Ich bin jedes Mal überrascht und begeistert, wenn ich hier einen der zahlreichen Parks erkunde. Am Montag Nachmittag war es wieder so weit. In unmittelbarer Nähe eines riesigen Stausees, an den man leider nicht herankonnte, spazierte ich (und verlief mich sogar ein bisschen) stundenlang durch einen sehr schönen Park, der um einen etwas kleineren See herumgebaut wurde. Bei so viel Grün, der Ruhe, dem schönen Duft der Blumen, Liegewiesen, Fischern und Vogelgezwitscher kann man fast vergessen, dass man in der Großstadt ist. Übrigens sieht es ein wenig so aussieht wie Herbst, weil die Blätter sich hier im Frühling färben und von den Ästen fallen und es fühlt sich so an, wie Sommer. Ach, wie ist das schön.
Unglaublich. Auf den Tag genau bin ich nun schon sechs Monate hier. In China. Ich kann mich noch genau an meine Ankunft erinnern, an das seltsame Gefühl, an den Ort zu kommen, an dem ich ein Jahr lang leben würde. Und jetzt ist schon die Hälfte um. Mehr als die Hälfte sogar. Manchmal kommt Panik auf. Nur noch so wenig Zeit! Ich werde niemals alles sehen können, was ich gerne sehen möchte! Panik vor dem neuen Lebensabschnitt, der danach auf mich wartet. Wo werde ich sein? Was werde ich tun? Doch vor allem Freude auf die Monate, die noch kommen. Nochmal fast sechs Monate voller so zahlreicher verschiedener, bereichernder, lustiger, verärgernder, unglaublicher, für immer in meiner Erinnerung bleibender Erlebnisse. Werde ich jeden Moment meiner Zeit in diesem faszinierenden Land genießen können? Ich werde mein Bestes geben.
Das Wochenende wurde mit dem Besuch eines Konzerts eingeläutet. Ein deutscher Dirigent beehrte das Shenzhener Konzerthaus.
Am Samstag und Sonntag machte ich mich trotz vergleichsweise niedrigen Temperaturen und Nieselregen auf, um ein paar Orte in Shenzhen zu entdecken, die ich sogar nach fast 6 Monaten hier noch nicht gesehen hatte.
Ich hatte eigentlich vorgehabt dem Künstlerviertel einen Besuch abzustatten, aber konnte es nicht finden, da ich an der falschen Metrostation ausstieg. Stattdessen kam ich jedoch in einen wunderschönen Park, in dem sehr schöne Blumen blühten. Eine Spaziergängerin, die sie begeistert fotografierte, fragte mich sogar, wie die Blumen hießen (jedenfalls habe ich das chinesische Wort für „Blumen“ in ihrer Frage verstanden). Obwohl ich anscheinend so aussehe, als verstehe ich sowohl etwas von Blumen als auch die chinesische Sprache, musste ich in beiden Fällen enttäuschen. Ein chinesisches „Ich weiß nicht“ brachte ich dennoch heraus, sodass es kein kompletter Gesichtsverlust war. Trotzdem genoss ich die entspannte Atmosphäre im Park, in dem man nichts hörte, außer Vogelgezwitscher und in regelmäßigen Abständen wiederkehrendes Gekreische vom benachbarten Amusement Park.
