Auf den Spuren der Hui im Süden Anhuis

Kaum war das Zwischenseminar beendet, ging es für mich und meinen Reisekumpel wieder auf Tour. Dieses Mal (11.12. – 15.12.2010) besuchen wir den sagenumwobenen Berg Huang Shan und eines der Hui-Dörfer, Hongcun.

Ein wahres Häusermeer tut sich neben mir auf. Ein Hochhaus überragt das nächste und ich kann weit schauen. Die Sonne scheint. Der Bus fährt eine Hochautobahn rauf und links neben mir taucht Ikea auf. Die gelb-blaue Fassade und der kastenförmige Bau lassen bei mir Heimatgefühle und die Lust nach einem Hotdog aufkommen. Ikea zieht an mir vorbei und ich schaue nach vorne. Der Bus überholt mehrere Autos mit lautem Gehupe und lässt auch sonst alle Verkehrsteilnehmer merken, dass er das größte Gefährt auf der Straße ist. Wir verlassen Shanghai. […] Der Blick aus dem Fenster verrät das Betreten einer anderen Provinz: Anhui Province steht auf einem Schild. Die Landschaft verändert sich; immer mehr weiß gestrichene Häuser mit schwarzen Ziegeldächern gruppieren sich zu Dörfern und auf den Feldern brennt Mist. 5 einhalb Stunden später erreiche ich Tunxi, auch Huangshan Shi genannt, ein Dorf in der Nähe des Huang Shans. Jedenfalls dachte ich, es wäre ein Dorf, doch die Leuchtreklamen und Hochhauslichter, die mich begrüßten, lassen auf eine kleinere Stadt schließen, die die gewohnte Infrastrucktur bietet – nur kein McDonald’s.

Am Sonntag, den 12.12.10, heißt es früh aufstehen. Um 7 Uhr werden wir von einem Shuttlebbus abgeholt, der uns zum Tunxi Busbahnhof bringen soll, wo wir in einen Minibus nach Tangkou umsteigen. Nach einer entspannten einstündigen Fahrt mit beschlagenen Fenstern, kommen wir am Ausgangslager für die Bergwanderung an. Wir treffen auf eine Chinesin, die ebenfalls den Berg zu Fuß besteigen will und so entschließen wir uns zusammen zu wandern. Ein weiterer Bus bringt uns zum Eingang des Berges. Leider ist das Wetter regnerisch, doch die Sicht ist noch gut. Wir beginnen die ersten Treppen hochzulaufen. Wälder, Senftenträger und Menschen, die kiloweise Gemüse den Berg hochtragen, begegnen uns. Wir haben unsere gelben Regenponchos übergestreift und passen uns so den anderen Wanderern an. Die meisten wandern bergab. Zwischendurch leisten uns Affen Gesellschaft. Sie klettern in den Bäumen herum und schauen neugierig herüber, halten aber nie für ein Foto still. Anders als auf Gibraltar, Spanien, sind die Affen im Huang Shan recht scheu. Keiner muss Angst um seine Mütze haben.  Bei einer ersten Frühstückspause stimmen Patrick und ich Weihnachtslieder an; es war schließlich der 3. Advent und mit der Weihnachtsmütze auf dem Kopf wirkt es noch echter. Nur kalt genug ist es nicht; es regnet schließlich.

Die Wanderung bei dem Wetter ist anstrengend; sind es doch nur Stufen, die wird hinaufsteigen. Mit jeder Stufe mehr erhöht sich mein Pulsschlag. Ich merke, dass ich einfach nicht in Form bin. Oder liegt es an dem schweren Rucksack, in dem ich Proviant für einen Tag und eine Nacht dabei habe? Je höher wir kommen, desto nebeliger wird es, bis wir schließlich nur noch 5 m weit sehen können. Es regnet unerbittlich weiter und mit jeder Pause wird meine Hose nasser. Glücklicherweise habe ich gute Schuhe mit hohem Schaft, sodass ich von den nassen Hosen wenig mitbekomme. Zu Regen setzt nun auch ein starker Wind ein. Meine Handschuhe sind schnell durchässt und nutzlos. 2 Löcher in den Poncho gerissen und Hände tief in die Jackentaschen vergraben. Ausgehungert machen wir oben am Berg Halt. Ich finde außer den chinesischen Broten die Energiebombe schlechthin: ein Snickers. Nun steh ich vor der Qual der Wahl: Esse ich das Snickers, während mir meine Hand abstirbt oder wärme ich meine Hände und ziehe einen grummelnden Magen und niedrigen Bltuzuckerspiegel vor? Ich hab’s gegessen und meine Hand ist mir fast abgestorben – Lösung: einfach schneller essen!

