Schon wieder am Flughafen und noch eine Stunde Zeit bis zum Boarding. Ich strotze vor Energie. Seit gestern war ich mir nicht sicher, ob ich meinen Rucksack problemlos an Board bekomme, doch siehe da, mit 23,4 kg lief in Irkutsk alles einwandfrei. Nun bleibt zu hoffen, dass das in drei Tagen in Moskau genauso läuft. Meine vier Handgepäcksstücke durfte ich bis jetzt auch behalten. Es lebe Aeroflot! Noch entspannter war jedoch die Fahrt zum Flughafen, doch dazu später. Jetzt erst einmal der Reihe nach.
Fangen wir mit Pole Dance an. Das Examen ist bestanden! Trotz meiner müden Arme und zeitweise sehr angespannter Nerven konnte ich 88/90 Punkten erzielen. Das lag auch daran, dass wir ungefähr 12 Mädels waren, die alle gemeinsam geprüft wurden. Soll heißen, wir standen alle in einer Reihe und eine nach der anderen „turnte“ jeweils eine Figur vor. Somit blieb genug Zeit, um sich zu erholen und zu sammeln. Die Pole Dance Stunden nach der Prüfung, also die letzten 2 Wochen tanzen wir! Das brachte viel Freude, zusammen mit neuen blauen Flecken und vielen Schürfwunden. Am Samstag, also vorgestern sollte die letzte Doppelstunde sein. Diese fiel aus, was wir erfuhren, als wir vor der Tanzstudiotür standen. Unsere Lehrerin hatte verpeilt, dass Samstag Samstag war und somit bei ihr zwei Auftritte auf dem Programm standen. So machte ich mich stattdessen auf den Weg zum dem Shopping-Center, wo der erste Auftritt stattfinden sollte. Natürlich war Katja noch nicht vor Ort. Ich wollte ihr aber unbedingt meine vorletzte Rittersport-Schokolade und eine kleine Karte überreichen, die ich dann an einem Пончики-Stand im Center für sie abgab. Spontan verabredeten wir uns für Sonntagvormittag. Und wer hätte es gedacht, anstatt uns kurz für 30 Minuten zu sehen, wovon ich ausgegangen war, saßen wir zweieinhalb Stunden in einem Café und lachten und plapperten ohne Punkt und Komma. Katja, die zwei Jahre jünger ist als ich, studiert ebenfalls an der БГУ und wird auch im Sommer fertig. Danach möchte sie reisen und losgehen soll es in Deutschland. Dass sie nach Berlin kommt ist ausgemacht. Noch am Samstag meinte ich zu Heather, dass ich an diesem Tag so viel Russisch gesprochen hätte wir in den letzten drei Tagen nicht. Das kam durch das Interview, welches ich für den studentischen Uni-Kanal gab. Auch das sehr spontan. Am Montag saß ich im zehnten Stock der Uni, um zu arbeiten. Plötzlich kamen drei Mädel und fragten mich, ob sie mit meinem Laptop Dateien auf ihre CDs brennen könnten. Und sie fragten, ob ich für sie eine Unterschrift „zaubern“ könnte, entschieden sich dann aber doch dafür, das selber zu machen. Während ich also die CDs beschrieb, übten sie die benötigte Unterschrift. Wir kamen ins Gespräch und eine der Studentinnen fragte mich, ob ich nicht ein Interview geben könne. Noch am selben Tag kontaktierte mich ein anderer Student und nachdem wir den Termin mehrmals nach hinten verschoben, stand am Freitag der Samstag fest. Mit ausgearbeiteten Fragen und Plan, saßen wir erst im Studio, ebenfalls im zehnten Stock der Uni, um dann zu viert durch die Uni zu laufen. Gefilmt wurde mit zwei Handys, da deren Kamera besser sei, als die richtige Kamera. Ein kleines portables Mikrofon gab es auch! Wie dem auch sei, es schien mir am Sonntag, nach dem Treffen mit Katja so, als ob ich an diesen zwei Tagen mehr Russisch gesprochen hätte, als in den letzten zwei Wochen.
Apropos letzte Wochen.
