Dass diese Woche nicht langweilig werden würde, das hatte ich ja bereits in meinem letzten Eintrag anklingen lassen. Nicht langweilig ist vielleicht eine kleine Untertreibung angesichts dessen, was diese Woche alles passiert ist.
Und eins ist sicher, die vergangene Woche stand mehr als jede andere zuvor unter dem Stern der Freiwilligencommunity. Ich habe in vergangenen Einträgen immer wieder anklingen lassen, wie begeistert ich von der unglaublich herzlichen Community bin, in der ich mich seit Beginn meines Freiwilligendienstes wie selbstverständlich bewegen darf, aber diesen Eintrag möchte ich nochmal konkret dazu nutzen, meine Gedanken zu diesem Thema in Worte zu fassen.
So viele Nachteile Corona auch mit sich bringt, auch bezüglich des Freiwilligendienstes, es hat auch einen Vorteil, der sich einem vielleicht nicht auf den ersten Blick offenbart. Die Tatsache, dass über 200 Freiwillige nicht auf der ganzen Welt verstreut sind, sondern alle hier in Europa eingesetzt sind, sorgt dafür, dass wir alle näher beisammen sind und somit auch die Möglichkeit haben, uns viel öfter zu besuchen, als das vermutlich unter „normalen“ Umständen der Fall wäre.
Natürlich hätte ich mir, wie viele Andere auch, gewünscht, dass mich mein Freiwilligendienst in ein weit entferntes Land bringt, das ich sonst womöglich nie kennengelernt hätte. Tschechien erfüllt diese Hoffnung natürlich nicht ganz, denn in ein Land, dass weniger weit von meinem Heimatort entfernt ist, hätte es mich kaum verschlagen können. Aber nach 14 Wochen kann ich sagen, hätte ich die Möglichkeit etwas zu ändern, die Zeit bis vor Corona zurückzudrehen, und in ein anderes Land zu reisen, ich würde es nicht tun. Und das hat nicht zuletzt mit der Community zu tun, die es sonst so eng wie sie jetzt ist – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht geben würde. Das Wochenende in Woche 13 war das Erste, an dem ich nicht unterwegs war oder Besuch von Freiwilligen hatte und auch wenn das bisweilen anstrengend war, war es auch verdammt schön. Ich durfte viele tolle und ganz verschiedene Menschen kennenlernen, die ich alle auf ihre ganz eigene Weise ins Herz geschlossen habe und die sich in kurzer Zeit von völlig Fremden zu Freunden entwickelt haben. Wem das jetzt zu schnulzig ist, für den habe ich hier eine mögliche Erklärung für das was ich als kulturweit-spirit bezeichnen würde.
Wir sind alle in einer ähnlichen Situation, die meisten gerade mit der Schule fertig, in einem fremden Land dessen Sprache und Kultur wir meist nicht kennen und sind zum vielleicht ersten Mal auf uns selbst gestellt. Dieser radikale Neuanfang sorgt für eine Verbundenheit, die ich so selten erlebt habe und vielleicht auch nie wieder erleben werde.
Auf Außenstehende mag es ein wenig naiv wirken, sich mit Leuten zu treffen, die man vorher gar nicht oder nur online kannte und natürlich ist es ein Vertrauensvorschuss, aber ich persönlich wurde noch nie enttäuscht. Ich bin gespannt, wie sich diese Beziehungen in den kommenden Monaten entwickeln werden und kann es kaum erwarten, die neuen Freiwilligen, die im März ausreisen werden, kennenzulernen.
Soviel zu diesem doch etwas längeren Gefühlsausbruch. Jetzt wird es Zeit für den Wochenrückblick und den Anlass dieser sehr langen Einleitung.
Nach einem entspannten Wochenende verbrachte ich den Montagvormittag wie gewöhnlich in der Schule, bevor ich mich am Nachmittag auf den Weg zum Bahnhof machte. Nicht um zu verreisen, sondern um zwei Freiwillige aus Košice, Slowakei abzuholen. Nadja und Luca waren auf der Durchreise nach Hause und nutzen die Gelegenheit, um in ein paar Städten Halt zu machen. Nach einem kurzen Abstecher zu meiner Wohnung ging es in die Innenstadt, wo wir schonmal die wesentlichen Sehenswürdigkeiten abklapperten, auch wenn es schon recht dunkel war. Mit Glühwein, Weihnachtsbeleuchtung und ein paar Schneeresten war die Weihnachtsstimmung perfekt. „Wie Bratislava auf Drogen“ war Nadjas Vergleich zwischen Brno und der, sich momentan im Lockdown befindenden, Hauptstadt der Slowakei. Auch wenn ich noch nie in Bratislava war, konnte ich diesen Vergleich angesichts der Menschen, die sich in der ganzen Stadt tummelten, zahlreicher Straßenmusiker, Polizeisirenen und bimmelnder Straßenbahnen durchaus nachvollziehen und werde ihn im Hinterkopf behalten, wenn ich in Bratislava bin.
Den Abend verbrachten wir zumindest bis 22 Uhr (dann müssen aufgrund des Notstands alle Bars schließen) in einer gemütlichen Bar im Stadtzentrum, bevor wir uns notgedrungen aber dennoch gut gelaunt auf den Heimweg machten.
Am Dienstagmorgen war es dann auch nicht ganz so hart, aus dem Bett zu kommen. Vormittags trennten sich unsere Wege, schließlich hatte ich noch regulär Unterricht, bevor wir uns Nachmittags in meinem Lieblingscafé trafen.
