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Updates zum Zustand unseres Autos (Patagonien IV: Puerto Río Tranquilo nach El Chatén)

Werkstätten in der Pampa Argentiniens sehen genauso aus, wie man sich das vorstellt: Mehr Schuppen als Haus, zwei Hunde, die einem nachbellen und umgeben von einer Stadt, die ihre besten Tage (hoffentlich) schon hinter sich hat.

Fairerweise waren wir aber auch nicht besonders lange dort, denn die Fehlermeldung, unser Wagen habe einen zu tiefen Reifendruck, war ein klassischer brunnscher Trugschluss: An drei Reifen war er perfekt, an einem latent zu hoch.

Also doch kein Platten in Patagonien, obwohl das sicherlich auch eine nette Geschichte geworden wäre – andererseits reicht es so auch mit dem angeditschten Rückspiegel und dem Ausfall eines Abblendlichts. Unser Leihwagen erlebt auch so schon zurück:

Morgens wieder über den Schotterweg an Kondoren vorbei Richtung Grenze, wo uns dieses Mal zum Glück niemand unser Essen abziehen wollte, nur uNachtrag des Bildes der Guanacosm dann Ewigkeiten an der argentinischen Migraciones zu stehen, weil anscheinend keiner der eingesetzten Sachbearbeiter je ein Visum gesehen hatte. Einen Stempel für meinen Reisepass habe ich leider trotzdem nicht bekommen, sondern wir wurden durchgewunken – damit ist Argentinien das einzige Land, dass ich während meines FSJs besucht habe, von dem mir noch der Stempel fehlt, obwohl ich tatsächlich ca. alle drei Wochen hier war.

Zeit, mich darüber zu ärgern hatte ich auch genug, denn der Weg nach El Chaltén war noch weit. Diesen Ort kennt man insbesondere für seine Fitz-Roy-Wanderung, die Tres Lagos und – selbstverständlich – seine hohen Preise, wobei wir uns daran fast gewöhnt haben.

Unsere drei Nächte dort werden der Inhalt des nächsten Artikels, der dann selbstverständlich ein bisschen länger ausfallen dürfte, als dieser hieir.

 

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Marmor, Stein und Orientierung bricht (Patagonien III: Puerto Río Tranquilo)

Als wir in Chile ankommen habe ich, ehrlich gesagt, etwas Angst. Zu behaupten, ich hätte viel für diese Reise geplant, wäre eine dreiste Lüge, aber ein Zwischenstopp auf unserem Roadtrip geht dann doch tatsächlich auf meine Kappe: Die Marmorhöhlen in Puerto Río Tranquilo, Chile. Blöd nur, dass ausgerechnet die ziemlich abseits von unserer eigentlichen Strecke liegen und der Weg dorthin dazu noch über eine Schotterstraße führt, die in der Nacht unserer Ankunft von Mika und Julius auf alle erdenklichen Weisen beschimpft wird.

Mehrfach kriege ich (halb) spaßhaft gesagt, dass diese Höhlen die Mühen hoffentlich wert sind, zumal man auch sonst nicht auffallend viel in der Gegend machen kann.

Also hieß es am Morgen nach unserer 15h Autofahrt durch die (tatsächliche) Pampa aufstehen, fertig machen und zur Bootstour. Ausgestattet mit wunderschönen grünen Regencapes (wie ich mich zu erinnern glaube, dass mein Vater mir mal einen für Lützerath andrehen wollte) und Rettungswesten ging es dann, gemeinsam mit einer chilenischen Reisegruppe, aufs Motorboot.

Wir hatten angegeben, die Erklärungen auf Spanisch haben zu wollen, obwohl man uns vorm chilenischen Dialekt gewarnt hatte und wurden auch angenehm überrascht: Selten habe ich jemanden getroffen, dessen Aussprache ich so angenehm fand, wie die unseres Guides.

Vorbei an wunderschönen Inseln, die Julius und ich gerne jede einzeln besucht hätten, vereinzelten Häusern zwischen den Felsen, einem Schiffwrack und extrem hübschen Stränden haben wir etwas über die Geschichte des Marmorabbaus und -handels in Südamerika gehört.

Im zweiten Teil der Tour ging es dann in die ersten Höhlen mit ihren blau-grauen Musterungen, dem kristallklaren Wasser und den schmalen Gängen, aus denen man sicherlich noch eine eigene Führung hätte machen können.

In einer der Höhlen sollten wir den abgeschlagenen Stein berühren, an dem man noch die Meißelspuren spüren konnte, und uns etwas wünschen – ein Grad an Esoterik, an den wir uns inzwischen alle gewöhnt haben. Also halb rausklettern aus dem Boot, an die Marmorwand fassen, die Augen schließen und – obwohl man nicht dran glaubt – trotzdem für eine Sekunde hoffen, dass der Wunsch dann doch deswegen in Erfüllung geht.

Krönender Abschluss der Fahrt waren die bekannten Marmorformationen mitten im See: Die „Kapelle“ und die „Kathedrale“ – mein persönlicher Lieblingsteil kam jedoch erst danach: Die Rückfahrt im Motorboot durch den, inzwischen ordentlich aufgewühlten, See. Ich habe mich gefühlt wie auf einer Achterbahn und kann mir auch nicht vorstellen, dass unser Boot eine TÜV-Prüfung bestanden hätte, dafür konnte ich mit dem Tourguide und dem Steuermann etwas lachen und quatschen und hatte seit langem nicht mehr so viel Spaß.

Mittags wieder in unserer Unterkunft war ich also beruhigt: Allen hatten die Höhlen gefallen und für einige war es sogar ein Highlight – die Horrorstraße samt Grenzüberquerung hatte sich also gelohnt.

