Auf den neusten Stand gebracht (vor Sotchi)

Wenn ich auf den letzten Eintrag schaue,  kann ich mich nur darüber wundern wie die Zeit vergeht. Fast einen Monat ist es her, dass ich geschrieben habe. 6 Wochen bin ich inzwischen in Russland. Der Alltag hat mich eingeholt, auch wenn ich ihm gerade wieder entfliehe. Werfen wir also nun zusammen einen Blick auf das, was geschehen ist, angefangen im hier uns jetzt.

Die Magie des Baikals

Draußen regnet es. Drinnen ist es warm und das nicht nur dank meiner dicken Wollsocken, sondern auch, weil eine funktionstüchtige Heizung das Zimmer des Holzhauses wärmt, in dem ich auf meinem Bett für 4 Nächte sitze. Um den russischen Alltag etwas zu entkommen, den Baikal besser kennen zu lernen und vor allem um meinen Eltern die Gegend zu zeigen, sind wir nach Ольхон gefahren. Irkutsk, der Baikal und Ольхон sind so verbunden wie Paris und der Eifelturm. Besucht man das eine, steht das andere fast automatisch auch auf dem Programm. Ольхон, ist die größte Insel im Baikal. Glaubt man den Schamanen, ein von Geistern bewohnter Ort. Und besonders ist die Insel auf jeden Fall. Im Sommer ein Touristen-Hort und jetzt, ein ruhiger Fleck, der zum Erholen einlädt.  Gestern Abend sind wir nach gut 5h in der Maschrutka angekommen, nachdem ich am Morgen noch einen Test in Politologia geschrieben habe. Heute sind wir von unserem Mini-Hotel um die 3h an der Küste entlang zum Hauptstädtchen der Insel gelaufen, das theoretisch ein großes Dorf ist. Gesehen haben wir auf unserem Weg viele Kühe. Kühe an der Küste, Kühe im Wald, Kühe auf der Straße und Kühe in der Stadt (Dorf). Diese Kühe scheinen hier ein entspanntes Leben zu führen. Früher lebten die Bewohner von Ольхон von der Fischerei, doch inzwischen liegt das Augenmerk auf dem Tourismus. Bis Montag sind wir noch hier, dann geht es für mich zurück nach Irkutsk (und Dienstag früh weiter nach Sotchi!). Nachtrag am Montagabend: Inzwischen bin ich tatsächlich wieder in Irkutsk und Moni und Bernhard schon in Listwjanka, wo sie bis Freitag bleiben, um dann am Samstag zurück nach Deutschland zu fliegen. Unsere Wanderung vom Freitag haben wir am Sonntag wiederholt und am Samstag sind wir bei einer abenteuerlichen russischen Safari-Fahrt zum nördlichsten Punkt von Ольхон. Fotos und Erzählungen können bei den beiden angefragt werden. Auch zur Rückfahrt nach Irkutsk und dem Thema Zahlungsmöglichkeiten auf Inseln gibt es einiges zu erzählen, was den Rahmen hier jedoch sprengen würde).

Bei der letzten Wanderung mit der Wandergruppe rund um die russischen Studenten ging es auch zum See, dort die Schienen der Panorama-Bahn entlang und schlussendlich ca. 1500m die Küstenberge hinauf. Ein Aufstieg, sowie ein Abstieg, der noch lange in Erinnerung bleiben wird und eine Aussicht, die auf Bildern nicht festgehalten werden kann . Diesen Blick genossen wir so lange, dass wir im Dunkeln, über Stock und Stein zur Электритчка zurück eilen mussten. In der Электритчка war ich noch lange davon beeindruckt, dass wir es tatsächlich alle rechtzeitig geschafft hatten. Auch bei der Wanderung zwei Wochen zuvor ging es im Dunkeln zurück und dunkel, meint auch dunkel, oder besser gesagt stockduster! Da kann wirklich ein Hochlied auf Handys, mit Taschenlampenunktion, gesungen werden!

