Urlaub im Himmel auf Erden – 杭州

Vor Beginn des Zwischenseminars (3.-6.12.10) bin ich zusammen mit 7 anderen kulturweit-Freiwilligen ins schöne Hangzhou gefahren.

Hangzhou liegt 1-2 Stunden südwestlich von Shanghai und wird von vielen Chinesen als  das Paradies schlechthin betitelt. Es gibt sogar ein Sprichwort, das besagt 天上有天堂,地下有苏杭, was soviel bedeutet wie Im Himmel gibt es das Paradies, auf Erden Suzhou und Hangzhou.

Wenig ist vom alten Charme Hangzhous übrig geblieben. Heute ist es eine 6-Millionen-Großstadt mit Flughafen wie jede andere und trotzdem hat es Hangzhou geschafft, dem Besucher was Besonderes zu bieten. Ich habe dort die ersten wirklich schönen und Fahrzeug-freien Fußgängerzonen gesehen. Die Nanjing Dong Lu in Shanghai ist ja nur eine Möchte-gern-Fußgängerzone. Ständig fährt so eine Bimmelbahn durch… Wie waren im Touristenzentrum Hangzhous untergebracht und haben deshalb nicht so viel vom neuen Hangzhou gesehen, was bestimmt genauso aussieht wie jedes andere Stadtzentrum auch.

Freddi, Patrick, Felix und ich sind als erste angekommen. Die Anfahrt war wenig spektakulär, abgesehen davon, dass wir unser Hostel erst beim zweiten Versuch gefunden haben und so mehrmals durch die Fußgängerzone geirrt sind. Diese ist wirklich hübsch gestaltet. Die neuen alten Gebäude erinnern mich an Paris und der kleine Bach trägt zu gutem Fengshui bei. Schon bei der Anfahrt mit dem öffentlichen Bus habe ich Hangzhous besonderen Charme gespürt. Es wirkt ruhiger und man selbst kommt auch mehr zur Ruhe. slow down…und einfach mal entspannen. Das scheint besonders einfach in dieser süßen Stadt. Der Verkehr ist nicht so hektisch, weniger Fahrzeuge sind unterwegs und das Wetter war gut 😀 !

Das Mittagessen war aber ein Erlebnis, besonder geruchstechnisch gesehen. Ich habe ein besonderes Talent, die merkwürdigsten Sachen zu bestellen, wenn ich auf Gut Glück auf die Speisekarte zeige. Man darf ja Fehler machen, solange man daraus lernt. Und ich habe gelernt, dass 臭豆腐 Stinketofu heißt. Jedenfalls hatten wir was zu lachen und die Bedienung im Restaurant auch (s. Bilder).

Wir sind dann erstmal zu viert losgezogen und Richtung Westsee gelaufen, der Touristenattraktion in Hangzhou. Und der See ist wirklich schön! Eigentlich liegt es nicht am See selbst, finde ich, sonder viel mehr an dem Zusammenspiel von den schönen Bergen im Hintergrund, dem See und den Weiden am Ufer. Berge, Wasser, Bäume. Ergibt eben ein perfektes Fotomotiv, das wir gleich für ein Gruppenfoto genutzt haben …und die Chinesen für ein Laowai-Bild! Fast wie im Menschenzoo. Später sprach mich ein Vater an, der sein Kind Frida (blond) für ein Bild auf den Arm geben wollte. Sie hatte verständlicherweise keine Lust drauf. Auch die Jungs hatten keine Lust auf ein Touri-Bild mit einer Chinesin, die mich als Übersetzerin gebrauchen wollte. Nachdem ich ihr erklärt habe, wie scheiße nervig das ist, ist sie mit ihrem Freund beleidigt von dannen gezogen.