 

Weil Julius und ich danach noch etwas Bewegung brauchten, aber auch nicht noch mal mit dem Auto rausfahren wollten, sind wir danach querfeldein den Berg hoch, auf der Suche nach einer dubiösen Wanderroute, die wir nur auf einer einzigen App eingezeichnet fanden. Die fanden wir zwar nicht, dafür aber einen Felshang mit perfektem Blick auf den See und die Anden dahinter, wo wir uns etwas Brot teilten und uns etwas die Zeit verloren haben beim Diskutieren, In-Erinnerungen-schwelgen und dem generellen Austauschen. Ein richtig langes Gespräch zu zweit hatten wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr, aber es hat sich wunderbar angefühlt – und auch etwas verrückt, immerhin sind wir doch irgendwo nur zwei Mönchengladbacher, die jetzt in den chilenischen Anden nebeneinander in der Sonne saßen.

Als wir uns dann aufgerafft hatten ging es – natürlich (vamos arriba) – weiter nach oben. Über ein paar Zähne und Felsen, an Dornen und einer Klippenwand vorbei suchten wir uns einen Weg, wenn es denn schon kein Ziel gab. Mit unserer Ausbeute war ich deutlich zufriedener als Julius, der prompt eine Skale für die Weghaftigkeit von Wegen erfand und meiner Kraxelpartie 6 von 100 Punkten verlieh – eine maßlose Übertreibung, meiner Meinung nach. Etwas Klettern und Disteln aus der Kleidung ziehen gehört ja wohl schließlich dazu.

Auf dem Rückweg sind wir dann noch zwei Bullen über den Weg gelaufen, denen wir jedoch relativ egal waren – sicherhaltshalber haben wir aber trotzdem eine Steinwand zwischen uns und diese Tiere gebracht, die zu 50% nur aus Nacken bestehen.

Und so waren wir nach einigen Stunden wieder zurück, hatten etwas zu erzählen und konnten nach dem Kochen und Essen auch bald einschlafen, denn am nächsten Tag hieß es (mal wieder…) früh aufstehen und ziemlich lange im Auto sitzen.

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Safari durch die Pampa (Patagonien II: Von Esquel nach Puerto Río Tranquilo)

Die Anden sind flacher, als man meinen würde, oder zumindest mehr, als ich persönlich gedacht hätte – und ich würde mich da inzwischen als Expertin bezeichnen, immerhin bin ich gerade mehrere hundert Kilometer durch und um sie gefahren.

Über den 30.01.2025 gibt es sonst nicht so auffallend viel zu berichten, da wir ingesamt gute 12 Stunden im Auto saßen. Aber “nicht so auffallend viel” ist dann doch nicht gar nichts, deshalb hier ein paar kurze Punkte.

Los ging es selbstverständlich nicht ganz pünktlich, aber nah genug, von Esquel in Argentinien aus Richtung Süden nach Chile, quer durch die Pampa – und zwar nicht sprichwörtlich, sondern das Gebiet in Argentinien, das tatsächlich “La Pampa” heißt.

Ein Gebiet, wohlgemerkt, das nicht nur unglaublich schön und beeindruckend ist, sondern in dem ich auch das Gefühl hatte, auf einer halben Safari zu sein:

Plötzlich standen Vogelstrauße am Straßenrand und hinter den Zäunen tummelten sich Guanacos – optisch eine Mischung aus Lama und Gazelle, die sehr putzig anzusehen sind, von denen ich aber leider vergessen habe, ein Foto zu machen. Vielleicht kann ich das ja in den nächsten Tagen noch nachholen.

Auch ein Gürteltier ist einmal quer vor uns über die Straße gerannt und ich glaube, ich habe auch einen Adler gesehen, da bin ich mir aber nicht ganz sicher.

Nach den ersten paar Stunden stand dann mein erster Grenzübertritt nach Chile an und ich konnte einen weiteren schicken Stempel für meinen Reisepass sammeln.

Weil man in Chile aber doch recht streng ist mit der Kofferkontrolle, mussten Julius und ich dann am Pass noch drei Bananen und einen Apfel teilen, zur Belustigung der Grenzwachen. Aber immerhin hatten wir dafür bezahlt! Da wird man die ja wohl noch essen dürfen, bevor die einem abgezogen werden.

Hinter der Grenze wartete die schönste Strecke auf uns – zum Anschauen, denn mit all den Hügeln, Felsen, Seen und Stränden und auch den umherrennenden Wildpferden, die gerne mal direkt vor uns die Straße passierten oder auch ganz entspannt stehenblieben war es für uns drei auf der Rückbank (Moritz, Oriana und mich) wirklich angenehm.

Zum Fahren allerdings, da hatten Mika und Julius das ein oder andere Mal mit den Schotterstraßen, Hängen und Serpentinen zu kämpfen.

Dazu wurde die Fahrt auch immer länger, als unsere Handys anzeigten – ein Navi hatten wir nämlich selbstverständlich nicht.

Gegen 0:30Uhr und damit ca. 4 Stunden später waren wir dann aber tatsächlich da und nach einem zweiten Mal Nudeln mit reiner Tomatensoße in zwei Tagen (ein Essen, das ich mir tatsächlich nie alleine, sondern nur mit anderen Freiwilligen koche) sind wir auch ziemlich schnell schlafen gegangen. Da wir aus Budgetgründen nur für 4 Personen gebucht hatten, durfte ich auf dem Sofa mit zwei Fleecedecken schlafen – es war das erste mal seid langem kühl bis kalt nachts, was mich, ehrlich gesagt, ein bisschen gefreut hat.

