So, oder ähnlich würde ich Xian charakterisieren. Die ehemalige Hauptstadt Chinas und der Endpunkt der Seidenstraße hat sich heute in ein Plattenbauviertel mit überfüllten Verkehr und dreckiger Luft verwandelt. China hält nicht viel von Restaurierung, sondern schwingt lieber die Abrissbirne. Der Glockenturm, früher das Herz in Xian, ist heute auf einer Verkehrsinsel gestrandet. Aber trotzdem gibt es ganz hübsche Plätzchen in Xian, wie z.B. den naheliegenden Li-Berg und die große Wildganspagode.
Aber von Anfang an. Nach Qufu bin ich zurück nach Qingdao gefahren und am nächsten Tag gleich weiter nach Xian. Ich hatte ein letztes Ticket für diesen Tag ergattert. Es war ein Weischschläfer-Ticket (total bescheuertes Wort…) und somit auch ein ziemlich teures. Aber besser als gar keins. Die Weichschläfer sind weiche Betten in abgetrennten Schlafkabinen à 4 Personen. Das Bett im Zug war weicher als meins in QD und man hatte viel Privatssphäre. Man konnte die Tür einfach zu machen und den Rest des Zuges machen lassen, was er wollte. Nachts war es deshalb auch sehr ruhig und ich hab perfekt geschlafen. Aber die Weichschläfer sind seltener Luxus und auf Dauer doch recht teuer. Die oberen Betten sind etwas günstiger, weil man nicht aus dem Fenster schauen kann, keine gepolsterte Rückenlehne und keine Kleiderbügel hat. Es war echt angenehm so zu reisen und ich hätte Tage lang Zug fahren können. Aber ein Tag reicht ja auch. 24 Stunden hat der Zug von QD nach Xian gebraucht. Dazu muss man sagen, dass er 2 Stunden Verspätung hatte. Eigentlich waren nur 22 Stunden veranschlagt. Ich hab viel gelesen, meinen Aufenthalt mit Hilfe der ReiseBibel (lonelyPlanet) geplant und mich mit meiner Nachbarin unterhalten. (Ja, ich kann mich auf Chinesisch unterhalten :D.) Aus dem Lautsprecher über uns erklang chinesische Musik. War es Zeit für Essen, wurde die Speisekarte vorgestellt und die Leute daran erinnert, dass es Zeit fürs Essen ist. Schon witzig. Dann wurde noch viel über Gesundheit geschwaffelt und darüber, dass regelmäßiges Essen doch sehr wichtig für die eigene Gesundheit sei und eine gute Gesundheit das Wichtigste überhaupt…Um etwa 20 Uhr wurde eine chinesische Comedy Show gespielt. Leide hab ich nichts verstanden, nur das künstliche Publikumslachen im Hintergrund deutete auf eine Comedy Show hin. Manchmal ist es schon nervig, wenn man das Radio nicht ausschalten kann. Um 21.30 war dann Nachtruhe. Es wurde ein Einschlaflied gespielt (das, was Babys immer zu hören kriegen aus ihrem Kuscheltier) und die Radio-Dame erzählte einem noch mehr über Gesundheit und die richtige Schlafposition (Nicht unter der Klimaanlage schlafen!). Dann wurden Mütter noch darauf aufmerksam gemacht ihre Kinder im Auge zu behalten. Wie die alle hier verhätschelt werden! Besonders toll war der Morgen danach: Geweckt durch Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern und einer viel zu gut gelaunten Sprecherin „hießen wir alle gemeinsam den neuen Tag willkommen“. Jetzt weiß ich, wie sich Planwirtschaft wirklich anfühlt. Wenigstens konnte man im Weichschläfer noch selbst entscheiden, wann das Licht ausgemacht wird. (Anders im Hartschläfer, aber dazu später mehr).
Am nächsten Morgen habe ich dann einen ebenfalls alleinreisenden Studenten im Zug getroffen. Ich hab ihn den Tag davor schon gesehn, ihn aber nicht angesprochen. Es stellte sich heraus, dass er auch nach Xian fährt und dort schon 5 Jahre gelebt hatte. Ein Ortskundiger also. Ich fragte ihn, ob er wisse wo mein Hostel wäre und er meinte gleich, dass er mich dorthin bringen könnte (Alleinreisende-Frauen-Bonus :D) Fand ich sehr nett von ihm. Er versuchte mir noch einige Sachen auf Chinesisch zu erzählen, die ich meistens aber nicht verstanden habe…
In Xian angekommen war ich von der Menschenmasse echt überrascht gewesen. Ich wusste es wird voll wegen den Nationalfeiertagen, aber das es SO voll wird, hätte ich mir nie gedacht. Alles schubste und drängte gen Busstation, die heillos überfüllt war. Man musste ständig aufpassen, nicht von irgendeinem Fahrzeug angefahren zu werden, aber das würde eh nicht passieren. Denn davor wird man kräftigst angehupt, dass das Trommelfell platzt. Die Chinesen scheinen zu glauben, dass sich ein Stau in Nichts auflöst, wenn man nur lange und laut genug hupt! In den Bussen selbst wird gequetscht wie sonst was. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Menschen da rein passen, aber anscheinend muss man nur rein wollen und kräftig genug sein, die Masse vor sich reinzuquetschen, um selbst einsteigen zu können. Rücksichtslose Busfahrer erleichtern das nicht gerade. Wir sind erstmal irgendwo ins Zentrum gefahren, um ein Taxi anzuhalten. Doch das stellte sich auch schwierig raus. Alles war voll! Nach 15 min fanden wir endlich eins, doch der Fahrer kannte mein Hostel nicht -.-“ Irgendwann war ich dann da und Natasha und Edison (die beiden Englisch-Lehrer aus QD) waren sogar vor mir da.
