Nichts fällt vom Himmel… oder doch?

Na ja, eine Sache fällt wohl vom Himmel und zwar Regen. Zum Glück immer weniger und die Temperaturen werden auch höher, was einen positiven Einfluss auf meine Stimmung hat. Mein Zimmer wird zwar doch Jalousie recht warm, dafür habe ich dann abends einen Ausblick auf den Sonnenuntergang. Freudig zeige ich besonders schöne meiner neuen Mitbewohnerin aus Simbabwe, die leider die wunderbare Aussicht auf die Hauswand gegenüber hat. Sie ist seit diesem Semester hier und wir verstehen uns echt gut. Ansonsten sind alle Mitbewohner, die ich seit Anfang an kannte, weg- oder ausgezogen. Dafür sind neue gekommen (und teils auch schon wieder gegangen), die auch nett sind.

Bei so vielen Kulturen ist Austausch selbstverständlich, am liebsten ist er mir in kulinarischer Sicht :)) Auch die polnische Kultur kam nicht zu kurz und so organisierte ich zum Geburtstag meiner Mitbewohnerin eine kleine Überraschungsfeier mit zwei polnischen Freundinnen von ihr und einem französischen Freund von mir. Bei dieser Gelegenheit machten wir pierogi ruskie (russische Piroggen), das heißt mit hartem Quark (ja, gibt es hier, schmeckt wie Quark, aber ist noch etwas trockener als Frischkäse), gepressten Kartoffeln und Zwiebeln gefüllte. Hinterher gab es französischen Schokokuchen und Lindt-Schokolade.

Diese habe ich von meiner Mutter bekommen, die ich in Berlin gesehen habe. Wieso Berlin? Na ja, dahin und nach Potsdam ging eine Fahrt mit den 10- bis 15-jährigen Schüler*innen und vier Lehrerinnen. Die Gelegenheit nutzte ich für ein kurzes Wiedersehen (inklusive Koffertausch und bergischen Waffeln, gegen die andere einfach trocken schmecken). Die ganze Zeit war ich zwischen Deutsch und Polnisch, was jedoch immer besser klappt. Hey, nur zwei Sprachen statt drei bis vier (mit Englisch und Französisch) wie sonst, fast ein Kinderspiel. Aufgrund der Müdigkeit durch ganztägige Versuche Polnisch zu verstehen und zu reden, der wunderschönen ruhigen Umgebung unseres Hotels in Polen und des bequemen Bett habe ich sehr gut geschlafen und mich doch auch erholt.

Meine Tanzwettbewerbe werden immer besser, wir gewinnen zwar nie, aber es geht um den Spaß. Es wurden irgendwie immer mehr, wir sind zu mehreren hier in der Umgebung gefahren und werden es auch noch weiter machen.

Das nächste musikalische Ereignis, von dem ich kurz berichten werde, sind die Lubliner Studentenkulturtage (Lubelskie Dni Kultury Studenckiej). Das ist eine Art Festival, das jede Uni zwei bis vier Tage abends organisiert. Es treten verschiedene mehr oder weniger bekannte polnische Bands auf und je nach Uni heißt es anders und der Ort wechselt. Durch Begleitung einer polnischen Freundin konnte ich immerhin teilweise den Inhalt verstehen. Denn auch wenn ich wirklich Fortschritte gemacht habe, ist es gesungen wieder ganz anders.

Im Polnischen habe ich jetzt Einzelunterricht, was sehr gut klappt und mir Spaß macht. Wenn ich rede und Wörter in Deutsch/Englisch/Französisch einbauen kann, kann ich auch Unterhaltungen führen.

Die DSD I-Prüfungen, sind auch super gelaufen, jetzt heißt es nur noch auf die schriftlichen Ergebnisse warten. Ansonsten macht sich langsam eine Ferienstimmung breit, vor allem bei dem letzten Jahrgang, der danach die Schule wechselt und alle Prüfungen hinter sich hat. Sprich: „Warum müssen wir noch lernen?“ Lange ist es nicht mehr, nur noch bis Ende Juni…

Und was ebenfalls nicht vom Himmel fällt, sind Ideen zum Studium. Die plötzliche Eingebung, die die Sicht schärft und alles klar werden lässt, ist nicht gekommen (oh Wunder). Die Zeit interessiert das allerdings nicht, sie schreitet trotzdem einfach weiter. Das hat dann dafür gesorgt, dass ich teils motiviert, teils verzweifelt recherchiert habe. Und nicht vom Himmel, sondern durch eine Zufall an dem schönen Stausee Zemborzyckie habe ich einen kleinen Schritt weiter gemacht ohne es zu ahnen. Ich traf eine deutsche Studentin, große Überraschung. Durch sie bekam ich den Kontakt zu einer anderen Studentin, die mir ein paar Fragen beantworten konnte.

