine Touristin empfangen konnte, dachte ich erst, dass ich doch besser schon eine Woche früher gefahren wäre. Doch im Endeffekt war es doch besser gewesen, dageblieben zu sein. Ich musste leider die unschöne Erfahrung machen, dass meine Apple-ID gehackt wurde und ich somit die ganze Woche damit verbrachte, meine Daten zu sichern und dann meine Geräte zurücksetzen zu lassen, was ein ziemliches Heckmeck darstellte und mir die Zeit hier in Argentinien nicht gerade verschönert hätte. Aber danke nochmal an dieser Stelle an Emma, dass ich deinen Laptop dafür ausleihen durfte! <3 Gut gemeinter Rat an alle mit Apple-Geräten, die das lesen: Richtet euch einen Wiederherstellungskontakt ein, falls noch nicht geschehen! Das erspart euch das Ärgernis, dass ihr euch ein neues Konto machen müsst und gegebenenfalls alle Daten verliert…

Außerdem hat es in Fray Bentos 4 Tage so stark geregnet, dass ich eines Morgens meine Zimmertür öffnete und der ganze Flur, das Wohnzimmer und die Küche mit Wasser bedeckt waren. Nach einigen Stunden war das Wasser ein bisschen getrocknet und meine Vermieterin hat den Rest noch geputzt, aber das wäre unschön geworden, wenn ich nicht dagewesen wäre und es niemand bemerkt hätte.

Nun sitze ich im Nachtbus zurück nach Fray Bentos. Dieser existiert nämlich wie anfangs anders angenommen doch, kostet zwar etwas mehr als der Bus nach Gualeguaychú vor der Grenze, spart mir aber eine Person, die mich abholen muss und gewährt mir somit eine tolle Flexibilität. Bei der Hinfahrt war ich schon verwundert, dass um 3 Uhr nachts in Fray Bentos immer noch so viel am Busbahnhof los war, da um diese Uhrzeit Busse sowohl nach Montevideo als auch nach Buenos Aires fahren. Als ich hier eben einstieg, wurde ich sogar von einem Carepaket mit Empanadas, Sandwiches, einem Orangensaft und einem Alfajor überrascht. So lassen sich die knapp 4 Stunden Fahrt doch echt gut aushalten! Ich komme gegen 2 Uhr nachts an. Hoffentlich geht es an der Grenze schnell. Ein paar Stunden Schlaf hätte ich dann doch noch gerne, bevor ich morgen wieder arbeiten muss.

In weniger als 3 Wochen geht es für mich schon wieder auf Tour. Nach Salta und Jujuy um genau zu sein und danach vielleicht noch weiter, mal schauen, wo es uns noch so hintreibt. Spontanität wird hier wie gesagt groß geschrieben. Ich werde das erste Mal ganz alleine fliegen, ich bin gespannt, wie das wird. Dort treffe ich mich dann mit einer anderen Freiwilligen und wir reisen gemeinsam weiter.

Ich finde es unglaublich, dass mittlerweile schon mehr als ein Drittel meines Aufenthalts vorbei ist. Ich bin schon 112 Tage hier. Die Zeit vergeht wie im Flug. Gefühlt kann ich schon gar nicht mehr alles anschauen und machen, was ich mir vorgenommen hatte. Das ist verrückt. Aber ich hoffe, dass die restlichen Monate noch genau aufregend und lehrreich werden, wie der Anfang.

Ein bisschen Heimat in Uruguay oder Südamerika ist, wenn der Hauptact erst um 6 Uhr morgens beginnt

Seit Buenos Aires sind gerade einmal drei Wochen vergangen und doch ist schon wieder einiges passiert. Zuerst das vielleicht Wichtigste: Wir sind umgezogen! Das Ganze passierte eher zufällig und ziemlich schnell. Wir hatten mit unserem Kollegen in einem Moment ohne Arbeit ganz prinzipiell noch mal über unsere Wohnsituation und die damit einhergehende Unzufriedenheit gesprochen. Empfohlen wurde uns dann, mal auf Facebook zu schauen (was ja in Deutschland eher ein Ü50 Ding ist, aber in anderen Ländern wirklich noch sehr hilfreich für solche Dinge ist). Eine Immobilienagentur aus Fray Bentos hatte auch einige Wohnungen gepostet und so schauten wir am nächsten Tag dort vorbei, um direkt nachzufragen, ob etwas für uns infrage kommen würde. Die Mitarbeiterin zeigte uns daraufhin ein neues Studierendenwohnheim, das ein paar Tage später öffnen sollte. Wir besichtigten dieses direkt einen Tag später und wir konnten nur Vorteile feststellen: 3000 Pesos günstiger (etwa 70-80 €), direkt im Zentrum mit Gemüseladen und Supermarkt vor der Haustür und ein eigenes Zimmer für uns beide. Gesagt, getan und so zogen wir 5 Tage später direkt um. Aktuell haben wir das ganze Haus für uns, da die Uni hier erst im März wieder losgeht. Nur die Küche teilen wir mit einem Mitbewohner, der in einem Anbau im Garten wohnt. Er ist wohl der einzige internationale Student in Fray Bentos, da er ursprünglich aus Panama kommt. Wir verstanden uns auf Anhieb gut mit ihm und sind generell unfassbar happy über die neue Unterkunft! Das zeigte uns wieder mal, dass man in Südamerika einfach ein bisschen spontaner und flexibler sein muss als in Deutschland.
Noch eine gute Nachricht, mein Paket ist angekommen! Ich hätte es ja schon nicht mehr gedacht, aber war dann sehr erfreut, dass sich die ganze Mühe mit dem Zoll gelohnt hat. Jetzt habe ich auch eine schöne Thermoskanne und kann mit dem Mate-Lifestyle nun endlich richtig durchstarten.

Irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, dass in zwei Wochen Weihnachten ist… Während es hier immer heißer und heißer wird, hat es in Deutschland sogar bei mir zuhause in der Rheinebene geschneit. Das Einzige, was hier an Weihnachten erinnert, ist die Deko, die sporadisch im Supermarkt oder an manchen Häusern zu finden ist. Nichtsdestotrotz legten Emil und ich am Freitag einen Backtag ein und zauberten Butterplätzchen, Hildabrötchen mit Pflaumenmarmelade und Schwarz-Weiß-Gebäck, was alles wunderbar gelungen ist. Auch die Uruguay@s sind ganz angetan von dieser Tradition.
Das Wochenende des 8. Dezember verbrachten wir in Nueva Helvecia, einer Kleinstadt im Süden Uruguays, um eine andere Freiwillige zu besuchen. Wir wurden unfassbar herzlich, wie die Uruguay@s nun mal sind, von ihrer Gastfamilie empfangen und durften bei ihnen übernachten, den Pool benutzen und tonnenweise Käse essen (die Familie stellt auf ihrem Bauernhof eigenen her und deshalb ist ungelogen die Hälfte des Kühlschranks voll mit Käse). Der eigentliche Grund, warum wir kamen, war aber das „Bierfest“, was wirklich den deutschen Namen trägt. Nueva Helvecia trägt den Beinamen „Colonia Suiza“ (schweizerische Kolonie), da sich im 19. Jahrhundert eine beträchtliche Anzahl an Schweizer*innen und generell deutschsprachigen Menschen hier niedergelassen hat, um der Hungersnot in Europa zu entfliehen. Das deutsche Erbe ist überall in der Stadt noch zu spüren, obwohl kaum noch jemand Deutsch spricht. Dazu gehören das alljährliche Bierfest, die teils schweizerisch angehauchten Häuser, melodische Straßennamen wie „Guillermo Tell“ und ein Café namens „Tante Eva“, was an von der Einrichtung her an eine Berghütte erinnert. Zudem wird an zwei Schulen auch Deutsch unterrichtet, weswegen es hier eine kulturweit-Einsatzstelle gibt.

Das Highlight war für mich aber die Parade als Abschluss des Bierfests, bei der die Bewohner*innen der Stadt mit traditioneller Tracht aus dem Kanton bzw. der Region mitlaufen, aus der ihre Vorfahren nach Uruguay kamen. Eine ganz tolle und spannende Tradition!
Zudem waren wir samstags noch im „Café del Bosque“, einem Outdoor-Club am Strand des Río de la Plata. Vorher lernten wir noch die Freundesgruppe unserer Mitfreiwilligen kennen, mit denen wir den Abend verbrachten. Nach einer spannenden Hinfahrt (zwei von uns mussten hinten auf der Ladefläche des Pick-ups liegen und sich nicht von der Polizei erwischen lassen), verbrachten wir wohl unseren bisher intensivsten Clubabend. Wir kamen gegen 2 Uhr an und es war bereits brechend voll. Um 3 Uhr spielte die erste Band, die an dem Abend angekündigt war und die Stimmung wurde besser und besser. Die Uruguay@s wissen einfach, wie man feiert. Gegen 5 Uhr konnten wir dann die Sonne aufgehen sehen, was befremdlich, aber echt cool war. Etwa gegen 6 Uhr spürten wir die lange Nacht aber auch wirklich und wollten uns gerade auf den Weg machen, als der zweite Sänger tatsächlich gerade erst mit seiner Performance anfing. Südamerika ist, wenn der Hauptact erst um 6 Uhr morgens beginnt, wir waren sehr erstaunt. Tatsächlich handelte es sich um einen recht bekannten argentinischen Sänger, dessen Songs auf Partys rauf und runter laufen. Das konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und nahmen diese Erfahrung auch noch mit.
Bald darauf waren wir aber wirklich fix und fertig und wurden von einer Freundin wieder zurück nach Hause gebracht, wo wir todmüde ins Bett fielen. Alles in allem aber ein Abend, der im Gedächtnis bleiben wird und ein mega Erlebnis!
Gerade sitzen wir im Bus zurück nach Fray Bentos, um morgen wieder arbeiten zu gehen. Das Wochenende hat sich aber wirklich mehr als gelohnt! Mal schauen, was ich in nächster Zeit noch so alles erleben werde. Es bleibt spannend!

BA – Buenos Aires oder doch Brazos Abiertos?

