Das Ende einer Reise

In den letzten Wochen habe ich meine Reise beendet, in den letzten Tagen sah ich noch drei Städte! Und dann begann auch sofort das neue Schuljahr wieder.

Oje, ich bin mittlerweile schon über zwei Wochen zurück in meinem neuen alten zu Hause und habe mich immer noch nicht zurückgemeldet. Doch ich hatte irgendwie immer etwas zu tun. Jedenfalls war ich gerade ganz erstaunt, als ich auf den Rückwärts-Countdown auf meinem Handy gesehen hab. Dieser zeigte mir einst meine verbleibenden Reisetage an, ich habe ihn irgendwie noch nicht gelöscht.

Doch seit der weltgrößten Salzwüste ist noch so einiges passiert!

Nach Uyuni fuhr ich mit einem Nachtbus weiter nach La Paz. Zugegebenermaßen hat mir das Außenministerium mit seinen „Reise- und Sicherheitshinweisen“ etwas Angst gemacht. Denn dort hieß es unter anderem, Reisende sollen auf jeden Fall nichts nachts mit dem Bus fahren. Die Straßen seien sehr schlecht und insbesondere um La Paz herum gäbe es viele Überfälle auf Busse. Allerdings gibt es häufig nur Nachtbusse für lange Strecken. Daher begann ich mich umzuhören und fragt Leute in Hostels. Niemand hatte etwas von Un- oder Überfällen gehört. Das beruhigte mich etwas. Es passierte dann auch überhaupt nichts. Obwohl ich natürlich trotzdem aufpasste, dass ich meinen „Mochila siempre delante“ trug. („den Rucksack immer vorne“), wie es mir eine Frau im Hostel ans Herz legte.

La Paz (übrigens = „der Frieden“) ist sehr interessant. Hier befindet sich der höchste Regierungssitz der Welt. Auf ca. 3600 m! Das habe ich auch deutlich gemerkt, mit meinem riesigen Rucksack bin ich ziemlich ins Schnaufen gekommen, denn es geht ja innerhalb der Stadt viel hoch und runter. Deshalb gibt es auch ein ganzes Seilbahn-Netz als öffentliche Verkehrsmittel! Für umgerechnet 40 ct pro erste Fahrt, nach dem ersten Umsteigen 26 ct und nach dem zweiten 13 ct. Aber natürlich nur, wenn man sich so eine Chipkarte zum Bezahlen kauft. Hab ich gemacht. Fürs Tagebuch.

Die Seilbahn hat es mir ganz schön angetan! Wie mit einer Metro durchquert man damit im Handumdrehen die Millionenstadt, nur dass man dabei in luftiger Höhe einen guten Überblick über die verschiedenen Viertel bekommt. Diese sind in La Paz tatsächlich sehr unterschiedlich. Leider gibt es auch einen großen Unterschied zwischen Arm und Reich, der aus der Gondel nur zu gut zu erkennen ist. Einerseits besteht ein großer Teil von La Paz aus dichten unverputzten Backstein-Zweckbauten und andererseits gibt es da das Viertel mit gläsernen Hochhäusern, Bank und Bürogebäuden. Und der Vertretung der Europäischen Union in Bolivien. An den Botschaften der Schweiz und Ägypten bin ich auch vorbeigelaufen.
Unterdessen stand ich im Viertel Calacoto und konnte kaum glauben, dass Bolivien das ärmste Land Südamerikas ist. Doch als ich am anderen Ende der Stadt wieder ausstieg, verliehen mir die Zeugs verkaufenden Kinder auf den Straßen erneut ein mulmiges Gefühl.

In Bolivien gibt es eine große Diskussion über Kinderarbeit. Einerseits könnten die Familien ohne den Lohn für die Arbeit ihrer Kinder nicht auskommen und sicherlich erfüllt es den Einen oder die Andere auch mit Stolz, die Familie mit z. B. verkauften Süßigkeiten unterstützen zu können. Andererseits würde gewiss kein Kind freiwillig arbeiten und die Zeit lieber auf Spielplätzen verbringen, wenn die Familie genügend Geld zum Auskommen hätte. Organisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen, wie UNICEF oder die UNO, sehen Kinderarbeit am liebsten verboten. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn ein Verbot beendet nicht automatisch das Verbotene. Es tabuisiert arbeitende Kinder und nimmt ihnen dadurch Rechte auf Bildung und Gesundheit. Einst gab es ein Gesetz, welches in Bolivien Kinderarbeit ab 10 Jahren erlaubte. Aber nur, wenn die Kinder zur Schule gehen, es Gesundheit Checks gibt und keiner schweren und gefährlichen Arbeiten nachgehen muss. Somit hatten arbeitende Kinder offiziell ein Recht auf Bildung und es gab Kinderrechtsbüros (wenn natürlich, wie staatliche Institutionen überall auf der Welt, unterbesetzt und unterbezahlt), die für die Durchsetzung von Gesundheitsversorgung und Schulbesuchen sorgen sollten. Vielleicht wäre es eine Zwischenlösung gewesen, bis Boliviens Wirtschaftliche Situation sich verbessert hat und die Armutsrate gesunken ist. Doch z.B. UNICEF und ILO (International Labour Organization) protestierten und die USA drohten mit der Rücknahme von Zoll-Erleichterungen. Daraufhin nahm die bolivianische Regierung das Gesetz wieder zurück. Kinderarbeit ist nun wieder ab 14 Jahren erlaubt. Das hilft jedoch auch nicht weiter, in der Pandemie stieg die Kinderarbeit wieder deutlich an. Es ist also ein schwieriges und sensibles Thema, welches zeigt, dass ein Verbot allein häufig kein direkter Pfad zum Ziel ist, sondern eher zusätzliche Berge schafft.
Hab dafür ein bisschen dafür herumgegoogelt:

Ehringfeld, Klaus. 2019. Kinderrechte: In Bolivien dürfen Kinder nicht mehr arbeiten – und das ist ein Problem. 21. Oktober. Zugriff am 4. März 2023. https://www.spiegel.de/politik/ausland/bolivien-und-seine-kinderarbeiter-zurueck-in-der-rechtlosigkeit-a-1289863.html.

Laufen, Kai. 2022. Kinderarbeit in Bolivien: Eine Wirklichkeit, die nicht verschwindet. 12. Juni. Zugriff am 4. März 2023. https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/bolivien-kinderarbeit-103.html.

Vogel, Wolf-Dieter. 2021. SIE WOLLEN MITREDEN. 17. Mai. Zugriff am 4. März 2023. https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-journal/bolivien-sie-wollen-mitreden.

Ach du meine Nase, kaum habe ich wieder mehr oder weniger freie Wochenenden, schießen die Absätze wieder wie Blümchen aus dem Boden. Also, was gab es noch in La Paz?
Einen riesigen Markt, der immer nur donnerstags oder sonntags stattfindet. Der war allerdings in El Alto, diese Stadt grenzt direkt an La Paz. Denn statt in großen Supermärkten besorgen die Menschen ihre Sachen hier eher auf Märkten. Auf diesen bekommt man alles Mögliche: Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse, Schreibwaren, Kleidung, Autoteile, Technik… Für mich war es etwas gewöhnungsbedürftig. Außer auf Märkten war ich erneut in einem Valle de la Luna – einem Mondtal. Es ist eine kleine zerklüftete Landschaft in den Bergen am Rande der Stadt:

Wind, Regen und Sonne haben fantasievolle Skulpturen aus der Erde gehoben.

Umhängetaschen aus Aguayo in einem Museum

Auch sehr gut gefallen haben mir all die schönen Stoffe in den Souvenirläden. Dort können Touristen Täschchen und Rucksäcke aus Aguayo, einem bunt gewebtem Stoff, kaufen. Dieser orientiert sich an dem handgewebten Aguayo der Aymara, die größte Bevölkerungsgruppe Boliviens. Außerdem gab es schöne Pullis aus Alpaka Wolle. Da habe ich auch ein bisschen zugeschlagen.

Wandbild in La Paz

Zeichnung in einem Museum

 

Tarija hingegen, meine vorletzte Stadt, war nicht so touristisch. Eigentlich wollte ich hier noch eine Tour zu einem Wasserfall in der Nähe machen. Doch ich war nur kurz vor Karneval, der touristischen Hauptsaison, da. Deshalb gab es in der einzigen Touri-Agentur, die ich finden konnte, nicht genug Teilnehmer für den Wasserfall. Also eigentlich nur eine Teilnehmerin. Und die war ich. Deshalb also keine Tour. Da verbrachte ich also ein paar ruhige Tage in den Gassen von Tarija. Das war auch mal schön. Es waren so wenige Touristen in der Stadt, dass ich zwei Nächte lang sogar nicht nur allein im Zimmer, sondern auch ganz allein im Hostel war! Das war toll. Die Hotelbesitzerin war auch sehr nett. Sie und ihre Tochter zeigten mir am Anfang die Stadt. Wir fuhren auch ein bisschen in angrenzenden Gemeinden herum und ich probierte leckeres Essen, welches für wenig Geld auf den Straßen verkauft wurde. Da hatte ich mich zuvor zu wenig heran getraut. Die Berichte von Reisenden mit Lebensmittelvergiftung hatten mir zu viel Angst gemacht. Doch sowas kann ja überall, auch in den wenigen Supermärkten der Stadt, lauern.

Archäologiemuseum in Tarija: Nachbildungen von Skeletten ausgestorbener Tiere wie Riesenfaultier, Riesengürteltier und Mamut, die einst in Bolivien anzutreffen waren, originalgetreu aufgebaut.