Vom Himmel ist vieles wohl nicht gefallen, doch woher kommt es dann? Schwer zu beantworten, doch sicher haben mir schon bis jetzt viele Leute geholfen oder mich einfach nur glücklich gemacht, der Zufall kam dazu, das Heimweh verschwindet fast ganz, das Wetter wird schöner und ich bin froh, hier zu sein.

Schon oder erst über die Hälfte?

Wie unterschiedlich die Zeit doch vergeht, je nachdem, wie man sie betrachtet. Johannas letzte Zeit hier waren meine letzten Momente mit ihr in Lublin, aber ich wusste, dass ich hier bleibe. In manchen Moment meldete sich eine leise Stimme, die flüsterte: „Das könntest du auch sein! Du könntest auch jetzt zurück, deine Freunde und Familie wiedersehen und dann…“ Ja, was dann? Alle haben auch da ihren Alltag und ich wäre ohne richtige Beschäftigung. Hier habe ich meine Aufgabe. Und wenn ich daran dachte, wie es wäre, bald zu gehen war da auch eine andere Stimme, die sagte: „Halt, stopp! Das geht nicht! Es gibt noch so viel, was du machen möchtest“. Und das stimmt.

Ich habe mich eher in den Wochen vor der Hälfte meiner Zeit gefragt, was wohl wäre wenn. Aber seitdem bin ich froh, hier geblieben zu sein, möchte ich doch die Ereignisse nicht gegen andere eintauschen.

Ich habe beschlossen, in einen Chor zu gehen, da mir das Singen doch etwas gefehlt hat. Die Proben sind sehr präzise und lustiger weise singen wir Mendelssohn (also auf Deutsch), was es leichter für mich macht. Nur für Karfreitag kommen zwei polnische Lieder dran, mit für mich unbekannter Melodie und ein paar doch recht schwierig auszusprechenden Wörtern.

Apropos Sprache, hier konnte ich weitere Erfolgserlebnisse verbuchen. Mein Sprachkurs ist zwar zu Ende und ich suche noch einen neuen, aber einfache Gespräche im Alltag kann ich führen. So konnte ich bei einem Lehrerausflug ins Musical „Piloci“ in Warschau und mit meiner Zimmernachbarin in Stettin (dazu später mehr) leichte Unterhaltungen in Polnisch führen. Ich bin mir zwar sicher, dass ein Teil grammatikalisch falsch war, aber egal, man hat mich verstanden.

Jetzt zu dem, was ich in Stettin gemacht habe. In der letzten Zeit war die erste Stufe für Jugend debattiert international in Polen, die Schulverbundfinale. Dieser Debattierwettbewerb folgt bestimmten Regeln und findet auf Deutsch statt. Er existiert in verschiedenen mittel- und osteuropäischen Ländern (siehe auch https://www.jugend-debattiert.eu/). Am Ende steht das internationale Finale. Bis dahin gibt es jedoch verschiedene Vorstufen, als erstes das Schulverbundfinale. Ich war bei zwei Schulverbundfinalen, nämlich in Lublin und Stettin (Szczecin, gesprochen ungefähr „Schtschetschin“), in der Jury. Das war eine echt schöne Abwechslung zum normalen Schulalltag.

Zudem habe ich die Schüler in Lublin darauf vorbereitet, was auch eine neue Erfahrung war. Die Lehrerinnen haben auch geholfen, besonders mit Material für die Argumente. Die Frage „Soll Sexualkunde obligatorisch in der polnischen Grundschule eingeführt werden?“ ist dann nämlich ohne Kenntnis der aktuellen Situation doch nicht ausreichend zu beantworten und da kennen sich die Lehrerinnen weit besser aus als ich. Nachdem in einer Minidebatte in der Schule die beiden Kandidaten ausgewählt wurden, stand das Schulverbundfinale in Lublin an. Einer „meiner“ Schüler ist sogar weiter gekommen, was uns alle freudig überrascht hat, war es für ihn doch der allererste Kontakt mit dem Wettbewerb.