Ich konnte noch ein Land von meiner Bucketlist streichen. Das Zwischenseminar verbrachten wir gemeinsam mit den meisten anderen Freiwilligen aus Uruguay in der Hauptstadt Argentiniens und hatten eine unfassbar schöne Zeit. Nachdem am 10. November noch ein Stadtfest in Fray Bentos stattfand, bei dem wir unter anderem Sambatänzerinnen und eine Gruppe mit argentinischen Folkloretänzen bewundern konnten, machten wir uns am 11. November früh morgens auf den Weg nach Gualeguaychú, der nächstgelegenen Stadt in Argentinien, die auf der anderen Seite des Río Uruguay liegt, allerdings leider nicht mit dem Bus zu erreichen ist. Deswegen wurden alle Kontakte hier vor Ort mobilisiert und schlussendlich wurden wir von der Tante eines Kollegen mitgenommen. In Gualeguyachú stiegen wir dann in den Bus nach Buenos Aires, für den wir trotz der 3,5 Stunden Fahrt nur umgerechnet 7 € pro Person gezahlt haben. Gegen Mittag erreichten wir dann den Retiro Busbahnhof und waren zunächst ein bisschen überfordert, da unser uruguayisches Internet ja nicht mehr funktionierte und wir irgendwie so den Weg zur Unterkunft finden mussten. Nach 1-2 Stopps an Orten mit freiem WLAN war das dann aber auch so möglich. Das große Wiedersehen mit der ganzen Gruppe war super schön und wir stellten auch schnell fest, was für eine tolle Stadt Buenos Aires ist. Dazu kommt, dass sich aufgrund der hohen Inflation die Preise mit einem deutschen Budget und der Erfahrungen aus Uruguay (so teuer!) in einem unfassbar niedrigen Rahmen bewegen. Und so genossen wir die Wochen in vollen Zügen und mussten nicht einmal kochen. Nachdem wir auch endlich etwas Geld wechseln konnten, war der Kurs natürlich noch besser und lag bei 900 argentinischen Pesos für 1 €.
Wir verliebten uns sofort in den Wochenendmarkt am Friedhof Recoleta, auf dem alle Arten von Schmuck, Kleidung und handgemachter Dekoration und Keramik sowie Gemälde verkauft werden. Außerdem besichtigten wir den Friedhof, das Kulturzentrum Recoleta, die Plaza de Mayo, die Buchhandlung El Ateneo in einem alten Theater, die Stadtviertel Palermo und La Boca, das Barrio Chino, den Hafen und den Ecoparque, eine Grünanlage mit Tieren im Herzen von Buenos Aires, und vieles mehr.
Auch kulturell nahmen wir einiges mit und besuchten eine Theatervorstellung mit einem Stück über Sigmund Freud, gingen ins Kino, um den neuen „Hunger Games“ Film anzusehen und gingen feiern, wonach wir um 6:30 den Club verließen und ganz verwundert waren, dass es ja schon wieder hell war. Wohlgemerkt alles an einem Abend!
Unser AirBNB war ein Traum, eine riesige Altbauwohnung mit Platz für 12 Personen und nur wenige Gehminuten vom Obelisken entfernt, also direkt im Zentrum. Besser hätte es nicht sein können!

Das Zwischenseminar war aufgrund des Online-Formats natürlich anstrengend, aber dadurch, dass wir gemeinsam waren und danach immer schöne Dinge geplant hatten, trotzdem recht kurzweilig. Ich habe viele interessante Aspekte besonders über Uruguay mitgenommen, vor allem durch die Gespräche mit einem Deutschen, der seit vielen Jahren in Montevideo lebt und mit einer Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft in Uruguay. Besonders im Gedächtnis geblieben sind mir die Einheiten zur afrouruguayischen Geschichte und der Militärdiktatur in Uruguay, mit beiden Themen möchte ich mich noch weiter beschäftigen. Auch der Kulturausflug war eine tolle Erfahrung, da wir hierfür einen Tangokurs besuchten, in dem wir bereits einige Grundschritte lernen konnten.
Am 19. November, unserem letzten Tag in Buenos Aires, fanden auch die Stichwahlen in Argentinien statt. Dadurch erlebten wir die Tage davor bereits einige Demonstrationen und sahen viele Plakate der Kandidaten. Am Wahltag selbst war es erstaunlich ruhig in der Stadt, was aber auch an der Wahlpflicht im Land liegen kann, durch die die Leute in ihrem Wahlbezirk bleiben. Ein wichtiges Angebot fand ich aber auch den kostenlosen ÖPNV an dem Tag, um allen Menschen die Wahl zu ermöglichen. Erstaunt haben mich die öffentlichen Aushänge der Namen und Ausweisnummer der Wähler*innen vor dem jeweiligen Wahllokal und die Tatsache, dass eine Art Teillockdown verhängt wurde. So etwa hatten alle Kultureinrichtungen geschlossen und am Tag vorher war ab 20 Uhr Tanz- und Alkoholverbot. Das Ergebnis der Wahl kam dann aber erst, als wir bereits wieder an der Grenze zu Uruguay waren. Ich habe endlich einen uruguayischen Stempel in meinem Pass, was bei der ersten Einreise nicht ging, da es am Flughafen ein automatisches Einreisegate ohne Stempelmöglichkeit gab.
Ich habe mich nach den paar Tagen total in Buenos Aires verliebt, wozu bestimmt auch der Stadtslogan beigetragen hat: „Bienvenidos a la Ciudad que siempre te recibe con los Brazos Abiertos“ (zu deutsch: Willkommen in der Stadt, die dich immer mit offenen Armen empfängt). Hier wird auch bewusst damit gespielt, dass BA sowohl für Buenos Aires als auch Brazos Abiertos stehen kann.
Aber das Großstadtleben muss ich nicht lange vermissen, denn über Weihnachten und Silvester geht es erneut in die Stadt, worauf ich mich schon sehr freue! Es war einfach ein ganz tolles Gefühl, an wirklich jeder Ecke ein Café zu entdecken (ungelogen an jeder!), mit der U-Bahn zu fahren, abends in eine Bar zu gehen und nette Leute kennenzulernen und von den ganzen Kulturangeboten zu profitieren! Gestern war es erstmal ganz ungewohnt, wieder die uruguayischen Preise umzurechnen und schockiert über den gewaltigen Preisunterschied zu sein…

