Die Uhr tickt – Vorfreude und Angst

Im Rahmen des Vorbereitungsseminars in der Nähe von Berlin kommende Woche wird es unter anderem darum gehen, sich mit anderen Freiwilligen über Erwartungen, Meinungen, aber auch über Ängste austauschen zu können. So wurde ich dazu veranlasst, einmal selbst über die Dinge nachzudenken, die mich zur Zeit am meisten beschäftigen. Und neben all der Vorfreude auf das Neue und den tollen Erwartungen auf eine einzigartige Zeit, muss ich mir doch leider selbst eingestehen, dass da zur Zeit auch ein starker, bitterer Beigeschmack ist – das Gefühl, alles zurück zu lassen.

Mit jeder Erledigung, die ich von meiner To-Do-Liste streiche, wird mir jedes Mal ins Gedächtnis gerufen, wie unmittelbar die Abreise nun wirklich bevor steht, wo ich doch vor kurzem noch dachte, dass sie in weiter Ferne liegt. In einem zweiten Schritt kommt mir dann auch die Erkenntnis, dass somit auch die übrige Zeit in der Heimat immer überschaubarer wird…
Die Male, die ich jetzt noch zum Handball-Training fahre, bevor ich den Sport, der mich 13 Jahre meines Lebens begleitet hat, für unbestimmte Zeit pausieren werde. Die Abende, an denen ich mit meinen Eltern esse, bevor ich bei einer zunächst fremden Familie in einem fremden Land zu Tisch sitzen werde. Die Wochenenden, an denen ich mit meinen besten Freunden einen trinken gehe und die Nächte, in denen ich mit meiner Freundin im Arm einschlafe und am nächsten Morgen genau so aufwache: all das wird immer abzählbarer.

Und so versucht man, jeden freien Abend optimal zu nutzen, in der knappen Wochenplanung gar nichts und niemanden zu vergessen, von dem man sich noch verabschieden möchte. Denn ein Jahr ist eine verdammt lange Zeit und man kann sich leider nicht sicher sein, wer oder was danach noch im eigenen Leben die selbe Rolle spielt, wie vorher. Eigentlich ist man doch glücklich, so wie es gerade ist, warum dieses Glück für etwas Unbestimmtes aufgeben?

Mir ist klar, dass diese Frage zu nichts hinführt. Dass all das ein ziemlich pessimistischer Gedanke ist, besonders, um damit diesen Blog einzuläuten. Wenn ich nicht wüsste, dass mir dieses Jahr eine große Chance und eine Menge an neuen Impulsen, Erfahrungen und Freundschaften bieten wird, hätte ich es ja niemals angesteuert. Aber dieser Blog soll eben nicht NUR Platz für Unterhaltung und Kommunikation bieten, sondern soll auch denjenigen eine Hilfe sein, die in naher oder ferner Zukunft ähnliches vor haben. Und für die kann es besonders wichtig sein, auf die negativen Dinge vorbereitet zu sein, mit denen man sich bereits im Vorfeld beschäftigt. Denn „Das wird bestimmt ne geile Zeit!“ hört man als Reaktion oft. Sätze wie „Da kommt aber viel auf dich zu!“ hört man leider viel zu selten, obwohl darin genau so viel Wahrheit steckt.

Deswegen aber jetzt noch ein tröstender Gedanke: eine derartige „Auszeit“ ist auch eine Chance. Nicht nur, weil natürlich neben dem Lebensabschnitt den man zurücklässt, auch ein neuer beginnt, sondern auch, weil man den alten so einmal ordentlich ausmistet. Es ist unvermeidbar, dass sich bestimmte Dinge im Sand zerlaufen werden. So traurig das erstmal klingt, hätten diese es zu einem Großteil früher oder später aber wohl eh getan. Von den Relikten und ganz besonders den Menschen, die noch nach der Rückkehr die selbe Rolle im Leben spielen, wie vor der Abreise, kann man sich dafür aber um so sicherer sein, dass diese es vermutlich noch für eine lange Zeit tun werden.

Wo gehobelt wird, fallen Späne – aber Späne können auch nützlich sein!

2 Gedanken zu „Die Uhr tickt – Vorfreude und Angst

  1. Jonas

    Toller Artikel und wahre Worte. Mir gefällt die Idee, den alten Lebensabschnitt auszumisten. Manche Dinge passen nach der Rückkehr einfach nicht mehr zu einem.

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