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Marmor, Stein und Orientierung bricht (Patagonien III: Puerto Río Tranquilo)

Als wir in Chile ankommen habe ich, ehrlich gesagt, etwas Angst. Zu behaupten, ich hätte viel für diese Reise geplant, wäre eine dreiste Lüge, aber ein Zwischenstopp auf unserem Roadtrip geht dann doch tatsächlich auf meine Kappe: Die Marmorhöhlen in Puerto Río Tranquilo, Chile. Blöd nur, dass ausgerechnet die ziemlich abseits von unserer eigentlichen Strecke liegen und der Weg dorthin dazu noch über eine Schotterstraße führt, die in der Nacht unserer Ankunft von Mika und Julius auf alle erdenklichen Weisen beschimpft wird.

Mehrfach kriege ich (halb) spaßhaft gesagt, dass diese Höhlen die Mühen hoffentlich wert sind, zumal man auch sonst nicht auffallend viel in der Gegend machen kann.

Also hieß es am Morgen nach unserer 15h Autofahrt durch die (tatsächliche) Pampa aufstehen, fertig machen und zur Bootstour. Ausgestattet mit wunderschönen grünen Regencapes (wie ich mich zu erinnern glaube, dass mein Vater mir mal einen für Lützerath andrehen wollte) und Rettungswesten ging es dann, gemeinsam mit einer chilenischen Reisegruppe, aufs Motorboot.

Wir hatten angegeben, die Erklärungen auf Spanisch haben zu wollen, obwohl man uns vorm chilenischen Dialekt gewarnt hatte und wurden auch angenehm überrascht: Selten habe ich jemanden getroffen, dessen Aussprache ich so angenehm fand, wie die unseres Guides.

Vorbei an wunderschönen Inseln, die Julius und ich gerne jede einzeln besucht hätten, vereinzelten Häusern zwischen den Felsen, einem Schiffwrack und extrem hübschen Stränden haben wir etwas über die Geschichte des Marmorabbaus und -handels in Südamerika gehört.

Im zweiten Teil der Tour ging es dann in die ersten Höhlen mit ihren blau-grauen Musterungen, dem kristallklaren Wasser und den schmalen Gängen, aus denen man sicherlich noch eine eigene Führung hätte machen können.

In einer der Höhlen sollten wir den abgeschlagenen Stein berühren, an dem man noch die Meißelspuren spüren konnte, und uns etwas wünschen – ein Grad an Esoterik, an den wir uns inzwischen alle gewöhnt haben. Also halb rausklettern aus dem Boot, an die Marmorwand fassen, die Augen schließen und – obwohl man nicht dran glaubt – trotzdem für eine Sekunde hoffen, dass der Wunsch dann doch deswegen in Erfüllung geht.

Krönender Abschluss der Fahrt waren die bekannten Marmorformationen mitten im See: Die „Kapelle“ und die „Kathedrale“ – mein persönlicher Lieblingsteil kam jedoch erst danach: Die Rückfahrt im Motorboot durch den, inzwischen ordentlich aufgewühlten, See. Ich habe mich gefühlt wie auf einer Achterbahn und kann mir auch nicht vorstellen, dass unser Boot eine TÜV-Prüfung bestanden hätte, dafür konnte ich mit dem Tourguide und dem Steuermann etwas lachen und quatschen und hatte seit langem nicht mehr so viel Spaß.

Mittags wieder in unserer Unterkunft war ich also beruhigt: Allen hatten die Höhlen gefallen und für einige war es sogar ein Highlight – die Horrorstraße samt Grenzüberquerung hatte sich also gelohnt.

 

Weil Julius und ich danach noch etwas Bewegung brauchten, aber auch nicht noch mal mit dem Auto rausfahren wollten, sind wir danach querfeldein den Berg hoch, auf der Suche nach einer dubiösen Wanderroute, die wir nur auf einer einzigen App eingezeichnet fanden. Die fanden wir zwar nicht, dafür aber einen Felshang mit perfektem Blick auf den See und die Anden dahinter, wo wir uns etwas Brot teilten und uns etwas die Zeit verloren haben beim Diskutieren, In-Erinnerungen-schwelgen und dem generellen Austauschen. Ein richtig langes Gespräch zu zweit hatten wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr, aber es hat sich wunderbar angefühlt – und auch etwas verrückt, immerhin sind wir doch irgendwo nur zwei Mönchengladbacher, die jetzt in den chilenischen Anden nebeneinander in der Sonne saßen.

Als wir uns dann aufgerafft hatten ging es – natürlich (vamos arriba) – weiter nach oben. Über ein paar Zähne und Felsen, an Dornen und einer Klippenwand vorbei suchten wir uns einen Weg, wenn es denn schon kein Ziel gab. Mit unserer Ausbeute war ich deutlich zufriedener als Julius, der prompt eine Skale für die Weghaftigkeit von Wegen erfand und meiner Kraxelpartie 6 von 100 Punkten verlieh – eine maßlose Übertreibung, meiner Meinung nach. Etwas Klettern und Disteln aus der Kleidung ziehen gehört ja wohl schließlich dazu.

Auf dem Rückweg sind wir dann noch zwei Bullen über den Weg gelaufen, denen wir jedoch relativ egal waren – sicherhaltshalber haben wir aber trotzdem eine Steinwand zwischen uns und diese Tiere gebracht, die zu 50% nur aus Nacken bestehen.

Und so waren wir nach einigen Stunden wieder zurück, hatten etwas zu erzählen und konnten nach dem Kochen und Essen auch bald einschlafen, denn am nächsten Tag hieß es (mal wieder…) früh aufstehen und ziemlich lange im Auto sitzen.

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