Hasta pronto, te amo, Buenos Aires <3

 

 

 

 

 

 

Warum man keine Pakete ans andere Ende der Welt schicken sollte

Wow, mittlerweile sind bereits fast 7 Wochen vergangen, seit ich uruguayischen Boden betreten habe. Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug und gleichzeitig fühlt es sich so an, als würde ich schon ein halbes Jahr hier leben. Zeit ist eine seltsame Sache…
Seit meinem letzten Blogartikel hat sich auch schon wieder einiges getan. Ich kann jetzt recht stolz von mir behaupten, endlich eine Routine für das Kochen gefunden zu haben, was sich am Anfang für eine einzelne Person wirklich etwas schwierig herausgestellt hat, wenn ich nicht drei Tage Reis essen wollte. Mittlerweile macht es mir sogar Spaß, mir Sachen zuzubereiten und dafür einkaufen zu gehen (auch wenn mich so manche Preise hier wirklich immer noch vom Hocker hauen). 

Mit unserem Chef haben wir mittlerweile auch einige Aufgabenbereiche für uns genauer definiert und sind so dabei, Materialien aus dem Museumsarchiv, die auf Deutsch und Englisch sind, durchzugehen und spanische Zusammenfassungen zu erstellen. Auch die Führungen für Tourist*innen zu machen, ist immer wieder schön und abwechslungsreich. Die Phasen, in denen wir planlos in unserem Büro rumsitzen, werden auf jeden Fall zunehmend weniger. Und wenn bei 30 Grad samstags im Museum nichts los ist, wird von den Kolleginnen im Büro auch gerne mal ein Picknick ausgebreitet und Tarotkarten werden gelegt, um sich die Zeit zu vertreiben.
An einem Wochenende bekamen wir auch das erste Mal Besuch von zwei Freiwilligen aus Trinidad im Zentrum des Landes und wir konnten ihnen unsere Einsatzstelle zeigen. Ich nehme aus dem Austausch mit anderen ist schon immer sehr viel mit und in persona ist das Ganze dann natürlich nochmal um Welten besser. Darum freue ich mich schon sehr auf das Ende der kommenden Woche, wenn es für uns am 11.11. für 8 Tage nach Buenos Aires geht, wo wir nach dann über 6 Wochen endlich wieder fast alle der Freiwilligen aus Uruguay wiedersehen werden, mit denen wir auch die erste Zeit in Montevideo verbracht haben. In Buenos Aires werden wir das Zwischenseminar absolvieren und natürlich auch viel Zeit für Sightseeing einplanen (für Emil und mich steht ein Besuch im Asiamarkt auf jeden Fall fest auf der Agenda).

Am 25. Oktober hatte ich dann noch Geburtstag. Mein erster im Ausland und mein erster ohne meine Familie und Freund*innen. Aber im Endeffekt war es ein schöner Tag. Ich hatte mir freigenommen und verbrachte dementsprechend erstmal damit, mit Familie zu telefonieren, was schon locker den halben Tag in Anspruch genommen hat. Danach verbrachten Emil und ich den Nachmittag in einem Café hier in Fray Bentos mit traumhaft leckerem Red Velvet und Carrot Cake und endlich mal wieder einem Kaffee für mich (Ich bin hier etwas auf Entzug). Den Abend ließen wir dann gemütlich an der Rambla ausklingen.
Am nächsten Tag wurden wir dann noch von der südamerikanischen Spontanität überrumpelt und abends von unserem Chef zum Pizzaessen mit zwei weiteren Kolleginnen in ein verranztes, aber sehr leckeres, Restaurant in der Stadt eingeladen, um meinen Geburtstag nachzufeiern.

Jetzt aber mal zum Titel des Blogposts… Hinterher ist man immer schlauer, sagt man ja so gerne. Das durfte ich jetzt ziemlich eindrücklich erleben. Da ich in Deutschland schon mit Übergepäck zu kämpfen hatte, dachten meine Mutter und ich, es sei die bessere Option, ein Paket nachzuschicken, anstatt für das Übergepäck zu zahlen. Falsch gedacht… Das Paket kam zwar nach drei Wochen in Montevideo an, steckt nun aber im Zoll fest. Abgesehen davon, dass ich online erneut eine gesamte Zollinhaltserklärung mitsamt Angabe des Paketwertes (den wir auch nur schätzen können…) abgeben und 60 % dieses Wertes blechen muss, sind das größere Problem die Nahrungsergänzungsmittel/medizinischen Produkte, die im Paket sind. Und somit muss ich nun von einer Ärztin bescheinigen lassen, warum ich diese Sachen nehmen muss und dann noch eine Erlaubnis beim Gesundheitsministerium für das Einführen dieser beantragen. Wenn diese genehmigt wird, sollte das Paket dann hoffentlich bald ankommen. Aber da glaube ich erst dran, wenn es dann auch wirklich hier ist…
Deswegen ein gut gemeinter Tipp, niemals Pakete um die halbe Welt schicken, wenn es nicht unbedingt sein muss, den Stress spart man sich echt lieber! 

