Liebe Leserinnen und Leser,
nach langer Zeit kommt mal wieder ein Lebenszeichen aus dem fernen Dakar.
Der erste Monat ist wie im Flug vergangen! Es gibt viel zu erzählen:
Mittlerweile habe ich mich gut gewöhnt an den Hitze-/Lärm-/ und Staubpegel Dakars. Bei mindestens 4 Litern Wasser am Tag und gut gewählten Ausgeh-Zeiten ist das alles ertragbar. Inzwischen finde ich auch recht gut von A nach B – solange es nicht schnell gehen muss. Denn obwohl das Bussystem wirklich viele Orte erreicht, kann man sich nicht wirklich auf die Regelmäßigkeit verlassen. Wenn man doch mal „pressée“ sein sollte, gibt es ja sowieso genug hupende Taxis, die einen – nach etwas Verhandeln – gerne durch die Stadt kutschieren.
Die Wohnsituation: Zuerst ist Franzi nach Saint-Louis gezogen und dann auch Johanna in ein anderes Viertel Dakars. Am Sonntag hat mich nun auch Clara verlassen und wohnt jetzt mit einem Franzosen in einer WG.
Seit einer Woche machen wir zusammen einen Sprachkurs im Institut Français, der unsere Aufsteh-Zeit erstmal zwei Stunden in die Früh verschoben hat. Doch auch der weite Weg ins Plateau-Viertel ist mit der richtigen Buslinie gemeistert.
Der Französischkurs ist leider nur mittelmäßig zufriedenstellend. Clara und ich sind im Gegensatz zu den anderen erwachsene(re)n Teilnehmern noch ziemlich auf das effiziente Lernen gepolt und es geht uns deshalb oft zu langsam. Aber das konzentrierte Beschäftigen mit der Sprache ist natürlich trotzdem sinnvoll und bringt uns hoffentlich weiter.
In einem waghalsigen Moment habe ich mir die sieben (französischen) Harry Potter Bände aufs Kindle geladen. Das Lesen geht immer besser und macht wirklich Spaß, da ich den Inhalt ja wirklich gut kenne und mir fehlende Vokabeln nie raussuchen muss. Mittlerweile ist Harry auch in „Poudlard“ angekommen und schwingt sein „baguette magique“ (magisches Baguette. MAGISCHES BAGUETTE).
Unter der Woche bin ich meistens ziemlich erschlagen, viel Energie für Unternehmungen bleibt mir selten übrig. Einige Male haben wir uns zum Sport aufgerafft und waren vor der Arbeit im Piscine Olympique schwimmen. Zu dem Komplex gehört auch eine Salle Gymnastiqe, in der für wenig Geld angeleitete Kurse stattfinden (1000 CFA; 1,50 €). Besonders lustig ist „Batons“: Zu ohrenbetäubender Musik wird mit langen Stöcken gesportelt.
Ansonsten sind unsere abendlichen Aktivitäten normalerweise Kochen, Essen, Filme, Lesen, Spielen, Malen und Nähen. Wie in Deutschland könnte ich also auch hier definitiv ein paar Jahrzehnte älter sein. Aber es ist genau richtig so!
Am Wochenende werden diese Aktivitäten durch Ausschlafen, Bananenpancakes und Ausflüge ergänzt.
In chronologischer Reihenfolge (die Ausflüge der ersten Tage sind im „Alphabet der ersten Woche“) –
Marché Kermel
Ein großer Markt in einem kreisrunden Gebäude, welches an die Kleinmarkthalle erinnert. Hier kann man scheinbar alles Essbare bekommen, was das Herz begehrt. In unserem Fall waren das Yassa-Gewürze (köstlich). Leider herrscht ein ziemlich durchdringender Fischgestank vor, deshalb sind wir recht schnell wieder raus geeilt.
Les Almadies
Ein schickes Viertel Dakars voller Hotels und der US-Amerikanischen Botschaft. Kein Wunder, denn hier liegt der westlichste Punkt Afrikas. Zu unserer Überraschung war dieser überhaupt nicht touristisch aufgemacht. Vielleicht waren wir auch eine Ecke davon entfernt? Der öffentliche Strand ist nicht so schön, aber die Maiskolben am Straßenrand dafür sehr lecker (obwohl es die eigentlich überall gibt).
Île de Gorée
Der wohl meist besuchte Ort Dakars. Die Insel liegt mit der Fähre 20 Minuten vor der Stadt und ist wunderschön grün. Von Touristen belagert ist sie aber vor allem wegen ihrer tragischen Geschichte: Sie ist ein Erinnerungsort für die ungeheure Anzahl der Menschen, die als Sklaven über den Atlantik verschleppt wurden. Die „Maison des Esclaves“ ist das bekannteste Symbol für diese Gräueltaten.