Wir sind zur Pagode am Südufer gegangen, die mal ganz anders als erwartet war. Wer hätte gedacht, dass vor dieser, von weitem altehrwürdigen, Pagode eine Rolltreppe den Weg nach oben verkürzt ?! Chinesen sind ja gerne mal etwas fauler und bauen sich Rolltreppen für 10 Treppenstufen, aber eine Rolltreppe vor einer Pagode habe ich noch nicht gesehen. Es stellte sich heraus, dass diese Pagode nur ein Aussichtsturm in Pagodenstil war, denn oben angekommen (wir dachten es könnte nicht schlimmer kommen) erwartete uns ein Glasaufzug zur obersten Aussichtsplattform. Das Innere der Pagode erinnerte auch nicht gerade an buddhistische Zeremonien und Räucherstäbchenduft, sondern war ein Ausstellungsraum für Bilder von Hangzhou. Früher stand an der Stelle mal eine altehrwürdige Pagode, doch beim Taipingaufstand wurde diese bis auf die Fundamente abgebrannt. Jetzt steht da eine Touristenattraktion, wunderbar durch die Bäume abgeschirmt, sodass man Eintritt zahlen muss, um das Ding fotografieren zu können. Von oben hatten wir einen atemberaubenden Blick über den Westsee und die 三潭印月,“Drei Weiher, die den Mond spiegeln“. Das sind 3 kleine Türme, die im Westsee stehen und zum Mittherbstfest durch Kerzenlicht aus den fünf Öffnungen in jedem Turm erleuchtet werden. Sie sind auf der Rückseite des 1 Yuan Scheines abgebildet und Wahrzeichen Hangzhous.

Wir sind noch in der Nähe der Pagode spazieren gegangen und ich habe erstaunlicherweise keine Mückenstiche davon getragen. Und nein, nur weil es Dezember ist, sind noch nicht alle Mücken tot, denn in Hangzhou waren es angenehme 15 – 20°C.

Am Abend sind dann endlich die restlichen 4 Leute angekommen und wir sind alle zusammen auf die Fressmeile gegangen. Viele leckere Sachen gabs und der Vorteil von dem Ganzen war, dass ich gesehen habe, was ich bestelle ;D. Die Jungs gönnten sich Fledermäuse und anderes Getier. Ich war einfach nur überglücklich die Mädels wiederzusehen. Annika und Frida, ich liebe Euch!

Am nächsten Tag sind wir einen Hügel im Norden des Sees hochgelaufen. Ich hatte leider nicht die idealsten Klamotten und Schuhe für diese Klettertour an, aber ließ es mir nicht nehmen da trotzdem hochzuklettern. Hat auch gut geklappt. Nur der Weg runter war ein bisschen wackliger. Von oben hatten wir einen echt super Panoramablick über den Westsee und Umgebung. Ich hätte ewig dort oben bleiben können, fehlte nur noch ein kleines Picknick. Das erinnerte mich an den Kirchturm in Florenz, auf dem ich auch ne Stunde lang einfach nur saß und die Aussicht genoss… Aber leider wolten wir noch etwas schaffen und später Hotpot essen. Wieder runter am See entspannten wir uns auf 2 Booten und ließen uns über den Westsee rudern. Dat war schön :). Man plauderte über dieses und jenes mit dem Fahrer und genoss den Sonnenuntergang. Danach haben wir uns gegen eine Fahrt auf die Insel in der Mitte des Sees entschieden und uns stattdessen die Wasserschow angeschaut, die der in Xi’an ähnelte, besonders von der Musik her. Ich habe fleißig Fotos geschossen, von der untergehenden Sonne mit den Wasserfontänen. Am Abend haben wir in einer Reggae-Bar gechillt und später noch mit unserer chinesischen Zimmerkollegin geplaudert. Sie hatte eine ganz eigene Art, z.B. lobte sie unser perfektes Deutsch und fand es ganz wunderbar, dass wir diese Sprache so flüssig sprechen konnten. Sie fragte, ob unserere Gesichtsmuskeln auch immer so ermüdet wären, nachdem wir viel Deutsch gesprochen hätten (sie lernt Deutsch). Im Gegenzug lobten wir ihr perfektes Chinesisch, woraufhin sie erwiederte, dass es ja ganz normal wäre, da sie ja Chinesin sei. DAS hat sie verstanden. Auch liebte sie es, unsere Konversationen mit ihrer Zustimmung zu einem Thema zu unterbrechen. Auf die Frage, ob und was sie denn verstanden hätte, ratete sie drauf los und lag natürlich daneben.