Nach einem ausgedehnten Spaziergang, der mich unter anderem zu einem Fake- italienischen-Dorfplatz, einem See und an zwei Golfplätzen vorbei führte , fand ich mich an einer Metrostation wieder, die zwei Stationen von der entfernt war, an der ich ausgestiegen war. Es gab ebenfalls eine Bushaltestelle und ich entschloss mich letzteres öffentliches Verkehrsmittel zu nehmen (ja, wenn man weiß, wie die Station heißt, an der man aussteigen muss, sind chinesische Buspläne nur noch halb so abschreckend), da ich so die Möglichkeit nutzen wollte, noch mehr von der Stadt zu sehen. Nach ca. 3 Stationen fielen mir jedoch die Augen zu. Das samstägliche Aufstehen um 7:00 Uhr bleibt nicht ohne Folgen…
Nicht minder müde, aber um einige chinesische Vokabeln reicher, machte ich mich am Sonntag Nachmittag nach zwei Stunden Chinesischunterricht auf den Weg zur Bookmall. Neben Büchern gab es dort, wie ich feststellte, zahlreiche süße Cafés, Läden, in denen man wunderbar stöbern konnte und eine Bookbar, in der man sowohl Bücher, als auch Kaffee/Tee und Snacks kaufen konnte, um es sich dann bei kuscheliger Atmosphäre gemütlich zu machen. Ganz begeistert war ich von dem Restaurant, das ich danach entdeckte, das so aufgemacht war, wie eine Wolfshöhle, inklusive Kellner, die Wolfsmützen trugen. Zugegeben hätte ich die Höhle sonst auch nicht unbedingt als Wolfshöhle ausmachen können.
Ich freue mich aufs nächste Wochenende, wenn die Entdeckungstour weiter geht. Hoffentlich gibt der Akku meiner Kamera dann nicht so schnell den Geist auf.
Bei jedem Gang durch das Haupttor des Campus komme ich an einer Anzeigentafel vorbei, an der die Namen der Postempfänger in roten Buchstaben (meist sind es chinesische Zeichen) angezeigt werden, die ihre Pakete oder Briefe im Pförtnerhäuschen abholen können. Mit der Zeit schweifte mein Blick immer öfter hinüber, in der Hoffnung, dass auch etwas für mich dabei war und jedes Mal war ich ein kleines bisschen enttäuschter, dass auch nach fast einem halben Jahr keine Post für mich gekommen war. Während meine Mitfreiwilligen nach und nach Pakete aus der Heimat bekamen, meldeten sich bei mir alle nur auf dem elektronischen Weg, was zwar auch nicht schlecht ist, aber selbst im 21. Jahrhundert die guten alten Briefe nicht ersetzen kann. Ich zweifelte schon daran, dass ich überhaupt jemals in dieses Pförtnerhaus gehen könnte, um etwas abzuholen, als mich eine Schülerin heute nach dem Unterricht darauf hinwies, dass sie dort eine Postkarte für mich gesehen hatte. Sofort ging ich ganz aufgeregt zum Haupttor und unter einem Stapel Postkarten aus aller Welt für die Schüler, entdeckte ich tatsächlich eine mit meinem Namen darauf. Sie war von meiner lieben Freundin und Mitfreiwilligen Jenny aus Pila – vom 6. Dezember. Anscheinend werden die Postkartenempfänger nicht an der Tafel angezeigt. Ich habe mich jedenfalls unheimlich gefreut!
Am Montag sollte ich eine Auszeichnung „for those who deserve to be appreciated“ bekommen, was ziemlich überraschend kam und ich weiß immernoch nicht, wofür genau.
Wie dem auch sei. Letzten Dienstag wurde ich früh morgens von einem Anruf geweckt. Man erwartete mich im Büro. Es ging, wie erwartet, um die bevorstehende Auszeichnung. Hatte ich noch insgeheim auf eine Übergabe eines Zettels im kleinen Kreis gehofft, wurden meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Ein ziemlich großes Event stand bevor, die Presse sollte dort sein und es sollte viele Auszeichnungen geben. Zu meiner Erleichterung wurde versichert, dass ich keine Dankesrede halten müsse, hatte ich seit meiner Inkenntnissetzung schon verzweifelt überlegt, was ich denn im schlimmsten Fall sagen sollte. Sollte ich auf Englisch reden? Oder doch lieber auf Deutsch? Erwarteten sie von mir etwa, dass ich meine Brocken Chinesisch zum besten gab? Sollte ich die Rede aufschreiben? Sollte ich meine Chinesischlehrerin erwähnen? Oder vielleicht meine Oma?
