Heute fliege ich mit meinem Mitfreiwilligen Alex nach Taipeh. Von dort aus wird für 10 Tage die Insel erkundet. Ich bin sehr gespannt, was uns erwartet!
Beim Eingang der U-Bahnstation kommt mir eine junge Familie entgegen. Sowohl die Eltern, als auch der geschätzt vierjährige Sohn tragen ein knallrotes Mickeymaus-Tshirt.
Die Metro ist voll. Natürlich. Beim Umsteigen bemerke ich, dass ich mit der Menschenmasse in einer sich schnell fortbewegenden Welle zur anderen Linie laufe und dabei versuche so viele Leute, wie es geht zu überholen, um möglichst weit vorne in der Schlange zu stehen. Ist aber eigentlich auch egal, sage ich mir. Sobald der Zug da ist, sind sowieso die Letzten die Ersten, die drinnen sind. Ich bekomme keinen Sitzplatz.
Ein Mann zeigt einem anderen sein volles Visitenkartenbuch. Es wird durchgesagt, dass man denen, die einen brauchen, ein Sitzplatz angeboten werden soll. Im Metrofernsehen kommen Bilder vom EU-Gipfel. Ständig gibt Angi allen möglichen Kollegen Küsschen. Cameron guckt kritisch. Anschließend sieht man die zwei Tore Italiens. Es folgt KFC-Werbung. Endlich wird ein Sitzplatz frei. Der Mann neben mir spielt ein Spiel auf seinem ipad, bei dem er Fische füttern muss. Meine Station. Dao le (=angekommen).
Rückfahrt.
Auf dem Weg nach unten im Aufzug. Ein kleines Mädchen gibt ihrer Mutter die halbvolle Süßigkeitentüte. Schmeckt es nicht? fragt die Mutter. Doch, aber in der U-Bahn darf man nicht essen.
Mir gegenüber sitzt eine Familie, bestehend aus Mutter, kleiner Tochter und Großeltern. Der Opa hatte zuvor ein kleines pinkes Fahrrad in die Bahn getragen. Die Oma mischt in einem Fläschchen Milchpulver und Wasser. Das Mädchen sitzt geduldig auf ihrem Schoß.
Umsteigen. Wieder kein Sitzplatz. Natürlich. Eine Frau spielt ein Spiel auf ihrem Smartphone bei dem sie Obst zerschneiden muss. Die Hälfte der sitzenden Passagiere döst. Ein Stehender hat auch die Augen geschlossen. Ein anderer macht laute Schnarchgeräusche, hat aber die Augen auf und liest eine Zeitschrift, auf dessen Cover eine Frau in Unterwäsche abgebildet ist.
Bei der nächsten Haltestelle schreckt plötzlich ein vor sich hinträumender sitzender Fahrgast auf. Schneller Blick auf die Anzeigetafel mit den Haltestellen. Noch zu früh. Doch noch weiter sitzen und Musik hören. Sonst kein anderer Platz in Sicht. Stattdessen wird es immer voller. Eine Frau mit zwei kleinen Jungs steigt ein, sofort springen zwei Leute auf, um ihnen einen Platz anzubieten. Sie drückt einen wieder zurück auf den Sitz. Ist ja nur eine Station. Einer der beiden Jungs quetscht sich in die Lücke zwischen den beiden Fahrgästen.
Wieder umsteigen. An der U-Bahnstation, an der das gefühlt halb Shenzhen tut. Irgendwie rausgequetscht. Das Drücken der anderen hilft. Nur noch eine Station. Endlich zu Hause.
Nach drei Tagen Wandern in den Bergen mussten wir wieder Richtung Zivilisation. Dafür mieteten wir uns zu siebt ein Auto, das uns den ruckeligen Weg hinunter nach Shangri-La fuhr, den uns einige Tage zuvor ein Bus hinaufgebracht hatte. Leider bekam mir die Rückfahrt gar nicht gut. Übermüdung, zwei Portionen Nudelsuppe und der extrem ruckelige Weg bergab vertrugen sich ganz und gar nicht. Konnte ich meinen Brechreiz während der Autofahrt noch einigermaßen unter Kontrolle halten, musste ich auf der anschließenden Busfahrt von Shangri-La nach Lijiang aufgeben. Glücklicherweise hatte ich in unserem Luxus-Schnellbus einen Einzelplatz und meine Mitreisenden waren angehende Ärztinnen, die das ganze mit Fassung nahmen und mich sehr fürsorglich mit Tüten, Keksen, Wasser und Tigerbalsam versorgten.
