21. Januar 2011 – Kunming
Kunming wird auch die Stadt des ewigen Frühlings genannt. Zurecht. Als wir am Morgen müde von der 18-Stunden-Hartsitzerfahrt ankamen, durften wir einen beeindruckenden Sonnenaufgang erleben und die milden Temperaturen taten echt gut nach den Minusgraden. Viele Bäume blühten schon und insgesamt machte die Stadt einen sehr guten Eindruck auf mich. Sie war nicht nur geografisch gesehen westlicher. Es gab weniger Wohnhochhäuser und mehr 4-5 stöckige Wohnkomplexe.
Das Hostel war schnell gefunden und hatte nach den Enttäuschungen in Chengdu endlich mal richtig gute, heiße Duschen. Frisch geduscht suchten wir nach Essbarem und schlenderten zu einem im LonelyPlanet angepriesenen alten Kuninger Viertel. Dieses entpuppte sich als zu einem Touristenviertel ausgebautem Randbezirk der Stadt. Es hat mir auf Anhieb nicht gefallen. Überall wird der gleiche Tourikram verkauft und ich wollte eigentlich sofort wieder umkehren, aber man reiste ja nicht allein. Also verbrachte ich die nächsten 2 Stunden damit den anderen hinterher zu laufen und unbedeutende Bilder von noch mehr Tempeln und Pagoden zu machen. Hinter einem der Tempel fand ich tatsächlich etwas, was eher nach altem Kunming aussah: eine örtliche Marktstraße, auf dem allerlei Gemüse feilgeboten wurde, führte in ein abgelegeneres, geschäftiges Viertel, das hauptsächlich von Einheimischen besucht wird.
Nach dem Abstecher an den Rand der Stadt, besuchten wir die West- und Ostpagode der Tang-Dynastie in der Stadt. Vorbei an diesen 2 unspektakulären Wahrzeichen der Stadt wandten wir uns dem Islam zu und besichtigten eine versteckte Moschee hinter einem Kaufhaus mitten in der Haupteinkaufsstraße Kunmings. Das hatte auch was. Annika brauchte dringend ein neues Handy. Das Gerät haben wir im Außenbezik Kunmings schon gekauft. Für etwa 150 Yuan, wenn ich mich richtig erinnere, bekam sie ein gebrauchtes, weißes, edles, schönes Klapphandy, dass ich am liebsten selbst gekauft hätte… aber meins funktionierte ja noch! Ich half ihr beim Kauf und meisterte die Verhandlungen sowie Qualitätsprüfungen auf Chinesisch. Nun suchten wir nur noch nach einer SIM-Karte. Nach ewigem Warten in einem Geschäft schickte man uns in ein anderes Geschäft, weil sie eine Karte haben wollte, mit der man auch ins Ausland telefonieren kann. Also wieder warten. Als wir endlich dran waren ging alles relativ zügig. Tarif ausgewählt, PIN aufgesucht, bezahlt und fertig. Erst jetzt wusste ich, dass es verschiedene Tarife gab und blickte etwas durch das verwirrende System der SIM-Karten. Denn einfach fragen ging ja auch nicht, den komplizierten Erklärungen kann ich ohnehin nicht folgen. Glücklich über den erfolgreichen Handykauf ließen wir uns in einem nahegelegenen Park nieder und beobachteten krähende Riesenstockenten übers Wasser schwimmen. Die untergehende Sonne rückte die Motive ins rechte Licht und es entstanden einige schöne Fotos.
