Nach einer langen Fahrt durch unglaubliche Weiten kam unser Bus in Puerto Madryn, der Endstation zum Halten. Wir hatten Glück, denn zwei Stunden später fuhr auch schon ein weiterer Bus direkt weiter zur Península Valdés.
Zur Info: Die Península Valdés ist ein Naturreservat im nördlichen Patagonien, das 1999 von der UNESCO auf die Welterbeliste gesetzt wurde. Besonders an der Insel ist die großartige Fauna: Südkaper (eine Glattwalart), Orcas, Seeelefanten, Seelöwen, Magellan-Pinguine, Gürteltiere und Nandus bevölkern die Halbinsel und das Wasser um sie herum.
Warum dieser Bus 90 Minuten genau neben einer asphaltierten Straße gefahren ist kann ich nur durch eine mögliche Crossralleyzuneigung des Busfahrers erklären. Jedenfalls wurden wir ordentlich durchgeschüttelt. Letztendlich kamen wir dann aber gut in Puerto Pirámides, der einzigen Ortschaft der Halbinsel, an.
Wie man den Bildern entnehmen kann, ist die Landschaft der Halbinsel sehr karg, sandig und trocken. Das überraschte mich zuerst, hatte ich beim Namen Patagonien doch immer Eis und Kälte im Kopf.
Bis auf die Hinfahrt hatten wir unseren Kurzurlaub in keinster Weise geplant. Daher waren wir froh, dass es auf dem Campingplatz noch viele freie Plätze gab. In weiser Voraussicht hatte ich mir von meiner Gastfamilie ein kleines Zelt geliehen. Ich ging immer von einem Dreimannzelt aus. Letztendlich war es ein Einmannzelt. Das stellte uns drei vor ein kleines Problem, welches wir aber erst einmal auf den Abend vertagten, ganz nach dem argentinischen Motto: „Un, Dos, Tres, no te calentés“ (ungefähr: Eins, Zwei, Drei, mach dich nicht nass). Viel wichtiger war es für den folgenden Tag erst einmal eine Whale-Watching-Bootsausfahrt zu organisieren, was uns ebenfalls umgehend gelang. Ein kleiner Regenschauer, langsam ging es auf den Abend zu, die Sonne stand schon tief. Das Meer und die Bucht wurden in ein schönes Abendlicht getaucht. Ein nettes Foto, dachte ich mir. So eilte ich schnell ans Ufer, um den Moment festzuhalten. Kaum war ich am Strand verschlug es mir allerdings den Atem. Was ich vorher nicht gesehen hatte, war der Regenbogen, der hoch über den orange angestrahlten Klippen stand. Was für ein Motiv: Meer, Abendlicht, Klippen, Regenbogen. Atemberaubend schön.
Unglaublich. Ich ging ein Stück weiter auf die Klippen, um ein möglichst gutes Foto schießen zu können und den Moment zu genießen. Dabei musste ich um eine Bergkante herumgehen, die mir bisher den Blick Richtung Westen verwehrt hatte.
Und was ich nun sah, hatte ich noch nie zuvor in dieser Extremen gesehen. Der ganze Himmel schien zu brennen. Alle erdenklichen Rottöne färbten die Wolken, das Meer und die Klippen ein. Ich war mehr durch Zufall mitten in ein Naturspektakel hineingestolpert. Ganz egal wohin ich meinen Blick wendete, überall gab es Farben-, Licht – und Schattenspiele. Links der Regenbogen, in der Mitte ein oranger Meereshorizont mit der Silhouette eines Schiffes und auf der rechten Seite eine Klippe, hinter der der Himmel in Flammen stand. Mein ganzes Blickfeld ausgefüllt mit Naturwundern und ich mitten drin. Mit Worten kann man das nicht beschreiben.
Schon allein wegen dieses Sonnenuntergangs hätte sich die Reise gelohnt. Abgefüllt mit einprägsamen Bilder gingen wir zurück auf den Campingplatz. Zu dumm, dass es anfing zu regnen. So blieb uns keine andere Wahl als uns zu dritt mitsamt Gepäck in das Zwergzelt zu zwängen. Es war rekkordverdächtig und bescherte mir aus Gründen der Unbequemlichkeite lediglich drei Stunden Schlaf.