Auch sozial finde ich hier langsam Anschluss. Die Uruguayos sind wirklich unglaublich herzliche und hilfsbereite Menschen, nur Leute gerade in meinem Alter kennenzulernen, war bisher irgendwie noch etwas schwierig. Am Wochenende kam es aber zu einem Treffen mit einem Kumpel des letzten Freiwilligen hier, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstanden habe. Und diese Woche werde ich mich mit einer Bekannten einer Kollegin treffen. Die wichtigste Frage natürlich zuerst: „Trinkst du Mate?“ Das ist hier das Nonplusultra für soziale Interaktionen. Gut, dass ich mich bereits an den bitteren heißen Tee gewöhnt habe. Irgendwie ist es auch eine total schöne Geste, sich den Becher zu teilen und immer wieder zu fragen, ob die andere Person Wasser aus der riesigen Thermoskanne nachschenken möchte. Zum Spanisch üben sind diese Treffen natürlich auch perfekt und ich fühle mich immer sicherer, die Sprache auch in ungewohnten Kontexten zu sprechen und mich über neue kompliziertere Themen zu unterhalten.
Am Halloweenwochenende haben wir dann auch mal den Club hier ausgecheckt, die Location mit dem riesigen Outdoor-Bereich direkt am Fluss bekommt von mir auf jeden Fall eine 10/10. Dadurch, dass es noch eine andere Party in der Stadt gab, war zwar nicht so viel los, wie es vielleicht hätte sein können, aber es lohnt sich auf jeden Fall wiederzukommen. Gerade jetzt, wo es auf den Sommer zugeht, findet hier in der Stadt an den Wochenenden wohl einiges statt, man muss nur wissen, wo man hingehen kann. Und sich natürlich an die Ausgehzeiten gewöhnen. Vielleicht sollte ich doch nochmal ausprobieren, vorher zu schlafen? Oder lieber gar nicht? Mal gucken…

Auf jeden Fall zeigt mir diese Kleinstadt am Río Uruguay immer mehr, warum ich hier noch ein paar Monate länger bleiben sollte.

 

 