Das Hostel ist wunderschön. Es liegt in einem Innenhof chinesischer Architektur. Fotos folgen. Und da gibt es so süße Kätzchen, die total zahm sind und einfach auf den Schoß hüpfen, wenn sie gestreichelt werden wollen. In Xian selbst habe ich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten besucht: Glocken- und Trommelturm, Muslimviertel einschließlich der großen Moschee, die Stadtmauer, die große Wildganspagode und natürlich die Terrakotta-Armee. Die Türme waren jetzt nicht so bombe. Ganz hübsch, aber von Autos umgeben auf einer Verkehrsinsel. Man konnte für 5 Yuan die Glocke schlagen, was angebelich Glück bringen sollte. Alles, was Glück bringen soll, kostet Geld! Eine Reihe chinesischer Touristen ließ sich für dieses Spektakel begeistern. Allgemein stehen die Chinesen total auf Touri-Sachen und posen vor jeder Statue (ohne wirklich zu wissen, wer das ist und was er so Tolles vollbracht hat, (Achtung, subjektiver Eindruck!)). Bei der
abendlichen Fontänenshow bei der großen Wildganspagode, rennen manche sogar durch
die Fontänen durch (Man bedenke, Tausende stehen drumherum, um sich die Show anzugucken und da läuft son Trottel durch.) Ich habe auch das Gefühl, dass Chinesen wenig wirklich peinlich ist. Für Fotos wird gepost, was das Zeug hält und alles wirkt so künstlich. Hier ein Peace-Zeichen, dort ein Herzchen und fertig ist das Touri-Bild. Tai Chi wird einfach so auf der Straße geübt und man stört sich nicht an gaffenden Zuschauern. Und das Spucken ist so eklig hier. Bevor sie „auswerfen“ ziehen sie es auf der Kehle raus mit einem so ekelhaften Geräusch, dass man Angst hat, einem wird gleich auf dem Kopf gespuckt. Aber manche sind auch schon so fortschrittlich und spucken nur in Mülleimer. Das Muslimenviertel ist echt schön. Da gibt es viele kleine Stände mit örtlichen Spezialitäten und Souvenire. Ich hab einfach mal alles probiert, was ich finden konnte, und manches war echt gut. Auch habe ich mich zum Kauf von allem möglichen Schrott verleiten lassen, aber es so gut es ging runtergehandelt. Die Stadtmauer ist an sich nichts Besonderes, aber wir haben uns ein Rad gemietet und sind die entlang gefahren bei strahlendem Sonnenschein und blauen (!) Himmel. Das war schon ein Erlebnis. Aber bei chinesischen Rädern fehlt die Federung und so war ich froh als wir auf den wiederaufgebauten Teil der Mauer kamen :). Die Terrakotta Armee ist…joa… auf eine Art und Weise schon beeindruckend, aber die Tatsache, dass dort außer uns noch halb China versammelt war, machte den Besuch zu einer nervenaufreibenden Sache. Letzendlich sieht man Abbildungen der Statuen in ganz Xian. Ich habe vor lauter durcheiander schreienden Guides meinen Audio-Guide nicht verstanden und bei dem chinesischen Guide meiner Freunde konnte ich leider auch nicht mithören. So blieb mir nichts anderes übrig als mich durch die Massen zu den Infotafeln durchzukämpfen. Im Souvenir-Shop saß auch der Bauer, der als erster auf die Armee gestoßen ist durch Zufall und signierte Bücher, die man dort kaufen kann. Es gab auch eine deutsche Ausgabe, aus der ich weitere Informationen holte, die die Infotafeln nicht hergaben oder mir verborgen blieben, weil ich nicht zu den Infotafeln gekommen bin. Ich stand da also ein Weilchen und lies mir alles in Seelenruhe durch; neben geschäftige Verkäufer, die mir das Buch andrehen wollten.