In Stettin war die Debatte inhaltlich etwas anders, da die Schüler*innen sich natürlich etwas anderes vorbereitet hatten. Es geht aber auch immer um das Drumherum, sprich die Gespräche mit den Leuten. In Stettin verbrachte ich mit den beiden Studentinnen aus der Jury noch etwas Zeit in einem Café und einer Galerie, bevor ich mich auf die Suche nach der Touristeninfo und meiner Jugendherberge machte. Von Freitag- bis Sonntagabend blieb ich noch in Stettin um mir die Stadt etwas anzugucken. Irgendwann habe ich mich auch kaum noch verlaufen, am Ende immer mein Ziel gefunden und viel erlebt. Geschichtlich gesehen ist die Stadt auch sehr interessant: bis zum Ende des 2. Weltkriegs war sie deutsch und überall sind noch Spuren zu finden; außerdem sind viele Informationen auf Deutsch. Bei kaltem, aber sonnigem Wetter habe ich eine der wohl neuesten Altstädte der Welt (sie wurde nach dem Krieg fast komplett neu aufgebaut, hauptsächlich in den letzten 20 Jahren), den drittgrößten Friedhof Europas und vieles mehr gesehen.

Sonntag ging es dann mit dem Nachtzug zurück (Merke: wenn du keinen Schlafplatz mehr bekommst, ist es wichtig, den Tag danach nichts vorzuhaben). Auch wenn es nicht immer super lustig und einfach war, alleine unterwegs zu sein, habe ich so bestimmt andere Sachen erlebt. Ich weiß nicht, wie viel ich sonst mit meiner Zimmernachbarin in der Jugendherberge und den anderen Teilnehmer*innen einer Untergrund-Stadtführung geredet hätte.

Ansonsten haben wir bald einen Wettbewerb mit meiner Tanzgruppe, ich bin gespannt (und leicht gestresst), wie das wird. In der Schule sind demnächst die mündlichen DSD I-Prüfungen, die schriftlichen haben die Schüler*innen hoffentlich gut letzte Woche absolviert. Mit neuen Erasmus-Studenten und der Entdeckung von Treffen, bei denen französisch geredet wird (von Studenten, Leuten, die hier arbeiten, etc.) ist etwas neuer Schwung in mein Leben hier gekommen. So habe ich vor, weiterhin neue Kontakte zu knüpfen und die bestehenden zu vertiefen, ein paar kleinere neue Ideen in den Unterricht einzubringen und einfach jede Chance hier zu nutzen.

Polnische Weihnachtstraditionen – meine Erlebnisse

Ja, Weihnachten ist schon einige Zeit her, aber nichtsdestotrotz möchte ich noch etwas dazu schreiben, wie ich manche Traditionen erleben durfte. Vielleicht stelle ich ja auch einen Rekord für den spätesten Weihnachtsartikel auf.

Nikolaus oder Święty Mikołaj wurde an meiner Schule mit Wichteln in jeder Klasse gefeiert.  Ich durfte natürlich vom deutschen Fest erzählen.

Im Deutschunterricht der 2. und der 8. Klasse (wenn man wie in Deutschland zählt) bastelten die Schüler zusammen Weihnachtskarten, wobei die älteren den kleinen helfen sollten. Um die Wartezeit auf die Achtklässler zu überbrücken (es gab ein kleines Missverständnis, wann die Bastelstunde stattfinden sollte), sangen wir „Lasst uns froh und munter sein“ bzw. den Refrain. Beim Basteln ging ich rum und half, wo ich konnte; sprich hauptsächlich verteilte ich Aufkleber und malte die Tannenbäume vor. Am Ende entstanden schöne Karten, alles innerhalb einer Stunde. Fotos gibt es hier: http://5gim.lublin.pl/index.php?option=com_content&view=article&id=2082:frohe-weihnachten-warsztaty-boonarodzeniowe-z-jzyka-niemieckiego&catid=9:aktualnoci&Itemid=17

Es war echt süß, wie begeistert manche Kinder waren, dass ich wirklich eine Deutsche bin. Die Sprachbarriere hielt manche jedoch nicht davon ab, mit mir zu reden, wovon ich nicht wirklich alles verstand. Mit Übersetzung der Lehrerin stellte sich eine Frage als „Warum hast du einen Schal an?“ raus 😀 Auch ich konnte neue Wörter wie Schere, Kleber, Weihnachtsbaum und Aufkleber lernen. Trotzdem war es schwieriger als gedacht, zu sagen, was ich will. Denn nur weil ich weiß, was Kleber heißt, kann ich nicht sagen: „Mach mal da noch was mehr Kleber hin, dann hält das besser.“ Für mich war es eine andere Erfahrung als mein gewohntes Basteln mit deutschsprachigen Kindern.