Der nächste Tag begann dafür mit strahlendem Sonnenschein. Wir machten uns nach dem Aufstehen umgehend auf den Weg zum Schiff, das uns den Walen näher bringen sollte.
Ich war ja davon ausgegangen, dass man sich glücklich schätzen könne, wenn man ein bis zwei Wale zu Gesicht bekäme. Nach einundhalb Stunden Schifffahrt, waren es aber tatsächlich mindestens 30 Exemplare. Giganten der Meere, die direkt an unserem Schiff vorbeischwammen, auftauchten, Wasserfontänen in die Luft stießen, mit den Flossen plantschten und abschließend abtauchten. Ein wohl einmaliges Erlebnis und seltene Möglichkeit diesen Tieren in freier Natur so nahe zu kommen.
Als wir wieder an Land waren war es richtig heiß geworden. Es hatte knapp 30 Grad. Ein unglaubliche Temperatur, schließlich hatte der Frühling erst vor zwei Wochen angefangen. Außerdem waren wir ja in Patagonien. Verrückte Welt.
Die nächsten Stunden verbrachten wir damit eine möglichst billige Ausfahrt zu den Pinguinen am Folgetag zu organisieren, ein größeres Zelt aufzutreiben und eine sinnvolle Aktivität für den Nachmittag zu finden. Dabei liefen wir viel herum, befragten jede Menge Leute und wurden engste Freunde der Damen des Touristenbüros. Liebe Leute, falls es euch irgendwann ebenfalls auf die Península Valdés verschlagen sollte, wendet euch an mich oder Sylvia. Wir wissen alles über Puerto Pirámides, kennen jeden Laden, jeden Menschen, jedes Transportmittel, jede Herberge, jedes Hotel, jede Bar, jedes Restaurant. Und das ist sogar ernst gemeint.
Ein Nachmittagsspaziergang zur Seelöwenkolonie brachte uns hoch auf die Berge mit wunderbarem Blick auf das Meer.
Der nächste Tag war ganz der Erkundung der Insel selbst gewidmet. Witzigerweise war es zu dritt billiger ein Auto mit Chaufeur zu mieten als im Touribus mitzufahren. Unser Fahrer, Franco, war ein netter Kerl, der anhielt wo wir wollten und uns Fotos schießen ließ.
Und so ging es los durch diese endlose Landschaft, in der es keinerlei Erhebungen gibt und sich die Straßen am Horizont verengen zu scheinen. Große Teile der Insel sind heute noch immer im Besitz von Privatpersionen. So auch das Areal um den Salzsee „Salina Grande“ ,der mit 42 m unter dem Meeresspiegl zu den tiefsten Senken des Landes und der Welt gehört. Und so fährt man ein Weilchen durch das Nichts, bis man urplötzlich an die Steilküste zum Meer kommt. Der Strand ist hier steinig und grau-schwarz und wird von weitgehend von fetten und faulen Tieren bevölkert. Seelöwen und Seeelefanten verschlafen dort ihren Tag.
Viel interessanter und lustiger ist die Pinguinkolonie weiter im Norden. Hier watscheln die kleinen Frackträger vergnügt herum, drehen sich im Kreis und sind vor allem nicht menschenscheu. Schon noch mal etwas anderes als im Zoo.
Und so war das auf der Peníunsual Valdés. Wir kehrten zurück auf unseren Campingplatz und feierten abends das lange Wochenende gemeinsam mit unserem französischen Campingnachbarn Anthony und einigen Argentiniern. Wir sangen Boca-Fangesänge und man zeigte uns argentinsichen Rock. Die Nacht war klar und kühl. Der Himmel übersät mit tausenden Sternen, ich sah das Kreuz des Südens.
Was für eine Reise.
Ser Argentino Parte II – El micro
20 Stunden Busfahrt. Klingt nach dem reinstem Horror. Aber nicht in Argentinien. Noch nie war Reisen so billig und machte Busfahren so viel Spaß. Warum?
1. Die Busse sind mit bequemen Betten und Liegesitzen ausgestattet. Je höher die Buchungsklasse, desto höher der Komfort. Die Liegesitze sind aber vollkommen ausreichend.