Ein neues Zuhause

Ich bin jetzt knapp dreieinhalb Wochen in meiner Einsatzstelle hier in Fray Bentos. Und ich muss sagen, so langsam fühlt es sich danach an, als wäre ich angekommen. Zumindest habe ich mittlerweile realisiert, dass diese Kleinstadt am Río Uruguay bis August mein Zuhause sein wird. Nach unserer Ankunft Ende September wurden wir von unserem Vermieter abgeholt und direkt herzlich aufgenommen. Zunächst ein kurzer Irritationsmoment, war uns doch nicht bewusst, dass die Schlafzimmer in unserem Studierendenwohnheim mit einer anderen Person geteilt werden. Und so lernte ich meine Mitbewohnerin kennen, mit der allerdings bisher noch keine wirklichen Konversationen zustande kamen, abgesehen von unserem zweiten Tag, an dem wir von ihrer Familie, die zu diesem Zeitpunkt aus Maldonado zu Besuch war, zum Essen eingeladen wurden. Dass wir noch nicht wirklich viel miteinander zu tun hatten, liegt nicht daran, dass wir uns nicht verstehen würden, sondern vielmehr an unseren sehr unterschiedlichen Tagesrhythmen. Während ich meistens gegen 8 Uhr aufstehe, um entweder zur Arbeit zu gehen oder andere Dinge zu unternehmen und gegen 22:30 schlafen gehe, steht sie nie vor 13 Uhr auf und kommt oft mitten in der Nacht nach Hause oder sitzt den ganzen Tag (und die ganze Nacht) vor dem Computer. Das stört mich aber nicht wirklich, denn dadurch habe ich die meiste Zeit irgendwie doch das Gefühl, alleine zu wohnen. Mein Mitfreiwilliger hatte Glück und seine Wohnung aktuell noch mindestens bis März für sich alleine. Aber wie gesagt, so sehr stört mich das Ganze dann doch wieder nicht. Etwas nerviger ist die Tatsache, dass unser Wohnheim außerhalb der Stadt liegt und wir deshalb immer knappe 40 Minuten in die Stadt bzw. zur Arbeit laufen. Wir haben zwar Fahrräder, die sind aber ziemlich niedrig und deswegen nicht so ideal. Der Weg ist eigentlich auch immer ganz schön, aber mal sehen, ob ich die 40 Minuten immer noch laufen will, wenn es hier um die  45 Grad hat, wie uns schon verkündet wurde… Und die Wocheneinkäufe den ganzen Weg zu schleppen ist auch nicht immer so spaßig. Ich muss mir da mal noch eine bessere Lösung überlegen.
Am 25. September war dann unser erster Arbeitstag im „Museo de la Revolución Industrial“, an dem wir unsere Kolleg*innen kennenlernten. Unser Chef war zu diesem Zeitpunkt noch in Urlaub, weswegen wir die ersten Tage, außer bei ein paar Führungen mitzugehen, leider nicht viel tun konnten. Als er dann wieder bei der Arbeit war, wurden wir prompt dem Intendente (vergleichbar mit einem Landrat) der Region „Río Negro“ vorgestellt und bekamen eine Führung durch das kleine Theater der Stadt. Obwohl Fray Bentos klein ist, gibt es außer dem Theater noch ein weiteres Museum, unzählige Supermärkte und zahlreiche Geschäfte, mehrere Sportvereine und sogar einen Nachtclub, den wir allerdings noch nicht besucht haben.
Unsere Arbeit im Museum besteht vor allem darin, Führungen für nicht-spanischsprachige Tourist*innen zu geben. Wir waren ziemlich stolz, nach knapp zwei Wochen bereits komplett alleine Führungen zu machen und nicht nur zu übersetzen. Lediglich ein Kollege hier spricht Englisch und deswegen ist es sehr gerne gesehen, dass wir hier sind und dabei unterstützen können. Der Austausch mit den Gästen ist immer spannend und wir erfuhren, dass es wohl ziemlich beliebt bei einigen Europäer*innen ist, im September einen riesigen LKW mit Wohneinheit nach Montevideo zu verschiffen, dann selber nachzufliegen und dann durch Uruguay und Argentinien zu fahren, um den Jahreswechsel in Feuerland zu verbringen. Das ist zumindest, was uns die Mehrheit derjenigen erzählt hat, für die wir bisher schon Führungen machen durften, wenn wir gefragt haben, was sie nach Südamerika und Fray Bentos führt. Eine Ausnahme bildet das französische Pärchen, was letzte Woche da war und die eine Fahrradtour bis zu den Iguazu-Wasserfällen machen. Es gibt nichts, was es nicht gibt! Jedenfalls sind die Europäer*innen immer äußerst erstaunt und positiv überrascht, dass sie hier sogar eine Führung auf Englisch, Deutsch oder Französisch bekommen können, was im Falle des französischen Pärchens überraschenderweise sogar zu einem kleinen Trinkgeld für mich führte.
Abgesehen von den Führungen haben wir auf Wunsch unseres Chefs angefangen, Aktivitäten im Museum für Kinder zu entwickeln. Hier ist zu erwähnen, dass unser Chef uns selbst oft gerne mehr oder weniger ernsthaft „chiquilines“ nennt, ein uns vorher unbekannter südamerikanischer Ausdruck, der auf Deutsch etwa mit „Kinners“ zu übersetzen wäre. Im Zuge dessen entstand etwa ein Memory-Spiel zu den verschiedenen Produkten der Fabrik.
Wir hatten auch schon darüber gesprochen, dass wir bei der Social Media- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen sollen, das wurde bisher aber noch nicht weiter thematisiert. Leider kommt es ab und zu vor, dass wir 2 Stunden nur im Büro sitzen und nichts zu tun haben, aber sobald wir die Möglichkeit haben, mit unserem Chef über Langzeitprojekte zu sprechen, wird sich das wohl auch ändern. Um die Sprache zu lernen ist unsere Einsatzstelle jedenfalls perfekt, da wir, wie schon angesprochen, hier außer mit Spanisch nicht weit kommen.
Etwas schwierig stellt sich aktuell aber noch das Leute kennenlernen heraus. Es ist halt immer noch eine Kleinstadt, heißt, es kennt sich hier quasi schon jeder und es wird nicht wirklich damit gerechnet, dass sich Deutsche für ein Jahr hier her verirren. Es gibt zwar die „UTEC“, die technische Universität mit knapp 1000 Studierenden, aber irgendwie haben wir noch nicht herausgefunden, wo man diese am ehesten antreffen kann. Auch die Party-Zeiten sind hier etwas gewöhnungsbedürftig. In der Sprachschule in Montevideo wurde uns mit auf den Weg gegeben „In Montevideo geht man erst ab 3 Uhr in den Club, im Rest des Landes noch später!“. Das entspricht ja mal so gar nicht meinem Schlafrhythmus. Ich habe ja die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen dem exzessiven Mate-Konsum der Uruguayos und diesen extremen Zeiten zusammenhängt… Das andere Extrem erlebten wir dann gestern, als wir zu einer Straßenparty mit vielen jungen Leuten dazustießen, die jedoch um 20 Uhr vom DJ als beendet erklärt wurde. Dementsprechend groß waren die Fragezeichen in unseren Köpfen über dieses abrupte Partyende. Aber das wird schon noch, da mache ich mir keine Sorgen. Ein junger Kollege, mit dem wir uns gut verstehen, ist hier im Ruderverein tätig und will uns mal mitnehmen, sobald die Saison im November wieder startet. Im Verein ist es sicherlich leichter, Leute kennenzulernen. Auch das Schwimmbad öffnet in zwei Wochen wieder, das muss ich dann auch mal auschecken.
Exzessiv ist bei den Uruguayos nicht nur der Matekonsum, sondern auch bei Fleisch und Alkohol sind sie ganz vorne mit dabei. Kein Wunder, denn beim traditionellen „asado“ (Grillen) wird mit 1-2 Kilo pro Person gerechnet. Da braucht man nicht mehr zu fragen, warum ausgerechnet hier die Fleischextraktfabrik gebaut wurde…

Natürlich werden wir nicht das ganze Jahr nur in Fray Bentos bleiben, sondern es sind bereits einige Reisen geplant. Wir haben bereits die Nachbarstadt Mercedes besichtigt und auch geplant, einige der anderen Einsatzstellen in Uruguay anzuschauen. Logistisch ist dies aufgrund der ziemlich enttäuschenden Reisebusverbindungen zwar etwas aufwendig, aber irgendwie wird das schon klappen. Mehrfach haben wir uns bereits darüber ausgelassen, warum es hier keine Highspeedzüge gibt, für die das Land mit einer höchsten Erhebung von sage und schreibe 500m eigentlich prädestiniert wäre. Aber das bleibt wohl ein Traum der europäischen Freiwilligen. Deswegen heißt es teilweise 6 Stunden Fahrt für eigentlich nur 150 km…
Außerdem geht es bereits am 11. November für 8 Tage nach Buenos Aires und somit auf den ersten Auslandstrip unseres Aufenthalts, um dort unser Zwischenseminar zu verbringen, welches zwar online stattfindet, wir uns die Erfahrung eines Seminars gemeinsam mit den anderen aber trotzdem nicht nehmen wollten.
Alle weiteren Reisen sind noch in Planung, aber Argentinien und Brasilien werden auf jeden Fall besonders bereist werden.