Für den Abend hatten wir eigentlich einen gemütlichen Filmeabend geplant. Die mutige Entscheidung eines Mitfreiwilligen, sich die Haare zu färben, sorgte bei uns allerdings für eine Schnapsidee, dank der wir uns plötzlich vor dem Haarfärberegal im dm wiederfanden. Wer jetzt auf spektakuläre Fotos hofft, wird leider enttäuscht werden, denn um es kurz zu machen: der Vorher-Nachherunterschied war gleich Null. Hier dennoch ein paar Fotos der ganzen Aktion, wir hatten auf jeden Fall unseren Spaß, Ergebnis hin oder her.
Auch am Mittwoch trennten sich unsere Wege wieder und vor mir lagen drei Stunden voller Weihnachtslieder, die ich nicht so schnell wieder vergessen werde. Während die erste und zweite Klasse die Lieder sangen, als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes getan, überzeugte die dritte Klasse nicht durch Textsicherheit und Talent, sondern durch Motivation. O Tannenbaum war neben Kling Glöckchen klingelingeling der absolute Renner, mein persönlicher Favorit war aber das tschechische Weihnachtslied, dass ein paar Jungs auf dem Stuhl stehend lautstark und von einer Schülerin am Klavier begleitet performten. Die Aufsichtsperson in mir bekam einen halben Herzinfarkt, konnte und wollte sich allerdings nicht durchsetzen und so kam ich in den Genuss eines Ständchens, das ich nie wieder vergessen werde.
Nachmittags verabschiedete ich mich dann von Nadja und Luca, für die es weiter nach Prag ging, um mich dann direkt mit der nächsten Freiwilligen zu treffen. Lucie kam für einen Nachmittag nach Brno um noch ein paar letzte Besorgungen zu machen und wir trafen uns auf einen Tee.
Donnerstags füllte ich meine Stunden ebenfalls mit Weihnachtsliedern. Mit der Annahme, die Performances vom Vortag könnten nicht mehr getoppt werden, lag ich allerdings falsch. Die Performance von der deutschen Version von „Let it go“ von einer Klasse, die aus nur zwei Mädchen bestand, haute mich dermaßen vom Hocker, dass ich den Rest des Tages einen Ohrwurm hatte. Also lief ich am Nachmittag, mit dem etwas schiefen aber umso energischeren Gesang der Klasse im Ohr durch die Stadt, auf der Suche nach einem geeigneten Wichtelgeschenk.
Dieses Wichtelgeschenk benötigte ich für Freitagabend, an dem ich bei der Weihnachtsfeier der Rollschuhmannschaft war. Bei Glühwein und leckeren veganen Muffins ging es dann ans Wichteln und ich genoss das gemütliche Beisammensein in einer Gruppe, welches ich in den letzten Monaten doch recht selten erlebt habe.
Bevor es allerdings nach Hause ging, machte ich mich auf den Weg zum Busbahnhof, um Julia, eine weitere Freiwillige aus Tschechien abzuholen, die mich für das Wochenende besuchen wollte.
Am Samstag gab ich also die zweite Stadtführung in einer Woche (ich gebe jedes Mal aufs Neue gerne mit „meiner“ wie ich finde wunderschönen Stadt an) bevor wir uns, erschlagen von so viel Eindrücken und durch die Gegend laufen, ebenfalls im Café Mitte wiederfanden und den Plan fassten, erst zu kochen und anschließend den neuen Spiderman-Film im Kino zu schauen. Gesagt getan saß ich Abends das erste Mal seit Langem wieder in einem richtigen Kino und genoss den Film in vollen Zügen (er ist absolut empfehlenswert). Außerdem habe ich einen neuen Rekord aufgestellt, was das Treffen von bekannten Personen in der Stadt angeht (4 Schüler und 1 Lehrer werden schwer zu toppen sein).
Den Sonntag begannen wir gemütlich, bevor wir uns auf den Weg zum jüdischen Friedhof machten. Wer in Brno ist und ein oder zwei Stunden entbehren kann, dem kann ich diesen Besuch nur empfehlen. Im Gegensatz zum Friedhof in Prag, ist der Brünner Friedhof weniger bekannt und dadurch war außer uns auch kaum jemand da. Der Friedhof ist allerdings mindestens genauso sehenswert und hat in uns viele verschiedene Gedanken und Gefühle ausgelöst, insbesondere, da Julia ein bisschen Hintergrundwissen zur jüdischen Bestattungsweise hatte (vielen Dank dafür!).
Nach einem kurzen Abstecher zum Steinbruch, kurz weil es viel zu kalt war, verkrochen wir uns in meine Wohnung und verbrachten den Nachmittag bei Plätzchen und Tee vor den vier gemütlich flackernden Kerzen meines Adventskranzes.
Auf dem Weg zum Busbahnhof machte ich dann eine weitere großartige Entdeckung: Es gibt einen Lidl, kaum 5 Minuten von mir entfernt. Nach diesem gelungenen Abschluss der Woche bin ich jetzt am Planen der nächsten Woche, denn es gilt, nach Deutschland zu fahren und die wenige Zeit, die ich dort habe, so gut es geht zu nutzen. Ob in dieser Zeit ein Eintrag kommt, werde ich spontan entscheiden, ich wünsche allen aber schonmal „Veselé Vánoce a šťastný nový rok!„
Neueste Kommentare