Im letzten Monat ist der Countdown zum Argentinienfinale von Jugend debattiert angelaufen, Langeweile ist noch unbekannter geworden und ich habe einen Zweitausender bestiegen.
Nun werden die neuen bunten Berge am Horizont meiner Zeit immer größer: Das Ende meines Freiwilligendienstes im August rückt schnell näher und näher. Doch noch ist es nicht so weit. Ein paar spannende Felsformationen hält der Weg bis dahin noch bereit.
In meiner Einsatzstelle ist da zum Beispiel “Jugend debattiert”. Das ist ein staatlich und von einigen Stiftungen geförderter Wettbewerb. In Deutschland wird die Vorbereitung darauf an einigen Schulen zum Beispiel als AG oder im Rahmen des Unterrichts angeboten. Für Lehrer gibt es dazu Fortbildungen, in denen sie die Debatten-Struktur und Bewertungskriterien bei “Jugend debattiert” sowie Unterrichtsmethoden kennenlernen. Jedes Jahr gibt es dann ein Bundesfinale, bei dem Jugendliche in zwei Altersgruppen antreten. Dieses Projekt in der gleichen Form gibt es seit einigen Jahren auch weltweit und somit Wettbewerbe in Mittel-und Osteuropa, in China, “Fernost”, Nordamerika und eben auch in Südamerika. Bei den internationalen Wettbewerben können Schüler teilnehmen, die deutsch mindestens auf B1 Niveau beherrschen. Und so gibt es “Jugend debattiert“ auch an unserer Schule in der 11. Klasse. Allerdings sind es dieses Jahr nur drei Schüler, die genügend Motivation und Deutschkenntnisse besitzen. Ich darf sie dieses Jahr mit der Bundesprogrammlehrkraft auf das Argentinienfinale Mitte Juni (also hier in der Mitte des Schuljahres, da ein kalendarisches Jahr einem Schuljahr entspricht) vorbereiten. Wir sehen uns jede Woche viermal, “Jugend debattiert“ ersetzt quasi den regulären Deutschunterricht bis zum Finale in Buenos Aires. Dennoch reicht die Zeit nicht wirklich, um aus den Schülern Debattierexperten zu machen. Die Unterrichtsvorbereitung und das Besprechen der Themen machen mir großen Spaß, unsere Schule besitzt auch ein Lehrbuch mit Tipps für den Debattier-Unterricht und Beispielübungen. Dennoch bin ich natürlich selbst kein Debattierexpertin, Jugend debattiert hatte ich nie in der Schule. Auch habe ich an keiner Weiterbildung oder so teilgenommen. Letzte Woche wurden uns, zweieinhalb Wochen vor dem Finale, die Debattenthemen bekannt gegeben. Falls es euch interessiert, die Fragen für das Argentinienfinale dieses Jahr sind:
- Sollten an den Schulen in Argentinien nur noch vegetarische Gerichte in der Schulkantine angeboten werden?
- Sollte an allen deutschen Schulen in Argentinien aufgrund der Kohlendioxid-Emissionen der Flüge auf den Schüleraustausch mit Deutschland verzichtet werden?
- Sollte ChatGPT an Schulen verboten werden?
In der verbleibenden Zeit werden wir uns also nur noch mit diesen Fragen beschäftigen. Die Recherche ist allerdings kein Selbstläufer, denn den Schüler fällt es sehr schwer, eigene Argumente und Fakten zu finden, insbesondere auf Deutsch.
Auch meine Freizeit nach der Arbeit habe ich mir mittlerweile so zusammengestellt, dass ich immer etwas machen kann, was mir Spaß macht. Langeweile war für mich zwar schon immer ein Fremdwort, doch in den letzten Monaten ist bei mir doch noch so einiges dazu gekommen. Zum einen gehe ich seit letztem Jahr jede Woche Reiten. Das ist super zum Abschalten und ist tatsächlich nicht nur für das Pferd Sport, was sich am Muskelkater nach einer Springstunde bemerkbar macht. Neulich gab es sogar ein kleines internes Turnier zum Spaß haben. 30 cm bin ich da gesprungen! Da fehlt mir also nur noch ganz wenig zum Weltrekord. Das werde ich bestimmt vermissen, wenn ich wieder zurück bin.