Besuchen und besucht werden

Schon angedeutet, jedoch noch nicht ausgeleuchtet, ist die Tatsache, dass seit Montag meine Eltern in Irkutsk ihr Unwesen treiben. Nicht selten Scherze ich, dass ich mich nur deshalb für Irkustsk entschieden habe, anstatt für Moskau oder Petersburg, weil meine Eltern unbedingt den Baikal sehen wollten. Somit stand schon von Anfang an fest, dass sie vorbei kommen. Ziemlich erschöpft vom harten Leben in Berlin, sind sie hier gestandet. Dadurch war das Programm der letzten Tage verhältnismäßig klein gehalten, was auch daran lag, dass ich jeden Tag in der Uni war, Hausaufgaben auf hatte und lernen musste. Am Montag holten die beiden mich von der Uni ab und wir spazierten an der Angara entlang. Nach meinem Chortreffen holte ich die beiden im Hotel ab und zeigte ihnen mein Zimmer im общежитие. Mit ihnen kam auch mein Wintermantel! Jetzt kann es also kalt werden und der Schnee liegen bleiben. Schnee ist nämlich schon gefallen, nur dann sehr schnell wieder geschmolzen. Dienstag waren wir am frühen Abend zusammen mit Heather essen und danach zu dritt im Kino. Mir war schon vorher klar, dass Kingsman2 nicht der richtige Film für meine Mutter sein wird, doch ich kann sagen, dass sich beide wacker geschlagen haben, auch wenn es ihnen teilweise schwer fiel, den Dialogen zu folgen. Mittwochabend waren wir dann im „Musikalischen Theater von Irkutsk“ und hörten uns Lieder über „Liebe und Tauben“ an, frei gespielt nach einem sowjetischen Musikfilm. Gestern war dann auf einmal schon Donnerstag und Startschuss für die kleine gemeinsame Reise.

In den letzten Wochen war ich aber auch selber Gast! Am häufigsten im Zimmer nebenan. Heather und ich verstehen uns noch immer sehr gut, wenn nicht sogar immer besser. Heather ist der Meinung, dass Gott das verfügt hat, denn „das kann kein Zufall sein“, dass wir uns hier in Russland getroffen haben. Ob nun durch Gott, oder einfach so, ich bin glücklich, dass es so gekommen ist. Gemeinsam besuchen wir einen Sprachkurs (Medienrussisch) in der Uni zusammen, in der letzten Stunde am Freitag. Danach startet unser Mädelsnachmittag. Auf dem Weg zum общежитие zeigen wir uns bestimmte Läden (so hat Heather mir die `Fünfte Armee` gezeigt, ein Laden in dem es Lebensmittel aus Europa und anderen Regionen der Welt gibt, die sonst in Irkutsk scher zu finden sind), oder Cafés/ Restaurants  (wir waren zusammen in dem kleinen vegetarischen Restaurant namens Govinda, das ich vor ein paar Wochen ausfindig machen konnte und in dem ich inzwischen 2-3 mal die Woche das Business-Lunch esse [Business-Lunch = festgelegtes Menü zu einem unschlagbar günstigen Preis, zur Mittagszeit. Im Fall von Govinda: eine kleine Suppe, ein kleiner Salat, ein kleines Brot, ein Tee/ Mors und ein Teller mit Reis, Tomaten-Tofu-Soße und einem Gemüse-Bratling für nur 190 Rubel]. Am Abend (oft auch Samstagabend). Danach beginntdas große Vergnügen.  Wer hätte gedacht, dass ich in Russland amerikanische Cookies backe und in das Geheimnis der Riesen-Cookie eingeweiht werde. Wir versuchen uns auch an russischen Gerichten wir Dranikis (eine Art Kartoffelpuffer), Blinis (russische Crêpes) und Warenikis (die jedoch gekauft und nur selber gekocht). Einmal leistete uns auch eine junge russische Studentin Gesellschaft, die Heather im Sprachkursgebäude kennen gelernt hat. Nach dem Schlemmen spielen wir, oder schauen Filme und oder eine, oder auch zwei Folgen einer amerikanischen Serie  (Sue Thomas F.B.Eye).