Welcoming Guests Pine mit fröhlichen Chinesen davor

Nebelschwaden sind beim Huang Shan oft vorhanden und meistens auch erwünscht, da sie das ganze Gebirge in ein mystisches Licht hüllen und den Sagen Ausdruck verleihen. Eines der fünf Wunder am Huang Shan ist auch das Wolkenmeer, aus dem einzelne Gipfel inselhaft rausragen. Doch heute sind eindeutig zu viele Nebelschwaden unterwegs. Man sieht die Hand vor Augen nicht und wird nach der echt anstrengenden Wanderung nicht mal mit einer fenomenalen Aussicht belohnt, sondern stattdessen von einer weißen Nebelwand begrüßt. Die Welcoming Guests Pine welcomt heute nur wenige Gäste und der Best Photographic Point scheint auch nur eine Verarschung zu sein. Enttäuscht entscheiden Patrick und ich die Seilbahn ins Tal zu nehmen und nicht wie geplant eine Nacht auf dem Berg zu verbringen, um am nächsten Morgen den Sonnenaufgang zu sehen. Vermutlich gäbe es für uns keinen Sonnenaufgang und so sparen wir eine teure Übernachtung. Wir müssen uns beeilen, denn der Seilbahnbetrieb hört um 16.30 Uhr auf. Noch rechtzeitig steigen wir erschöpft und erleichtert in die Gondel und fahren gemütlich runter und dann zurück nach Tunxi in unser Hostel.

Es heißt, der Huang Shan (wörtlich: Gelber Berg) sei der schönste Berg Chinas. Diese Haltung spiegelt sich auch in dem entsprechend hohen Eintrittspreisen wieder, die bis zu 230 Yuan in der Hochsaison kosten. Die Seilbahn kostet extra und bis zu 80 Y pro Strecke. Momentan in der Nebensaison ist alles günstiger. 150 Y Eintritt und 65 Y Seilbahn. Schüler bekommen beim Eintritt einen Rabatt und zahlen nur 115 Y. Es ranken sich viele Sagen um diesen Berg und ich bin mir sicher, bei gutem Wetter ist er auch wunderschön. Jährlich wird er von Tausenden Menschen besucht.

Ironie?

5 oder mehr Stunden sind wir Treppen hochgelaufen und wieder runtergelaufen. 5 oder mehr Stunden hat es unentweg geregnet und 5 oder mehr Stunden lag dieser dicke Nebel über uns. Der Trip hat sich nicht gelohnt. Überhaupt nicht! So muss ich wohl ein anderes Mal wiederkommen und hoffe, dass der Best Photographic Point hält, was er verspricht.

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Durchnässt checken wir ein zweites Mal im Hostel ein. Am Montag wollen wir in ein nahegelegenes Dorf fahren und entscheiden uns aus Kostengründen für nur eines der beiden UNESCO-Weltkulturerben: das Dorf Hongcun. Es liegt eineinhalb Stunden von Tunxi entfernt und wieder geht es mit einem Minibus durch die Pampa. Die Straßen bestehen fast nur aus Schlaglöchern, sodass die Fahrt zeitweise einer Achterbahnfahrt gleicht und wir mehrfach von unseren Sitzen gerissen werden. Trotzdem, oder gerade deshalb, ist die Fahrt ein echtes Erlebnis mit hohem Spaßfaktor! Ich bin noch nie so weit raus auf das Land gefahren. Die Landschaften sind atemberaubend schön und mit der passenden Musik im Hinbtergrund gibt es mir ein unbeschreibliches Gefühl an Freiheit und Abenteuerlust; so wie wir durch die Pampa cruisen. In diesem Moment bin ich wieder so froh in China zu sein.