Gut, erster Punkt geklärt, aber da war noch eine Kleinigkeit. Es gab noch niemanden, der mir die Auszeichnung übergeben könnte. Ob ich denn einen Deutschen kenne, der etwas mit dem Programm zu tun habe und nach Shenzhen kommen könne, um die Aufgabe zu übernehmen? Ich überlegte. Kenne ich Deutsche hier? Meine Mitfreiwilligen und die Leute vom Goethe-Institut, die ich mit der Zeit kennengelernt habe kamen wegen der Entfernung und vollen Terminkalendern nicht in Frage. Müsse es denn unbedingt ein Deutscher sein? Ja, die Presse (hilfe, die Presse!) hätte gerne zwei Deutsche auf dem Foto. Bedauernd musste ich gestehen, dass ich nicht weiterhelfen konnte. Die Einladung eines Vertreters des deutschen Konsulats wurde dann doch nicht aufgelegt. Vielleicht doch etwas zu viel des Guten? Schließlich wurden ein Schüler und ein Lehrer, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, auserkoren.
Einige Schüler wurden ebenso auserkoren, um ein paar Fake-Unterrichtsbilder zu machen. Bei der Aufzeichnung sollten Fotos von mir gezeigt werden. Ich bereute sofort, dass ich in all den 5 Monaten hier immernoch kein Foto aus dem Unterricht gemacht hatte. Dies in der Deutschstunde am Nachmittag nachzuholen war ebenfalls unmöglich, da die Stunden sowohl am Dienstag als auch am Mittwoch ausfielen. Die Schüler hatten ein Basketballturnier.
Also traf ich mich nach der Schule mit Schülern, die nie in ihrem Leben Deutschunterricht gehabt hatten und gerade Mathe lernten in einem Klassenraum, um kurzerhand die Fotos schießen zu lassen. Die Glaubwürdigkeit sinkt erheblich dadurch, dass ich noch meine Jacke anhabe, aber ich habe wenigstens meine Tasche zur Seite gelegt. Es war auch kalt an dem Tag.
In der Nacht auf Montag hatte erstaunlich gut geschlafen. Pünktlich um 15:00 traf ich mich einer Sekretärin, die mich in einen für öffentliche Zwecke genutzten Raum, wo einige Sessel und auch eine Leinwand waren. Ich war beruhigt, denn anscheinend hatten sich die Pläne wohl geändert und es sollte doch eine kleine Feier werden. Als ich sah, wie schick alle angezogen waren, war ich froh, dass ich mich doch noch entschieden hatte, meinen bis dahin ungenutzt im Schrank hängenden Blazer angezogen zu haben. Als Kompromiss trug ich jedoch Chucks, da ich sonst nur Sandalen hatte. Das spiegelt besser den Alltag eines Freiwilligen wider, redete ich mir ein. Es stellte sich heraus, dass ich doch etwas sagen sollte. Leichte Panik stieg in mir auf, aber ich dachte, dass es vor den wenigen Leuten nicht so schlimm werden konnte. Ich unterhielt mich nett mit zwei Schülern über Unis in Deutschland, als es hieß, ich sei im falschen Raum. Also auf in ein anderes Gebäude, in dem die hohen Leute der Schule um eine große Tafel herum saßen, in den Reihen dahinter noch andere Leute. Dort nahm auch ich Platz und wurde mit Tee, Kuchen und Obst bedient. Auch nicht schlimm, dachte ich, das schaffst du schon vor dem Schuldirektor und den ganzen anderen sehr wichtig aussehenden Leuten etwas zu sagen. Ich wurde einigen Leuten vorgestellt, Ablaufpläne wurden verteilt und man versicherte mir, mir werde schon jemand sagen, was ich zu tun hatte. Der stellvertretende Schuldirektor richtete einige Worte an die ca. 30 Anwesenden. Langsam dämmerte es mir jedoch, dass das nur die Einführung war. Mein Sitzpartner erklärte mir, wann ich an der Reihe war und gab mir einen Zettel mit der Frage, die man mir auf der Bühne stellen würde: „As volunteer, would you ever have thought to be rewarded by those you helped?“ Tolle Frage, die man mit „Yes“ oder „No“ beantworten könnte. Ich versuchte mir etwas einfallen zu lassen, während wir uns auf dem Weg in die Sporthalle machten, in dessen 2. Stock die Schülermassen ebenfalls einströmten.
