Gestern war Sonntag, mein freier Tag! Frei soll heißen keine Uni und kein Deutsche-Uni-Kram. Nichtdestotrotz klingelte mein Wecker um 7.15 Uhr und setzte ich meinen Fuß erst nach 22 Uhr ins общежитие. Zusammen mit 25 russischen Studenten war ich gestern nämlich in sibirischen Wäldern wandern. 9.10 trafen wir uns am Bahnhof. Um warm zu werden, lief ich die 5km dorthin auch. Die erste Hürde für mich bestand dann darin die Gruppe zu finden. Der Bahnhof war wortwörtlich überfüllt mit Menschen, eine Gedrängel und Geräuschpegel ohne gleichen. Nachdem ich mich mit Aygul, einer Freundin von Anne, zusammen telefoniert hatte war das nächste Vergnügen der Ticketkauf für die Электритчка. Der Ansturm an die Kasse war riesig. Also machten wir es wie alle und drängelten uns höflich nach vorne. Immerhin hatten wir nur noch 15 Minuten Zeit. Zwei Minuten bevor die Электритчка losfuhr hatten wir unsere Tickets in der Hand und dann hieß es rennen. Die nächste halbe Stunde staunte ich darüber, dass wir es tatsächlich in den Zug geschafft hatten. Sitzplätze fanden wir dort erst einmal nicht, dafür den Rest der Gruppe. Fröhlich, müde, ausgelassen standen wir also im Abteil zwischen den Wagons und sofort war die Gitarre rausgeholt. So sangen die russischen Studenten und ich, insoweit ich die Texte konnte, bis wir nach ungefähr einer Stunde einen Sitzplatz bekamen. Nach insgesamt Zweieinhalbstunden Fahrt waren wir da, im Nirgendwo. Nach der Belehrung, die es nicht gab, da wir sie ja alle schon bei VKontakte gelesen hatten (bzw. hätten sollen), unterschrieben wir brav und dann ging es los. 4km durch den Wald zum Raben-Stein. Dort kletterten wir rauf, staunten und erfreuten uns an der Aussicht, und kletterten irgendwann auch wieder runter. Wir wanderten ca. 5km zum nächsten Steinberg und verbrachten dort sicher zwei Stunden. Ein „Tisch“ wurde hergerichtet und mit all den essbaren Mitbringseln gedeckt. Sogar ein Feuerchen gab es. Als die Sonne langsam begann unterzugehen machten wir uns auf den Rückweg und im Dunkeln kamen wir bei der Bahnstation an. In der Электритчка zeigte sich die Müdigkeit, doch gesungen wurde trotzdem! Wobei ich einfach nur noch k.o .war, vom vielen Russisch hören und reden.
Bedingt dadurch bin ich froh, dass unser letzter Doppelblock „Die Geschichte der Vaterländischen Literatur“ heute (schon wieder) ausgefallen ist. So sitze ich seit fast schon drei Stunden auf einem kleinen Balkon von einem Café im Touri-Viertel, oder auch sogenannten 130 Kvartal, und arbeite an meinem ersten Referat, für den Kurs Sprachwissenschaften. Wobei ich jetzt gerade im Augenblick nur den Gitarrenklängen des jungen Straßenmusikanten und der vorbei fahrenden Autos lausche. Seit fünf Minuten scheint mir nun die Sonne ins Gesicht.
Ansonsten alles beim Alten. Zur Uni spazieren, in der Uni sein, sitzen, bzw. Treppen hoch und runter laufen, Räume suchen, russische Wörter schreiben, übersetzen, verstehen und nicht verstehen, irgendwas essen, zum Markt laufen, oder zur Promenade, in irgendein Center, oder einfach so über die Brücken der Stadt spazieren, zum Yoga gehen, oder Yoga Zuhause praktizieren, mit Killian und Kristina über das Leben und die russische Gesellschaft und den russischen Staat philosophieren, mit Heather den Tag rekonstruieren, mich von ihr zum Resteessen bei ihr im Zimmer einladen lassen, gemeinsam alte englische Musicals schauen. So sehen meine Tage hier aus und schon sind zwei Wochen in Irkutsk um.
P.s.: Das mit den Bildern Hochladen ist leider nicht so leicht. Sobald ich wieder einmal wirklich gutes Internet habe hole ich das nach.