Für den nächsten Tag hatten wir uns die Westberge vorgenommen. „Wer die Westberge
nicht gesehen hat, hat Kunming nicht gesehen.“, so ein lokales Sprichwort. Eigentlich waren die gar nicht so spektakulär wie behauptet. Ein große See erstreckt sich südwestlich von Kunming und dessen Westseite ragt ein Gebirgszug in den Himmel. Wir nahmen auf dem Hinweg die Seilbahn über den See und wanderten ein bisschen umher. Ziel war eigentlich das Dachentor, denn „Wer das Drachentor nicht gesehen hat, hat die Westberge nicht gesehen.“ so das Sprichtwort weiter. Ich vermute Geldmacherei hinter all diesen Spichwörtern, denn der Eintritt zum Drachentor war doch recht hoch. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wieviel es genau war, aber wir sind jedenfall nicht reingegangen. Je länger man in China ist, desto weniger lässt man sich von Namen wie Drachentor, Bambustempel und Jadegrüner-See-Park beeindrucken. Es ist doch alles mehr Schein als Sein. Gleich vor dem Eingang zum Drachentor entdeckten wir einen Maler, der Namen für nur 2 Yuan auf künstlerische Weise umsetzt und so einen schönen Schriftzug entstehen lässt. Nicht lange gezögert ließ ich mir meinen chinesischen Namen aufmalen und das Ganze noch einlaminieren. Schließlich musste das noch unbeschadet nach Qingdao zurück kommen. So erhöhte sich der Preis auf das 6-fache, aber egal. Und wie wir so umherwanderten, stießen wir auf einige Chinesen, die einen Trampelpfad bergauf gingen. Hinterher. Nach einer halben Stunde über Stock und Stein sind wir irgendwo oben auf den Westbergen angekommen. Eine kleine Häuseransammlung begrüßte uns. Und wie so überall in China, musste man nicht lange suchen, um einen kleinen Imbiss zu finden. Nach der leckeren Nudelsuppe suchten wir nach einem Weg runter vom Berg zurück in die Stadt. Man zeigte uns eine Richtung, der wir zunächst folgte. Schnell stellte sich aber heraus, dass diese immer nur bergauf führte. Ein entgegen kommender Autofahrer war so feundlich uns mit nach unten zu nehmen. Auf halben Weg wollte das Pärchen sich einen Tempel anschauen, also bedankten wir uns bei ihnen und liefen den Rest zu Fuß.
22. Januar 2011 – Shilin
Die Stadt Shilin liegt etwa 80 km südöstlich von Kunming und über 30% ihrer Bewohner gehören ethnischen Minderheiten an, hauptsächlich der Yi-Nationalität. Eigentlich kommt niemand wegen der Stadt hierher, sondern nur wegen dem Steinwald, was der Name übersetzt bedeutet. Dieser 350 km² große Nationalpark bietet die dichteste Ansammlung von Kalksteinformationen in China und vielleicht auch auf der Welt. Er wird in 3 Bereiche eingeteilt: Der Große Steinwald, der Kleine Steinwald und der Naigu Steinwald. Es lassen sich mit einer guten Portion Fantasie Tier-, Pflanzen- und auch menschliche Formen entdecken.
Anfangs folgten wir den geteerten Hauptstraßen. Es wirkte wie ein Museum, rechts und links die Austellungsstücke, einzäunt durch einen 10 cm hohen Minizaun. Langweilig. Also nahmen wir die erstbeste Gelegenheit auf einen Trampelpfad oder kleinen gepflasterten Weg zu kommen. Von da an gefiel mir der Steinwald viel besser. Wir blieben meist auf den ausgeschilderten und gepflasterten Wegen, um keine Skulptur zu verpassen, und machten hier und da ein kleines Picknick. Das Wetter war auch spitze und als Patrick gute Musik aufdrehte, war es nicht mehr zu toppen. Perfektes Urlaubsfeeling. Die Karstformationen waren ziemlich interessant. Wir grübelten lange darüber nach, warum fast alle Steine an der gleichen Stelle Furchen und Einbrüche hatten. Ich war ja der Meinung, dass die Steinspitzen abgefallen sind und man sie künstlich wieder aufgebaut hat. Den Chinesen traue ich ja alles zu. Die anderen beiden lachten mich für meien Theorie aus. Zugegeben war sie nicht besonders logisch (wie sollte man die Steine so hoch draufbekommen und das bei Hunderten Spitzen und zwischen vielen Steintürmen, die keinen Platz für Kräne bieten…), aber mir fiel keine bessere ein. Eine Infotafel klärte uns dann auf: In den Kerben befanden sich leicht abzutragendes Material, das in Folge von Wind- und Wassererosion davongetragen wurde und den harten Kalkstein zurückließ. Ah! Hätte man sich denken können… Alle Steine sind dem gleichen Grund entsprungen (logisch), weshalb sich die Kerben alle auf einer Höhe befanden.