Anfang des Jahres habe ich mich bei einem Zeichenkurs der Escuela de Arte hier im Dorf angemeldet, denn es ist ganz praktisch, einigermaßen passabel zeichnen zu können. Der Workshop findet ebenfalls einmal wöchentlich statt. Außerdem finde ich es ganz interessant, weitere Leute von hier kennenzulernen. Denn jemanden zu finden, mit dem ich etwas unternehmen könnte, ist sehr schwer hier. Mir ist es in meinen bald acht Monaten in diesem Ort (war ja schließlich im Sommer auf Reisen) auch noch nicht gelungen. Der Altersdurchschnitt ist hier schließlich ziemlich hoch. Außer Reiten und Zeichnen gehe ich noch zum Treffen einer Theatergruppe im Nachbardorf. Bei ihnen geht es hauptsächlich um Improvisationstheater zu Nachbarschafts-Themen. Ich denke, ich würde zwar richtige Stücke zu gesellschaftlich relevanten Themen spannender finden, doch auch so ist es ganz interessant und auch gut zum Spanisch lernen. Allerdings ist die Aufführung Ende des Jahres. Da bin ich schon in anderen Gefilden unterwegs.
Als ich vor ein paar Wochen mit der Schule in Córdoba Capital zu einem Planspiel war, habe ich einen Nachmittag genutzt, um einem der Musikinstrumentenläden in der Avenida Olmos einen Besuch abzustatten. Denn das unmusikalischste Geschöpf im Universum hat vor, Ukulele zu lernen! Omi wäre bestimmt ein bisschen stolz gewesen. Ich war zwei Minuten vor Ladenschluss im ersten Geschäft und fand gleich ein sehr schickes Instrument von einem tatsächlich argentinischem Hersteller, wie ich hinterher herausfand. Seit dem habe ich also noch etwas in meinem Beschäftigungs-Katalog.
Allerdings gelingt es nicht allen, sich in dieses spezielle Dorf einzuleben und ganz gut zurechtzukommen. Wie ich letztes Mal schon berichtete, hatte meine Einsatzstelle mit der März-Ausreise eigentlich noch eine Freiwillige bekommen. Wir sind dann auch zusammen in ein kleines Häuschen gezogen, denn weil es nun mal ein Touristendorf ist, sind die Mieten ziemlich teuer, wenn man überhaupt etwas findet und nicht gut im Verhandeln ist. Doch Hauptstadtkinder können es hier durchaus schwer haben. Zumindest, wenn sie auf Clubs und ganz viele junge Leute angewiesen sind. Daher hielt sie es nur zweieinhalb Monate außerhalb einer Großstadt aus. Daher musste auch ich wieder umziehen, um meine restliche zweieinhalb Monate in meinem neuen alten zu Hause zu verbringen.
Auch wenn es mir zumindest so schnell hier nicht langweilig wird, merke ich schon, wie die Rückkehr und das Wiedersehen in meinen Gedanken immer präsenter werden. Nur nach Hause telefonieren genügt langsam auch nicht mehr so richtig. Außerdem ist hier schon längst nichts mehr unbekannt und neu, auch meine Aufgaben in der Einsatzstelle sind beschränkt. Auch vermisse ich das Lernen ein bisschen.
Doch zum Glück komme ich auf meinem Weg bis dahin noch an ein paar spannenden Bergen vorbei, die es zu erklimmen galt. Einer davon war letztes Wochenende der Champaqui – der höchste Berg Córdobas. Weil es aufgrund der häufigen Wetterumschwünge verboten ist, ihn allein zu besteigen, musste ich mich einer Gruppe anschließen. Dennoch war es eine sehr schöne Erfahrung, mit Andenkondoren, beeindruckenden Ausblicken und mystischen Felsformationen, die gespenstisch für kurze Zeit im Nebel auftauchen, nur um gleich wieder zu verschwinden.