Deutsches in Hanoi?

Eine kleine Geschichte aus meinem Leben in Hanoi.

An einem regnerischen Tag, an dem ich nachts zum ersten Mal unter der Decke statt auf ihr geschlafen hab und an dem man sich zum ersten Mal vorstellen konnte, dass es hier doch kalt werden könnte in einer zeitlich nicht allzu fernen Zukunft (gefühlsmäßig ist mir der Winter aber sehr fern bei 30°C jeden Tag), kam ich auf dem Rückweg von einer Schule am berühmten Ho Chi Minh Mausoleum vorbei. Mit einem leeren Kaffeebecher in der Hand hab ich mich mal wieder gewundert über so extrem viel Verehrung für diesen Mann. Ja, er hat eine entscheidende Rolle gespielt bei der Unabhängigkeit Vietnams von den Franzosen und im folgenden Vietnamkrieg (der hier allerdings Amerikanischer Krieg genannt wird – eine treffendere Bezeichnung finde ich), für seine Hingabe für Vietnam hat er schon Respekt verdient. Er ist aber überall und immer präsent – so sehr, dass es fast schon gruselig ist.
Im Gegensatz zum Euro, bei dem auf jedem Schein ein anderes Bild ist, sind hier zwar die Farben unterschiedlich, aber von jedem Schein beobachtet mich Onkel Ho kritisch. Du gibst schon wieder 40 000 Dong für eine Kokosnuss aus? Ist die neue Handyhülle wirklich nötig? Du möchtest schon wieder ein neues Oberteil kaufen? Wie kapitalistisch. (Es ist halt so lecker, ich brauch wirklich eine neue Handyhülle und an dem Shirt bin ich schon 5 Mal vorbeigelaufen und fand es jedes mal toll!) In jedem Klassenzimmer beobachtet er die Schüler von seinem Ehrenplatz direkt über der Tafel und in jedem Geschäft, das Gemälde und Bilder verkauft ist er ebenfalls vertreten. Außerdem scheint es, als gebe es nur ein Bild von diesem Nationalheld – er sieht immer genau gleich aus:

 

Mit einem 200 000-Schein in der Hand kommt man sich schon reich vor, oder? Das entspricht ca. 8 €…

Manchmal gibt es dieses Gesicht auch elegant-lässig wie eine barocke Dame auf einem Sessel sitzend.

Neben diesen Gedanken halte ich Ausschau nach einem Müllcontainer (ja, es gibt hier eine Art Müllabfuhr, die im Großen und Ganzen auch genutzt wird) und nachdem ich fast schon die Hoffnung aufgegeben habe und mich mit dem Gedanken anfreunde, durch den Kaffeebecher und meinen Regenschirm den Rest des Weges beide Hände voll zu haben, erblicken meine müden Augen einen Mülleimer. Aber was für einen! Dieser Mülleimer unterscheidet sich aber stark von den großen grünen Containern, die normalerweise meinen Müll entgegennehmen. Er ist klein und grau und sehr sauber. Und vor allem ist er zweigeteilt und auf Englisch beschriftet:

Mülltrennung in Hanoi? Könnt ihr euch meine Überraschung vorstellen? Ich, Kind des pingeligen, mülltrennenden Deutschlands, finde in einem Land, das für mich bis jetzt eher wenig Ähnlichkeiten zu Deutschland hat, etwas so Deutsches! Mülltrennung gibt es nicht mal in allen Nachbarländern Deutschlands! Und dann treffe ich hier in einer asiatischen Großstadt, zu der mir wirklich nicht als erstes die Bezeichnung ‚umweltfreundlich‘ einfallen würde, auf diesen zweigeteilten Mülleimer.
Mein Auftrag bzw. die Mission aller kulturweit-Freiwilligen, die deutsche Kultur und Lebenswelt im Ausland zu vertreten und einen Austausch zu fördern, scheint ja nicht ganz fruchtlos zu sein, ein kleines Stückchen Deutsch ist hier angekommen, direkt neben dem Grab des kommunistischen Anführers Vietnams. Was für ein Erfolg!
Leider habe ich außer ihm (dem Mülleimer) und seinem Zwilling ein paar Meter weiter keinen anderen getroffen.

Es gibt sogar noch andere Produkte aus Deutschland, bei denen ich wirklich zwei Mal hinschauen musste, so irritiert war ich auf einmal deutsche Wörter zu lesen.

Die guten Alnatura-Haferflocken erfeuen mein Müsli-Herz. Ich hoffe aber immer noch die Seitenbacher Verwöhnermischung zu finden – das wäre Wolke 7!

 

Die Leibniz Butterkekse werden mit der deutschen Flagge auf der Verpackung beworben. Außerdem gibt es auch Haribo-Gummibärchen, Ritter Sport und Milka Schokolade.

 

Am EUNIC-Tag, dem Tag der europäischen Sprachen, der im Goethe-Institut gefeiert wurde, kam ich sogar in den Genuss von Brezeln! So gut wie von der Bäckerei Frick daheim waren sie zwar nicht, aber nach langer Abstinenz trotzdem eine Gaumenfreude.

 

Nicht nur ich liebe hier die Alpen! Und 13 500 Vietnamdong entsprechen ca. 54 Cent – diese Alpenliebe ist also recht erschwinglich.

 

Die Bremer Stadtmusikanten sind sogar bis nach Hanoi gereist! In einem Laden mit dem klingenden Namen „hulala“ gibt es dieses hübsche Stück deutsches Kulturgut.

Natürlich gibt es auch eher zu erwartende Produkte wie deutsche Autos, wovon man jedoch recht wenige sieht, und Trikots der deutschen Fußballnationalmannschaft und von Bayern München. Etwas weniger erwartet war der deutsche Herd, der sogar auf deutsch beschriftet ist, meiner Mitpraktikantin Britta.

Verrückt, was für weite Wege manche deutsche Güter zurücklegen, oder?

Liebe Grüße,
Theresa