Also der Steinwald hatte schon was. Unser letztes Ziel im Nationalpark war der Eternal Mushroom. Ohne zu wissen, was das eigentlich war, ließen wir uns vom wohlklingenden Namen anlocken. Chinesen sind in dieser Hinsicht sehr kreativ. „Bambustempel“ und
„Park der Großartigen Aussicht“ beflügeln die Fantasie und sind größtenteils leider eine Enttäuschung. Jedenfalls halten sie nicht das, was man sich unter solchen Namen ausmalt. Der Bambustempel hat vor seinem Tor ein paar Bambussträucher stehen, die sonst auch vor jedem anderen Tempel zu finden sind und der Park ist und bleibt ein gewöhnlicher Park am Fluss. Vielleicht wurde die Aussicht auf den Fluss früher so gelobt… Zurück zum Magic Mushroom. Wir folgten dem Weg an Feldern vorbei auf eine Plattform, die zugleich eine Sackgasse war. Um uns herum pilzartige Gesteinsverformungen, die durch Winderosion am Sockel schmaler und nach oben hin breiter werden – wie ein Pilz eben. Nett sah es aus und da die Pilze nicht all zu hoch waren, ließen wir uns jeweils darauf ablichten :). Der Wind wehte ganz schön stark und man musste aufpassen, nicht runterzufallen.
Irgendwann werden auch magische Pilze langweilig und wir machten uns zum Ausgang des Parks auf; zurück auf die breite, geteerte Straße und zu den gepflegten, mit Minizäunen gesicherten Grünflächen. Und wie wir auf unseren Bus warteten, kaufte Annika sich noch eine schöne, traditionelle Kopfbedeckung der dort ansässigen Yu-Minderheit.
24. Januar 2011 – Yuanyang Reisterassen
Am 23. Januar stiegen wir abends in den Schlafbus Richtung Süden ein – genauer Richtung Yuanyang zu den Reisterassen, das Bild, an dass die meisten Leute denken, wenn sie „China“ hören. Nach einer langen und erholsamen Busfahrt (hatte ich schon erwähnt, dass ich Schlafbusse liebe?) kamen wir morgens um 5 Uhr an. Um 6 Uhr etwa leuchtete mir eine Taschenlampe ins Gesicht: Die Frau vom Hostel kam, um uns abzuholen. Nach einigen Missverständnissen packten wir unsere Sachen und ließen uns zum Hostel bringen. Hiroki hatte kurzfristig kein Ticket mehr für unseren Bus gekriegt, fuhr deshalb eine andere Route und wollte später dazustoßen. Am Hostel kurz das Gepäck abgeladen und schon ging es los. Wir mieteten Fahrerin und Minivan für einen Tag und teilten es uns mit 2 Amerikanern, was letztendlich jeden nur etwa 80 Yuan kostete. Für die Scenic Spots musste man Eintrittskarten kaufen. Mit 60 Yuan nicht ganz so billig.
Es fing schon nicht gut an: Die ersten Reisterassen waren wolkenverhangen und man sah außer dickem Nebel, den ich auf dem HuangShan schon zu genüge gesehen habe, nichts. Also entschieden wir uns für eine Frühstückspause im dreckigsten Dorf, dass ich je gesehen habe. Mülleimer gibt es nicht, erzählt uns unsere Fahrerin, einfach auf die Straße damit, es würde zur Seite gekehrt werden. Wann danach mit dem ganzen Zeug passiert, weiß ich auch nicht. Wir probierten lokale bao zi und fuhren danach zu den nächsten Terassen. Gott sei Dank klärte es auf und man hatte eine wunderbare Aussicht auf eine faszinierende Landschaft, die mit ein paar Restnebelschleiern umso mystischer aussah. Der Nebel kommt und geht wie er will, sagen die Einheimischen, besonders im Frühling sei es sehr nebelig, was unsere Fahrerin keineswegs davon abhielt mit 50 km/h über Serpentinen zu brettern, wo man doch nur 50 m Sichtweite hatte… Hauptsache, das Warnblinklicht ist an und ab und zu wird gehupt.