Für den nächsten Tag war eine Fahrradtour in die südlichen Teeplantagen angesetzt. Wir haben uns im Hostel am Abend davor eine Karte gekauft und die Tour war im Lonely Planet drin. Morgens mussten dann nur noch Fahrräder organisiert werden. Ein freundlicher Chinese führte mich zu einem Fahrradverleih und los ging’s. Schon auf dem Hinweg machte eines der Räder schlapp: die Kette sprang ständig raus. Also zurück und gegen ein neues Rad getauscht. Ich wartete mit den anderen in einem Park und beobachtete Brautpaare beim obligatorischen Fotoshoot. Als die anderen zurückwaren, gings endlich los. Wir fuhren zu einem interessanten Teemuseum und dann weiter in ein Dorf, in dem wir für eine kleine Teepause anhielten, die dann doch länger wurde. Felix und Jan Louis haben dann noch ewig gebraucht, um Hangzhouer Drachenbrunnentee zu kaufen, sodass wir die uns entschieden, die Tour abzubrechen und den Weg zurückzufahren. Es wurde schon später und bald ging die Sonne unter. Und unsere Leihräder waren nicht besonders verkehrssicher. Nach der nervenaufreibenden Warterei gings dann in rasantem Tempo die Landstraße wieder runter. Ich kam mir vor wie in Mario Kart :D, fehlten nur noch die Schildkrötenpanzer.

Auf dem Rückweg machte dann ein anderes Rad schlapp: ebenfalls das Kettenproblem. Als wir wieder auf der Hauptstraße waren, ging dann gar nichts mehr. Glücklicherweise begegnete uns ein Fahrradverkäufer, der uns bereitwillig aushalf und sogar noch seinen Kumpel mit Werkzeug schickte. So konnten wir 40 min später zurück zur Leihstation fahren und kamen auch pünktlich um 18 Uhr wieder dort an. Felix verabschiedete sich, er fuhr einen Tag früher. Wir anderen schlenderten noch ein bisschen in der Stadt rum, ich kaufte Postkarten und Notizbücher in einem echt coolen Laden und dann schauten wir noch Pulp Fiction im Hostel. Somit war auch der letzte Tag gelaufen und morgen ging’s zurück nach Shanghai.

Aber es wäre doch zu schön, wenn nicht noch etwas schief gehen würde. Wir fanden zunächst die Bushaltestelle nicht und dann die falsche. Da die Zeit drängte, entschieden wir uns Taxis zu nehmen. Einziges Problem: Es gab keine freien Taxis! Wir brauchten zwei; eines war schnell gefunden und die Jungs fuhren schonmal vor. Wir 3 Mädels haben 20 min lang verzweifelt versucht, ein zweites freies Taxi zu finden und sind von einer Straßenseite auf die andere gelaufen. Es war echt anstrengend und nervenaufreibend, denn der Zug wartet nicht. Als wir dann endlich eins gefunden haben, ging’s endlich Richtung Südbahnhof. Am Anfang lief der Verkehr noch recht flüssig, aber dann kamen wir in einen Stau. Aufgeregt wurde hin- und hertelefoniert und die Abfahrt unseres Zuges rückte immer näher. Wir wurden nervöser und nervöser bis es endgültig klar war, dass wir diesen Zug nicht mehr kriegen würden.

Glücklicherweise hatte Patrick alle Tickets und konnte sie sogar kostenlos umtauschen. So haben wir den späteren Zug genommen und sind trotzdem pünktlich zum Zwischenseminar in Shanghai angekommen. Später erzählten uns die Jungs von ihrer Odyssee, denn ihre Taxifahrerin schien gänzlich die Fassung verloren zu haben. Sie verwechselte den Südbahnhof mit dem Südbusbahnhof und fluchte erstmal wild im Taxi rum, dass der Südbahnhof ja viel zu weit weg sei und die Ausländer sie eh nicht verstünden. Nach einem Telefonat mit ihrem Chef schien sie sich zu beruhigen, aber bei jeder kleinen Nachfrage fuhr sie einen erneut an. Wir vermuten, dass sie nach Zeit bezahlt wird, durch diese Irrfahrt kostbare Zeit verloren hat und deshalb so stinkig drauf war…

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