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Two and a half men (Patagonien I: Bariloche)

 

 

Two and a half men, das sind in diesem Fall Julius, Mika und ich. Wenn ich mit den beiden unterwegs bin, fühle ich mich manchmal wie Gimli in dieser einen Herr der Ringe – Szene, wo Aragorn und Legolas in den Hügeln herumrennen und er ihnen, immer einen halben Schritt langsamer folgt. Fairerweise kann der Vergleich auch daher rühren, dass die Landschaft in Bariloche teilweise ähnlich aussieht, wie in den Filmen – oder daran, dass die beiden dann doch ein bisschen riesig sind, wenn ich zwischen ihnen laufen.

 

Zuallererst ging es natürlich, wie so oft, nach Buenos Aires, und das schon am 24.01.2025, weil Amira und Toni schon einen Tag früher nach Patagonien geflogen sind. Mein Flieger ging, nach mehreren Verschiebungen und Umlegungen, erst am 26.01.2025, und so hatte ich noch Zeit, mich ein letztes Mal mit einigen meiner Freundinnen aus Buenos Aires zu treffen, mich zu verabschieden – und noch einmal gut zu essen, denn inzwischen hatte ich aus allen Ecken gehört, dass unser Reiseziel Patagonien unglaublich teuer ist, und selbst eine Ernährung aus Nudeln und Trockenbrot nur noch an der Grenze des Finanzierbaren liegt.

Mit dem Bus ging es dann zum Flughafen, wo ich nach ca. 2h Fahrt noch einmal gute acht Stunden warten durfte, denn mein Flieger wurde immer weiter nach hinten gelegt und  schließlich auch durch die Maschine einer anderen Fluggesellschaft ersetzt, sodass ich schlussendlich nicht um 21:50 Uhr, sondern um kurz vor zwei in Bariloche ankam. Dort erwiesen sich meine vorherigen Bemühungen, mich mit einigen der anderen Reisenden anzufreunden, um später gemeinsam einen Uber zu teilen, gleich doppelt als vergeblich: Zum einen wollte niemand wie ich nach Dina Huapi, sondern alle hatten Unterkünfte in Bariloche Stadt, und zum anderen wurde ich nicht an einen Uber durchgestellt, sodass ich am Ende ein Taxi nehmen musste – das aber tatsächlich günstiger war.

 

An der Unterkunft warteten schon Julius und Mika auf mich, die mir sogar noch Pfannkuchen übriggelassen lassen, und nach schnellen Begrüßungen und einigen kurzen organisatorischen Gesprächen sind wir drei schlafen gegangen.

 

Am nächsten Morgen ging es dann auf fünf Stunden Schlaf los zu einer Fahrradtour um den See, die insgesamt etwas kürzer war, als gedacht, aber zeitweise ziemlich steil. Der Ausblick war umwerfend schön, die Bilder sind leider nur semi-ästhetisch, weil wir neben viel zu großen Helmen auch halb auseinanderfallende Warnwesten tragen mussten. Das hat dem ganzen Unterfangen aber keinen Abzug getan und als wir wieder in Dina Huapi ankamen waren wir zwar fertig, aber auch ziemlich zufrieden.

Nach dem Einkaufen hatten die Jungs die grandiose Idee, noch im Bergsee schwimmen zu gehen, was von den Einwohnern halb belustigt betrachtet wurde. Da es hier, anders als in unseren Einsatzstellen, auch mal Temperaturen im einstelligen Bereich (und im Winter ja sogar Schnee) gibt, war das Wasser zwar verdammt kalt, aber es hat auch unglaublich Spaß gemacht und auch krank geworden ist bisher noch niemand.

Zum Abendessen gab es dann Reis mit Gemüse, eins der drei Standartgerichte meiner Begleiter, und Gespräche über unseren Freiwilligendienst und Julius‘ und meine Rückkehr nach Deutschland – denn Mika bleibt noch ein halbes Jahr länger.

Kurz Friseur gespielt wurde natürlich auch noch.

 

Am 28.01.2025 stand dann die erste Wanderung auf dem Programm: Hoch zum Mount Frey durch den Wald, an Hängen und über Steine und Brücken, die nur so halb befestigt aussahen. Während wir am Morgen noch gefroren hatten, wurde es gegen Mittag richtig warm, so dass wir uns über jeden Schatten freuten.

Oben angekommen konnten wir uns zwischen Refugios und Steinhängen, an denen ein paar „komplett Irre“ (Zitat Julius) hinauf und hinab kletterten, auf einen Felsen im See legen, die nach und nach eintreffenden Wanderer beobachten, verschiedene Amphibien inspizieren und uns kurz ausruhen.

Leider bin ich dann, als es gerade hieß, wir würden in ein paar Minuten loswollen, in der Sonne eingeschlafen, weshalb ich jetzt auch einen leichten, aber etwas seltsamen einseitigen Sonnenbrand habe. Nach diesem kurzen Powernap konnten wir dann aber tatsächlich wieder runter ins Tal und in der Stadt noch zum Supermarkt und zu Western Union, so dass wir insgesamt doch gute 43 000 Schritte gemacht haben.

 

Für den 29. Stand nicht viel an, außer ausschlafen, aufräumen und in die Stadt fahren, um etwas zu essen zu finden und uns mit Oriana und ihrem Freund Moritz zu treffen, die morgens in Bariloche gelandet waren. Nach einer kleinen Odyssee, weil uns alles viel zu teuer war, wurden wir schließlich fündig und konnten danach auch direkt den Mietwagen abholen, mit dem unser kleines Roadtrip-Abenteuer losgehen sollte. Glücklicherweise und (obwohl wir sehr minimalistisch gepackt hatten) wider Erwarten passten all unsere Rucksäcke in den Kofferraum und wir konnten direkt losfahren nach Esquel, einer kleinen Bergstadt in Argentinien.