Die Tribünen der großen Halle waren fast alle besetzt. Ich erfuhr hinterher, dass fast 2000 Leute anwesend waren, darunter auch Gäste aus Shanghai und Beijing. Man führte mich in die Mitte der Halle, wo in der ersten Reihe vor der großen Bühne, neben den ganzen chinesischen Namensschildern, ein Platz mit dem Schild „Nuri“ reserviert war. Es fühlte sich alles sehr unwirklich an. Doch als es mit einem kleinen Film über die Schule losging, genoss ich es einfach nur noch. Schüler, die Clubs, wie den Umweltclub oder den Finanzclub gegründet hatten wurden ausgezeichnet, genauso wie Lehrer, die sich besonders engagiert hatten oder in Rente gegangen sind. Zwischendurch gab es auch einige Vorführungen des Chores. Ich tat es den meisten meiner Vorrednern nach und fasste mich kurz. Alles in allem war es doch nicht so schlimm wie ich erwartet hatte. Glücklicherweise durfte ich auf Englisch reden. Jedoch bezweifle ich, dass ich von allen verstanden wurde. Die Schule wurde von allen hochgelobt und es wurde uns wieder klar gemacht, wie toll die Shenzhen Mittelschule ist.
Nach der Veranstaltung wurden alle Ausgezeichneten zum Essen eingeladen. Wir mussten ständig aufstehen, als die wichtigen Leute der Schule von Tisch zu Tisch gingen um anzustoßen, bis die meisten Männer hochrote Köpfe hatten und das Festmahl, bestehend aus Garnelen, Muscheln, verschiedenen Gemüse- und Rindfleischgerichten, köstlichem Fisch, Ente und Orangen beendet war.
Auf dem Rückweg sah ich, dass am Schultor Plakate mit den Award-winnern aufgehängt wurden.
Auch wenn das Ganze nach meinem Geschmack ein wenig übertrieben war und meine Auszeichnung generell unnötig, finde ich, dass es in Deutschland ruhig auch mal Auszeichnungen für besonders engagierte Schüler oder Lehrer geben sollte. Meine größte Sorge jetzt ist jedoch, wie ich diesen Pokal nach Deutschland nehmen soll.
Deutsch-chinesischer Donnerstag
Heute habe ich mich das erste Mal mit einer deutschen Couchsurferin in Shenzhen getroffen, die hier als Au Pair arbeitet und mich angeschrieben und gefragt hatte, ob ich sie denn nicht mal treffen wolle. Natürlich sagte ich sofort zu und so trafen wir uns ganz Expat-mäßig in einer Mall am Window of the World um uns bei einem Kaffee bei Starbucks und anschließendem Sushiessen über unsere Erfahrungen hier auszutauschen. Es war sehr schön, doch nachmittags rief die Pflicht und ich fuhr für 1 1/2 Stunden Unterricht bei einer ungewohnt ruhigen Junior-Klasse zurück zur Schule.