2. Bei 20 Stunden Busfahrt kommt bestimmt auch mal die Nacht, in der man problemlos bis zu acht Stunden am Stück schlafen kann…wenn nicht gerade ein Kleinkind alle 90 Minuten den Bus wach plärrt. (So erlebt)
3. Es gibt Essen und Trinken
4. Tagsüber laufen durchgehend Filme.
5. Bingo Andesmar. Hauptgewinn eine Flasche Wein aus Mendoza.
Kombiniert man vor allem Punkte 1, 2 (Ohne das Baby, da hilft GAR nichts)und 3 mit ein bisschen Wein, so steht einer bequemen und unterhaltsamen Reise nichts mehr im Weg.
Los geht’s.
Der schnellste Weg aus der Verzweiflung nennt sich Wunder. Ein Wunder verwandelt Verzweiflung wieder in Hoffnung.
Bussteig 42, ich stehe dort wie bestellt und nicht abgeholt (wie wahr). Vor mir steht das Wunder, ein Mann der Busgesellschaft, den ich folgendermaßen anspreche: “ Der Bus ist wohl schon abgefahren.“
Ich erwartete so etwas wie: “ Ach du bist der Vollidiot auf den wir so lange gewartet haben“. Aber nein. Nachdem ich ihm meine traurige Geschichte erzählt hatte, bot der Herr mir an mich zur nächsten Bushaltestelle zu fahren. Wie?! Nächste Haltestelle? Ja tatsächlich, der Bus hielt tatsächlich noch an einem anderen Terminal in Buenos Aires, welches ironischerweise von Hurlingham sogar schneller zu erreichen ist.
Eine halbe Stunde später ließ ich mich vollkommen erschöpft und durchgeschwitzt in den Halbliegesitz meines Busses zur Península Valdés fallen. Ich war fertig, aber nun glücklich vereint mit meinen Reisegefährten. Zugegeben, der private Transport zu Busterminal 2 war gewiss nicht billig, oh nein, aber die Erlebnisse der nächsten Tage waren den Aufpreis auf jeden Fall wert.
Eine Minute.
Eine Minute, die ich brauchte, um mich zu vergewissern, dass mein überfüllter Rucksack tatsächlich auch meine Kamera enthielt.
Eine Minute, dir mir fehlte, um in den richtigen Zug einzusteigen, der mich zur geplanten Zeit in die Innenstadt bringen sollte.
Eine Minute, eine böse Denunzantin, die die Zeit gegen mich aufbringen sollte.
Eine Minute, die mich zwang auf den nächsten Zug zu warten.
Eine Minute, die mir in der Innenstadt den Eindruck vermittelte nur noch mit dem Taxi rechtzeitig zum Busbahnhof zu kommen und mich nicht in die Metro einsteigen ließ.
Eine Minute für zehn Meter in einer durch den Feierabendverkehr und eine dumme Demonstration vollkommen verstopften Stadt.
Eine Minute vom Taxi in die Metro.
Eine verdammte Minute, die mich plötzlich in Panik versetzte, mich dazu brachte mit dem Denken aufzuhören und andere Leute nach dem Weg zu fragen. Eine schlechte Idee.
Eine Minute, eine böse Verschwörerin, die mich auf dem Bahnsteig genau die Person fragen ließ, die selbst keine Ahnung hatte und mich in die falsche Richtung schickte.
Eine Minute, um eine sechsspurige Hauptstraße zu überqueren, um auf den anderen Bahnsteig zu kommen.
Eine Minute, bis ich feststellte, dass ich in die falsche Richtung fuhr.
Eine Minute, um erneut die Staße zu wechseln.
Eine Minute, die mir noch blieb um zum Busbahnhof zu kommen. Ich hatte den Weg von fünf Minuten vor mir.
Eine Minute, in der ich den Weg von zehn Minuten rannte.
Zwei Minuten, die mir letztendlich fehlten. Es war alles schief gegangen, was schief hätte gehen können und ich stand allein an Bussteig 42. Mein Bus, der mich zur Península Valdés, zu vier Tagen atemberaubender Natur gefahren hätte, war ohne mich losgefahren.