Zweimal war ich auch schon bei Айгуль. Айгуль, eigentlich eine Freundin von Anne, die Anne im letzten Jahr bei ihrem Auslandssemester kennen gelernt hat, wohnt inzwischen, da sich jetzt arbeitet, nicht mehr im общежитие, sondern ist stolze Besitzerin einer eigenen Wohnung. Dort hat sie auch ihren Geburtstag nachgefeiert. So kam es, dass an einem Sonntag keine Wanderung stattfand, weil das gesamte Orgateam, zu dem auch Айгуль gehört, anderweitig beschäftigt war. Wie üblich spazierte ich zum Ort des Geschehens und auf dem Weg traf ich zufällig auf einen Großteil der anderen Gäste. Diese mussten mich erst aus meinen Harry-Potter Trott rauswinken, beinahe wäre ich an ihnen vorbei gelaufen. Zusammen warteten wir auf weitere Gruppenmitglieder und kauften dann Blumen. Ich steuerte spontan eine Vase für den Blumenstrauß bei und gliederte mich so an das Gemeinschaftsgeschenk an. Bei Айгуль wurden wir erst einmal zum Essenvorbereiten abgestellt und dadurch rieb ich ca. eine Stunde zwei riesige Zuchinis(?!) für Dranikis und briet diese dann anschließend. Айгуль wollte mir nach getaner Arbeit eine Medaille verleihen. Sie hatte nur keine parat. Im Anschluss aßen, sangen und spielten wir, bis sich die Runde langsam auflöste. Am Mittwoch darauf lud mich Айгуль noch einmal zu sich ein und sie erklärte mir dann auch, dass ich gerne bei ihr baden dürfte und sowieso immer für einige Zeit einziehen könnte. Alleine wohnen ist auf die Dauer dann doch etwas langweilig. Am Mittwochabend durfte ich auch wieder kochen. Die IRS-Mädels vom letzten Jahr haben einen guten Eindruck hinterlassen und die Erwartung gefestigt, dass „Deutsche lecker kochen“. Als noch eine Freundin von Айгуль kam, die ich auch vom Wandern und vom Geburtstag kannte, begann (mit vollem Magen) eine Home-Sportrunde, die wirklich nicht von mir ausging. Danach schauten wir noch einen Film. Айгуль war krankgeschrieben, musste deshalb am nächsten Tag nicht zur Arbeit und hatte dadurch nichts dagegen lange auf zu bleiben, was dazu führte, dass ich mich am Donnerstag bei Politologia noch mehr konzentrieren musste um den Faden beim Mitschreiben nicht zu verlieren.

Was sonst so in der Uni geht

An sich bin ich im russischen Unileben angekommen (mal abgesehen davon, dass ich jetzt zwei Uniwochen verpasse). Ich habe schon einige Tests mitgeschrieben, ein paar Präsentationen gehalten und u.a. mein altes Wissen über Hobbes und den Leviathan präsentiert. Besonders viel Spaß machen die Kurse Branding und Marketing. Dazu kommt dann noch Business Englisch, Medien-Russisch, Stilisitika (Sprachkurs), eine Vorlesung zu den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, Sprachwissenschaften und halt Politologia. Damit und den dazu gehörenden Hausaufgaben ist die Woche gut gefühlt. Tatsächlich scheint auch mein Stundenplan endlich fix zu sein, nachdem er sich in den letzten Wochen, regelmäßig geändert hat. Kontakte zu den russischen Stunden konnte ich auch knüpfen. Wie sich diese weiter entwickeln wird sich nach Sotchi zeigen. Immerhin haben Ljubov (wer heißt nicht gerne „Liebe“) und ich uns schon zwei Proteinriegel, in dem Laden in dem sie seit neustem arbeitet, geteilt.

Sinnloses Wissen zum Schluss

In Irkutsk gibt es ein Hippodrom mitten in der Stadt, also eine riesige Pferdewiese mit Ställen und Longier Anlage. Somit können die Anwohner der Häuser, die erhöht um das Hippodrom stehen, tagtäglich Pferde bestaunen.

Irkutsk ist an sich eine fußgängerfreundliche Stadt. Es gibt unzählige Zebrastreifen und schaut man den heranfahrenden Autofahrern beim Betreten dieser Streifen in die Augen, halten diese vorbildlich an. Wenn eine Ampel rot ist, sollte man jedoch schleunigst von der Straße runter. Wenn die Autos grün haben, dann fahren sie und sollte die Ampel auf Rot springen fahren sie in der Regel trotzdem weiter, solange es eben geht. Da kann es dann auch passieren, dass ein Polizist, der nach der Grünphase für Autos noch auf einem Zebrastreifen steht, ein Kind mit dem Heck anstößt, welches rechtmäßig über die Straße gehen möchte. (Das habe ich auf meinem Weg zur Uni mit eigenen Augen gesehen. Zum Glück ist dem Jungen nichts passiert, außer dass er sicher einen Schreck bekommen hat.)

Pakete (und sicher auch Briefe und Postkarten) kommen im  общежитие an! Das ist dank Yara bewiesen!!!! (Streckendauer England-Irkutsk ungefähr 4 Wochen).

In diesem Sinne freu ich mich von euch zu hören.

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