Bei unserer ersten Pause hielt ein LKW-Fahrer an, weil er dachte, wir hätten ein Problem mit dem Wagen, aber glücklicherweise sprechen wir alle inzwischen gut genug Spanisch, um die Situation zu erklären, uns zu bedanken und ihm eine gute Weiterfahrt zu wünschen.

 

Die Unterkunft, die wir in Esquel eigentlich nur für drei Personen gemietet hatten, passte auch perfekt für fünf Personen und sparte uns damit etwas Geld.

Leider ließ die erste kleine Macke am Mietwagen dann auch nicht lange auf sich warten und wir mussten der Versicherung einen kleinen Schaden am linken Blinker melden, der Wagen ist aber weiterhin funktionsfähig und wir konnten am nächsten glücklicherweise direkt weiterfahren nach Puerto Río Tranquilo in Chile, der Etappe unserer Patagonienreise, auf die ich mich vielleicht am meisten freue – aber dazu mehr im zweiten Teil meiner Patagonien-Reihe.

Jetzt sind wir erstmal alle fünf vereint und auf den Weg in den Süden, direkt durch die Anden und in einem ziemlich engen Wagen, der kein Navigationsgerät, dafür aber eine Klimaanlage und argentinisches Radio hat.

 

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36 Grad (und es wird noch heißer)

 

Meine Mitfreiwillige Amira am Strand in Fray Bentos

Es ist Sommer in Fray Bentos.

Mit drei Ausnahmen sind alle unsere Unifreunde noch bei ihren Familien, entsprechend entspannt ist unser Alltag – wobei das auch an der Hitze liegen kann, denn die wird hier sehr ernst genommen:

Mein Volleyballtraining beginnt jetzt erst um 21:30 Uhr und auf dem Rückweg nimmt mich eine Mannschaftskollegin auf dem Motorrad mit, damit ich weniger laufen muss,

es hängen Plakate mit Tipps für richtiges Verhalten im Sommer aus,

und auf dem Weg zur Arbeit wechsel ich trotz des Wachhunds für den letzten Block nicht die Straßenseite, damit ich länger im Schatten gehen kann, denn es sind schon um 9:00 Uhr 31 Grad ohne Wolken am Himmel. Besagter Wachhund starrt mich von seinem Schauplatz an und bellt mir nach, aber seine üblichen Versuche, nach mir zu schnappen, bleiben aus: Dafür müsste auch er sich einmal durch die Sonne bewegen, wozu er augenscheinlicher und verständlicher Weise nicht bereit ist.

Selbst die Papageien halten den Schnabel und sparen ihre Kräfte.

Verbrannt sind wir bisher auch noch nicht, was einfach daran liegt, dass wir zwischen Arbeitsende und Sonnenuntergang effektiv… nichts tun, wofür man draußen sein muss. Nur ins Fitnessstudio gehe ich ironischer Weise häufiger als sonst, weil das Gymansio Urbano ein besseres Klimaanlagensystem hat, als unsere Wohnung und ich dort selbst bei Anstrengung weniger das Gefühl habe, wegzuschmelzen, als in meinem Zimmer.

Doch während das alles relativ leidend klingt, genieße ich in erster Linie den Sommer:

Mit unserem Arbeitskollegen Nicolas fahren wir an den Strand,

trotz der hohen Preise gönnt man sich mal ein Eis,

wir gehen mit unserem Chef segeln,

treffen uns nachts mit unseren verbliebenen Freunden,

trinken Mate in unserem Büro mit der Klimaanlage auf 16 Grad,

spielen am Fluss Karten,

und kaufen bei El Dorado Wassermelone, weil die aktuell für 25 UYU (ca. 0,55€) pro Kilo im Angebot ist.

Mein Arbeitsweg

Tango findet wegen der Temperatur jetzt nachts statt

Alles in allem lässt es sich sehr gut leben, wenn auch einfach etwas langsamer als sonst. Alle drei Wochen regnet es auch mal und kühlt etwas ab, dann fasst mich doch manchmal der Ehrgeiz, morgens laufen zu gehen, aber wenn man mal nichts geschafft kriegt, sind alle entspannt: Sommer in Südamerika ist Self Care – Zeit.

Und gerade nach unseren ereignisreichen Urlauben in São Paulo (über den es schon einen Blogartikel gibt) und Rio de Janeiro (über den ich auch noch einen Artikel schreiben werde… denke ich) nehmen wir die Ruhe gerne hin, immerhin steht bald schon der nächste Trip an…

Außerdem passiert doch immer etwas in der “mejor ciudad de américa del sur” wie wir unsere Kleinstadt manchmal liebevoll nennen, wofür wir von den Anwohnern nur ungläubiges Kopfschütteln ernten: Die anderen Freiwilligen besuchen uns, es sind Candombe-Umzüge, unser Tangokurs findet wieder statt und auf der Arbeit gibt es von Nachtführungen durchs Museum und Musikprojekten mehr oder weniger erfolgreiche Events.

Außerdem ist es ein lustiges Gefühl, aus Deutschland Bilder von vereisten Straßen geschickt zu bekommen, während man selbst auf den Wetterbericht mit 38Grad und UV-Faktor 14 schaut.