Auf dem Weg durch die Berge begegneten wir Ringviehtreibern und Händler, die die ganzen Strecken zu Fuß liefen. Das Gebiet ist riesig, teilweise sind wir eine halbe Stunde gefahren. Gegen Mittag wurde Hiroki aufgelesen und am Abend entspannten wir uns im Hostel, das eher wie ein Hotel war, mit einem Film, den Annika in Kunming gekauft hatte. Wir wollten, dass Hiroki bei uns im 3-Bett-Zimmer schlief, aber die Hostelleitung war strikt dagegen. Wir legten uns ziemlich mit ihnen an. Er hätte sogar den gleichen Preis wie für ein Dormbett gezahlt, aber sie blieben sturr. Er tat uns leid, dass er als Einziger ins kalte Dorm ohne Heizdecke musste und, dass die Besitzer noch Schadenfreude empfanden, war echt das Höchste! Heimlich gaben wir ihm eine unserer Heizdecken und wünschten uns eine gute (warme) Nacht.
Tatsächlich war die Nacht gar nicht so kalt gewesen, nur der Nebel am nächsten Tag trübte etwas die Stimmung. Wir checkten so schnell wie möglich aus. Das Photographer’s Hostel ist nur für günstige Übernachtungen zu empfehlen und hat sonst nichts, was man aus anderen Hosteln gewohnt ist. Nachdem wir unser Gepäck am Busbahnhof deponiert hatten, suchten wir uns einen Motorrikschafahrer für eine letzte Tour zu den Terassen. Bereits am zweiten Tag hatte ich genug von Reisterassen, sahen doch eh alle gleich aus. Aber die Zeit bis zum Abend musste man ja irgendwie sinnvoll rumkriegen. Wir fanden einen netten und günstigen Fahrer, mit dem wir schließlich den ganzen Tag verbrachten. Er war echt cool drauf und half uns bei einigen Sehenswürdigkeiten per Hintertürchen reinzukommen. So stapfen wir durch ein Dorf und über Trampelpfade zu einer weiteren Aussichtsform. Zum Glück haben wir den Eintritt gesparrt, denn außer einer weißen Wand sah man dort nichts. Wir fuhren noch zu einem Dorf, das 60 Yuan Eintritt verlangte. Zu viel. Also nichts wie los auf Vorschlag unseres Fahrers die Reisterassen runtergeklettert und den Hintereingang nehmen. Leider machten wir einen Fehler: Zuvor am Ticketstand haben wir uns zu lange über die Preise aufgeregt, sodass man uns schon kannte. Zudem waren wir die einzigen Touristen dort. Als man uns also im Dorf entdeckte ohne den Ticketschalter passiert zu haben, wurden wir sofort des Dorfes verwiesen. Schade, hätte klappen können. Ein bisschen was haben wir trotzdem gesehen. Ein etwas psychisch behinderter Mann bot sich im Dorf an unser Reiseführer zu sein. Nett von ihm. Leider war er total nutzlos und dackelte eher uns hinterher, bis man uns eben entdeckte.
Zurück auf der Motorrikscha ging es ins Hauptdorf zurück, von wo aus wir dem Schlafbus nach Kunming nehmen wollten. Unser Fahrer war total korrekt und hat nicht mal Aufschlag für den Abstecher ins Dorf verlangt. Auf dem Dorf hilft man sich viel gegenseitig. So nahm unser Fahrer 2 Jungen im Alter von etwa 15-17 auf dem Weg mit. Erschreckend ist, dass selbst so junge Leute schon rauchen.
26. Januar 2011 – Dali
So, jetzt kommen wir endlich zu meinem Lieblingsort auf der Reise, Dali. Dali ist wie viele alte Dörfer in eine Alt- und eine Neustadt geteilt. Zum Glück ist die Neustadt weit genug entfernt von der Altstadt, sodass man das Gefühl hat, ein wenig in der alten Zeit zu schwelgen. Dali ist nicht groß, die Altstadt jedenfalls, und ist ein eigentständiges kleines touristisches Dorf. Mit dem Bus fährt man aus der neuen Stadt raus an Feldern vorbei bis man am Stadttor der Altstadt ankommt. Und die Lage Dalis ist eindrucksvoll. Hinter einem ragen majestätisch die Gipfel des 4000m hohen Cang Shan auf und vor einem breitet sich der lange Erhai See aus. Dali genau dazwischen. In den fünf Jahrhunderten des unabhängigen Yunnans war Dali das Zentrum und auch das Ende der Burmastraße. Die größte Minderheit in der Region sind die 1,5 Mio. Bai. Hin und wieder trifft man einen von ihnen, so wie die alte Frau am See, die uns unbedingt einen Bootstrip andrehen wollte und einfach nicht loslies. Selbst als wir schon zigmal abgelehnt hatten und den gleichen Weg zurück mussten, kam sie nochmal an. Aber ohne Hartnäckigkeit kommt man in Asien nicht weit.