Mit der 7. Klasse verzierten wir in der letzten Stunde vor Weihnachten Kekse und ordneten Bräuche nach Deutschland/Polen/beides. Das war für mich sehr interessant. Einiges wusste ich schon, anderes war neu. Zum Beispiel gibt es auch in Polen Weihnachtsmärkte, allerdings kommt dies aus dem Westen, wo sie auch deutlich größer sind. Während der Breslauer Weihnachtsmarkt groß und bunt beleuchtet war, gab es in Warschau mehrere kleine mit ca. 10-15 Ständen.

Obwohl ich Weihnachten zu Hause verbrachte, konnte ich die polnischen Bräuche für Heiligabend bei zwei Weihnachtsfeiern miterleben. Einmal bei der der 8. Klasse und bei der der Lehrer*innen. Es gibt traditionell 12 Gerichte (für die 12 Apostel/Monate), darunter kein Fleisch. Gegessen wird mit dem ersten Stern (haben wir aufgrund der Uhrzeit nicht beachten können) und ein Gedeck bleibt frei für einen Gast/Verstorbene (haben wir auch nicht so gemacht).

Zu Beginn wird die Oblate geteilt. Dazu bekommt jeder ein Stück, man geht durch den Raum zu allen Personen und wünscht jeder etwas. Das kann von „Frohe Weihnachten!“ bei Leuten, die man nicht gut kennt, bis zu einer langen Liste mit Freunden, Gesundheit, einem reichen Mann, … bei näheren Bekannten reichen. Danach bricht man ein Stück der Oblate der anderen Person ab und küsst sich auf die Wangen/gibt sich die Hand (wieder nach Bekanntheit).

Das erste Weihnachtsgericht ist Barszcz, eine Rote-Beete-Suppe mit Uszka (Öhrchen), kleinen Pierogi (Piroggen). In der Klasse hat jeder zwei Löffel Suppenpulver in seine Schüssel bekommen, das ganze wurde mit heiß Wasser aufgegossen und es kamen lauwarme Uszka aus der Packung rein. Bei der Feier mit Kollegium wurde alles frisch gekocht serviert.

Zur Klassenweihnachtsfeier hatten die Schüler*innen dann noch weitere Gerichte mitgebracht, nicht alles so traditionell. Es gab Salat, Kuchen, Fisch, Brot, Saft und noch weiteres.

Bei der Feier im Kollegium waren auch ehemalige Lehrer anwesend, also kannte ich gar nicht alle. Zu Beginn sang der Schulchor und die Musiklehrerin mit drei anderen Frauen, dann las die Vizedirektorin die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor, ein Pfarrer sagte etwas mir Unverständliches auf Polnisch und das Oblatenteilen ging los.

Anschließend aßen wir Barszcz, dann Hering und Karpfen (manchen Fisch kalt, anderen frittiert, ich weiß nur nicht mehr, welchen wie) mit Brot und wer mag auch Meerrettich. Mohnkuchen konnte man sich auch die ganze Zeit nehmen und am Ende gab es Pierogi. Kompot, ein Getränk aus Dörrobst, zählt auch als eine Speise; der Schwarztee (in Deutschland wäre es wohl Kaffee gewesen) aus Kannen jedoch nicht.

Ich unterhielt mich mit den Deutsch- und Englischlehrrinnen und ein kleines bisschen auch mit den anderen, die sich über meine polnischen Sätze „Heute fahre ich nach Warschau und morgen nach Deutschland“ gefreut haben.

Polnische Weihnachtslieder gibt es auch viele, bis auf „Stille Nacht“ (Cicha Noc) waren sie  mir zu Beginn alle unbekannt. Dank eines Weihnachtskonzerts der Musikschule, zu dem ich mit meiner Ansprechpartnerin ging, einem in letzter Minute gesungenen Lied der 8. Klasse und dem Schulchor änderte sich das jedoch. Von der 8. Klasse bekam ich dann noch eine CD mit polnischen Weihnachtslieder (mit Textbuch!), sodass ich sie auch in Deutschland hören konnte. Dazu schenkten sie mir Süßigkeiten, die 7. Klasse schenkte mir einen Engel und Süßigkeiten und die Deutschlehrerinnen ein Polnischlernheft und noch mehr Süßigkeiten (alle polnisch und teilweise sogar aus Lublin).