Anschließend war ich -um meinen Expat-Vormittag auszugleichen- bei meiner lieben chinesischen Kollegin zum Essen eingeladen. Sie tischte ein wirklich gutes Essen auf. Es gab Hühnchen in zwei verschiedenen Varianten (eine davon mit Cola zubereitet), Taube, schwarfes Rind, ein Gemüsegericht, Fischsuppe und Reis. Falls es noch nicht aufgefallen ist: China ist etwas schwierig für Vegetarier, aber sehr lecker. Vor meinem Besuch hatte der 8-jährige Sohn noch die Wohnung geputzt, was er sonst auch nur ein Mal im Jahr tue, wie seine Mutter mir verriet. Den Staubsauger, den er dafür verwendet hatte war übrigens der erste, den ich hier in China außerhalb eines Supermarktes gesehen habe. Nach dem Essen unterhielt der nie müde werdende Junge uns noch mit einem kleinen Klavierkonzert, was sonst auch nie vorkomme, wie seine Mutter beklagte. Danach machte ich mich vergnügt, satt und mit der Einladung für ein nächstes Essen, das wir zusammen kochen auf den kurzen Weg nach Hause, wo ich einen Vortrag über Glück und Pech in Deutschland für die morgige Stunde vorbereitete. Ein gelungener Tag, finde ich.
Es war wieder Zeit. Das kleine Blättchen in meinem Reisepass schrieb mir vor, dass ich nicht mehr allzu viel Zeit in China hatte, es sei denn, ich kümmerte mich um einen Nachfolger. So schön Hongkong auch war und so gerne ich ein weiteres Mal vier Tage dort verbracht hätte, um am Ende meines Aufenthalts viel Geld für ein weiteres Visum zu bezahlen, um wieder einreisen zu dürfen, versuschte ich diesmal mein Glück in Shenzhen.
Kurz vor Ablauf meines Visums machte ich mich zusammen mit einer Sekretärin auf ins Securitybüro, oder sowas. Kurz vor Ende der Mittagspause hatte sich schon eine kleine Anzahl von Leuten angesammelt, die sehnsüchtig darauf warteten, dass sich die Türen öffneten, um sie näher an ihre Aufenthaltsgenehmigungen, Pässe, Visa, oder worauf sie auch immer warteten zu bringen. Pünktlich um 14:00 war es dann so weit und die vorher so ruhig wirkende Gruppe, rannte in plötzlicher Panik ins Gebäude, die Treppen hoch, zum Automaten, an dem sie eine Nummer ziehen konnten. Wir schlossen uns natürlich an und konnten nach kurzer Zeit, in der wir die Beamten beobachten konnten, wie sie sich gemächlich zurück an ihre Plätze begaben, bereits zum Schalter. Meine liebe Begleiterin wollte sich nicht mit einem weiteren 3-monatigen Visum zufrieden geben und fragte die Beamtin nach einem 6-monatigen mit zweifacher Einreise. Diese schaute sich meine Unterlagen an (Einladung der Schule, Lizenz der Schule, ein extra neu gemachtes Verbrecherfoto und die Bestätigung des Fotoladens, dass es das richtige Format hatte), konnte uns jedoch nicht weiterhelfen und leitete uns an den „Supervisor“ weiter, dem meine liebe Kollegin wieder den Sachverhalt erklären musste. Auch dieser konnte nach ausführlicher Durchblätterei meiner Unterlagen keine Entscheidung treffen und schickte uns zu einer in der Hierarchie noch höher stehenden Beamtin. Da diese noch in ein Telefongespräch vertieft war, warteten wir gespannt vor ihrem Büro. Als wir schließlich hereinkommen durften, musste die liebe Sekretärin wieder alles erklären. Ein kritischer Blick auf die Einladung der Schule. Die Unterschrift des Direktors fehlte. Wenn wir damit wieder kämen, müsste es kein Problem geben. Wunderbar! Also wieder zurück zur Schule, den Direktor unterschreiben lassen, was aus unerklärlichen Gründen einen Tag dauerte und am nächsten Tag zur selben Zeit zum selben Ort. Dort wieder kurz unscheinbar unter den Wartenden ausharren bis um Punkt 14:00 und dann die Treppen hochsprinten, als gäbe es kein Morgen. Als 6. in der Reihe einen Zettel gezogen und warten. Es zog sich ein wenig, doch es lohnte sich, denn die Beamtin händigte uns ohne Weiteres eine Rechnung aus. Meine Begleiterin, die ihr wieder alles hatte erklären müssen, fragte sie warum es nur so wenig war. Sie hatte mit einem viel höheren Betrag gerechnet. Die Beamtin erklärte, dass Amerikaner den ca. 600RMB höheren Preis bezahlen müssten, nicht aber Deutsche. Wunderbar. Geld bezahlt und soeben, eine Woche später meinen Reisepass mit meinem neuen Visum darin abgeholt. Es steht tatsächlich drauf, dass es 6 Monate gültig ist und ich zwei Mal einreisen darf. Bis zu meiner Ausreise habe ich also nichts mehr damit zu tun. Hoffentlich.