Diese Woche am Donnerstag feierte die Russisch-Chinesische Fakultät ihr Neujahrsfest. Es gab ein Programm, auf die Beine gestellt von einem Kurs russischer Studenten im ersten Jahr, die Chinesisch lernen. Ebenfalls Teil dieser Gruppe ist Nastja, die russische Studentin, die uns einmal im Общежитие besuchte. Nastja und Heather schafften es in der letzten Zeit nicht Zeit für einander zu finden. Jedoch traf ich Nastja eines Morgens auf dem Weg zu Uni, direkt vor dem Общежитие und so machten wir uns gemeinsam auf den Weg durch die Dunkelheit und durch den Schnee. Überhaupt hat es in den letzten Wochen und vor allem am Anfang dieser Woche sehr viel geschneit! Ganz Irkutsk bedeckt von weißer Pracht und verziert mit glitzernden Eiszapfen. Schnee und Eiszapfen werden von den Bewohnern gepflegt, oder bekämpft, ganz wie man es betrachten möchte. Die Eiszapfen sind teilweise mehrere Meter lang und dementsprechend ziemlich gefährlich. Deshalb werden sie von den Häusern geschlagen und der Schnee von den Dächern geschoben. Wie in Perm kamen auch wieder LKWs, um den Schnee aus der Stadt zu transportieren, doch insgesamt liegt in Irkutsk weniger Schnee, als ich es aus Perm gewohnt bin. Nichtsdestotrotz bewundere ich die Geduld der Menschen, deren Arbeit es im Winter zu sein scheint, die Wege vom Schnee zu befreien. Jeden Morgen sah ich eine kleine ältere Dame mit einem großen Besen die vielen Stufen, die vom Musiktheater herunter führen, reinigen. Jeden Morgen aufs Neue! Andererseits stellt sich dabei die Frage, was diese Leute im Sommer machen… Zurück zum Neujahrsfest. Heather erzählte mir in der letzten Uni-Woche, dass eine Lehrerin sie zu einer Feier anlässlich des Neujahres eingeladen hätte. Aufgrund der Tatsache, dass nicht wenige chinesische Studenten in der !einen Woche! Ferien nach Hause fahren, sollte frühzeitig gefeiert werden. Kurz darauf erhielt ich eine SMS, ob ich nicht bei einem Neujahrskonzert noch einmal mein Lied singen könnte. Letztendlich war es kein richtiges Konzert, zum Glück, sondern mehr ein Theaterstück/ Theatherspiel, in welches mein Lied eingebaut wurde, um den Winter einzuleiten. Als ich anfing zu singen, standen alle um einen Weihnachtsbaum herum und schon nach ein paar Sekunden tanzten russische und chinesische Studenten, zusammen mit den Lehrern. Dadurch brachte mir das Singen noch mehr Freude.
Ebenfalls vorletzte Woche Freitag sammelten Kristina, Killian und ich unsere letzten Noten bzw. die letzten Unterschriften ein. Das war ein Gefühl! Freiheit, Schwerelosigkeit und ein wenig Verzweiflung. Damit war das Auslandssemester endgültig vorbei. Zur Feier des Tages gingen wir ganz traditionell mit Heather Sushi essen. Am Sonntag, dem Tag bevor Kristina und Killian flogen, spazierten Heather und ich zu ihrem Hostel und zu viert und mit vielen vielen Taschen und einer unglaublichen Menge von mehr oder weniger nützlichen Sachen und Essensvorräten für Heather ging es mit dem Taxi zurück zum Общежитие. Bei uns feierten wir den dritten Advent, mit Weihnachtsmusik, selbstgebackenen Cookies, meinem wunderschönen Adventskranz, Heather bunt geschmückten Weihnachtsbaum und vielen Kerzen. Im Laufe der Woche hatten Heather und ich uns auf die Suche nach einem Kürbis gemacht. Und nachdem wir Kürbissuppe, Kürbisbrot und Kürbis im Ofen gebacken hatten, gab es am Sonntag Kürbis-Cookies. Am Wochenende zuvor lud Heather zwei ihrer russischen Freundinnen zum Plätzchenbacken ein. Ich stieß etwas später dazu und stach diszipliniert den Teig aus, während die Mädel verzierten.
Am Samstag war ich dann noch einmal mit Plätzchenbacken beschäftigt. Um meine Haferflocken aufzubrauchen, mischte ich ein Cookie Dough aus Haferflocken, Bananen, Cranberries und Peanut Butter! Like Heather sad: Every bite was different. Die Plätzchen waren vor allem auch gedacht für den amerikanischen Weihnachtsabend, zu dem Heather und ich, von Heathers amerikanischen Freunden eingeladen worden waren. Nachdem ich Samstagnacht und Sonntagmorgen mit Packen beschäftigt war, zurück vom Treffen mit Katja kam und Heather und ich die letzten Sachen aus meinem Zimmer in ihre Zimmer geräumt hatten, sammelten uns ihre Freunde mit dem Auto ein und wir fuhren zu ihrem Haus. Dort aßen wir am Abend selbstgemachte Pizza, tranken Cola bzw. Pepsi-light, während wir eine alte englische Verfilmung von Charles Dickens „Eine Weihnachtsgeschichte“ schauten. Danach wurde die Weihnachtsgeschichte gelesen und dann gab es die Stockings. Sogar für mich hatten sie eine Socke gefüllt. Im Anschluss sagen wir sicher eine gute Stunde lang Weihnachtslieder und ich war erstaunt, wie viele von den christlichen englischen Liedern ich kannte und singen konnte, vor allem durch Schul- und auch Uni-Chor. Nachdem ich noch mit Berlin Kontakt aufgenommen hatte, ging es dann ziemlich flink kurz nach Mitternacht ins Bett, bzw. aufs Sofa. Ich schlief im Wohnzimmer, direkt neben dem Weihnachtsbaum. Ebenfalls im Zimmer eine alte Wanduhr, die tickte und alle halbe Stunde einen Gong von sich gab. So konnte ich sehr gut die Zeit zählen, bis es zum Flughafen ging. Um sechs Uhr standen wir auf, zum Frühstück gab es selbstgemachte Cinnamon-Rolls und dann ging es auch schon los. Ganz entspannt mit dem Auto. Heather brachte mich bis zum ersten Security–Check und dort standen ihr dann die Tränen in den Augen. Ich hatte sie schon vorgewarnt, dass ich nicht traurig sein werde, wenn wir am Flughafen sind. Für mich ist jeder Aufbruch eine gute Sache. Die Zeit in Irkutsk war wunderbar, doch jetzt ruft Moskau!