Dazwischen und Mittendrin

Mittendrin bin ich im Alltag oder wie man es auch nennen soll. In meinem Trott hier, der doch öfters ins Stolpern gerät, denn auch wenn die Schulstunden sich wiederholen, ist doch jede Woche anders und manchmal unerwartet. Zu dem Trott gehört meine Modern Jazz/Gymnastik-Gruppe (ich hätte kaum gedacht, dass ich freiwillig Gymnastik mache), die Mittwochstreffen mit Erasmus-Student*innen und Polen*, der Sprachkurs, das Schwimmen sowie die Stunden an den Schulen, wozu seit Ende Herbst auch eine private Deutschschule gehört.

Mittendrin bin ich in einer Sprache, von der ich mehr verstehe, als ich sprechen kann und die ich jeden Tag weiter lernen muss. Manchmal nervt es mich, ich will reden und nicht lernen, doch im nächsten Moment – ohne es direkt zu merken – lerne ich weiter und bin motiviert.

Mitten im Nirgendwo, das Zwischenseminar, eine andere Welt, ein kleiner Ausschnitt von Deutschland im Ausland. Zeit zum Nachdenken, zum Austausch, manche Momente erlebe doch viele andere auch. Ich nehme neue Ideen mit, über Privilegien, meine Rolle oder auch für die Schule (mal sehen, was ich auch tatsächlich umsetzen kann). Am Wichtigsten für mich war folgender Hinweis von unserer Trainerin: es braucht Zeit ein neues Leben aufzubauen. Und ich stelle fest, dass ein Vergleich meiner Zeit hier mit meinem sechsmonatigen Austausch unsinnig ist, meine Erwartungen zu hoch waren. Erstens habe ich die Sprache vorher nicht gesprochen, zweitens habe ich hier keine Klassengemeinschaft und drittens keine Gastfamilie, all das hat das Freundschaften schließen damals erleichtert. Ideen für die Zeit im Ausland sind nur dann gut, wenn sie nicht zu Erwartungen an sich selbst und andere werden, die schwer zu erfüllen sind.

Zwischen verschiedenen Städten, die ich wieder besichtigen möchte. Schöne und erlebnisreiche Tage in Breslau vor und nach dem Zwischenseminar, wieder kurz in Warschau, Silvester in Krakau. Dort treffen wir uns mit insgesamt sechs Freiwilligen*. Nach etwas Stress mit dem Vermieter des Apartments und einem Rausschmiss finden wir glücklicherweise am 31. Dezember noch eine Wohnung für 2 Tage ab sofort. Wir sind zwischen verschiedenen Sprachen, eine aus Ungarn, einer aus Tschechien, eine aus Russland und drei aus Polen, die wir alle eine manchmal leicht verzweifelte (bei Unterkunft- und Pizzasuche), aber insgesamt sehr schöne Zeit hatten. Ich konnte nicht alles sehen, was ich wollte, aber ich komme wieder!

Zwischen zwei Welten, Weihnachtsfeiern in Polen und dann Weihnachten in Deutschland. In Lublin war ich bei einem Weihnachtskonzert der Musikschule, einer Klassenweihnachtsfeier, einigen Weihnachtsunterrichtsstunden und der Lehrerweihnachtsfeier und konnte so die polnischen Traditionen kennenlernen. Außerdem bekam ich sehr liebe Geschenke von Klassen und den Deutschlehrerinnen.

Einen Tag später, gegen 17 Uhr: Ich sitze im Zug von Berlin nach Aachen und kann alle Gespräche um mich rum verstehen. Das ist der Moment, in dem ich realisiere, dass es tatsächlich zurück nach Hause geht. Während der Zeit dort konnte ich Freunde und Familie treffen und erzählen und alles war fast wie immer. Doch vor der Bescherung teilten wir die Oblate, die ich geschenkt bekommen habe. Bei dieser polnischen Tradition wünscht man der Person gegenüber etwas, bricht ein Stück der Oblate ab und umgekehrt. Je mehr Wünsche, desto besser. Die an mich gerichteten Wünsche der polnischen Lehrer*innen gingen von guten Freunden über einen reichen Mann, Gesundheit, Glück, … Und wenn ich den Lehrer nicht kannte, war nach „Frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr!“ oder „Alles Beste!“ der Wunsch vorbei.

Und nach einer Woche Deutschland bin ich wieder zurück gefahren, nicht zurück nach Deutschland, sondern zurück nach Polen. Und das erste Mal fühlt es sich fast wie nach Hause kommen an. Oft habe ich mich gefragt, wie sich das anfühlt, als ich davor einige Male von einer Reise zurück gekommen bin, doch in dem Moment wusste ich es.

