Dobrý den und Ahoj zu Woche 36 und damit auch Monat 9 meines Freiwilligendienstes in Tschechien. Darüber zu schreiben, wie schnell die Zeit vergeht, das habe ich hier oft genug gemacht. Darüber, wie schade ich das finde, auch. Trotzdem: es ist unglaublich schade und alleine der Gedanke, dass die Schule hier in einem guten Monat zu Ende ist und somit gewissermaßen auch mein Freiwilligendienst endet, lässt meine Stimmung gen Nullpunkt sinken.
Ein Highlight stand diese Woche dennoch an: die DSD-Intensivwoche, in der die Schüler:innen, die nächstes Jahr ihre DSD-Prüfung ablegen wollen, sich eine Woche lang intensiv mit den DSD-Themen, den Aufgabenstellungen und Allem was sonst noch so dazugehört, beschäftigen.
Meine Aufgabe dabei war, das Thema Tourismus in 90 Minuten möglichst interessant und informativ zu gestalten, so dass die Schüler:innen inhaltlich und vokabeltechnisch möglichst viel mitnehmen. Keine leichte Sache, bei einem Thema, für das 90 Minuten nicht mal ansatzweise ausreichen.
Abgesehen von der DSD-Intensivwoche stand allerdings noch ein weiteres großes Ereignis an: die mündlichen Abiturprüfungen. In Tschechien legen die Schüler:innen in ihren Abiturfächern eine schriftliche und eine mündliche Prüfung ab, deren gemeinsames Ergebnis dann die Endnote ergibt. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland: die Schüler:innen ebenso wie die prüfenden Lehrkräfte müssen Anzug und Krawatte beziehungsweise ein Kleid oder Ähnliches tragen, um den Prüfungsraum überhaupt betreten zu dürfen. Gleiches gilt für die Zuschauer:innen. Richtig gelesen, bei den Abiturprüfungen dürfen Schüler:innen der unteren Klassen oder auch Mitschüler:innen zuschauen. Was für mich der absolute Horror gewesen wäre, ist hier völlig normal und wird auch rege genutzt, um sich ein Bild davon zu machen, was einen in der Prüfung erwarten könnte. Eigentlich keine schlechte Idee, ich bin aber dennoch froh, dass bei uns niemand zuschauen konnte.
Ein besonderes Highlight der Abiturwoche ist außerdem, dass die unteren Klassen ein Buffet organisieren, an dem man sich den ganzen Tag über bedienen kann. Und so kam es, dass ich, nachdem meine DSD-Stunde vorbei war, den Rest des Tages eigentlich mit Essen verbrachte. Zuerst am Buffet, dann hatte eine Lehrerin zur Feier ihres Geburtstags ebenfalls Kuchen und belegte Brötchen mitgebracht und schließlich trafen wir uns Nachmittags wieder am Buffet, um den ersten Prüfungstag Revue passieren zu lassen. Um fünf Uhr konnte ich mich schließlich loseisen, denn ich hatte noch Hausaufgaben zu erledigen, bevor es am Abend in den Sprachkurs ging.
Den Dienstag verbrachte ich ganz ähnlich, nur mit weniger Essen und dafür mehr Unterrichtsvorbereitung, denn die hatte ich am Montag wirklich nicht mehr untergebracht.
Außerdem konnte ich mal wieder feststellen, wie unterschiedlich eine Stunde abläuft, je nachdem in welcher Klasse man sie hält. Während die Schüler:innen in der DSD-Stunde am Montag relativ zügig, aber trotzdem gründlich die Aufgaben bearbeiteten und schließlich sogar fünf Minuten vorher fertig waren, musste ich am Dienstag kurzerhand eine der vier Stationen streichen, da wir diese beim besten Willen nicht mehr geschafft hätten. Das heißt aber nicht, dass die Gruppe weniger fleißig arbeitete, sondern einfach, dass sie eine ganz andere Herangehensweise an die Thematiken hatten. Bevor sie die Aufgaben bearbeiteten, tauschten sie sich über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema aus und die Aufgaben selbst wurden sehr genau bearbeitet und über die Themen diskutiert. Keine der Gruppen ist besser oder schlechter als die andere, es zeigt aber wieder einmal, dass man den Unterricht wirklich an die Klasse anpassen muss, da eben jede Klasse einen anderen Rhythmus hat.