A propos Visum. Nicht jeder hat so viel Glück bei der Beantragung eines neuen Visums im Festland. Meine Mitfreiwillige Annina mussteletzte Woche deswegen nach Hongkong und kam mich auf dem Rückweg besuchen. Wir hatten eine sehr schöne Zeit, in der sie Orte in Shenzhen besichtigte, die ich noch gar nicht gesehen hatte, während ich in der Schule war. Gemeinsam haben wir natürlich viel gegessen und uns über Visumsangelegenheiten unterhalten. Es war sehr schön!
KARAOKE und andere mehr oder weniger typisch chinesische Aktivitäten
Ein Must-do in China stand am Samstag auf dem Programm. Dafür habe ich wieder den Weg nach Guangzhou auf mich genommen, um bei Claras Abschiedswochenende dabei zu sein, die ihren halbjährigen Freiwilligendienst bald beendet hat und wieder nach Hause fliegt. Die Zeit vergeht so schnell!
Bevor wir zum Karaoke gingen, machten wir uns im China-Guide schlau, der sagte, dass viele Chinesen gerne vor ihren Freunden singen um ihr Können unter Beweis zu stellen. Im Gegensatz zu den meisten Westlern, die gehemmt sind und sich nicht blamieren wollen, ist Karaoke für viele Chinesen eine Art locker zu werden und zum Beispiel Kollegen klar zu machen, dass ihre Beziehung mehr als nur geschäftlich ist. Interessanterweise stellte der China-Guide fest, dass viele Westler dagegen kein Problem damit hätten, vor fremden Leuten oder Geschäftspartnern Vorträge zu halten, was dafür bei den Chinesen eher auf Unbehagen stoße. So hatte ich das noch nicht gesehen und mit diesem neu erlangten Hintergrundwissen machten wir uns auf in den Karaokepalast, in dem man sich fast wie in einer kleinen überdachten Fake-Stadt vorkam. Neben den vielen Karaokeräumen gab es auch ein riesiges Buffet, bei dem wir ordentlich zulangten. Genau wie es sich in China gehört, ist Essen auch bei uns fester Bestandteil jeglicher Aktivitäten.
Da sowohl sing-und karaokebegeisterte Chinesen als auch -in dieser Hinsicht weniger westliche- mindestens ebenso singbegeisterte Deutsche von der Partie waren, stand unserem Karaokeabend nichts mehr im Wege. Die Mischung bei der Auswahl der Lieder war bemerkenswert. Während wir Deutschen die meiste Zeit auf schnelle Lieder von Adele über Rihanna bis hin zu Queen und Michael Jackson zurückgriffen, in denen man mehr rufen, als singen brauchte, suchten unsere chinesischen Freunde meist sehr langsame und gesanglich anspruchsvollere Lieder aus. Ein witziger Kontrast, bei dem alle auf ihre Kosten kamen und sehr viel Spaß hatten. Clara wechselte sogar ein Mal die Seite, um mit ihrer Mentorin ein chinesisches Liebeslied zu singen. Besonders beeindruckend waren außerdem die Lieder aus der kantonesischen Oper, die in chinesischen Langzeichen geschrieben werden und mit bravour vorgetragen wurden.