Dann gibt es noch das altbekannte Dazwischen: Zwischen Lehrer und Schüler, Freiwillige sein. Eine halbe Autorität, von Manchen mehr respektiert als von Anderen, mal mit mehr, mal mit wenig zu tun, mit vollgepacktem Alltag und „Was soll ich mit meiner Zeit anfangen – huch, doch schon wieder ein Tag rum“.

Erlebnisse und eine Idee vom Alltag

Seit meinem letzten Eintrag ist viel passiert und auch dieser erzählt nur von letzter Woche. Irgendwann schaffe ich es vielleicht etwas aktueller zu erzählen, mal schauen 😉 Das ist grob passiert: Ich war zweimal in Warschau, hatte Besuch aus Warschau, habe neue Leute kennengelernt und wurde mit den Schülern alleine gelassen.

Das erste Wochenende in Warschau habe ich genutzt, um mit Johanna Simone wiederzusehen und die Stadt etwas zu erkunden. Das Wetter war zwar nicht besonders schön, aber das konnte unsere Stimmung kaum trüben.

Das zweite Mal war ich von mittwochs bis sonntags da. (Das Wetter war wieder nicht so toll – werde ich Warschau einmal bei gutem Wetter erleben? :D) Von Mittwoch bis Freitag war ein Seminar um Lehrern die Bewertung und Übungen für das DSD I näherzubringen, damit sie ihre Schüler gut darauf vorbereiten können. Bei der Gelegenheit habe ich nochmal die meisten Polen-Freiwilligen gesehen und interessante Gespräche geführt. Auch wenn das Seminar nicht für uns Freiwillige ausgelegt war, konnte ich ein paar Inspirationen daraus mitnehmen und habe eine genauere Vorstellung von dem Diplom. Ein paar Tipps zu kulturellen Unterschieden gab es vom Fachberater der ZfA noch dazu.

Die Zeit abends konnten wir nutzen, um uns mit den Lehrern zu unterhalten – von unseren Eindrücken von Polen, dem polnischen Schulsystem und der Sichtweise auf Immigranten war vieles dabei. Hierbei ist mir nochmal aufgefallen, wie wichtig es ist, erst aus der Perspektive von Anderen zu sehen und nicht nach dem Motto „In Deutschland läuft das viel besser, solltet ihr auch mal so machen“ an bestimmte Themen ranzugehen. Das heißt nicht, dass ich alle Meinungen so teilen würde, aber zumindest besser nachvollziehen.

Das Wochenende ging mit Shoppen in Second-Hand- und Vintage-Läden, einem kurzen Bachata-Kurs in einer Bar, einem Besuch auf dem „Nocny Market“ (ein Ort, wo abends am Wochenende an Ständen hauptsächlich verschiedenes Essen verkauft wird, es aber auch einen Barbier und ein Tattoo-Studio gibt und man Bilder kaufen kann) , leckerem Essen und weiteren Spaziergängen durch die Stadt schnell vorbei.

Als Simone Johanna und mich hier besucht hat, war es auch eher trüb. Das nutzten wir zum Erkunden verschiedener Cafés und Restaurants. Es gibt aber immer noch viele, die ich im Vorbeigehen gesehen habe und noch besuchen möchte – vielleicht finde ich sie ja wieder 🙂 Neben Spaziergängen und dem Aktualisieren unserer kunterbunten Playlist gelang es uns auch, eine Kürbis-Curry-Zucchini-Pilz-Suppe zu kochen und die richtigen Busse zum Bahnhof zu nehmen um Simone wieder zu verabschieden. Der Schlaf danach war genauso schön wie das Wochenende.

„Das Wasser läuft wieder ab!“ Ich hätte nie gedacht, dass ich mich darüber so freuen könnte. Ein paar Tage konnten wir im einen Bad auf Toilette gehen (die andere funktionierte seit meiner Ankunft nicht), dort lief das Wasser in der Dusche und im Waschbecken aber kaum ab. Das funktionierte im anderen Bad besser. Dann kam der Klempner und siehe da, alle sind erleichtert.

Auch den Kopierer in der Schule habe ich erfolgreich besiegt, obwohl es zwischendurch knapp aussah. Nachdem mir gezeigt wurde, wie es funktioniert und ich den Durchblick hatte (dachte ich zumindest), wollte eine andere Lehrerin Papier haben. Kleiner Tipp: die Schublade mit dem Papier aufzumachen, während der Kopierer noch läuft, ist eine schlechte Idee. Unsere Kommunikationsversuche verliefen eher kläglich– die gemeinsamen Sprache waren Zeichen und Polnisch, keins davon ist mein Spezialgebiet – und ich konnte die Einstellungen nicht erklären. Dann holte ich meine Ansprechpartnerin zum Übersetzen und es lief.