Die IDSS-Stunde am Abend verbrachte ich alleine mit einer Schülerin aus dem Libanon, der Rest hatte leider keine Zeit. Und diese Stunde bescherte mir wieder einen dieser Gänsehautmomente (im positiven Sinne). Denn die Schülerin war zunächst noch bei einer Freundin zu Hause, wo sie mir die Straße und die Umgebung zeigte, bevor sie abgeholt wurde und ich auf der Fahrt zu ihr nach Hause (virtuell) ihre Familie kennenlernte. Bei ihr zu Hause angekommen, zeigte sie mir den Garten, das Haus und schließlich schauten wir uns gemeinsam (ich durch die Kamera, sie in Echt) den Sonnenuntergang hinter den Bergen an, auf die man von ihrem Garten aus einen traumhaften Blick hat. So oft ich die Technik auch verfluche, so viele schöne Momente und Begegnungen hat sie mir auch (insbesondere in den letzten Monaten) ermöglicht.
Im Anschluss an die Stunde ging es endlich mal wieder Rollschuhlaufen und im Anschluss noch in eine Bar, wo es dann viel zu spät wurde:)
Am Mittwoch stand dann die letzte DSD-Stunde an, die ebenfalls ganz anders verlief, als die Stunden zuvor.
Nachmittags traf ich mich dann mit Massi und Franta, die beide das JDI-Halbfinale erreicht haben und sich somit auf das Thema „Soll bei allgemeinen Wahlen eine Stimmabgabe per Internet ermöglicht werden?“ und vorsorglich auch auf das Finalthema „Sollen in der europäischen Union die nationalen Staatsangehörigkeiten durch eine europäische Staatsangehörigkeit ersetzt werden?“ vorbereiten müssen.
Da es so langsam zur Tradition wird, dass wir uns im Café im Bahnhof treffen, verabredeten wir uns auch dieses Mal dort. Das Problem daran: das Café scheint keine Klimaanlage zu haben, sodass es bei den Temperaturen, die draußen herrschten, in dem fast komplett verglasten Raum unglaublich heiß war. Besonders lange hielten wir es also nicht aus, aber immerhin lang genug um uns schon einmal mit den Themen vertraut zu machen und ein paar Maßnahmen zu entwerfen. Allerdings sind dabei ehrlich gesagt mehr Fragen als Antworten aufgetaucht: Bezieht sich das erste Thema nur auf Wahlen in Tschechien? Und wenn ja, auf alle? Und ist das zweite Thema nicht die Konsequenz einer ganz anderen Debatte, nämlich ob es einen europäischen Staat geben sollte? Und wenn ja, was würde das konkret bedeuten? Ihr seht, es gibt noch viele offene Fragen. Zum Glück haben wir noch etwas Zeit bis zur Debatte Anfang Juni.
Vom Café ging es dann für mich wieder einmal direkt zum Sprachkurs, wo wir uns jetzt mit Konditionalsätzen herumschlagen. Mal schauen, wie sich das entwickelt.