Und so schnell kann es gehen, sich an einem neuen Ort 11.000km entfernt zuhause zu fühlen. Auch wenn nicht alles perfekt ist (wir hatten zum Beispiel 3 Tage kein bzw. kaum Wasser) und ich mich an einiges noch gewöhnen muss, zum Beispiel die abartigen uruguayischen Preise, weil quasi alles importiert werden muss. Hier zahlt man für ein Glas Pesto gut und gerne mal 8€, ich muss also immer genau abwägen, was ich kaufe und was nicht. Das Einzige, was man hier wirklich hinterhergeschmissen bekommt, ist mobiles Internet für das Handy. Eine Aufladung für 20 GB bekomme ich für 4,69€. Da kann sich Deutschland mal eine Scheibe von abschneiden.
Aber davon lernt man ja auch für das Leben. Das Gleiche gilt für das Kochen für eine Person, das mich in den ersten zwei Wochen noch vor eine ziemliche Herausforderung gestellt hat, jetzt aber schon viel besser klappt.
Aber eigentlich fühle ich mich doch schon ziemlich wohl. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Stadt so „tranquilo“ ist, man darf halt wirklich nicht erwarten, dass hier viel abgeht, aber dann ist es eigentlich wirklich schön. Mir gefallen besonders die vielen Felder mit Kühen, Schafen und Pferden (die Unmengen an Straßenhunden eher weniger…) und die „Rambla“, die Flusspromenade, an der der Fluss jeden Abend in wunderschöne Orange- und Rottöne getaucht wird, bevor die Sonne in Windeseile hinter den Gebäuden der Fleischfabrik verschwindet.

Vom Platzangebot bis zur Fahrt in die Einsatzstelle – Was bisher geschah…

Am 12. April 2023 war es endlich soweit. Fast ein halbes Jahr, nachdem ich meine Bewerbung auf dem kulturweit-Onlineportal eingereicht hatte, erhielt ich endlich die langersehnte E-Mail mit dem Platzangebot. Für mich sollte es nach Uruguay gehen. In Anbetracht der Tatsache, dass ich schon seit einigen Jahren den Wunsch verspürte, nach Südamerika zu reisen, war ich somit unglaublich glücklich über diese Möglichkeit. Zugegebenermaßen kam zunächst jedoch auch erst etwas Enttäuschung auf, da ich eigentlich damit gerechnet hatte, durch meine NatCom-Einsatzstelle in der Hauptstadt zu landen und ich mich schon auf das Großstadtleben gefreut hatte, das einen willkommenen Kontrast zu meinem Leben in Deutschland in einem 2000-Seelen-Dorf dargestellt hätte.

Meine Einsatzstelle ist allerdings keine klassische NatCom-Stelle, was ich dann nach etwas Recherche herausgefunden habe. Vielmehr bin ich hier in der sogenannten „Fray Bentos Industrial Landscape“ eingesetzt, eine ehemalige Fleisch-und Konservenfabrik aus dem 19. Jahrhundert, die 2015 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Hier wurden von 1861 bis 1979, erst unter deutscher, dann unter englischer Führung, Fleischextrakt nach dem Verfahren des deutschen Chemikers Justus von Liebig, Corned Beef und allerlei andere Konservenprodukte hergestellt. Hierbei handelte es sich nicht nur um Fleisch, sondern auch eingelegtes Obst und Gemüse oder Marmeladen gehörten zum Produktionskader. Insgesamt wurden in der Geschichte der Fabrik mehr als 200 verschiedene Produkte hergestellt.

Dementsprechend liegt meine Einsatzstelle nicht in einer lebendigen Millionenstadt, wie ich mir erst erhofft hatte, sondern in der beschaulichen 24.000 Einwohner*innenstadt Fray Bentos, in der das Leben „tranquilo“ ist, wie hier im Gespräch mit Einheimischen ständig betont wird.

