Das Vorbereitungsseminar – Ein Fazit zu 10 überraschenden Tagen

Homezone-Collage

Eine Collage von den Gesichtern meiner Homezone und den Dingen, mit denen sie sich identifizieren. (klicken für eine größere Ansicht)

Vor kurzer Zeit noch hatte man offene Fragen. Hatte trotz einer ungefähren Vorstellung eigentlich nur wenig Ahnung, was einen in den nächsten Monaten erwartet. Konnte kaum realisieren, dass man in wenigen Tagen tatsächlich aufbricht. Aber 10 Tage „eingepfercht“ mit Menschen, die alle ähnliche Motivationen, Hintergründe, Fragen und Ängste teilen, schweißt nicht nur zusammen, sondern gibt einem auch ein wirklich gutes Gefühl mit der Entscheidung für ein halbes oder ganzes Jahr außerhalb der deutschen Grenzen. Und bei 160 Freiwilligen, 15 Trainern, einem Organisations-Team und einem ganzen kulturweit-Team gibt es auch noch am letzten Tag Menschen, die einem noch neue Geschichten erzählen können.

Ort des Geschehens für das diesjährige Vorbereitungsseminar der zweitausendsten Freiwilligen-Generation war die EJB im Joachimsthal, einer Kleinstadt bei Berlin. Das riesige Gelände, das früher einmal der DDR als Begegnungsstätte ihrer Pioniers-Jugend gedient hat, bietet heute mit seinen Seminarhäusern, Wiesen, Waldstücken und den Ufern des Werbellinsees reichlich Platz zum produktiv Arbeiten oder unproduktiv Entspannen. Unter anderem eben den kulturweit-Freiwilligen, die hier jährlich Vor- und Nachbereitungsseminare absolvieren. Wow, ich klinge wie eine Kolumne in irgendeiner Jugendherbergs-Zeitschrift… Aber es ist wichtig zu verstehen, dass auch die Räumlichkeit und die damit verbundenen Möglichkeiten wesentlich zu der Stimmung beigetragen haben. Wenig sorgt für so entspannte Stimmung innerhalb einer Gruppe, die sich bisher kaum kannte, als bei den ersten Sonnenstrahlen seit langem gemeinsam am Strand zu liegen, oder sich beim Fußball in der Sporthalle kennenzulernen.

Zunächst wurden wir in Kleingruppen von ca. 10 Freiwilligen und einem Trainer zusammengewürfelt. Diese sogenannten „Homezones“ sollten die Hauptgruppen für die Seminare sein, die allesamt Themen näher bringen, mit denen sich kulturweit als Institution identifiziert und die damit unmittelbar zu unserem Freiwilligendienst dazu gehören. Faires Berichten, Kulturbegriff, Rassismus und nicht zuletzt Nachhaltigkeit waren solche Stichworte. Letzteres wurde langsam aber sicher zu einer Art Running-Gag, ähnlich wie „Dr. Walter – der Versicherungsexperte“, aber das ist eine andere Geschichte.
Auch wenn unsere Homezone die Gruppe war, in der man sich immer wieder zusammen fand und schließlich auch auf ein gemeinsames Projekt hinarbeitete, so kam man trotzdem auch in vielen anderen Konstellationen zusammen – zum Glück! Mal lernte man in den Regionengruppen die Gesichter kennen, mit denen man auf dem Zwischenseminar im Einsatzland  zu tun hat, mal recherchierte man eng mit denjenigen zusammen, die für die selbe Organisation in unterschiedlichen Ländern arbeiten, mal ergaben sich durch Workshops, in die man sich nach Lust und Interessen eintrug, vollkommen neue Konstellationen. Und wem das noch nicht genug war, der konnte sich auch bei den Mahlzeiten an andere Tische setzen, um auf eigene Faust Kontakte zu knüpfen. Eins hatten all diese Gruppen gemeinsam: man hat sich dort ohne Probleme eingefunden und ist auf Offenheit und Wohlwollen gestoßen. Man muss es sagen: im Rahmen dieses Projekts stößt man auf einen ganz besonderen Schlag von Menschen, mit verschiedenen Hintergründen und Persönlichkeiten, aber alle mit demselben Engagement. Wenn man mit engagierten Menschen zusammen arbeitet, gibt einem das automatisch auch selbst größeren Spaß an der Sache. Nirgendwo habe ich das so deutlich erlebt wie hier. Ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass mich genau dieses Erlebnis, insgesamt diese Zeit, bereits menschlich weiter gebracht hat, noch bevor ich das Land verlassen hab. Aus der Offenheit der anderen schöpfte ich ein größeres Selbstbewusstsein und verlor sehr viel von meinem Hang dazu, immer wissen zu wollen, was die anderen von mir denken – eine Einstellung, die in vielen Situationen der Produktivität und anderen Dingen im Weg stand.