In Lijiang schlief ich mich erstmal im schönsten Hostel im schönsten Hostelzimmer, in dem ich je war, nach einer Dusche, die nach 5 Tagen mehr als fällig war, ordentlich aus.
Am nächsten Tag ging es mir auch schon viel besser, besonders beim Anblick der pittoresken Stadt Lijiang, die trotz der vielen Touristen mit ihrer entspannten Atmosphäre, ihren schmalen Gassen, den vielen kleinen Kanälen und wunderschönen, alten Häusern besticht. Da wir für unsere Verhältnisse sehr lange geschlafen hatten (bis kurz nach 9:00!) gingen wir zum Brunch, wo das erste, was ich zu mir nahm Hühnerfüße waren. Mein Magen bestand den Härtetest und so konnten wir durch die Altstadt bummeln.
Abends ging es für mich auf meiner ersten Fahrt im Schlafbus, während der ich einen schönen Ausblick auf den Sternenhimmel hatte, nach Kunming und von da aus direkt im Anschluss zurück nach Shenzhen, wo mich nach dem tollen Wetter während der Reise, Regen erwartete.
Seit dem ist es hier abwechselnd unerträglich schwül oder es gewittert und man kann draußen duschen. Mir soll’s egal sein. Ich war in Yunnan. Das werde ich niemals vergessen.
Der dritte Tag unserer umwerfenden, unbeschreiblichen, wunderschönen Wanderung im Norden Yunnans
Tag 3 sollte eine Wanderung zu einem Wasserfall, sowie die Wanderung zurück nach Feilai für uns bereit halten.
Der 神瀑 (Shenpu = Gottwasserfall) gilt als heilig, so gehörten gläubige Pilgerer zu unseren Mitwanderern, die oben angekommen beteten und sangen. Außerdem rannten sie drei Mal durch den Wasserfall hindurch, dessen Wasser eine reinigende Wirkung auf die Seele und das Herz haben sollte. Eine Runde Reinigung der Seele und des Herzens, was eine witzige, kalte und seltsamerweise sehr nasse Angelegenheit war, gönnten meine Freundin und ich uns auch, bevor es wieder hinunterging und wir die zweite Etappe des Tages antraten.
Glücklicherweise gab es keine erwähnenswerten Aufstiege mehr und auch die Strecken, die bergab gingen, waren für alle relativ leicht zu meistern. Der Anblick, der sich uns während der gesamten Wanderung bot, war unglaublich schön. Neben unserem Weg bahnte sich ein reißender Strom in einer atemberaubenden Geschwindigkeit und Lautstärke den Weg ins Tal und der letzte Abschnitt führte entlang einer Klippe durch eine Schlucht, einige hundert Meter oberhalb des Flusses.
Kurz vor unserem Ziel -nach 12 Stunden Wandern- mussten wir über eine sehr coole, bei jeden Windhauch sehr schwingende Hängebrücke, bevor wir endlich Abschied von unseren treuen Gefährten, den Wanderstöcken nehmen konnten und uns ganz ohne unsere Füße zu benutzen, weiterbewegen konnten. Ein Auto vom Hostel hatte an einem vereinbarten Punkt auf uns gewartet und chauffierte uns bis zum Hostel- welch ein Luxus.
„Die drei Tage fühlen sich an wie drei Jahre“, waren die Worte meiner Freundin. Tatsächlich fühlte es sich an, als wären wir innerhalb kurzer Zeit durch alle vier Jahreszeiten gegangen, 50 Jahre gealtert und in eine andere Welt eingetaucht.
und umwerfend, unbeschreiblich, wunderschön geht es weiter durch den Norden Yunnans
Am nächsten Morgen quälten wir uns um 5:00 Uhr aus dem Bett, um das schöne Licht, das die aufgehende Sonne auf den Berg werfen sollte, nicht zu verpassen. Alle anderen Hostelgäste hatten die gleiche Idee und so trafen wir neue Bekannte auf der Terrasse wieder und es wurde wie wild fotografiert, denn schön war es wirklich.