Konzert im Institut Français
Mit leckeren Cocktails war es ein wunderschöner Abend im Institut Francais. Zu senegalesischen und internationalen Liedern wippten wir erstmal nur mit den Zehenspitzen, bis uns Aisha, eine Tanzlehrerin, mit der wir uns davor angefreundet hatten, mit Nachdruck auf die (von ihr erkorene) Tanzfläche zog.
Musée Théodore Monod
Im recht großen Museum zu afrikanischer Kunst waren wir ziemlich lange ganz allein. Sehr schade, denn es hat echt sehr interessante Stücke zu bieten!
Île de Ngor
Dort waren wir am Tag der Deutschen Einheit (für uns frei wegen des Goethe Instituts), der günstigerweise ein Mittwoch war – es war echt nicht viel los. Diese kleine Insel liegt mit der Pirogue (ein längliches, buntes Boot) gute fünf Minuten vor Dakars Küste. Wenn man die ganze Zeit von Großstadtlärm umgeben ist, schätzt man ein bisschen Ruhe so sehr! Und die Insel ist wirklich ein kleines grünes Paradies mit wunderschönen Stränden.
Marché HLM
HACH! Dieser Markt ist ein wahr gewordener Traum – der größte Stoffmarkt Dakars. Clara hat in ihrem letzten Blogartikel die überwältigende Farbenpracht wundervoll beschrieben, schaut doch mal da vorbei 😉 https://kulturweit.blog/baobablog/2018/10/12/marche-hlm/
Wir sind schon mehrmals wiedergekehrt und werden dort sicherlich noch viiiele Stunden vertrödeln.
Musée Leopold Sedar Senghor
Das („originale“) Wohnhaus des ersten Präsidenten Senegals. Wir hatten eine (ungewollte) Privatführung durch das riesige Haus, welches wirklich „Schöner Wohnen“ aus den Achtzigern sein könnte. In Regalen steht Kunsthandwerk aus aller Welt und Bücher von Ungarischer Poesie bis zu Skandinavischer Staatsform.
Zwar ein interessanter Besuch, aber es fühlt sich ziemlich komisch an, dass Pool und Garten perfekt im Stand gehalten werden, aber scheinbar recht abgetrennt von der Öffentlichkeit sind. Vor allem, da es öffentliche Parks oder so etwas nirgends gibt.
Plage de Yoff
Ein umwerfender Strand im Norden der Stadt. Als wir Samstagmittag dort antrafen, waren auf den 3 Kilometern Sandstrand praktisch keine Menschen zu sehen, außer einzelne bei einer Moschee und ein paar, die Schafe im Meerwasser wuschen.
Gegen Abend bevölkerte es sich dann doch, vor allem mit Fußball spielenden jungen Männern. Freunde von Johannas Tandem-Partner, mit dem sie Wolof/ Deutsch lernt, bereiteten uns Attaya, den traditionellen Grüntee, vor. Eigentlich zu süß, aber toll!
Wie man unschwer erkennen kann, leben meine Mitfreiwilligen und ich hier ziemlich idyllisch und komfortabel. Das ist zwar meistens sehr schön, aber fühlt sich doch in einigen Momenten total falsch an. Ich habe auf jeden Fall kein vollständiges Bild, bewegen wir uns doch an touristischen Orten und eher wohlhabenden Gegenden.
Aber die Armut ist doch auch so allgegenwärtig. Ab und zu strecken uns Kinder die Hände hin, kommen Bettler an die Taxitüren, bitten Leute vom Straßenrand um „pièces“, also Münzen. Und was machen wir? Wir schauen auf den Boden, schütteln den Kopf. Wie egoistisch kann man sein, wie empathielos? Wir wissen ja, was das Geld, was aus verschiedenen Quellen in unseren Aufenthalt hier fließt, an anderen Stellen absolut dringend gebraucht wird. Bis jetzt verdränge ich diese Fragen ziemlich.
Um fürs Erste zum Ende zu kommen, kurzer Blick auf die Zukunft:
– dieses Wochenende fahren Clara und ich nach Saint-Louis, um Franzi zu besuchen
– am 3.11. ziehe ich nach Kaolack
– vom 19.-23.11. ist aber schon wieder das Zwischenseminar in der Nähe von Dakar
– ich komme über Weihnachten nach Hause
Ah ja, wieder sind alle Fotos von Clara gemacht! AllesLiebe und passt auf Euch auf!
Nora x