Es ist Sommer in Fray Bentos.
Mit drei Ausnahmen sind alle unsere Unifreunde noch bei ihren Familien, entsprechend entspannt ist unser Alltag – wobei das auch an der Hitze liegen kann, denn die wird hier sehr ernst genommen:
Mein Volleyballtraining beginnt jetzt erst um 21:30 Uhr und auf dem Rückweg nimmt mich eine Mannschaftskollegin auf dem Motorrad mit, damit ich weniger laufen muss,
es hängen Plakate mit Tipps für richtiges Verhalten im Sommer aus,
und auf dem Weg zur Arbeit wechsel ich trotz des Wachhunds für den letzten Block nicht die Straßenseite, damit ich länger im Schatten gehen kann, denn es sind schon um 9:00 Uhr 31 Grad ohne Wolken am Himmel. Besagter Wachhund starrt mich von seinem Schauplatz an und bellt mir nach, aber seine üblichen Versuche, nach mir zu schnappen, bleiben aus: Dafür müsste auch er sich einmal durch die Sonne bewegen, wozu er augenscheinlicher und verständlicher Weise nicht bereit ist.
Selbst die Papageien halten den Schnabel und sparen ihre Kräfte.
Verbrannt sind wir bisher auch noch nicht, was einfach daran liegt, dass wir zwischen Arbeitsende und Sonnenuntergang effektiv… nichts tun, wofür man draußen sein muss. Nur ins Fitnessstudio gehe ich ironischer Weise häufiger als sonst, weil das Gymansio Urbano ein besseres Klimaanlagensystem hat, als unsere Wohnung und ich dort selbst bei Anstrengung weniger das Gefühl habe, wegzuschmelzen, als in meinem Zimmer.
Doch während das alles relativ leidend klingt, genieße ich in erster Linie den Sommer:
Mit unserem Arbeitskollegen Nicolas fahren wir an den Strand,
trotz der hohen Preise gönnt man sich mal ein Eis,
wir gehen mit unserem Chef segeln,
treffen uns nachts mit unseren verbliebenen Freunden,
trinken Mate in unserem Büro mit der Klimaanlage auf 16 Grad,
spielen am Fluss Karten,
und kaufen bei El Dorado Wassermelone, weil die aktuell für 25 UYU (ca. 0,55€) pro Kilo im Angebot ist.
Alles in allem lässt es sich sehr gut leben, wenn auch einfach etwas langsamer als sonst. Alle drei Wochen regnet es auch mal und kühlt etwas ab, dann fasst mich doch manchmal der Ehrgeiz, morgens laufen zu gehen, aber wenn man mal nichts geschafft kriegt, sind alle entspannt: Sommer in Südamerika ist Self Care – Zeit.
Und gerade nach unseren ereignisreichen Urlauben in São Paulo (über den es schon einen Blogartikel gibt) und Rio de Janeiro (über den ich auch noch einen Artikel schreiben werde… denke ich) nehmen wir die Ruhe gerne hin, immerhin steht bald schon der nächste Trip an…
Außerdem passiert doch immer etwas in der “mejor ciudad de américa del sur” wie wir unsere Kleinstadt manchmal liebevoll nennen, wofür wir von den Anwohnern nur ungläubiges Kopfschütteln ernten: Die anderen Freiwilligen besuchen uns, es sind Candombe-Umzüge, unser Tangokurs findet wieder statt und auf der Arbeit gibt es von Nachtführungen durchs Museum und Musikprojekten mehr oder weniger erfolgreiche Events.
Außerdem ist es ein lustiges Gefühl, aus Deutschland Bilder von vereisten Straßen geschickt zu bekommen, während man selbst auf den Wetterbericht mit 38Grad und UV-Faktor 14 schaut.