Nach so einem tollen Start in den Tag ließen wir uns mit Ken und zwei anderen Abenteuerlustigen, die zuvor schon in Lhasa gewesen waren, hinunter in ein Tal fahren, von wo aus wir über einen Berg nach Yubeng, einem Dorf in einem anderen Tal wandern wollten. Dass wir uns dank des steilen Aufstiegs schon nach kurzer Zeit nach oben quälen würden, ahnten wir noch nicht. Deshalb machten wir uns frohen Mutes, mit Wanderstöcken ausgestattet auf den Weg, für den wir (mit zahlreichen Ess-, Trink- und Ausruhpausen) 8 Stunden brauchen sollten. Ständig kamen uns Packesel entgegen, die Säcke mit Lebensmittel oder auch mal eine Matratze über den Berg transportierten. Bald beneideten wir diejenigen, die einen Esel gemietet hatten, um sich die Quälerei zu ersparen. Doch oben angelangt entschädigte die tolle Aussicht für alle Strapazen und die Mühen waren schnell vergessen, als wir, stolz darüber, dass wir es aus eigener Kraft geschafft hatten, in unserem Hostel, abgeschnitten von der Außenwelt, ankamen. Dort suchten wir uns in der offenen Küche selbst angebautes Gemüse und selbstgeräuchertes Yak-Fleisch aus, das uns die Chefin über dem offenen Feuer zubereitete.
Nach einer weiteren kurzen Nacht machten wir uns um 8 Uhr morgens auf zum 冰湖 (Bing Hu= Eissee), der auf 3700 m lag und somit erneut einen harten Aufstieg versprach. Auch dieses Mal war der Anblick, der uns oben erwartete, spektakulär. Das eiskalte Wasser, das in Wasserfällen vom Berg hinunterkam, hatte einen türkisen, glasklaren See gebildet, an dem wir Pause machten und unsere Trinkflaschen mit frischem Wasser direkt aus dem See auffüllten. „Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe“, sagte Ken.
Der Abstieg fiel uns diesmal jedoch nicht so leicht. Denn kurz nach Ende unserer Pause setzte Regen ein und eine der angehenden Ärztinnen trug Schuhe, die wenig Profil hatten, was auf dem rutschig gewordenen Boden alles andere als hilfreich war. Zudem machten ihr Knieschmerzen zu schaffen. Somit zog sich der Weg hinunter, den wir unter anderen Umständen schnell geschafft hätten, um einige Stunden. Bemerkenswerterweise nahmen unsere männlichen Begleiter sehr viel Rücksicht auf sie. Einer ging hinter ihr, der andere reichte ihr bei jedem kleinen Hindernis den Arm als Stütze. Ich ging ein paar Meter vor und machte sie auf besonders rutschige Stellen aufmerksam oder schlug den leichtesten Weg vor und die andere Medizinstudentin redete ihrer Freundin auf kantonesisch Mut zu. Ich glaube, einige westliche Kameraden hätten weniger Geduld gehabt. So kamen wir erschöpft aber glücklich nach 10 Stunden Wandern wieder an unserem Lager an.
umwerfend. unbeschreiblich. wunderschön. Der Norden Yunnans. Oder: Der Weg ist das Ziel
Während die Schüler an meiner Schule und in ganz China ihr Gao Kao (vergleichbar mit dem Abitur) schrieben, ihre Familien mitfieberten und der Unterricht ausfiel, machte ich mich auf nach Yunnan, einer Provinz im Südwesten Chinas, von der ich mir sehr viel versprach. Ich wurde nicht enttäuscht.
Ich war 10 Tage unterwegs, habe wunderschöne alte Städte gesehen, bin drei Tage durch die Berge gewandert, habe auf dem offenen Feuer gekochtes, von den Menschen dort selbst angebautes Gemüse und selbstgeräuchertes Fleisch gegessen, war bis auf 3700 m überm Meeresspiegel, habe majestätische Berge gesehen, habe erlebt, wie schnell eine Gruppe zusammenwachsen kann, habe mir einen Sonnenbrand geholt, habe die ruckeligsten Busfahrten erlebt und dabei eine unbeschreibliche Landschaft gesehen, habe Angehörige der ethnischen Minderheiten mit ihren schönen bunten Haartrachten gesehen, bin beim Anblick des unbegreiflichen Sternenhimmels erstarrt und beim Versuch den riesigen Vollmond zu fotografieren gescheitert, war begeistert von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, habe eine Idee von Tibet bekommen, habe wunderschöne Sonnenauf- und Untergänge gesehen, habe das Wasser aus Bergflüssen und -seen getrunken, bin unter einem Wasserfall hindurchgelaufen und wollte nicht mehr weg.