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Das Ende der Welt ist wunderschön (Ausflug nach Iguazu)

        

(Anmerkung: Dieser Beitrag ist ein Nachtrag. Ich war Mitte November 2024 in Iguazu, ich habe nur sehr wenig geschrieben)

Die mittleren Fälle

Das größte Wasserfallsystem der Welt sind tatsächlich nicht die Niagara-Fälle, sondern die Cataratas in Iguazu. Zwischen Argentinien, Brasilien und Paraguay findet sich eine der größten Attraktionen Südamerikas, die ich mir natürlich auch ansehen musste. Nur das Zeitfenster dafür zu finden, das war gar nicht so einfach: Von Fray Bentos aus ist es ein ordentliches Stück und all meine Urlaubstage sind eigentlich schon anderweitig verplant gewesen… Also musste etwas getrickst werden.

„Alle“ l/r: Amira, Frida, ich, Toni

Nach einigen Organisationsgesprächen haben wir es geschafft, direkt vor unseremZwischenseminar in Buenos Aires einen gaaanz kurzen Kurztrip einzuplanen, der dann sogar noch kürzer wurde, als eigentlich angedacht, denn unser Flug ist ausgefallen und durch das umbuchen haben wir wertvolle Stunden verloren. Schließlich standen wir aber da: In Iguazú, direkt am Dreiländereck in unserem Hostel für 6 Dollar die Nacht, von dem wir alle bis zuletzt nicht wussten, ob es existiert.

„Alle“, das waren in diesem Fall Amira (meine Mitfreiwillige), Toni (Einsatzstelle Montevideo/Buenos Aires), Frida (Einsatzstelle Rocha) und ich.

Wegen der Verzögerungen mussten wir leider auf den Tagesausflug nach Brasilien verzichten und sind stattdessen „nur“ in den Nationalpark auf argentin

Erster Affe in Südamerika

ischer Seite gefahren. Der Eintritt war zwar ziemlich teuer – aber meiner Meinung nach jeden Cent wert. Drei verschiedene Routen führen an unterschiedlichen Wasserfällen dabei und wir sind sie der Reihe nach abgegangen, um möglichst viel zu sehen.

Nach der ersten Strecke haben wir am Rastplatz auch Nasenbären und Affen gesehen, später alle möglichen bunten Schmetterlinge, einen Tukan und Schildkröten.

Nachdem wir schon tausend Fotos gemacht hatten und dachten, wir hätten schon die schönsten Ausblicke gesammelt sind wir dann hoch ans „Ende der Welt“, den sogenannten Garganta di Diabo, was mehr oder weniger Teufelsschlund bedeutet.

Und keinen geringeren Namen haben diese Wasserfälle verdient!

Obwohl es brechend voll war, waren wir alle einfach nur hin und weg von diesen unglaublichen Wassermassen, die tösend und regenbogenschlagend vor uns in die Tiefe gestürzt sind. Es war vielleicht der beeindruckendste Anblick meines Lebens und die Bilder werden der Realität nicht einmal ansatzweise gerecht, trotzdem war meine Galerie danach so voll wie selten.

 

Abends haben wir dann ein wenig die Stadt unsicher gemacht, Souvenirs gekauft (vor allem ein Shotglas für meine neuentstehende Sammlung), gegessen und Karten gespielt und dann ging es dann auch schon für eine Nacht zum Flughafen, wo wir auf zusammengezogenen Kantinenstühlen geschlafen haben, denn unser Flug wurde schon wieder verschoben. Trotz der tropischen Hitze draußen war es im Gebäude ziemlich kalt, trotzdem haben wir es geschafft, das keine von uns krank geworden ist.

Und das war auch wichtig, denn am nächsten Tag um 9:00 Uhr stand das Zwischenseminar in Buenos Aires auf dem Programm, das zwar Online stattfand, aber in einem Hostel mit den meisten anderen Uruguay-Freiwilligen. Dazu wird es auch noch einen Eintrag geben – bei meinem aktuellen Tempo und der Unordnung der letzten Beiträge kann ich aber beim besten Willen nicht sagen, wann.

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Eu não falo português (Es kommt mir alles Spanisch vor)

Nach einigen eher programmleeren, beziehungsweise entspannteren, Tagen ging es in São Paulo nach Weihnachten erst einmal auf große Museumserkundungstour. Denn die Stadt mit seinen ca. 11,5 Millionen Einwohner*innen hat einiges zu bieten, wenn es um Kunst und Kultur geht.

Meine beiden Favoriten waren das Museu das Favelas und das MASP – Museu de Arte de São Paulo.

Kokosnusstrinken im Park

 

Traumfängerbaum (Sonhar)

Die Ausstellung des Favela-Museums ist in fünf Teile unterteilt: Ser (Sein), Existir (Existieren), Morar (Verweilen), Celebrar (Feiern) und Sonhar (Träumen) – Begriffe, die teils sehr Ähnliches und teils sehr Unterschiedliches zu meinen scheinen, die in dieser Ausstellung aber gut zueinander finden. Neben Informationen über Brasiliens Favelas (wie z.B., dass deren Anzahl in São Paulo sich von 2020 auf 2024 fast verdoppelt hat) wurden dort auch Texte, Bilder, Fotografien und Skulpturen ausgestellt, gemeinsam mit einigen Videos, Dokumentationen und Kurzfilmen.

Sehr viel Regen

Oberhalb gab es außerdem eine temporäre Ausstellung über die Band Racionais MC’s, welches die ikonische Karriere der Rapgruppe feiert und ihre Musik in den Kontext von Brasiliens Jugendkultur bettet.

 

Da es die meisten Texte nicht auf Englisch gab, war ich viel mit meiner Übersetzer-App unterwegs, tatsächlich habe ich aber gemerkt, dass man Portugiesisch doch recht gut verstehen kann, wenn man Spanisch spricht – teilweise habe ich mich in São Paulo und Rio de Janeiro auch zweisprachig spanisch-portugiesisch unterhalten, und bin mehr oder weniger gut damit durchgekommen.