Wir haben einen Abend und einen Tag in Dali verbracht. Vom Hostel mieteten wir für 10 Yuan günstig Fahrräder und fuhren erstmal drauflos. Außer den 3 Pagoden gibt es eigentlich nicht viel zu sehen. An diesem Punkt der Reise waren wir besonders knauserig. Ich weiß nicht mehr wieviel der Eintritt kostete, jedenfalls war er uns für 3 Pagoden und einige Tempel zu hoch. Also musste der hohe Felshaufen als Aussichtspunkt herhalten. Fahrräder abgestellt und raufgeklettert, hatte ich nicht nur einen tollen Blick auf die Pagoden, sondern auch auf den riesigen See. Das sah so geil aus! Nach tausenden Fotos schwangen wir uns wieder auf die Drahtesel und fuhren Richtung Erhai See, vobei an einem alten Dorf. Eine erfrischende Brise wehte uns entgegen. Und ehe ich es vergesse, in Dali habe ich die schlimmsten Toiletten in ganz China gesehen! Eigentlich ist es auch ganz amüsant und mittlerweile stört es mich nicht mehr so. Diese Toiletten werden wohl alle halbe Jahre mal geleert und Privatsphäre ist auch ein Fremdwort. Nur die Geschlechtertrennung wird beibehalten. Am Nachmittag des zweiten Tages entschieden wir uns zur Weiterfahrt nach Lijiang.
Dali ist echt ein Ort der Erholung. Zwar auch touristisch erschlossen, aber gerade das macht es so schön. Die vielen kleinen Cafés und die Ausländerstraße haben schon was für sich und die alte Stadmauer mit Blick auf den See ist etwas ganz Besonderes. Ich würde immer wieder gerne hierher zurückkommen.
28. Januar 2011 – Lijiang
Wir kamen am Abend in Lijiang an, das nur 4 Stunden von Dali entfernt liegt. Das Hostel Mama Naxi lag genau in der Altstadt, perfekt. Dieses Mal war es kein Hostel des Hostelworld-Verbandes sondern ein Guesthouse. Woran sich das bemerkbar machte? Es herrschte eine familiärere Atmosphäre, es gab keine Locker für das Gepäck, weil ja niemand zu Hause sein Gepäck einschliessen würde, und der Aufenthaltsraum gleichte dem Wohnzimmer von Mama Naxi. Diese war eine nette, ältere Frau, die einem bei allen Problemen half, kochte und eben wie eine Mama war. Neben dem Personal wohnten noch 4 Katzen, 2 Hunde und ein armer Vogel im Guesthouse. Es war echt gemütlich da, obwohl ich die internationale Atmosphäre in Hosteln bevorzuge.
Der nächste Tag begann um 8 Uhr. Für Annika und mich jedenfalls. Wir frühstückten in der Nähe und tranken einen langersehnten guten Kaffee. Irgendwann um 9 war Patrick auch aufgestanden und wir entdeckten gemeinsam die Altstadt. Ich finde Lijiang nicht besonders reizend. Es hat viel von seinem ehemaligen Charme eingebüßt durch den Tourismus. Die Altstadt ist nur dem Namen nach „alt“. In den restaurierten, einstöckigen Häusern sind Restaurants, Souvenirläden und sonstiger Krimskrams untergebracht. Alles zu touristischen Preisen. Die Altstadt ist wie ein Labyrinth, ständig verliefen wir uns auf der Suche nach dem Hostel. Alles sah irgendwie gleich aus und überall wurden die gleichen Dinge verkauft, was die Orientierung nicht gerade erleichterte. Es wurde sogar in sämtlichen Läden der gleiche Song gespielt, ein sehr berühmtes Lied einer lokalen Sängerin. Gegen Mittag trafen wir Hiroki im Hostel und machten uns zu viert nun auf zum Teich des schwarzen Drachen, der zusammen mit dem Yulongxue Shan das beliebteste Fotomotiv Lijiangs ist. Den Ratschlag eines Deutschen folgend, liefen wir die Straße gen Norden vorbei am Haupteingang hoch und hielten