Frohes Neues Jahr 2012!
22. Januar 2012Diese Neujahrsgrüße kommen ja etwas spät. Trotzdem, besser spät als nie. Also, hiermit an all meine Leser, mit denen ich dieses Jahr noch nicht persönlich Kontakt hatte: Ein frohes und gesundes neues Jahr 2012!
Wobei, so inaktuell ist dieser Gruß gar nicht. Heute, am 22. Januar, findet nämlich sozusagen das Chinesische Silvester statt. Am 23. Januar beginnt mit dem Frühlingsfest in China das neue Jahr, zumindest nach dem Mondkalender. Im Moment befinden wir uns im Jahr des Hasen, danach folgt das Jahr des Drachen. Dementsprechend viel ist auch nicht nur in Guangzhou, sondern in ganz China los. In China hat das Frühlingsfest, also das Chinesische Neujahrsfest, ungefähr den Stellenwert wie bei uns Weihnachten. Es ist das größte und wichtigste Fest im Jahr und wird im Kreise der Familie gefeiert. Da die jungen Leute oftmals vom Land, beziehungsweise aus kleineren Städten und ärmeren Provinzen in die großen Städte ziehen, um dort ihr Glück zu finden und Karriere zu machen, gibt es vor und nach dem Frühlingsfest riesige Reisewellen in ganz China. Es ist die Hauptreisezeit im Jahr, dieses Mal werden zwischen Mitte Januar und Mitte Februar (dem Ende des 15-tägigen Festes) schätzungsweise 230 Millionen Menschen quer durchs Land unterwegs sein. Die Züge, so es denn noch ein Ticket gibt (und wenn dann meistens auch nur für einen Stehplatz), sind krachvoll. Die, die es sich leisten können, fliegen lieber. Doch auch die Tickets sind meistens schon ausgebucht, die übriggebliebenen sind unverschämt teuer. Tja, und der liebe Alex nimmt sich in dieser Zeit gleich zweimal vor zu verreisen. Doch dazu später mehr…
Zuerst möchte ich noch mal einen kurzen Rückblick machen, da der letzte Eintrag schon so lang her ist. Damals hatte ich angekündigt, dass mich meine Familie und meine Freundin besuchen werden. Es waren sehr, sehr schöne zweieinhalb Wochen. Mit meiner Familie zusammen habe ich Weihnachten gefeiert, meine Freundin und ich hatten einige Zeit für uns, wir haben alle zusammen Silvester in Shanghai gefeiert, und ich konnte ihnen mein Guangzhou und mein China zeigen. Es war ein volles, aber schönes Programm, und ich glaube, ich konnte meinem Besuch hier und da faszinierende Sachen dieses schönen Landes zeigen und sie auch dafür begeistern. Am Ende war der Abschied natürlich umso schwerer, da nun ja die eigentlich lange Trennung bevor stand (bis Weihnachten drei Monate, nach Weihnachten 7,5). Aber ich glaube, die nächste Zeit wird doch schneller vorbei sein als gedacht, und in null Komma nichts bin ich zurück in Deutschland. Und vielleicht kommt mich Alex nochmal besuchen.
Nach so intensiven zwei Wochen mit den Liebsten ist die direkte Zeit danach natürlich erst einmal von einer gewissen Leere ausgefüllt. Doch es blieb mir nicht zu viel Zeit, um in dieser Leere zu versinken. Denn unmittelbar danach haben Katharin, Mila und Timo (Freiwillige aus Kunming, Shanghai und Wuxi nahe Shanghai) uns Freiwillige in Guangzhou besucht. Dementsprechend gab es natürlich immer etwas zu tun, vor allem abends, wo wir ihnen die kantonesischen, uighurischen und arabischen kulinarischen Schätze unserer Stadt näherbringen konnten.