Zu anderen Zeitpunkten wurde ich mit der Klasse alleingelassen, während sie die Übung weitermachen sollte. Anfangs fiel es mir schwer, mich begreiflich zu machen und die letzte Reihe zum Arbeiten zu bringen, doch irgendwie lief es. Und oh Wunder, was für eine Verwandlung manche Schüler*innen durchmachen, sobald die Lehrerin erscheint. Das kommt mir noch recht bekannt vor 😀

Nach und nach kenne ich die Klassen besser und kann einzelne Übungen machen und auch über die Lehrer bekomme ich mit, dass sie die Auflockerungen und Gespräche mögen. Eine ganze Stunde zu halten ist aber noch etwas schwer, weil auf beiden Seiten teilweise die Worte fehlen.

Im Liceum war ich letzte Woche das erste Mal in der 2. Klasse, also bei den 17-Jährigen. Hier sollte ich einfach nur reden und dann eine Sprechübung zum Thema Wohngemeinschaft als Vorbereitung auf das DSD II machen. Das hat mir echt Spaß gemacht, ich konnte ganz normal reden und auch alleine mit dem Kurs lief es gut.

Allmählich kommt auch Schwung in mein wöchentliches Freizeitleben:

  • Durch Zufall haben Johanna und ich Mona im Aufzug getroffen, eine Deutsche, die eine Wohnung weiter wohnt und hier einen Freiwilligendienst macht. Ein paar Sachen haben wir auch schon zusammen unternommen.
  • Die Termine für den Sprachkurs stehen fest, nächste Woche geht es endlich los 🙂
  • Montags darf ich das Schwimmbad der Schule benutzen, abends darf das Personal 45 Minuten kostenlos schwimmen gehen. Das tat mir richtig gut, auch wenn das Wasser wärmer war, als ich es gewohnt bin.
  • Dienstags, ungefähr alle zwei Wochen, findet der Stammtisch statt. Dort treffen sich Deutsche, polnische Germanistikstudenten und ein paar Deutschlehrer der Uni. Das erste Mal letzte Woche war gut, es waren mehr Leute da als ich erwartet habe und vor allem viele Studenten.

Trotzdem schleicht sich leise und heimlich zwischendurch das Heimweh vorbei. Wenn der Himmel mehrere Tage grau ist, ich auf Heimweh angesprochen werde, ich mich in manchen Situationen alleine fühle, in einer Unterrichtsstunde nicht wirklich viel helfen kann, unterschiedliche Putzvorstellungen in der WG aufeinandertreffen, ich müde bin, Kopfschmerzen habe oder scheinbar ohne Grund. In diesen Momenten wäre ich gerne gemütlich zu Hause statt hier.

Aber dann gibt es Zeitpunkte, wo meine Füße den Weg fast alleine laufen, ich unerwartet super herzlich und lieb wegen meiner Erkältung verpflegt werde, den Schülern wirklich weiterhelfen kann, deutsche Bücher geliehen bekomme, ein Einkaufsgespräch mit neuen Vokabeln meistere, mich gut unterhalte, mir jemand einfach nur ein Lächeln schenkt und mich auf andere Gedanken bringt.

Schienenersatzverkehr, Kuchen und ein bisschen Italien – meine ersten elf Tage

Hallo zusammen,

mittlerweile bin ich schon über zwei Wochen hier und es ist einiges passiert, aber alles der Reihe nach.

Meine Anreise gestaltete sich komplizierter als gedacht. Im Zug von Berlin nach Warschau ahnte ich nichts und stieg an der Endstation aus. Nachdem ich meine Koffer die Treppen runtergetragen hatte, hielt ich Ausschau nach einem Fahrplan – dort stand mein Zug leider nicht drauf. Nachdem ich drei Mal an der Info vorbei gelaufen bin, habe ich auch sie endlich gefunden und das Gleis gesagt bekommen. Also wieder zurück, die Koffer die Treppen hoch (Aufzüge an kleineren Bahnhöfen werden überbewertet, da ist jeder gerne sportlich).