nach einer Brücke in den Park Ausschau. Wie überall in China wurde Eintritt für den Park verlangt und nicht zu wenig. Ganze 80 Yuan wollten sie von jedem haben. Vor dem Eingang lungerten schon einige alte Frauen rum, die anboten Touristen für nur 30 Yuan pro Person in den Park zu bringen. Aber wir hatten ja bereits den Hinweis, dass es ganz einfach ist, selbst diese Brücke zu finden. Und tatsächlich fanden wir eine Brücke, die schnurstracks in den Park führte. Nur noch durch das Loch im Zaun und wir waren drin. Dachten wir jedenfalls. Ewig irrten wir an einem Berghang umher, vorbei an Gräbern, Kleidungsstücken und singenden Männern. Ich war sau froh, dass wir erstens zu viert und zweitens nicht nachts unterwegs waren!! Irgendwann sahen wir ein, dass wir uns verlaufen hatten und suchten einen Weg raus. Den fanden wir auch, aber das war eine zwielichtige Gasse zwischen 2 Fabrikgeländen, in der überall Knochen und Tierschädel verstreut lagen… Endlich draußen musste ich mich erstmal von diesem Schock erholen. Später mussten wir feststellen, dass wir bereits im Park waren und das Loch um Zaun schon wieder aus dem Gelände rausführte auf einen Berg. Also nochmal über die Brücke und diesmal rechts rum und nicht durch den Zaun. Der Park war ganz nett, aber sicher keine 80 Yuan wert. Und das Fotomotiv des Berges mit dem See, einer Brücke und einer Pagode davor ist berechtigt das beliebteste Bild. Wie gemalt!
Am Abend wurden wir noch Zeuge einer Tanzeinlage einiger Naxi-Frauen. Sehr interessant. Begeisterte Chinesen tanzten auch mit. Die Naxi sind die in Lijiang vorherrschende Minderheit. Sie haben eine reichhaltige Kultur, Dongba genannt. Es wird geglaubt, dass in jedem Gegenstand ein Geist wohnt. Der Wassergeist ist für die Naxi der wichtigste Geist, denn Wasser bedeutet Leben. Am Eingang des Parks gibt es ein sehr interessantes und gut gemachtes Museum zu den Naxi und ihrer Kultur. Lijiang am Abend ist beeindruckend. Überall leuchten einem Lampions und gelbe Lichter den Weg, es gibt eine lange Kneipenstraße und Essen ohne Ende. Eine Spezialität sind die Lijiang Baba’s. Ich hab leider vergessen wie die chin. Schriftzeichen aussehen. Das ist ein süßer oder herzhafter Fladen. Echt gut!!
29. Januar 2011 – Tigersprungschlucht
Der ganze nächste Tag war für die Tigersprungschlucht eingeplant. Eigentlich wollte ich da gar nicht hin, aber da die Zeit reicht und Patrick hinwill, warum nicht. Und ich habe es nicht bereut. Es ist nach Dali der zweitschönste Ort.
Noch vor Sonnenaufgang um 8 Uhr saßen wir im Bus zur Schlucht. Die Fahrt dauerte 2 1/2 Stunden etwa, inkl. verspäteter Abfahrt. Als wir ankamen wurde erstmal Eintritt kassiert, obwohl wir die Information hatten, dass es kostenlos wäre. Dank meinem abgelaufenen Schülerausweis bekam ich den günstigeren Tarif von 50 Yuan, Patrick musste als einziger 100 blechen und war dementsprechend schlecht gelaunt nachher. Wir handelten noch den Preis für ein Mietwagen plus Fahrer aus und kamen eigentlich ganz gut weg mit 40 Yuan pro Person. Dann ging es endlich los. Wir machten an dem ersten Punkt halt, entschieden uns aber recht schnell dazu weiterzufahren, weil es übertrieben windig war. Der zweite Punkt war das einzige Restaurant dort, an dem wir Halt für eine Mittagspause machten. Die Preise waren erstaunlich human und der Blick aus den Toiletten war auch einzigartig :D.