Mein Plan war es von Shenzhen über Guangzhou nach Kunming zu fahren, von dort aus dann nach Lijiang, wo ich eine chinesische Freundin treffen wollte, die ich über Couchsurfing kennengelernt hatte, um dann mit ihr und ihrer Freundin nach Shangri-La zu fahren. Von dort aus sollte es für vier Tage in die Berge gehen zum Wandern. Die Zeit war begrenzt, also hatte ich leider nur einen ganz kurzen Zwischenstopp in Kunming, wo meine Mitfreiwillige Mila mir einen kleinen Einblick in ihr lustiges, verrücktes Leben dort gewährte. Besonders ihre Lieblingsstraße mit den süßen Cafés und Restaurants hat mir sehr gut gefallen. Ich würde gerne nochmal nach Kunming fahren, die Stadt hat einen sehr entspannten Eindruck hinterlassen.
Mit dem Nachtzug ging es weiter nach Lijiang, das ich später noch etwas länger sehen würde. Doch an dem Tag sollte ich dort nur meine Reisebegleiterinnen für die nächsten Tage treffen und in den Bus nach Shangri-La umsteigen. Die beiden Medizinstudentinnen aus Guangzhou, die den praktischen Teil ihrer Ausbildung im Krankenhaus absolvieren, hatten ihren Stundenplan so umgestellt, dass sie einen Monat frei hatten, um zu reisen. Ihre Lehrerin sollte davon aber allerdings lieber nichts wissen. Sie waren schon ein paar Tage unterwegs gewesen, als ich zu ihnen stieß. Allerdings hatten sie bis dahin kein Glück mit dem Wetter gehabt und machten sich Sorgen, da es möglich wäre, dass wir die Spitze des „Snow Mountain“ nicht zu sehen bekommen würden, wenn es bewölkt sei. Doch in Lijiang hatte es die Tage zuvor auch geregnet und an diesem Morgen schien die Sonne. Also blieben wir auf der ca. fünfstündigen Fahrt optimistisch.
In Shangri-La angekommen, machten wir uns erstmal über leckere gegrillte Gemüse- und Fleischspieße und traditionellen Joghurt her und schlenderten anschließend durch die schöne, kleine Altstadt. Dort sollten wir das letzte Mal Toursitengruppen sehen, die einem fähnchentragenden Guide hinterherliefen. Denn es gibt sie tatsächlich: chinesische Rucksacktouristen, die individuell reisen, ganz auf Luxus verzichten, sich ins Abenteuer stürzen und die spektakuläre Landschaft genießen. Übrigens habe ich dank meiner chinesischen Freundinnen die chinesische Art zu reisen kennengelernt. Man reist leicht, bringt wenig Gepäck mit, dafür wäscht man abend seine benutzten Klamotten im Waschbecken. Deshalb gibt es in den Hostels auch immer Kleiderbügel und Wäscheleinen, auf denen man seine nasse Wäsche zum Trocknen aufhängen kann.
Abends trafen wir einen weiteren Guangzhouer, der sich den englischen Namen „Ken“ gegeben hatte, und den meine Mitreisenden über Weibo (chinesisches Twitter) kennengelernt hatten, als sie herausfinden wollten, ob mein Zug von Kunming nach Lijiang Verspätung hätte. So erfuhren sie, dass Ken die gleichen Reisepläne hatte wie wir und so schließen wir uns zusammen. Beim Abendessen tranken wir einen speziell zubereiteten Tee, der mit Milch oder so versetzt war und der der Höhenkrankheit vorbeugen sollte.
Nach keine-Ahnung-wie-vielen-Tagen ohne Dusche, genoss ich das heiße Wasser im Hostel, kurz bevor der Strom für 20 Minuten ausfiel. Meine Mitreisenden waren ganz verwundert, dass ich keine Taschenlampe dabei hatte.