Nach dem chinesischen Teil des Abends, gingen wir etwas heiser zur westlichen Art des Nachtlebens über. Nach einer kurzen Stärkung in der „Wunderbar“, einer bayerischen Bar, in der es traditionellen bayrischen Hotpot gab-was immer das auch sein mag- gingen wir in den anscheinend besten Club Guangzhous, der alle Erwartungen erfüllte und in dem wir dann den letzten Abend mit Clara gebührend ausklingen ließen.
Ausgeschlafen gingen wir den nächsten Tag etwas ruhiger an. An ausreichend Bewegung sollte es aber nicht fehlen. Da das Wetter wunderbar war, gingen Clara, Franzi und ich auf den schönen Campus der Universität, an der Franzi arbeitet, um Jianzi zu spielen. Nachdem wir es einige Zeit eher schlecht als recht, aber mit sehr viel Spaß versucht hatten, kam ein Chinese hinzu, der sich das, was wir „spielen“ nannte, wohl nicht mehr länger hatte anschauen können. Er spielte sehr gut, traf den Jianzi jedes Mal aus noch so schwierigen Winkeln und schien kein Problem damit zu haben, dass der Jianzi bei uns so oft runterfiel. In der Tat wurden wir auch mit der Zeit immer besser und es gesellten sich nach und nach zwei weitere Chinesen, von denen einer sogar Deutsch sprach, sowie ein Amerikaner und ein Deutscher hinzu. In dieser internationalen Runde spielten wir weiter und es war wirklich witzig.
Leider mussten wir unsere Spielpartner jedoch bald enttäuschten, da ein schon lange herbeigesehntes Abendessen beim Araber auf dem Programm stand. Dieser wurde so oft und so hoch gelobt, dass ich bei meinem ersten Besuch sehr große Erwartungen hatte. Diese wurden jedoch mehr als erfüllt. Es war wirklich herrlich.
Das Ende des leckeren Essens und des schönen Wochenendes bedeutete aber leider auch für ein halbes Jahr Abschied nehmen von der lieben Clara, mit der ich immer eine tolle Zeit hatte und die mir sehr fehlen wird. Trotzdem haben wir schon etwas, worauf wir uns freuen können, denn ich werde sie im September in Deutschland besuchen. Ich freue mich schon riesig auf unser Wiedersehen!
Dank Sophia, meiner lieben Freundin, mit der ich zusammen Abitur gemacht habe, das uns beiden schon so weit weg scheint, besuchte ich ein weiteres Mal das eiskalte aber dennoch tolle Shanghai.
Nach einer 19stündigen Zugfahrt, die ich die meiste Zeit zum Schlafen nutze, kam ich endlich im 20 °C warmen Shenzhen an. „Hier bist du richtig“, sagte ich mir, als ich die Winterjacke auszog und über den vertrauten, noch etwas leeren Campus ging, an dem am nächsten Montag, nach drei Wochen Ferien, die Schule wieder beginnen sollte.
Wieder hier
Seit einer Woche und zwei Tagen bin ich nun wieder zu Hause. Seit dem habe ich mich mit meinen Shenzhener Freunden getroffen, zwei Mal Sushi gegessen, mehrfach Besuch empfangen, ein tolles Wochenende in Guangzhou verbracht, eine Stunde Chinesischunterricht gehabt, eine Zugfahrt in der 1. Klasse hinter mir, ein Mal mit meiner Familie geskypt, noch keinen Deutschunterricht gehabt, mir Laufschuhe gekauft und angefangen im Park die Sportschuhe auszunutzen, die ersten Termine nach meiner Rückkehr festgelegt, angefangen mit meinen Kollegen Chinesisch zu reden und bei einer Freundin das erste Mal chinesisch gekocht. Schön, wieder da zu sein!
Die Stadt, die Marco Polo als eine der schönsten Städte Chinas bezeichnet haben soll, das Paradies auf Erden laut eines chinesischen Sprichworts bzw. das sogenannte Venedig Chinas- Suzhou habe ich ebenfalls besichtigt. Ich muss sagen, die Bezeichnungen würde ich unterschreiben.