Aber nochmal ganz von vorne, offiziell begann mein FSJ ja bereits am 1. September. In diesen Tag bin ich nach kaum 2 Stunden Schlaf aus dem Nachtzug aus Karlsruhe nach Berlin gestartet. Der Dienst begann schließlich mit einem 10-tägigen Vorbereitungsseminar in der Nähe der Hauptstadt und zu spät kommen wollte ich da natürlich nicht. Wir wissen schließlich alle, wie zuverlässig die Deutschen Bahn ist, wenn es darauf ankommt und deswegen entschied ich mich, bereits am 31. August um 23 Uhr in den Zug zu steigen. Nachdem ich im Anschlusszug nach Eberswalde bereits Bekanntschaft mit einigen Mitfreiwilligen machen konnte, wurden wir dort am Bahnhof von Shuttlebussen abgeholt und zur Tagungsstätte gebracht. Ich hatte mich schon gefragt, wo 315 Freiwillige + Trainer*innen untergebracht werden sollten, aber das „Seezeit Resort am Werbellinsee“ hatte sogar noch Kapazität für weitere Gruppen, so weitläufig ist das Gelände. Und so verbrachten wir die kommenden Tage besonders mit dem Kennenlernen unserer „Homezone“, die meist aus Freiwilligen bestand, die in das gleiche Einsatzland bzw. die gleiche Region reisen, und die besonders in unserer 12-köpfigen Uruguay-Gruppe bereits nach einigen Tagen zu Freundschaften geführt hat und wir das Gefühl hatten, uns schon viel länger zu kennen. Außerdem nutzten wir das wunderschöne Gelände, um im Werbellinsee baden zu gehen oder abends auf dem Steg zu sitzen und zu quatschen. Zudem wurden jeden Tag verschiedene Workshops zur Vorbereitung auf den Vorbereitungsdienst angeboten, die sich mit Begebenheiten vor Ort und persönlichen Aspekten wie der Rolle als Freiwillige beschäftigten. Wir besuchten zudem Einheiten über Kolonialismus und möglichen Schwierigkeiten im Freiwilligendienst sowie eine Infoveranstaltung unserer jeweiligen Partnerorganisation (z.B. die Nationalkommissionen, der Pädagogische Austauschdienst oder das Goethe-Institut). Für mich war das Seminar durch den intensiven und wunderschönen Austausch mit den anderen Freiwilligen die perfekte Einstimmung auf den Dienst und bestärkte mich noch mal mehr, die Entscheidung für diesen sehr großen Schritt aus der Komfortzone getroffen zu haben. Getrübt wurde diese Erfahrung jedoch durch einen großen Corona-Ausbruch unter den Freiwillige. Eigentlich war das doch etwas, womit man mittlerweile nichts mehr am Hut haben will… Einige mussten deshalb früher abreisen, im Speisesaal wurden Masken getragen und auch die Tests am Morgen wären etwas gewesen, das man sich gerne hätte ersparen können. Ich kann mir auch nicht erklären, wie das möglich war, aber ich hatte das riesige Glück, dass ich mich nicht infiziert habe und somit meine Reise ohne Verschiebung und topfit antreten konnte.

Nach einem letzten ganzen Tag zurück zuhause, an dem noch einmal die ganze Wäsche gewaschen wurde und die letzten Dinge erledigt wurden, ging es für mich nach vielen Verabschiedungen auf den Tag genau 5 Monate nach meiner Platzzusage von kulturweit gegen 15:30 auf den Weg zum Frankfurter Flughafen. Zufälligerweise hatte ich den gleichen Flieger wie 3 weitere Freiwillige gebucht und so war ich nach der finalen Verabschiedung von meiner Familie doch nicht ganz auf mich alleine gestellt. Eigentlich hätte das Flugzeug um 21:25 den deutschen Boden verlassen sollen, aufgrund eines starken Gewitters verzögerte sich unser Start leider jedoch um fast 3 Stunden. Auf dem Flug über dem Atlantik konnten wir immerhin noch etwas Zeit aufholen und wir landeten um kurz vor 6 Uhr morgens Ortszeit in São Paulo, Brasilien. Man würde denken, 1h15 Umstiegszeit sollten noch reichen, wenn man sich beeilt, allerdings durften wir ärgerlicherweise über eine Stunde das Flugzeug nicht verlassen und somit verpassten wir den Anschlussflug nach Montevideo. Ich hatte Glück und erhielt kurz darauf eine E-Mail der Fluggesellschaft, dass ich den nächsten Flug gegen 14 Uhr nehmen kann und wartete dementsprechend mit einem Mitfreiwilligen, der diesen Flug von Anfang an gebucht hatte. Die anderen beiden mussten eine Nacht in São Paulo verbringen und konnten erst am nächsten Morgen fliegen…

Und so betraten wir am 13. September gegen 17 Uhr Ortszeit nach 31 Stunden Reise endlich uruguayischen Boden! Nach einer kurzen unkomplizierten Sicherheitskontrolle und ausgestattet mit einer SIM-Karte und einigen bunten uruguayischen Peso-Scheinen verließen wir das Flughafengebäude und waren erstaunt darüber, wie kalt es war. Aber logisch, auf der Südhalbkugel wird es ja gerade erst Frühling. Dadurch, dass wir zu viele Koffer hatten, war es uns leider nicht erlaubt, einen Bus in die Innenstadt zu nehmen und wir stiegen letztendlich in ein Uber, um endlich zur Unterkunft zu gelangen. Die 10 darauffolgenden Tage versuchten wir uns nämlich an einer 9-Personen-WG mit dem Großteil der anderen uruguayischen Freiwilligen, um die Stadt zu erkunden und unseren verpflichtenden Sprachkurs zu absolvieren. Die Tage in Montevideo waren sehr schön und wir unternahmen bereits einen ersten Ausflug nach Punta del Este, einen bekannten Badeort an der Atlantikküste. Der Sprachkurs war sehr hilfreich, um in die Sprache reinzufinden, die viele von uns zwar schon in der Schule gelernt hatten, Konversationen allerdings bisher eher vermieden haben. Hier kamen wir auch das erste Mal in den Genuss des „Mate“, den die Uruguayos hier wie Wasser trinken.

Nach dieser schönen Zeit in Montevideo ging es für meinen Mitfreiwilligen Emil und mich am 23. September dann endlich mit dem Bus nach Fray Bentos, das wir für die nächsten 10 Monate unser Zuhause nennen werden.