Am nächsten Morgen fuhren wir früh morgens mit dem Bus nach Feilai, unserem letzten Stopp vor der bevorstehenden dreitägigen Wanderung. Die Fahrt dauerte ungefähr sieben Stunden und führte uns auf größtenteils nicht asphaltierten Straßen die Berge hinauf. Dort eröffneten sich uns wundervolle Panoramen. Auf dem Weg gab es unzählige Baustellen, da viele Brücken gebaut werden, um den beschwerlichen Weg zu erleichtern und verkürzen. Auch sahen wir einige Fahrradfahrer, die gegen die Steigung der Berge ankämpften und die ich sehr bewunderte.
In Feilai, einem kleinen Örtchen mitten in den Bergen, machten wir uns auf den Weg zu unserem abgelegenen Hostel, von dem aus wir einen spektakulären Blick auf die schneebedeckten Berge hatten. Die Spitze des höchsten Berges lag unter einer dicken Wolkendecke, doch pünktlich zum Sonnenuntergang klarte es auf und alle Hostelgäste liefen aufgeregt auf die Terrasse und riefen: „出来了“ (chu lai le = [die Spitze] ist rausgekommen). Der Anblick war so majestätisch, dass es verständlich wurde, warum im traditionellen Glauben der Menschen dort, der Berg heilig ist und somit über Leben und Tod, alles Gute und Böse entscheidet. Ken sagte, es sei das Schönste gewesen, was er je gesehen habe. Auch wenn er das im Laufe unserer Reise noch bei einigen weiteren Gelegenheiten sagen sollte, stimmte ich ihm zu, es war einfach großartig.
Der Anblick von tibetischen Gebetsfahnen, die an heiligen Orten, also vor allem an und auf Bergen aufgehängt werden, sollte uns noch die ganze Reise über begleiten, genauso wie ein ständiger Lagerfeuergeruch in der frischen Bergluft. Denn gekocht wurde fast immer über einem Ofen, der mit Holz befeuert wurde.
Letztens hielt mich jemand für eine Chinesin aus der Xinjiang Provinz. In der Tat denken hier viele im ersten Moment nicht, dass ich Ausländerin bin. Das finde ich eigentlich ganz angenehm, weil es mir erlaubt, mich die meiste Zeit unbeobachtet (wenn man von den zahlreichen Kameras an den Straßen absieht) oder zumindest unangestarrt zu bewegen. Spätestens wenn ich dann anfange Chinesisch zu sprechen, merken die meisten dann, dass ich doch eine 外国人 (waiguoren=Ausländer/in) bin. Das führt oft dazu, dass geraten wird aus welchem Land ich denn komme. Die meistgenannte Vermutung ist, dass ich aus Amerika komme.
Weitere Vermutungen waren Frankreich, Italien, Malaysia und Spanien. Deutschland war noch nicht dabei.
Wenn man ins Gespräch kommt, wird oft neugierig gefragt, was man hier mache, wie lange man schon hier sei und ob man finde, dass Chinesisch schwer sei. Ich mag die fröhliche Art, wie Leute hier diese Fragen stellen und auch, dass sie immer sagen, wie gut man schon Chinesisch spreche und wie hübsch man sei, auch wenn das nicht stimmen mag. Schon oft habe ich erlebt, dass meine Gesprächspartner nicht mehr aufgehört haben, mich mit Fragen zu löchern, sobald sich die Gelegenheit ergab. Es hat etwas wunderbar Unschuldiges und Liebenswürdiges, wenn sie einen anstrahlen oder versuchen ihre Frage lauter zu wiederholen, wenn man sie nicht verstanden hat. Selbst wenn die Kommunikation nicht einwandtfrei funktioniert, hat man doch das Gefühl, dass die Leute es schön finden, dass man in ihrem Land ist, sich Mühe gibt, sich zu verständigen und freundlich ist. Ein einfaches 你好 mit einem Lächeln dazu scheint schon so viel Freude zu bewirken, jedenfalls blickt man immer in ebenfalls lächelnde Gesichter.