Irgendwann nachmittags kommen wir in Tunxi an und werden, kaum aus dem Fahrzeug rausgeklettert, von einer Frau angesprochen, die uns eine Übernachtungsmöglichkeit anbietet. Schnell das Eintrittsticket zum Schülerpreis gekauft (diesmal hat der KW-Ausweis wieder funktioniert…) und der Frau hinterher zu einer Pension direkt am Südsee mit sauberen Zimmern, an denen nichts auszusetzten ist – außer dem Preis. Der ist uns für 120 Y die Nacht deutlich zu hoch, also folgen wir der Konkurenz zu einer anderen Pension. Es geht durch die verschiedensten Gassen und Straßen, hier links, da rechts, dann wieder links, bis ich gar nicht mehr weiß, wo Norden uns Süden ist. Der Typ  hält vor einem Torbogen an und führt uns rein. Der Innenhof sieht schonmal sehr gut aus. Ein kleiner Teich in der Mitte, umsäumt von Balustraden, viel Grün und 2 Singvögeln. Patrick ist sofort von dieser Pension, überzeugt ohne überhaupt die Zimmer gesehen zu haben. Unser Zimmer bekommen wir für 80 Y mit eingenem Bad und Klimaanlage und die Sache ist geritzt. Es ist schon erstaunlich, dass man vom 1. Stock aus über die meisten anderen Häuser hinweg sehen kann. Das kriegt der gemeine Städter nicht oft zu Gesicht.

„Hongcun liegt im Süden der Provinz Anhui. Das Dorf entstand in der Nördlichen Song Dynastie (960-1127 n. Chr.), und ist somit fast 1000 Jahre alt. Die gesamte Anlage von Hongcun zeigt, welche hochentwickelte Technologie dieses Volk schon damals hatte. Das Dorf selbst ist in Form eines Büffels angelegt, und die künstlichen Wasseradern, die durch das Dorf geleitet werden, „die Eingeweide des Büffels“, bringen frisches Quellwasser zu jedem Haus. Dieses sammelt sich am Ende in einem halbmondförmigen See, dem „Magen des Büffels“. Anschließend passiert das Wasser eine Filteranlage und fließt erneut durch das Dorf, um schließlich, ein weiteres Mal gefiltert, in den Süd-See geleitet zu werden und von dort in einen Fluß.“ (http://www.china-guide.de/china/reiseziele/xidi_____Hongcun.html)

Die Häuser haben ein bis zwei Stockwerke und sind alle ähnlich gebaut. Man kommt durch ein Mondtor in den Innenhof. Oft weiß man nicht, ob man sich noch auf der Straße befindet oder schon im Innenhof eines Hauses. Die Außenwände sind weiß gestrichen und auf den Dächern finden sich schwarze, dünne Ziegel. Betritt man das Haus, kommt man direkt in das „Wohnzimmer“. Gegenüber dem Eingang hängen große Leinwände, die oft Götter oder Weise zeigen. Unter ihnen steht ein Tisch und rechts und links davon ein Stuhl. Auf dem Tisch steht ein kleiner Altar mit Räucherstäbchen. Rechts und links im Raum sind Stuhlreihen oder Schränke aufgestellt. Über der Mitte des Raumes ist eine Öffnung, wo das Dach nicht weitergebaut wurde. Durch diese Öffnung gelangt Sonnenlicht hinein und der Rauch, der durch das Kochfeuer entsteht, kann entweichen. Die Innenwände sowie die Fenster sind mit raffinierten Holzschnitzereien ausgekleidet. Reiche Leute bauen sich einen Balustrade auf dem Obergeschoss. Schlafzimmer und andere Zimmer befinden sich im hinteren Teil des Hauses. Die Wände bestehen außen aus Stein und innen aus Holz, wobei alle Häuser besonders hohe Decken haben.

ChinaPost und ATM aus der Ming-Dynasty

Das Dorf war trotz des bedeckten Himmels wunderschön. In den vielen kleinen Gassen haben wir uns des öfteren verlaufen, aber dank der kleinen Größe war das nie weiter schlimm. Durch Zufall fanden wir das Dorfzentrum mit Supermarkt, Post und Geldautomaten.

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Eine Antwort zu Auf den Spuren der Hui im Süden Anhuis

  1. thuy sagt:

    liebe Julia,
    schöne Reiseerlebtniss und den Text, und weiter so…
    Gruß

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