Der dritte Halt wurde bei der eigentlichen Schlucht gemacht. Wir wanderten 1 Stunde lang am Berg hinunter und eine wieder hoch. An der tiefsten Stelle angekommen machten wir viele Fotos und kletterten auf den Felsen herum. Für den größten Felsen, auf dem eine Steintafel mit der simplen Inschrift „中虎跳峡“ steht, wurde sogar Eintritt verlangt. Auf dem Weg nach oben kamen wir an einem Rastpunkt an (eine einfache Hütte), in der noch das Verkaufsschild für Edelweissblumen stand. Sogar auf Deutsch stand da der Name drauf. Ich finde das ziemlich schokierend und traurig zugleich, dass eine höchstseltene Pflanze, die in Deutschland unter Artenschutz steht, in China einfach mal so für 2€ an interessierte Touristen verkauft wird. Auf dem Weg nach oben mussten wir einige Meter lang, eine senkrecht nach oben führende Himmelsleiter hochklettern. Ich hatte jeden Moment das Gefühl die Verankerung bricht und ich würde rücklings nach unten fallen…
Außer Atem, aber heil oben angekommen, wurden wir mit einem einzigartigem Panorama belohnt und ich bin immer noch der Meinung, dass die Landschaft locker in Tibet hätte sein können. Auf dem Weg zurück machten wir noch Bekanntschaft mit der chinesischen Konfliktlösung. Wir wollten nochmal am ersten Punkt halten, wurden aber recht schnell von den Sicherheitskräften verwiesen mit der „Begründung“, dass es „eine Angelegenheit gibt“ (有事情). Was für eine verriet man uns nicht. Kaum zurück im Auto düste unser Fahrer sowas von schnell davon, dass wir nicht locker ließen, um den wahren Grund zu erfahren. Hiroki übersetzte uns, dass es anscheinend Probleme zwischen den Anwohnern in der Schlucht und der Regierung gibt. Wer da den Kürzeren gezogen hat, ist ja wohl klar. Die Regierung will den selbstständigen Verkauf der Bewohner verbieten, die sehen es aber als ihr gutes Recht an, Waren an Touristen zu verkaufen und sich so etwas dazuzuverdienen. Verständlich. Wir wurden von Weitem dann noch Zeuge eines riesigen, bewaffneten Polizeiaufgebots. Beeindruckend… Man hat uns vom Schauplatz weggelockt, indem uns versprochen wurde, den ganzen Eintritt zurückgezahlt zu bekommen. Auch nicht schlecht, denn wir kamen genau am ersten Tag an, an dem die Hauptsaison wieder losging und kassiert wurde.
30. Januar 2011 – Zurück in Lijiang und zurück nach Kunming
Den letzten Tag machten wir nichts Besonderes mehr. Am Tag davor ist Hiroki abgefahren. Schade eigentlich. Annika ging es gesundheitlich immer schlechter, aber sie hielt sich tapfer mit Medikamenten über Wasser. Nachdem wir das Bus- gegen ein Zugticket getauscht hatten, sind wir abends in einen der wenigen Doppeldecker-Schlafzüge Richtung Kunming gestiegen. In unserem Abteil war eine Chinesin, die mir ganz aufgeregt erzählt hat, dass sie das erste Mal so nah an Ausländern ist ^^. Schon süß irgendwie. Scheint sie sonst nur von Weitem durch die Kamerazoomfunktion gesehen zu haben.
31. Januar 2011 – Letzter Tag in Kunming
Morgens kamen wir wieder in der Frühlingshauptstadt an. Eigentlich wussten wir gar nicht so richtig, was wir machen sollten. Der Bambustempel ließ sich schnell in 2 Stunden abhandeln, nichts groß was besonderes. Schön waren die vielen geschnitzten Erhats und die Tierfiguren auf den Balustraden, sonst war von Bambus eher weniger zu sehen. Wir waren die einzigen Besucher zu der Zeit und es war wunderbar ruhig dort drin.
Am Abend nahmen Annika und ich den Zug nach Guangzhou und verabschiedeten uns von Patrick, der einen späteren Zug nach Shanghai nehmen wird. Ich besuche Familie, Annika trifft auf unsere Freunde in Guangzhou und Patrick ist in Shanghai zum Frühlingsfest eingeladen.
Das war aber ein langer Eintrag;)
Unglaublich, was du so alles erlebst! Ich sitz hier in Deutschland fest und lerne Lateinvokabeln:D Hättest mich mal mitnehmen sollen…