Ob das Änderungen in meiner Persönlichkeit sind, die bleiben? Ich weiß es nicht. Ich hoffe es, aber unabhängig davon zeigt es, wie wohl ich mich in dieser Runde gefühlt habe und wie viel es mir bedeutet hat, mit „Gleichgesinnten“ einen derartigen Draht aufgebaut zu haben.

Und so können sich auch die Ergebnisse sehen lassen: eine tolle Zeit innerhalb der Seminare, unser Homezone-Beitrag zur Seminarszeitung, das Homezone-Projekt in Form eines Hörspiels, die vielen Fotos, die ich von der Zeit sammeln, bearbeiten und bereitstellen konnte und ein Projekt auf das ich besonders stolz bin: unser kleiner Kurzfilm zum Thema Rassismus, den wir samt Ideenfindung, Dreh und Bearbeitung in unglaublichen 2 Tagen aus dem Nichts aufgezogen haben (den Film zum Anschauen findet ihr hier). Ein monstermäßiges Projekt, das von wenig Freizeit und Schlaf geprägt war, aber dessen Ergebnis sich sehen lassen kann. Und auch hier, sind wir durch die engagierte Arbeit an einem dermaßen strammen Projekt als Gruppe zusammengeschweißt, sodass wir uns sicher sind, dass wir etwas Ähnliches auf dem Zwischenseminar auf die Beine stellen wollen.

Präsentiert wurde der Film auf dem sogenannten „Kulturabend“ des Seminars. Ein Abend gefüllt von Beiträgen der Freiwilligen, die ihre versteckten Talente zum Besten gaben. Zu sehen, dass sich Menschen überwinden, um das, was sie gut können, zu präsentieren und den Zuschauern eine bunte Show aus Texten, Musik und Spiel schenkten, sorgte auch wieder für eine ganz besondere Atmosphäre. So nahm auch ich die Herausforderung an, meine Bühnenangst zu überwinden und meinen Poetry Slam Text vorzutragen, der zusammen mit dem Film auf eine Hammer Resonanz gestoßen ist. Aber ich weiß auch, dass ich mich unter anderen Umständen, vermutlich nicht hätte überwinden können. Wieder ein Zeichen, dass dort eine gewisse Entwicklung passiert ist. Auch wenn mir nach wie vor extrem die Sause geht, wenn ich vorn auf der Bühne stehe…

Ich denke es ist klar geworden, dass ich trotz anfänglicher Skepsis am Ende sagen kann, dass das Vorbereitungsseminar für mich alles erfüllt hat, was es versprach – vielleicht sogar noch mehr. Und ich weiß, dass es vielen anderen genau so ging. Wir haben immerhin alle etwas gemeinsam. Wir wollen da raus und was erleben. So, dass wir beim Nachbereitungsseminar neue Geschichten erzählen können. Darauf freue ich mich jetzt schon!

3 Gedanken zu „Das Vorbereitungsseminar – Ein Fazit zu 10 überraschenden Tagen

  1. Pingback: Die ersten Tage | Kiwi in Chile

  2. Pauline Rosenrot

    Maran, danke! Hier noch eine Ergänzung:

    Flummi: Sara. (M)ein Flummi, Sonnenschein, Gänseblümchen, Kim, Feministin, Französin (……)

    Jemand: -besonderes! Kulturwissenschaftlerin, Kritikerin, in sich ruhend (…..)

    Zen Meister(in): liebevoll, fürsorglich, aus Köln, Yoga-Mensch, Marathon-Mensch, menschlich (…..)

    #nachhaltig: the only place to be is now, ehrlich, Cosa Cola-Identity, talentiert und schön (…..)

    Bilder: im Kopf, im Herzen, in den Fingern, Video, Kumpeltyp, Talent (…..)

    Teatime: klein und stark, gestochen Scharf, mag Warmups und Tee (…..)

    SchlawieneR: Ideengeberin, Direktorin, Beobachterin, Musikerin, Dino, Dancingqueen (…..)

    Big Brother: Einzelkind, Mentor, studiert, Vertrauensmensch, der rote Faden ohne rot zu sein (…..)

    Götterspeise: treffsicher, beweglich, interessiert, politisch, Cola Dose, herzlich (…..)

    mit dem Herzen dabei: eine Tuple, ein Sahnehäubchen, medizinisch-analytisch, ein See (…..)

    Bernstein: homezone (…..)

  3. Julia

    Toller Artikel, der die Stimmung auf dem Seminar sehr gut rüberbringt!
    Der Film ist der Hammer! 2 Tage Zeit? Unglaublich, was Ihr da auf die Beine gestellt habt! Und die 12 Wochen im Kamerateam scheinen echt beeindruckende Spuren hinterlassen zu haben, denn dieser Film wirkt noch viel ausgefeiltter und präziser als alle, die Du vorher gemacht hast. Klasse Arbeit!

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