 

Ein weiterer Favorit für mich war das MASP – das Museum der Künste in São Paulo, dass sich speziell auch mit queerer Geschichte und LGBTQIA+Sichtbareit in der Kunst befasst. Neben Werken von zeitgenössischen und vorherigen queeren Künstler*innen, die teils sehr berührend waren und auch in einer passenden Atmosphäre präsentiert wurden, fanden sich im oberen Teil aus Kunstwerke, die häufig mit queerer Identität oder queeren Themen in Verbindung gebracht werden. So konnte man im gleichen Raum wütende feministische Künstlerkollektive und van Gogh, Picasso oder Matisse sehen.

Eingang zum MASP

Für mich hat sich der Besuch auf jeden Fall gelohnt, auch wenn ich danach eine Stunde durch strömenden Regen nach Hause laufen musste – denn Sommer in Brasilien heißt tatsächlich auch Regenzeit.

 

Wieder im AirBnB angekommen wurde erstmas gepackt und entspannt, denn am nächsten Tag stand schon eine neue Etappe unserer Reise an: Rio de Janeiro, die Stadt des Sambas, der Strände, Sylvester, der Jesusstatue – und dem eigentlichen Höhepunkt unseres Sommer- und Weihnachtsurlaubs.

 

Ein paar Eindrücke aus dem MASP:

 

 

 

 

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Feliz Natal (Weihnachten in São Paulo)

 

Wie wir Weihnachten feiern würden, das war eigentlich schon auf dem Vorbereitungsseminar Thema. Von Buenos Aires bis Santiago de Chile wurden alle möglichen Städte in den Raum geworfen, nur eins war immer klar: mit so vielen Leuten zusammen, wie möglich.

Gruppenbild

Am Ende ging es also nach São Paulo, wo nicht nur ein paar weitere Freiwillige wohnen, sondern was vor allem auch auf dem Weg nach Rio de Janeiro liegt – unserem Ziel für Sylvester.

Nach ein-zwei kurzen Erkundungstagen der Stadt in der Regenzeit, einer Free-Walking-Tour, sehr viel Streetart, viel zu gutem Essen im japanischen Viertel, Buch-, Comic- und Thriftshops, etwas Reggae in einem Jamaica-Geschäft und einer exklusiven Tour durch das Atelier eines lokalen Künstlers hieß es dann also, das Weihnachtsessen vorzubereiten:

Ronja hatte die Gitarre dabei

Baumschmücken

Die insgesamt ca. 15 Freiwilligen haben entweder allein oder in Gruppen typisches Weihnachtsessen aus ihren Familien oder ihren Gastländern vorbereitet. Von Ofengemüse über Pfannkuchen, Linsensuppe, Apfelkuchen, Kartoffelsalat, verschiedene brasilianische Nachtische und Nudeln war wirklich alles dabei und würde auf der Dachterrasse erst kurz auf dem Büffet ausgestellt und dann auch gerne und schnell gegessen.

Generell war Wei

Unser Büffet für Weihnachten

hnachten bei 30 Grad für die meisten von uns eine neue Erfahrung, aber dann doch auch gar nicht so anders, als man viell

 

eicht glaubt. Denn auch wenn wir nicht bei unseren Familien sein konnten, waren wir von unglaublich lieben Menschen umgeben, haben gesungen, gelacht, Glühwein getrunken, uns beschenkt und getanzt.

Schon in den Tagen vorher hatten wir ein Wichteln organisiert, so dass für jeden am Ende etwas unter unserem, mit Mini-Diskokugeln geschm

Der Kühlschrank am Tag danach

ückten Laubbaum lag. Für mich gab es (wie so oft und gerne) Bücher und von einer Freundin noch einen Theaterbesuch, wenn wir wieder in Deutschland sind, auf den ich mich sehr freue.

Wenn auch vielleicht nicht unglaublich besinnlich war es für mich ein wunderschönes Weihnachtsfest, das mir auf jeden Fall in Erinnerung bleiben wird.

Die nächsten Tage waren vor allem von verschiedenen Parks, etwas Streetfood, Museen und gemütlichem Beisammensein geprägt – dazu wird es aber einen eigenen kleinen Beitrag geben.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, feliz navidad und feliz natal nach Deutschland!

Mikas und mein neues Profilbild

Die drei Mönchengladbacher

 

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La Ciudad Mágica (Der erste Wochenendstrip nach Buenos Aires)

Schon vor einiger Zeit, ungefähr Mitte Oktober, stand für uns die erste Auslandsreise an: Es ging nach Buenos Aires, die Hauptstadt Argentiniens.

Vor allem verglichen mit den wenigen Einwohner*innen in Uruguay war es unglaublich beeindruckend, ein paar Tage in dieser riesigen Stadt zu bleiben. Unzählige Museen, Parks, historische Gebäude, Cafés, vegetarische Restaurants, Märkte und Sehenswürdigkeiten reihen sich in diesem „Paris Südamerikas“ aneinander.

 

Lilli und ich bei der Brücke der Frau

Für mich war das Treffen allerdings vor allem von den Menschen geprägt, die ich dort wiedergetroffen habe: Einige der anderen kulturweit-Freiwilligen und zwei meiner Freundinnen aus meiner Heimatstadt Mönchengladbach: Anna absolviert selbst ein Volontariat hier in der Nähe und Lilli war tatsächlich nur für zwei Wochen in Chile im Urlaub. Das ist zwar auch noch mal ein Stück entfernt, aber nach einigem hin und her haben wir uns darauf geeinigt, dass wir uns, wenn wir schon auf dem gleichen Kontinent sind, dann ja auch auf jeden Fall treffen sollten.