Dies ist keine lustige Geschichte, keine dieser „Toll, ich bin im Ausland und erlebe jeden Tag spannende Abenteuer“-Geschichten. Es ist eine Erzählung von Anstrengung, Ausdauer und Enttäuschung. Sie handelt von einer Erfahrung der negativen, harten und bitteren Art. Ein Erleben einer Gigastadt, einer tödliche Rush-Hour und tausender Menschen im Verkehr. Nicht jeder würde diese Erfahrung aufschreiben, auch ich habe lange überlegt. Doch sie gehört dazu, geanauso wie die positiven Erlebnisse. Es würde etwas fehlen. Das Ganze wäre nicht komplett.
Es ist die Geschichte von Bussteig 42.
Mein Bus war abgefahren. Ohne mich. Meine Mitreisenden Boris und Sylvia hatten ehrenhafter Weise bis zum Schluss versucht den Busfahrer am Losfahren zu hindern. Vergeblich. Hier stand ich nun alleine. Der letzte Funken Hoffnung, der mir geblieben war, erlosch. Und wenn die Hoffnung geflohen ist, dann bleibt nur noch
Vezweiflung
Manchmal muss man sich entfernen, um vertraute Dinge komplett neu kennen zu lernen.
So den Tag der Deutschen Einheit. In der Heimat ein willkommener freier Tag, an dem man den goldenen Herbst genießen könnte, wenn man nicht auf dem Sofa versacken würde. Mit etwas Glück liefert der 3. Oktober ein langes Wochenende, mit etwas Pech bringt er gar nichts.
Natürlich ist man sich als Deutscher der enormen historischen Bedeutung dieses Tages bewusst, vor allem als Kind der, wie sie so schön genannt wird, „Generation Unity“. Aber groß feiern tut man den Tag trotzdem nicht.
In Buenos Aires dagegen schon. Jährlich lädt die Deutsche Botschaft alle deutschen Vereine und Schulen auf die Plaza Alemana, um dort den Tag der Deutschen Einheit festlich zu begehen.
Feierlich ziehen die Delegationen des Deutschen Turnvereins Buenos Aires, des Deutschen Clubs Berliner in Buenos Aires, des Deutschen Kleintierzüchtervereins Buenos Aires (natrürlich nicht) und sämtliche Deutsche Schulen zu Marschmusik einer Blaskappelle auf derPlaza ein. Nachdem alle schön aufgereiht sind, gibt die argentinische Blaskapelle eine Hymne zu Ehren des argentinischen Freiheitskämpfers José de San Martin, die argentinische und die deutsche Nationalhymne zum Besten.
Besonderheit in diesem Jahr war ein enorm schlechter Redner, dessen rhetorische Finesse es war, Sätze in der Hälfte abzubrechen, eine sehr lange Pause zu machen und an komplett anderer Stelle fortzufahren. Hätte gewisse bestimmte Loriotanklänge gehabt, wäre die Rede auf deutsch und nicht auf spanisch gewesen.
Nach dieser Katastrophe hielt sich der deutsche Botschafter recht kurz, betonte die Wichtigkeit dieses historischen Tages und lud im Anschluss alle Delegationen zum Würstchenessen auf das Botschaftsgelände ein.
Zwei Stunden Smalltalk später war der Empfang in der Deutschen Botschaft vorüber. Doch nicht für mich und die anderen Freiwilligen in der Stadt.
Als Angestellte des Auswärtigen Amts wurden wir zusammen mit unseren Schulleiterinnen zum zweiten, weitaus exklusiveren Empfang geladen. Zusammen mit Wirtschaftsverterten, Militärs, Industriellen, Botschaftern, Direktoren, Politikern und Vorständen durften wir über den roten Teppich in die Botschaft und den dahinterliegenden Garten eintreten.
Dort waren einzelne Stände aufgebaut, die verschiedenes, teils deutsches, Essen im Angebot hatten. Die Sonne schien, blauer Himmel, eine Band spielte auf. Nach und nach tasteten wir uns essend und trinkend von Stand zu Stand durch den wunderschönen Botschaftsgarten bis hin zur Kaffeebar, an der sehr freizügig ausgeschenkt wurde.
Die Band spielte erneut die zwei Nationalhymnen, danach Jazz und Tango . Die Essens- und Getränkestände wurden langsam abgebaut und auch die Zapfsäule mit dem deutschen Bier war schon nicht mehr besetzt. Die Feier neigte sich dem Ende.
