Winterwunderland (Woche 13)

Als ich Anfang November einmal vorsichtig bei meinen Schüler:innen und Kolleg:innen nachgefragt habe, wie es denn hier mit Schnee aussieht, fielen die Antworten recht enttäuschend aus: „Wenn wir Glück haben, schneit es hier vielleicht 2-3x im Jahr und liegen bleibt es auch nicht.“ Das war so in etwa die Antwort, die ich erhielt. Tja, vielleicht hat es sich das Wetter ja gerade deswegen zur Aufgabe gemacht, allen das Gegenteil zu beweisen.

Denn nach einem winterlichen Wochenende in Prag, lag zu meiner großen Freude auch am Montag noch Schnee in Brno. Ich war allerdings zunächst zu beschäftigt mit Unterricht und Unterrichtsvorbereitung, als dass ich das groß hätte genießen können.

Inzwischen habe ich definitiv auch eine Vorliebe für Sonnenaufgänge entwickelt.

Nachdem am Montag nichts Nennenswertes passiert ist, war der Dienstag dann schon ereignisreicher. Zunächst war ich sehr überrascht davon, wie viele Schüler:innen noch zu unserer Konversationsstunde auftauchten. Eigentlich war diese nur bis zur schriftlichen DSD-Prüfung geplant, umso mehr hat es mich aber gefreut, dass ihnen die Stunden scheinbar geholfen haben und sie auch noch bis zur mündlichen Prüfung weitermachen wollen.

Noch mehr Sonnenaufgang.

Das Highlight des Tages war aber definitiv das Stužkovák einer meiner Klassen. Dabei handelt es sich um eine Feier, bei der die Schüler:innen der Abschlussklasse zu Abiturient:innen ernannt werden. Und zwar nicht einfach so per Handschlag, sondern mit einem richtigen Schwert, mit dem sie – ähnlich wie bei einem Ritterschlag – gekürt werden. Das allein wäre schon faszinierend genug, aber dieses Stužkovák fand in Form einer Messe statt. Was sich zunächst recht langweilig anhört und es stellenweise auch war (außer Jesus und Amen habe ich von der Predigt nichts verstanden), entpuppte sich durch den Gesang einer Schülerin und diverse Rituale als durchaus bewegend und ich habe mich sehr für meine Schüler:innen gefreut, dass sie trotz der Corona-Beschränkungen die Möglichkeit hatten, zumindest die traditionelle Zeremonie zu erleben.

Der Mittwoch und Donnerstag lassen sich bezüglich des Unterrichts eigentlich mit einem Wort beschreiben: Singen. Denn auch wenn ich diese Woche noch normalen Unterricht gemacht habe (ich kann ja schlecht zwei Wochen vorher mit Weihnachtsstunden anfangen), haben sich alle Klassen ausnahmslos gewünscht, nächste Woche in unserer letzten Stunde vor Weihnachten zu singen. Also werde ich mich wohl oder übel mit deutschen Weihnachtsliedern beschäftigen müssen um meine fehlende Textsicherheit zumindest zum Teil zu überspielen.

Der Blick aus meinem Klassenzimmer lässt sich nur schwer toppen.

Eisig aber schön.

Leider nicht stabil genug, um darauf zu laufen.

Der Weihnachtsbaum im Schnee (das Lidl Schild im Hintergrund muss man ausblenden)

Der Donnerstag unterschied sich allerdings in einem wesentlichen Aspekt vom Mittwoch. Und zwar schneite es den ganzen Tag ohne Unterbrechung. Der Schneefan in mir musste das natürlich unbedingt ausnutzen und so kam es, dass ich am Nachmittag über zwei Stunden durch die Stadt wanderte. Mehr oder weniger zufällig verschlug es mich dann in den Spilberk-Park, wo ich eigentlich Menschenmassen erwartete. Aber von wegen, außer mir und einer Handvoll Hunde mitsamt ihrer Besitzer:innen begegnete mir in dem großen Park mitten im Zentrum keine Menschenseele. Vielleicht lag es an der anbrechenden Dämmerung oder der Tatsache, dass es zu diesem Zeitpunkt schon recht heftig schneite oder an den nicht geräumten Wegen. Ich weiß es nicht, aber ich habe es sehr genossen. Der Park hat mich bereits im Spätsommer und im Herbst mit seiner unerwarteten Ruhe und Nähe zur Natur überrascht, aber ihn im Winter bei Schnee und Laternenschein quasi für mich alleine zu haben, war eine Erfahrung, die ich nicht so schnell vergessen werde und die völlig durchnässte Jacke und eiskalte Hände und Füße waren es definitiv wert.

Winterromantik pur

Schneegestöber

Spilberk im Schnee

Warum lassen sich die Leute diesen Blick entgehen?

