Vor Kurzem habe ich von meinem »kulturweit«-Nachfolger Max erfahren. Sofort musste ich daran denken, wie es mir vor einem Jahr während der Vorbereitungsphase zu meinem Freiwilligen Sozialen Jahr gegangen war, und möchte euch in einer Retrospektive ein wenig in meine Erfahrungen und Empfindungen aus dieser Zeit eintauchen lassen.
Als ich die E-Mail von »kulturweit« öffnete und meine Zusage las, freute ich mich riesig, die Auswahlkommission von mir überzeugt zu haben. Gleichzeitig war ich aber auch misstrauisch, ob ich wirklich ein Jahr nach Polen gehen sollte. Auch ich hatte vor meinem FSJ Vorurteile unserem östlichen Nachbarland gegenüber. Und dann noch diese Stadt, von der ich nie gehört hatte und die ich nicht mal auszusprechen wusste, ohne eine polnischstämmige Mitschülerin zu fragen – Piła.
Sofort recherchierte ich ausführlich im Internet, was es mit dem Ort auf sich hat. Ich schaute mir dutzende Male die Stadt aus der Vogelperspektive an, ließ mir Geschäfte und Einrichtungen anzeigen, durchforstete deren Homepages. Ich stieß auf etliche Banken, Bekleidungsgeschäfte und Lebensmittelläden – und auf den Aquapark. Außerdem schaute ich mir die Lage der Schule an, erkundete die Umgebung anhand von Bildern fremder Leute. Ich versuchte, die Schulhomepage zu durchblicken, was ohne Sprachkenntnisse nicht sehr ergiebig war. Neben Veranstaltungsfotos des Theaterstücks Romeo & Julia entdeckte ich schließlich einen Stundenplan, der mir immerhin schon mal etwas über die Unterrichtszeiten, aber wenig über den Deutschunterricht sagte – wie sollte ich auch ahnen, dass Deutsch niemiecki heißt?
Erst nach und nach erreichten mich über meine Mentorin detailliertere Informationen über die Stadt und das Liceum. Und außerdem über meinen Wohnort, das Studentenwohnheim. Auf einer Internetseite bekam ich die Adresse heraus, aber leider war es – wie sich später herausstellte – die von der Hochschule. Das hatte zur Folge, dass ich der Aussage meiner Mentorin, das Wohnheim befände sich nur fünf bis zehn Gehminuten von der Schule entfernt, nicht ganz Glauben schenken wollte – und dass mir die Stadt auf der Karte noch kleiner vorkam, als sie tatsächlich ist.
Meine Empfindungen wechselten sich nahezu stündlich ab – von Vorfreude über Gespanntheit bis hin zur lähmenden Unsicherheit. Das änderte sich bis ins Vorbereitungsseminar kurz vor meiner Abreise nicht. Die gesamte Unwirklichkeit fiel erst von mir ab, als ich am 19. September 2011 in Piła auf den Bahnsteig trat und von meiner Mentorin und ihrem Mann in Empfang genommen wurde. Als sie mich durch einen Teil der Stadt ins Studentenwohnheim fuhren und ich mein Zimmer bezog. Als ich am nächsten Morgen das Liceum und einige Gesichter, die mich die nächsten neun Monate umgeben sollten, vor mir sah.
Auf all diese Augenblicke war ich lange gespannt gewesen. Mit meinen Vorstellungen hatten sie wenig gemein. Und trotzdem genoss ich die zahlreichen kleinen Schritte in die Realität. Sie zeigten mir, dass ich mein Leben in der Hand habe, dass ich eine Entscheidung getroffen hatte, die es auszukosten galt. Für mich begann ein neuer Abschnitt, der mir immer wieder vor Augen führte, was das Eintauchen in eine unbekannte Umgebung so lohnenswert macht.
Ich wünsche all den jungen Mutigen der nächsten »kulturweit«-Generation die besten Erfahrungen – auch während der Vorbereitungszeit. :)