So sind die Gespräche mit den Wärtern an der Schule, meinen Stamm-Obst-, Milktea- und Frühstücksverkäufern, den Kantinenangestellten sowie Menschen, denen ich sonst begegne meist kurz, aber dafür umso süßer.
Diese Antwort bekommt man hier oft, wenn man die Schüler nach ihrem Lieblingshobby fragt. Viel Zeit zum Schlafen haben viele von ihnen nicht. Der Unterricht beginnt um 7:30 und auch am Wochenende sind oft schon morgens Extrastunden angesagt.
Auch mir wird der süße Schlaf, vor allem morgens, wenn ich ihn am meisten brauche, verwehrt.
Wenn ihr auch einer der Menschen seid, die wahnsinnig werden können, wenn sie ein Geräusch vom Schlafen abhält, wenn singfreudige, früh aktive Vögel sowie schnarchende Zimmernachbarn ihr Leben Ohropax verdanken, dann fühlt ihr wie ich.
Seit meiner Ankunft hatte ich schon oft genug die Gelegenheit sehr dankbar darüber zu sein, die kleinen pinken Wachsbällchen mitgenommen zu haben. Es fing mit dem unregelmäßigen Tropfen der Klimaanlage der Wohnung über mir an. Man kann sich nicht vorstellen, wie nervig Tropfen sein kann, geschweige denn welches in unregelmäßigen Abständen.
Weiter ging es mit rolligen Katzen, die versuchten sich um vier Uhr nachts schrill kreischend bei ihren Kollegen beliebt zu machen und sich gar nicht vorstellen konnten, wie unbeliebt sie sich damit bei ihren menschlichen Freunden machten.
Auch sehr beliebt in der Nachbarschaft ist ein unglaublich nervtötender laut kreischender Vogel, der um 5 Uhr morgens anfängt und dann nicht mehr aufhört zu piepen.
Fast genauso schön ist es sonntagmorgens vom Laubkehr-Geräusch geweckt zu werden. Wie können Besen so laut sein?
An Tagen der offenen Tür wurden zum Wachwerden oft schnulzige Balladen in Dauerschleife abgespielt. Wunderbar.
Zuletzt sind es Bauarbeiter. An meiner Schule wird im Moment gebaut. Ein marodes Gebäude auf dem Campus wurde vor wenigen Wochen abgerissen. Zu meiner Freude wurden die schönen alten Bäume, die für diese Aktion weichen mussten, umgepflanzt. Auch ein kleiner Laden, der von Schülern betrieben werden soll und in dem schöne selbstgemachte Taschen und Bilder ausgestellt sind, existierte vor einer Woche noch nicht. Hier wird sehr schnell gebaut. Die Zeit wird genutzt. Leider wird schon sehr früh am Tag damit angefangen. Zu allem Überfluss hat ein Genie entschieden, das Lager der Bauarbeiter mitsamt Baumaterial vor das Schülerwohnheim zu legen, von der Baustelle aus gesehen genau am anderen Ende des Campus und direkt unter meinem Zimmerfenster. Wer denkt Wecker sind schrecklich, der kann mich gerne mal besuchen kommen. Ich werde jeden Morgen von dem Geräusch von Bohrern, Schippen, die Sand und Kies verladen und Sägen geweckt. Kann man sich einen schöneren Start in den Tag vorstellen?
Aber ich bin nicht die einzige, der es so zu gehen scheint. Hier wird ja auch überall gebaut. An großen Baustellen übrigens 24/7. Man weiß es jedoch zu kompensieren. Metro-und Busfahrten werden zum Schlafen genutzt, genauso wie jede andere Schlafgelegenheit, die sich so bietet.
Nicht selten sehe ich aber, wie Schüler sich den Schlaf ganz sparen. Von meinem Zimmer aus kann ich- abgesehen von dem Bauarbeiterzentrum- auf die Terrasse des Schülercafés sehen. Dort sitzen spätabends noch Schüler mit ihren Laptops und sitzen dort auch noch am nächsten Morgen.
Auf der anderen Seite bin ich ja nicht zum Schlafen hier. Gestern zum Beispiel habe ich meine schlaffreie Zeit damit verbracht zum überraschend schönen Strand von Shenzhen zu fahren. Die 45minütige Hin-und Rückfahrt habe ich natürlich zum Schlafen genutzt, ist doch klar.