Dann folgte das Lieblingswort eines jeden Bahnreisenden in Deutschland – SEV. Denn im Zug erklärten mir polnische Männer mithilfe eines Internet-Übersetzers, dass ich an der nächsten Station in einen Bus umsteigen muss. Sie brachten mich dorthin und trugen netterweise sogar meine Koffer bis in den Bus. Am nächsten Bahnhof hatte ich statt der geplanten Stunde eine Minute Umsteigezeit, doch vom Zug keine Spur. Mit meinen sehr beschränkten Polnisch-Kenntnissen, etwas Englisch und Deutsch erfuhr ich, dass auch hier ein Bus fährt, allerdings erst in 20 Minuten. Während der Fahrt schrieb meine Ansprechpartnerin, dass sie auf einer Fortbildung sei und ihre Kollegin mich abholt. Es hat dann alles geklappt, ruhig bleiben und fragen klappt doch meistens 🙂

Auf dem Weg vom Bahnhof zum Studentenwohnheim erfuhr ich dann, dass ich in einer WG mit zwei Freiwilligen aus Italien und einem Mädchen aus Deutschland zusammenleben würde (diese stellte sich als Johanna raus). Kurze Zeit später zog dann noch ein Student aus Zypern ein. Groß ist unsere Wohnung nicht, aber der Platz reicht aus und wir sind mitten im Studentenviertel. Da am 1. Oktober das Studium in Polen anfängt, wird es hier immer belebter (und lauter), ich bin gespannt, wie es  noch wird.

In der Schule habe ich erst in der zweiten Woche angefangen und korrigiere die Aussprache, lese Texte vor oder mache kleine Aufgaben. Die Schüler sind zwischen zehn und 15 Jahren alt und von Anfängern bis DSD I-Schülern ist alles dabei. Die Schüler fragen die Lehrer teilweise, wann ich denn wieder komme, doch wenn ich dann da bin, haben sie Angst, Fehler zu machen. Dabei habe ich noch niemanden bei lebendigem Leibe gegessen (auch keine Ameisen – an dieser Stelle viele Grüße an die Urwald-erfahrene Freiwillige 😉 ). Im Kollegium sind alle, mit denen ich mich unterhalten habe, nett und es herrscht ein großer Sprachenmischmasch: Unterhaltungen habe ich auf Deutsch, Englisch, Französisch und ein kleines bisschen auf polnisch geführt.

Auch am Liceum gefällt es mir gut. Hier sind die Schüler zwischen 16 und 18 Jahre alt und die älteren bereiten sich auf die DSD II-Prüfung vor. Bis jetzt war ich erst zweimal im Unterricht, besonders viel kann ich also noch nicht dazu sagen.

Eine angekündigte Stadtführung meiner Ansprechpartnerin in der ersten Woche stellte sich als kurze Fahrt durch die Stadt mit dem eigentlichen Ziel eines Kindergeburtstages heraus. Ihre Tochter war in einer kleinen Kletterhalle in einem Einkaufszentrum eingeladen und Johanna und ich durften kurzerhand mit um dort Pizza und Kuchen zu essen. Im Anschluss sind meine Ansprechpartnerin, ihre Tochter, Johanna und ich noch in ein Café im selben Gebäude gegangen, wo es den angeblich besten Kuchen Lublins gibt. Mein Fazit: sehr lecker, sehr mächtig.

Die Stadt habe ich später auf eigene Faust erkundet und auch immer den Weg zurück gefunden (wie groß die Umwege waren ist hierbei unwichtig). Einkaufsmöglichkeiten, die Schulen, die Post, die Innenstadt, die Bushaltestelle und der Park – von all dem weiß ich, wie ich dort hinkomme. Eine grundlegende Orientierung ist also mittlerweile vorhanden, die wichtigsten Sachen sing geklärt und das Wetter ist endlich schön – genügend Gründe, um mich hier wohlzufühlen.

Hallo Welt!

… oder hallo alle, die hier auf meinem Blog gelandet sind.

Nachdem die Anzahl der Blogs in den letzten Tagen deutlich angestiegen ist, kommt meiner auch noch dazu. Das Vorbereitungsseminar ist vorbei, ich bin um viele Ideen, Eindrücke und Bekanntschaften reicher, auch wenn ich (fast) alle Leute wieder verlassen musste und in der Kombination nie wiedersehe.

Wir sind in der ganzen Welt verstreut und auch ich bin schon Montagabend in Lublin angekommen, zumindest körperlich. Wann ich auch geistig angekommen bin, ist schwer zu sagen. Bis jetzt kann ich nicht von Routine reden, alles ist noch neu und einiges muss noch geklärt werden, aber es geht Stück für Stück voran.

Mein erster richtiger Tag in der Schule steht noch an (eine kurze Vorstellung ist schon erledigt) und ich bin gespannt, was und wer alles auf mich wartet.

 

Bis dann

Anne

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