Zusammen hatten wir ein wunderbares Wochenende. Die beiden zu sehen, obwohl ich teilweise davon ausgegangen bin, sie ein halbes Jahr nicht zu sehen, hat mich absurd gefreut und ich bin auch die Tage danach mit dem breitesten Lächeln rumgelaufen.

San Telmo

Ich bin absolut begeistert von dieser Stadt, habe mich sozusagen ein bisschen verliebt.

Sei es La Boca (wo ich fast zum Fußballfan geworden bin),

die Brücke der Frau,

das Segelmuseum (für 50cent),

die zahlreisen Märkte,

das ganze Viertel San Telmo,

Palermo,

die Theater (deren Stücke wir uns wohl nicht anschauen konnten),

oder auch die Preislage (denn auch wenn Buenos Aires für Argentinien ziemlich teuer ist, war es für uns aus Uruguay dann doch ziemlich billig).

 

Auch der Austausch mit den Buenos Aires – Freiwilligen hat mir sehr gutgetan. Persönliches Highlight war die Geburtstagsfeier zweier Mitbewohner*innen von einer befreundeten Freiwilligen auf der Dachterrasse der WG: Neben Livemusik, einem mehr oder weniger seriösen Salsakurs und dem leckersten Red Velvet – Cake der Welt (ohne Dulce de Leche, eine wahre Seltenheit hier) hatte ich das erste Mal die Möglichkeit, mit anderen Menschen als meinen Uruguay-Mitreisenden über das Erlebte zu sprechen, neue Treffen zu planen und Inspiration zu sammeln.

Wir haben gefeiert, gelacht, getanzt, eventuell auch ein wenig getrunken.

Für La Boca wäre ich fast Fußballfan geworden

Unsere kleine Rio de la Plata – Gruppe bedeutet mir unglaublich viel und auch generell fällt mir auf, dass ich mich diesem Landstricht fast noch mehr verbunden fühle als meinem Einsatzland Uruguay selbst.

Zusammengefasst werden meine Emotionen über diesen Riesen einer Stadt durch die Lyrics der Band Tan Bionica, welche ebenfalls von hier kommt:

 

Me gusta que seas tan dramática
Tus ojos dibujan una eternidad
Y está muy bien así
Por hoy no pienses más
Yo sé que lo necesitás
Me quedo con vos, yo sigo de largo, voy a buscarte
Qué noche mágica ciudad de Buenos Aires

Oder eben zu Deutsch:

Ich mag es, dass du so dramatisch bist
Deine Augen zeichnen eine Ewigkeit
Und das ist gut so
Für heute denke nicht mehr
Ich weiß, dass du es brauchst
Ich bleibe bei dir, ich gehe weiter, ich werde dich suchen
Was für eine magische Nacht, Stadt Buenos Aires

 

Etwas kitschig und vielleicht auch etwas überdramatisch hören wir das Lied trotzdem (oder gerade deshalb) sehr gerne und oft, wenn wir etwas zum Feiern haben.

Buenos Aires hat mein Herz, ich liebe diese Stadt – und während ich diesen Artikel (einen knappen Monat zu spät) schreibe, bin ich auch tatsächlich schon wieder hier.

 

Salsa auf der Dachterasse

Amiras Puddingcrossaint war eine 10/10

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„No eres de Fray?“ (Die ersten Wochen in unserer Einsatzstelle)

Die Rambla am Abend beim Matetrinken

Seit etwas mehr als zwei Wochen sind Amira und ich schon in Fray Bentos, der Hauptstadt des Departemento Río Negro in Uruguay, denn hier befindet sich unsere Einsatzstelle: Das Museum der Industriellen Revolution, welches seit 2015 auch als UNESCO-Weltkulturerbestätte gilt.

Mealprep für die Arbeit: Brot mit Avocado und Tomate

Nach unserer ca. 3-stündigen Busfahrt hat der Museumdirektor uns von der Busstation abgeholt und uns kurz in unsere Wohnung übergesetzt. Dort angekommen mussten wir uns erstmal ein wenig akklimatisieren, denn sie war in deutlich schlechterem Zustand als angenommen und des Weiteren ziemlich dreckig. Unsere erste Herausforderung war es also, auf Spanisch mit der Vermieterin zu diskutieren und eine Reinigung und Reparatur des Fensters zu bekommen, was uns jedoch auch mehr oder weniger gut gelungen ist: Inzwischen regnet es nicht mehr rein, aus dem Loch in der Wand kommen keine Spinnen mehr und so sauber, wie die Wohnung jetzt ist, schaut sie eigentlich ganz ansehnlich aus.

Der Blick von unserem Dach

Außerdem ist der Weg zur Arbeit nicht weit, so dass wir jeden Dienstag bis Samstag (Sonntag und Montag haben wir – meistens – frei) morgens entspannt 25 Minuten zum Industriegelände gehen können – direkt an der Rambla entlang und mit wunderschönem Blick auf den Fluss, an dessen anderem Ufer man bereits die Lichter aus Argentinien sieht.