Zusammen mit meiner Mentorin und einem befreundeten Paar von ihr reiste ich direkt im Anschluss an diesen Besuch für vier Tage nach Xiamen. Xiamen, ehemals Amoy genannt, ist eine Küstenstadt in der Provinz Fujian, ebenfalls Südchina, rund 800-1000 km östlich von Guangzhou. Geschichtlich gesehen war sie, ähnlich wie Guangzhou, Shanghai und viele andere chinesische Küstenstädte, Vertragshafen gemäß den Verträgen von Nanjing. Das bedeutet, dass die Imperialistischen Mächte das Recht hatten, in diesen Städten Handel zu treiben und Niederlassungen zu errichten. In Xiamen taten sie dies auf der Xiamen vorgelagerten Insel Gulangyu (sprich “Gulangjü”). So hatte z.B. das Deutsche Kaiserreich von 1870 bis 1918 dort eine Handelsmission und ein Konsulat. Lustigerweise übernachteten wir in einem Hostel, das sich genau neben dem ehemaligen Konsulat befand. Heutzutage befindet sich dort ein nettes Café, indem es “German Cheese Cake” gibt, der aber am Ende dann doch nicht so German geschmeckt hat. Durch die Jahrzehnte lange Anwesenheit der Westmächte plus Japan, ist natürlich die Architektur auf der Insel sehr westlich geprägt und man findet überall Anwesen und Bauten im imperialen Stil des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Eigentlich ist das für Europäer ja nichts Besonderes. Dennoch ist die Insel sehr niedlich und süß und bekommt ihren besonderen Charme durch die kleinen Gässchen, Mäuerchen und Sackgassen, die z.B. auf der Insel Shamian in Guangzhou (ebenfalls ehemaliges Gebiet der Kolonialmächte) eher fehlen. Leider hatten wir am Anfang aber mit dem Wetter nicht so viel Glück. Es war stark bewölkt und nieselte immer mal wieder und machte es z.T. ziemlich ungemütlich – typisches Herbstwetter. Nach zwei Tagen auf der Insel zogen wir in die Innenstadt von Xiamen. Jetzt spielte auch das Wetter wieder mit, und wir hatten bis zu 22°C bei herrlichem Sonnenschein. In Xiamen besuchten wir die obligatorische Zhongshan Lu (Sun Yat-Sen Straße), eine normale Einkaufsstraße wie in jeder anderen Stadt, den Nanputuo-Tempel, die schöne Universität von Xiamen und das Meer, an dem ein sehr schöner Holzpfad entlang führt, und wo man Tandem fahren kann. An einem Tag machten wir einen Ausflug in die nahe gelegenen Hakka-Dörfer. “Hakka” ist der Name einer Chinesischen Minderheit, die ursprünglich aus dem Norden Chinas kommt. Interessanterweise kommt das Wort “Hakka” aus dem Kantonesischen und bedeutet “Gäste”. So haben sich die Hakka selber genannt, denn sie sind damals (vor einigen hundert Jahren) in den Süden gekommen, um den Kriegen im Norden aus dem Weg zu gehen. Für sie war immer klar, dass sie eines Tages zurückkehren werden. Deshalb gründeten sie ihre eigenen Dörfer und isolierten sich von der Außenwelt, da sie sich nicht zu sehr assimilieren wollten. Deshalb bauten sie riesige Häuser, meistens rund, mit dicken Wänden und wenig Fenstern, um sich gut verteidigen zu können. Heutzutage leben immer noch rund 40 Familien in so einem Haus. In einem Haus, sagte uns die Reiseführerin, lebten bereits 29 Generationen. Für mich war dieser Ausflug nicht nur interessant, sondern insofern auch etwas Besonderes, als dass ich zum ersten Mal aus einer größeren Stadt herausgekommen bin und das Land sehen konnte. Es roch schon ganz anders, die Hühner liefen frei auf dem Boden herum und man wurde als Ausländer wie ein Marsmensch bestaunt – wie im Film eben.
Jetzt bin ich erst mal für eine Woche in Guangzhou. Heute werde ich zusammen mit meiner Mentorin und ihrer Familie das Chinesische Neujahr feiern. Danach nutze ich die Zeit, um mir das “frühlingsfestliche” Guanzhou anzusehen, meine Sachen wieder etwas zu ordnen und Dinge zu erledigen. Nächsten Samstag geht es dann in den hohen Norden. Zuerst werde ich nach Harbin gehen, wo zwischen Ende Dezember und Mitte Februar das weltberühmte Eisskulpturen-Festival stattfindet. Dann geht es über Changchun, wo man unter anderem auch Skifahren kann, nach Peking. Dort werde ich Moni, ebenfalls eine Mitfreiwillige, besuchen. Nach ein paar Tagen geht es dann wieder von dort ins heimische, warme Guangzhou. Nur zur Information: Die Fahrt nach Harbin dauer etwa 37 Stunden und dort sind es gerade -26°C. Worauf lass‘ ich mich da bloß ein? Aber die Eisskulpturen sollen sich wirklich lohnen, also muss ich da durch!
Bis die Tage! Dann mit dem Bericht über das Frühlingsfest!