Der Freitag war in der Schule wie immer ein recht voller Tag. Es ist aber jedes Mal schön, wenn ich in eine Klasse komme und die Schüler:innen sich offensichtlich freuen, mit mir zu sprechen und ihre anfängliche Schüchternheit überwinden. Den Nachmittag und Abend verbrachte ich dann gemütlich mit Lebkuchen, Tee und kitschigen Weihnachtsfilmen im Bett und versuchte mit allen Mitteln, die Erkältung, die sich anzubahnen drohte (vielleicht habe ich es mit der frischen Luft am Donnerstag doch ein wenig übertrieben), zu verhindern.

Da kommt richtige Weihnachtsstimmung auf.

Am Samstag fühlte ich mich dann auch fit genug, um endlich eine lästige Hausarbeit in Angriff zu nehmen: Putzen. Der Vorteil am alleine Wohnen ist: Du musst nur putzen, wenn du es für nötig hältst. Der Nachteil: Du musst nur putzen, wenn du es für nötig hältst. Am Samstag war es aber definitiv nötig. Danach fühlte ich mich erstaunlich gut. Nicht nur, weil die Wohnung endlich wieder komplett sauber war, sondern auch weil die Chemikalien scheinbar den letzten Rest an Erkältungsviren abgetötet hatten.

Also machte ich mich auf zu meiner zweiten Mission des Tages: Weihnachtsgeschenke kaufen. Denn der Markt, den ich mit Rosina vor dem Zwischenseminar besuchte, fand ein zweites Mal in Brno statt und entpuppte sich wieder einmal als wahre Schatzkiste an Geschenken. Höchst erfolgreich schlenderte ich danach noch ein wenig durch die Stadt und nahm die Weihnachtsatmosphäre in mir auf, die in Brno im Moment in großen Mengen zu finden ist.

Aufreger des Tages: Warum muss man Spielzeuge, die auch noch alle auf einer Ebene sind, in „Toys for Boys“ und „Toys for Girls“ unterteilen?

Dieser, von außen recht unscheinbare Buchladen, kommt definitiv auf die Liste meiner Lieblingsbuchläden.

Für ein wenig improvisierte Weihnachtsdeko hatte ich auch noch Zeit.

Der Sonntag bildete dann den krönenden Abschluss der Woche.

Vormittags traf ich mich endlich wieder mit Antonie, die ich seit drei Wochen nicht mehr gesehen hatte. Es gab also jede Menge zu erzählen, während wir uns auf den Weg zu einem weiteren Markt machten, auf dem es ebenfalls viele selbstgemachte Sachen zu kaufen gab. Brno hat sich definitiv etwas einfallen lassen, um das Weihnachtsmarktverbot zu umgehen und die Stände kurzerhand in größere Hallen verlegt, wo sie als kurzzeitige Events gelten (ob das infektionstechnisch so sinnvoll ist, sei mal dahingestellt). Nach dem obligatorischen Kaffee und einem Spaziergang durch die sonnige Stadt ging es für mich erst in den Supermarkt und anschließend nach Hause.

Čauko děcka – bedeutet anscheinend „Hallo Kinder!“

Der obligatorische Kaffee.

Endlich scheint mal wieder die Sonne!

Ich hatte allerdings nicht vor, lange zu bleiben, da ich schon länger den Plan gefasst hatte, den Steinbruch bei dem ich vor ein paar Monaten war, noch einmal bei Schnee zu besuchen. Und was bietet sich dafür besser an als ein sonniger  Sonntagnachmittag? Meine anfängliche Sorge, diesen Gedanken könnte außer mir auch halb Brno haben, erwies sich als völlig unbegründet und so konnte ich den winterlichen Wald ganz in Ruhe genießen. Ich merke in letzter Zeit, wie ich mich immer mehr an das Alleinsein gewöhne, ohne mich dabei einsam zu fühlen. Ich genieße die Gesellschaft von Anderen, aber genauso gut kann ich mir auch selbst genug sein, eine weitere Erkenntnis, die ich definitiv dem Freiwilligendienst zu verdanken habe. Denn auch wenn ich hier schon viele tolle Leute kennengelernt habe, verbringe ich die Zeit in meiner Wohnung eben doch alleine. Inzwischen kann ich das genießen, aber zu Beginn meines Freiwilligendienstes war es bisweilen eine ganz schöne Herausforderung.

Mit dieser Erkenntnis im Gepäck genoss ich zunächst den Sonnenuntergang hinter Brno, bevor ich mich noch verfrorener als am Donnerstag (ich hoffe, mein Immunsystem nimmt es mir nicht übel) auf den Heimweg machte.

Die nächste Woche wird auf keinen Fall langweilig werden und ich bin gespannt, wie schnell die Zeit bis Weihnachten vergehen wird.

Měj se hezky!