Insgesamt ist die Stadt mit seinen ca. 25.000 Einwohner*innen zwar recht klein, aber auch wirklich hübsch mit einigen schönen Parkstücken, Uferpromenaden, zwei Häfen und interessanten Gebäuden. Außerdem ist so alles in Gehweite: Der Supermarkt (in dem es Avocado für 13ct, aber auch Hummus für 8€ gibt), das Ufer, das Fitnessstudio und auch die Sporthalle, denn ich habe es tatsächlich – entgegen vorheriger Erwartungen – geschafft, eine Volleyballgruppe zu finden. Leider wird zwar nur einmal

Meine neue Volleyballmannschaft

die Woche trainiert, doch dafür erinnert sie mich sehr an mein Hobby-/Mixed-Training von Zuhause – abgesehen natürlich von der Tatsache, dass ich kaum ein Wort verstehe. Denn während mein Spanisch zwar reicht, um mich auf der Arbeit und in direkten Gesprächen zurechtzufinden, ist es doch etwas vollkommen anderes, wenn in einer Halle mit 30 Menschen alle durcheinander schreien und sich übereinander lustig machen – spaßhaft zwar, aber mit einem Vokabular, das man nicht unbedingt in der Schule lernt.

Amira auf dem Weg von unserem Wohnungsdach

Abgesehen davon sind unsere sozialen Kontakte sehr von unseren Arbeitskollegen geprägt (vor allem von Nicolas, der uns auch manchmal so Events mitnimmt oder hinfährt), außerdem von den Grundschulkindern, die wir auf einer Führung kennengelernt haben und die uns jetzt immer hinterherrennen, wenn wir sie wieder sehen, und einer Gruppe von Studierenden der UTEC – der technischen Universität, die uns mehr oder minder in ihren Kreis mitaufgenommen haben.

Auf der Arbeit selbst haben wir zwar hin und wieder Leerlauf, meistens findet sich aber gut etwas zu tun – wenn nicht für Führungen und Recherchen selbst, dann für eine der anderen Aktivitäten, die hier stattfinden, denn das Museumsgelände fungiert auch als Veranstaltungsgelände für Tanzkreise, Schachturniere oder andere Events s, außerdem befinden sich hier auch ein Boxring, ein Labor und ein Hafen.

Unser Mitarbeiter Nico auf dem Dach der Kühlkammern

Besucher*innen der regulären Führung des Museums sind neben Schulklassen, die man immer gut an ihren weißen Kitteln und teilweise den marineblauen Schleifen erkennt, auch einige Europäer*innen, vor allem aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden oder sonst woher. Für sie wird die Tour auch auf Englisch angeboten – eine Aufgabe, die Amira und ich vielleicht auch bald übernehmen werden.

Ein Highlight war auch der Día del Patrimonio (Tag des Denkmals), der dieses Wochenende stattgefunden hat, und im Museum mit einem Weintasting gefeiert wurde. Klingt erstmal unpassend, tatsächlich hat der Wein in Uruguay jedoch nicht nur aktuell Jubiläum und lange Tradition, sondern war auch prägend für die Immigrations- und Industriegeschichte des Landes – genau wie die LEMCO (Liebig Extract of Meat Company), also die Fabrik, auf dessen ehemaligem Gelände das Museum heute steht. So wirklich begeistert, Samstag und Sonntag dafür zu arbeiten waren Amira und ich zwar anfangs nicht, aber alles in allem war es eine wirklich lustige Erfahrung und wir haben einige interessante Gespräche führen können – und das ein oder andere Gleis Wein gesponsert bekommen.

Caballos! (Pferde!)

Weitere Besonderheit des Museums, bzw. der ganzen Stadt, sind die Tiere. Und damit meine ich nicht die bunten Vögel (von denen gibt es zwar auch genug, vor allem die grünen Papageien und Rotschopfangaren sind selten zu überhören) oder die Schlangen (bisher haben wir nur zwei sehr kleine Exemplare gesehen), sondern vor Allem die Pferde und Hunde, die weder über Halsband und Halfter, noch über Leine und Strick verfügen, und frei in der Stadt herumlaufen. Auf dem Industriegelände grast eine ganze Herde, durch die man immer durchlaufen muss, wenn man zum Casa Grande (einem anderen Ausstellungsraum) möchte.

Anscheinend ist es typisch für die Region, seine Tiere einfach umherstreunen zu lassen und davon auszugehen, dass sie wiederkommen.

Blick über das Fabrikgelände

Diese Mentalität – es tranquil, also langsam angehen zu lassen und davon auszugehen, dass schon alles gut wird – ist generell recht bezeichnend für diese Stadt, in der weder wirklich viel noch wirklich wenig passiert und jeder einen direkt darauf anspricht, wenn man Deutsch redet. „No eres de aqui?“ (Du bist nicht von hier?) oder „No eres de Fray?“ (Du bist nicht aus Fray / Fray Bentos?) sind Sätze, die ich fast täglich höre und die gewissermaßen auch zu den Sätzen passen, die ich selbst am häufigsten sage: „Qué?“ (Was?/Wiebitte?), „Otra vez, por favor“ (Sag das noch mal, bitte), „Puedes repertirlo/explicarlo?“ (Kannst du das wiederholen/erklären?) und „No sé/entiendo“ (Ich weiß es nicht / Ich verstehe es nicht). Denn dass das Spanisch hier vor Ort ganz anders klingt, als in Spanien oder den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern war mir zwar klar, aber gerade der breite Dialekt unseres Kollegen Mica, oder der Slang des Jugendlichen stellen mich täglich vor Herausforderungen. Herausforderungen wohlgemerkt, die durchaus zu meistern sind und bei denen ich dann doch Vertrauen in mich und meine Mitfreiwilligen habe, dass wir sie überwinden werden.

In diesem Sinne lässt sich wohl zusammenfassen, dass ich nicht nur gut angekommen und mich eingelebt habe, sondern dass ich auch schnell mehr über diesen Ort und seine Sprache lerne und davon ausgehe, noch viele weitere spannenden Menschen kennenzulernen.

Der Hafen von Fray Bentos

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