Meine Freunde, ich stehe vor einem Dilemma. Einerseits platze ich fast vor all den neuen Eindrücken, die ich in den letzten drei Tagen hier in Dakar gesammelt habe und es gelingt mir nicht zufriedenstellend, diese in Fotos zu fassen. Doch andererseits ist es auch unglaublich schwer von einem Land zu berichten, wo man doch bisher nur zwei Stadtviertel gesehen hat. Das gibt einfach ein sehr unvollständiges, subjektives Bild – besonders wenn dieser Bericht dann auch noch von jemanden gelesen wird, der den afrikanischen Kontinent vielleicht noch nie betreten hat. Deshalb nun der eindeutige Disclaimer: Ich möchte hier lediglich versuchen (deshalb auch Essay), meine persönlichen Eindrücke schildern und keinen Reisebericht im Sinne von „Alle Menschen im Senegal leben so und so“ schreiben. Punkt.
Dakar scheint zwischen den Stühlen zu sein. Das eine Dakar ist eine globalisierte Metropole, fast jeder hat ein Smartphone, die Jungs tragen internationale Fußballtrikots, es gibt asiatische und italienische Restaurants. Die öffentlichen Busse haben zwar keinen Abfahrtsplan, aber dennoch feste Linien und Bushaltestellen und kommen (meist) alle zehn Minuten. Am Strand muss man – wie überall – für den Sonnenschirm bezahlen und an jeder Straßenecke bekommt man eine gekühlte Coke.
Das andere Dakar ist es, was mich wirklich beschäftigt, wenn ich abends in meinem klimatisierten Zimmer den Tag Revue passieren lasse. Das Straßenbild ist ebenso geprägt von Personen in traditioneller afrikanischer Kleidung, von Straßenverkäufern, die alles Erdenkliche verkaufen (auch lebendige Tiere!), von getünchten Flachdachbauten und uns unbekannten Bäumen, die die Gehwege überdachen. Das Dakar, das ich gesehen habe, sind die vielen Moscheen und die Kabel, die die Straßen überspannen, wo Pferdewagen neben der ungeheuren Menge an altersschwachen Taxis fahren. Das sind die Eigenheiten, auf die ich als Touristin begeistert zeige und meinen Freundinnen „Schau mal, da!“ zurufe. Das sind die Momente, in denen ich mich gerne neben einen der vielen jungen Männer an den Straßenrand setzen würde, die einfach nur das Geschehen vor sich beobachten. Daneben gibt es aber auch die Dinge, von denen ich beschämt meinen Blick abwende, Dinge, die ich eigentlich übersehen will – Bauruinen, Müll, Schuttberge, verhärmte Nutzrinder und -pferde. Und dann die Grausamkeiten, die ich 18 Jahre lang für eine Erfindung der Tagesschau hielt: Kinder, die in Müllbergen spielen oder dir hundert Meter mit bettelnden Händen folgen.
Wie ihr sicher verstehen könnt, ist es sehr schwierig, all diese Eindrücke zu verarbeiten. Noch schwieriger ist es aber, darüber zu schreiben. Ich sehe mich weder in einer übergeordneten Position (obwohl mir natürlich in den letzten Tagen meine Privilegien noch einmal schmerzlich bewusst geworden sind), möchte mich nicht als „Überlebende“ eines Trips inszenieren, noch habe ich den Anspruch, hier irgendwas zu ändern. Ich glaube die Menschen sind glücklich. Sie sind sehr gastfreundlich und offen, und als wir einen Straßenverkäufer nach der richtigen Buslinie gefragt haben, hat er mit uns gewartet, uns den richtigen Bus angehalten und dem Fahrer mitgeteilt, wo wir wieder aussteigen wollen. Und das ist mir eigentlich das Wichtigste – durch die Straßen von Dakar kann jeder Tourist laufen und danach so einen Bericht schreiben, wie ich ihn jetzt verfasst habe. Aber die Begegnungen mit Menschen, die vermehren und intensivieren sich mit der Zeit, die man hier verbringt. Und deshalb sind diese Eindrücke erst die oberste Schicht eines Geschenkes, das mir mit der Möglichkeit, hier im Senegal neue Erfahrungen zu sammeln, gemacht worden ist.