Am Donnerstag stand dann wieder relativ normaler Unterricht an, wenn auch nicht besonders viel, da wegen der Abiturprüfungen noch immer viel ausfiel. Den Tag verbrachte ich dennoch fast komplett in der Schule, da eine Freundin heute ihre Abiturprüfungen ablegte und wir in den Pausen gemeinsam mit ihr warteten. Als am Nachmittag schließlich die letzte Prüfungen vorbei war und die (sehr guten) Ergebnisse verkündet wurden, stand noch die offizielle Verabschiedung an. Die Klasse wollte ihren Lehrkräften noch eine Kleinigkeit schenken und da ich schonmal da war, bat mich der Klassenlehrer, ebenfalls einen Wein und einen Blumenstrauß auf den Schulhof zu bringen. So weit so gut. Warum ich das erzähle? Weil ich diese Geschenke dann nicht mehr loswurde, weil der Lehrer plötzlich verschwunden war und ehe ich es mir versah, begann der Prüfungsvorsitzende (der mich nicht kannte, da er schulfremd war und mich somit für eine Schülerin hielt) zu sprechen und ich stand inmitten der Abiturient:innen und konnte mich beim besten Willen nicht mehr unauffällig verdrücken, zumal ich auch noch die Geschenke in der Hand hielt. Also versteckte ich mich in der letzten Reihe, darauf bedacht, möglichst nicht zu sehen zu sein. So ganz funktioniert hat das allerdings nicht und erlöst wurde ich erst, als die Geschenke übergeben wurden und der Klassenlehrer sich daran erinnerte, mir etwas in die Hand gedrückt zu haben. Immerhin sorgte die Verwechslung für reichlich Gelächter bei allen Beteiligten und ich habe eine neue Geschichte aus der Kategorie „Was? Sie ist KEINE Schülerin?“ zu erzählen.
Der Abend brachte dann eine weniger erfreuliche Nachricht. Beziehungsweise brachte er keine Nachricht, was das eigentliche Problem an der ganzen Sache ist. Denn obwohl wir eigentlich über Zoom verabredet waren, und ich sogar extra nochmal eine Mail geschrieben hatte, kam meine russische IDSS-Schülerin, beziehungsweise inzwischen Freundin nicht. Das wäre erstmal nichts Ungewöhnliches, hätte sie nicht im letzten halben Jahr nicht eine Stunde verpasst oder wäre auch nur ansatzweise unpünktlich gewesen. Da ich weiß, dass ihre Familie den Krieg gegen die Ukraine in keinster Weise unterstützt, hoffe ich, dass es sich lediglich um ein Problem bei der Kommunikation handelt.
Am Freitag bekamen dann die ersten Klassen ihre Zeugnisse überreicht, diesmal schaffte ich es, nicht für eine Schülerin gehalten zu werden und konnte entspannt zuschauen. Besonders emotional wurde es bei einer Klasse, in der nicht nur ein paar Freundinnen von mir sind, sondern die mir auch insgesamt sehr ans Herz gewachsen ist. Nach der wirklich schönen Rede einer Schülerin blieb kaum ein Auge trocken und als zwei Schülerinnen schließlich auf mich zukamen und auch mir eine kleine Blume als Dankeschön schenkten, war es um uns geschehen.
Um mich ein wenig Aufzumuntern, traf ich mich am Freitag mit Antonie und wir verbrachten den Nachmittag erst in einem Café, bevor wir es uns mit den besten Zimtschnecken der Welt in einem Park gemütlich machten und einer Gruppe Hunde, die scheinbar stetig wuchs, beim Spielen zuschauten und die Sonne genossen.
Am Samstag wartete dann einiges an liegen gebliebener Arbeit auf mich, allem voran das Putzen meiner Wohnung. Das Schlimme ist, dass man doch jedes Mal eine Stelle entdeckt, die eine gründlichere Putzaktion benötigt und was als kurzes Saubermachen geplant war, artete mal wieder in eine fast zweistündige Aktion aus.
Um mir den Rest der Arbeit etwas angenehmer zu machen, machte ich mich auf den Weg ins Café Mitte, wo ich die Stunden nächste Woche vorbereiten wollte. Diese hatten sich aufgrund des Abiturs verdoppelt, da ich angeboten hatte, in ein paar Klassen Vertretung zu machen.
Ruck zuck war es allerdings schon Abend und damit für mich an der Zeit, mich auf den Weg zum Bahnhof zu machen, um eine Freundin aus Deutschland abzuholen. Zur Feier des Tages gingen wir erst einmal zum besten Inder in Brno, wo wir so lange quatschten, bis das Restaurant schließlich schloss und wir noch einen kurzen Abstecher in die Innenstadt machten.
Am nächsten Morgen stand dann die große Stadttour an, die natürlich alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, eine gemütliche Pause im Garten der Villa Tugendhat, Kaffee und Kuchen als Mittagessen im Café Mitte und schließlich Pizza auf dem Špilberk bei Sonnenuntergang enthielt.
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