Ich spekulierte noch auf ein paar Partyfouls, nachdem eine Gruppe älter Herren damit anfing, sich das Bier großzügig selbst zu zapfen. Drohte gar eine Partyeskalation auf dem Botschaftsgelände?!
Natürlich nicht. Der Garten leerte sich, die hartnäckigen Gäste wurden freundlichst herauskomplementiert und ein sehr schöner Tag neigte sich dem Ende.
19 Jahre Tag der Deutschen Einheit. Ein Grund zum Feiern.
Was man braucht:
1. Einen Tag in Tigre, der Hafenstadt an der Mündungdes Río Paraná in den Río de la Plata. Die Hafenstadt ist ein beliebtes Ausflugziel der Porteños (Bewohner Buenos Aires) und bekannt für seinen riesigen Markt mit Möbeln und anderen Handwerkerprodukten.
2 .Viel Geduld und Ausdauer, bis man dort den richtigen Mate (Das Trinkgefäß) gefunden hat. Oder er dich. Denn Mate und Besitzer müssen zusammen passen.
3. Yerba. Die Blätter des Mate-Strauches.
4. Heißes Wasser, nicht kochend, für den Aufguss.
5. Ein paar Freunde. Denn Mate trinkt man nachMöglichkeit in Gemeinschaft. Das ist die Philosophie dabei.
„Ich hatte schon immer den Verdacht,…
dass das Ausblasen der Kerzen auf der Geburtstagstorte ein getarnter Gesundheitstest für die Versicherung ist.“
Katharine Herburn
Da kann ich froh sein, dass ich als „kulturweit“-Freiwilliger automatisch bei Dr. Walter versichert bin. Denn ich weiß nicht, ob ich zwanzig Kerzen so locker ausblasen würde. Vor allem mit dem Gedanken im Kopf, dass es in zehn Jahren schon dreißig sein werden…Gruselig.
Die Teenager Zeit ist endgültig vorbei, macht ja nix, die zwanziger sollen ja eh die besten Jahre sein. Roaring Twenties eben.
Also los, eine gigantische Stadt wartet darauf entdeckt zu werden. Mit dem „Urquiza“-Zug, der auf Grund mehrer mehr oder weniger aufdringlicher Händler etwas von einem fahrendem Basar hat, geht es schon recht nah ans Zentrum. Für eine Millionenstadt ist an diesem Samstag eigentlich nicht viel los und so können mein Gastbruder Francisco und ich ohne ein all zu großes Schweineinfluenzainfektionsrisiko (welch ein Wort!) direkt in die „Subte“ einsteigen, die uns direkt zur Plaza de la República bringt.
Einst wehte hier die argentinische Flagge zum ersten Mal. 1936 wurde an dieser Stelle zur 400 Jahre Gründungsfeier der Stadt ein 67 m hoher Obelisk errichtet. Noch viel interessanter ist allerdings die 22-spurige Avenua 9 de Julio, die es auf dem Weg zum Obelisken nach Möglichkeit lebend zu überqueren gilt.
Zeit für einen Kaffee. Im Café Tortoni, Buenos Aires ältestem Kaffeehaus, treffen wir uns mit „kulturweit“-Homies Annabelle und Sylvia, die beide so nett sind, mir an diesem für mich zugegebenerweise doch recht wichtigem Tag etwas Gesellschaft zu leisten.
Nach willkommener Stärkung werden die ersten Touristationen abgeklappert. Congreso de la Nación, Plaza de Mayo und Casa Rosada. Meine erste Stadtbesichtigung endet in Puerto Madero, dem hippen Hafenviertel der Metropole.
In einem angemessenem Rahmen klingt der Abend mit den restlichen Freiwilligen, Kuchen und einer gestürmten Kolumbianerparty im Stadtteil Belgrano aus.
Die Affen rasen durch den Wald
Meine Einsatzstelle, die Hurlingham Schule, liegt nur etwas 300 Meter von meinem momentanen Wohnort entfernt. Das ist ganz gut, da kann man laufen. Von außen ist die Schule mehr oder weniger ausladend, aber als langjähriger Betonklotz-Schickhardt-Gymnasium-Herrenberg Schüler, weiß ich natürlich, dass es die inneren Werte sind, auf die es ankommt. Wie so oft.