Casa Dorada in Tarija

An einem Abend in Tarija besuchte ich ein Observatorium – ich bin schließlich immer auf der Suche. Dafür lieh ich mir ein Fahrrad aus und fuhr 15 km in die Berge. Es hat sich dann sowas von gelohnt, der Himmel und die Astronomie Führung waren viel besser als in San Pedro de Atacama (dort war der Beobachtungspunkt immer noch zu nah an der Stadt und der Mond war schon aufgegangen). An das Observatorio Astronómico Nacional Santa Ana kommen sogar Astronomen aus aller Welt, wenn es mal wieder vorbei fliegende Asteroiden zu beobachten und zu bestaunen gibt. Und so durften auch wir Besucher den Grünen Kometen C/2022 E3 durch eines der Teleskope betrachten. Außerdem zeigten sie uns den Jupiter. Ich konnte sogar seine Streifen, und den orangenen Wirbelsturm und vier der fünf galiläischen Monde sehen! Anschließend gab es eine Vorführung im größten Planetarium Boliviens. Das war ein toller Ausflug! Nur die Rückfahrt mit dem Fahrrad war ein bisschen gruslig. Es lag nicht an den Straßen, die waren in einem Top-Zustand. Vielmehr nahmen manche Hunde ihre Aufgabe ein bisschen zu ernst und verfolgten schon mal kleine Radfahrerinnen auf dem Fahrrad. So schnell wäre ich sonst nie die Berge hochgekommen…

Ein fabelhafter Ausblick

In der nächsten Nacht fuhr dann auch schon mein Bus zurück nach Argentinien. Ich stieg in einem der Minibusse (kleine Autobusse mit den Haltestellen auf Neon Zetteln an der Frontscheibe) zum etwas außerhalb liegenden Busterminal – Dank der Hotelbesitzerin, die es mir zeigte, traute ich mich auch das.

Im Norden Argentiniens machte ich noch einen viertägigen Abstecher in Salta. Einer Großstadt, dessen Altstadt größtenteils aus Kolonialbauten besteht, weil Häuser in diesem Stil eine Zeit lang Steuervorteile erhielten. Hier war ich dann nicht mehr die einzige im Hostel und es stand wieder etwas mehr auf meiner Liste. Auch Salta besitze einen Hausberg, von welchem aus man einen guten Ausblick auf die Stadt hat. Des Weiteren war ich in vielen Museen und Kathedralen. Und an einem Tag fuhr ich ganz früh, um 5:30, mit dem Bus nach Tilcara. Einem sehr hübschen kleinen Dorf aus Lehmbauten und eine Pilgerstätte für Archäologen. Denn hier befinden sich die Fundstätte „Pucara del Tilcara“ eine ehemalige, sehr gut gelegen Festungs-Siedlung der Indigenen. In den Neunzigern wurde versucht, einige der Häuser originalgetreu wieder aufzubauen. Das ist sehr faszinierend, denn alles war aus Trockenmauern und die Dächer aus Kaktusholz, Lehm und Steinen.

Nachgebaute Häuser in der Festung von Pucara

 

Lamas bei Hitze

Flausche Kaktus

Kunst in Tilcara

Kunst in Tilcara

Pferde in der San Lorenzo Schlucht bei Salta

 

 

San Lorenzo Schlucht: ein Ausflug an einem Tag in Salta. Auf dem Wanderweg war ich ganz allein! Aber die schwüle Hitze war auch sehr erdrückend.

Tja und dann ging es wieder zurück in den Alltag. Ich fuhr mit dem Nachtbus nach Córdoba und von dort 3 Stunden in mein schnuckliges Dörfchen. Auf den Alltag freute ich mich in den letzten Tagen doch auch ein bisschen. Dabei dachte ich, dass ich nun wieder ein bisschen mehr Zeit für mich haben würde. Na ja, das stimmte nicht so richtig. Meine Nachmittage und Wochenenden sind auch hier wieder ziemlich voll, das hatte ich wohl vergessen.

Ich war bis zum letzten Augenblick unterwegs! Denn am nächsten Tag gab es schon Deutschteamsitzung.
Und dann hieß es: „¡vuelta al cole!“-BACK TO SCHOOL! Ich war in der ersten Woche jeden Tag wieder in drei bis vier Klassen. Daran muss ich mich abermals gewöhnen, es war ganz schön anstrengend.

Außerdem bin ich letzte Woche umgezogen! In ein Haus! Dieses werde ich in zwei Wochen zusammen mit Luna bewohnen, eine weitere Freiwillige. Sie bleibt auch ein Jahr. Die Schule hat ab jetzt immer zwei von uns. Ich bin total gespannt darauf! Auch wenn das bestimmt noch turbulentere Zeiten

Ein Gedanke zu “Das Ende einer Reise

  1. Boah so ein interessanter Beitrag! Du hast ja mächtig viel erlebt in den letzten Wochen! Ich finde es sehr schön, wie du hinter die Fassaden der einezelnen Länder bzw. Regionen schaust! Genau, deswegen sollten viel mehr junge Menschen so ein Auslandsjahr machen.
    Weiter so!

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