Und tatsächlich. Von innen wirkt die Schule sehr sympathisch, auf der Rückseite gibt es sogar einen kleinen Garten und in der Mensa wird das Essen täglich frisch zubereitet. Was will man mehr? Das Leherkollegium ist ebenfalls sehr freundlich und es wird viel gelacht, auch wenn mir auf Grund meiner Sprachschwierigkeiten noch so mancher Witz verborgen bleibt. Aber daran arbeite ich. Hab mir schon ein paar argentinische Kinderbücher zum Lesen organisiert.
Meine Aufgaben hier sind sehr vielfältig. Vom ordnen des Archivs bis zum AG leiten dürfte hier alles drin sein. Meinen Einstand gab ich erst mal in der 6. Klasse mit einem gemeinsamen kleinen Lied: „Die Affen rasen durch den Wald“. Die Aktion war ein voller Erfolg. Musik verbindet eben.
Immer noch auf Wohnungssuche…
Und dann wacht man auf.
Man wacht auf und weiß: Das war’s. Goodbye Deutschland. Die Auswanderer. Konny Reimann lässt grüßen.
Das Gepäck ist schon längst am Flughafen, also noch schnell das Handgepäck schultern und rein ins Auto. Trotz wochenlanger Vorbereitungen geht dann plötzlich alles recht schnell. Man kommt mit dem Denken nicht mehr hinterher. Vielleicht ist es auch besser so. Abschied von der Familie, der allerletzte Abschied nach unzähligen vorhergegangenen. Es ist ein Taumeln in ein Abenteuer. Und die Zeit ist reif dafür.
„Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst. Wir müssen einem Leben Lebewohl sagen, bevor wir in ein anderes eintreten können.“ Anatole France (1844-1924)
Adelante. Argentina, yo vengo.
Über meinen Flug gibt es nicht viel zu berichten. Höhepunkte waren der Start, die Landung und der Moment in dem mir mein argentinischer Nebensitzer prophezeite, dass mein Wohngebiet (Hurlingham) nicht nur hässlich, sonder obendrein auch noch gefährlich sei. Niemand kann dem Mann ein gewisses Motivationstalent abstreiten. Sind ja nur schlappe 12 Monate, die ich dort verbingen werde. Aber egal, nach 13 Stunden und 45 Minuten wie die Sardinen in der Büchse will man nur noch raus. Egal wohin.
Freundlicherweise wurden die anderen Freiwilligen und ich gleich am Flughafen von Vertretern unserer Einsatzstelle in Empfang genommen. In meinem Fall Pedro, der an der Hurlingham Schule (meiner Einsatzstelle) Musik bei den Kleinen unterrichtet. So fuhren wir gemeinsam nach Hurlingham rein. Glücklicherweise wurden wir hier weder verprügelt, angeschossen, noch ausgeraubt. Nach den Erzählungen meines freundlichen Nebensitzers hatte ich mir ja schon vogelwilde Szenarien ausgemalt. Ich beschloss die Erzählung des Herrn aus dem Flugzeug als maßlose Übertreibung anzusehen.
Letztendlich kamen wir dann am Haus meiner Schulleiterin, Anabel, an. Hier wurde ich sehr herzlich begrüßt. Eine lange Reise lag hinter mir und mein Tagesziel (Einen Platz zum Schlafen finden) war erreicht. Doch an Stelle des wohlverdienten Bettes traf ich im Wohnzimmer nur etwa 20 Austausschüler aus Rosario an, die dort einen Film schauten. Nach zwei Stunden war das Wohnzimmer leer, meine Matratze installiert und ich bereit für einige Stunden Schlaf.
Wie zu erwarten übersprang ich am Sonntag erst mal das Frühstück, um den Tag mit einem herzhaften Mittagessen einzuläuten. Und was kommt einem als erstes in den Sinn, wenn man an Argentinien denkt. Genau, FLEISCH. Gibt es ein besseres Willkommensessen als ein schönes asado? In Argentien sicherlich nicht. Und es stimmt. Das argentinische Fleisch ist phänomenal.