Warum man keine Pakete ans andere Ende der Welt schicken sollte

Wow, mittlerweile sind bereits fast 7 Wochen vergangen, seit ich uruguayischen Boden betreten habe. Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug und gleichzeitig fühlt es sich so an, als würde ich schon ein halbes Jahr hier leben. Zeit ist eine seltsame Sache…
Seit meinem letzten Blogartikel hat sich auch schon wieder einiges getan. Ich kann jetzt recht stolz von mir behaupten, endlich eine Routine für das Kochen gefunden zu haben, was sich am Anfang für eine einzelne Person wirklich etwas schwierig herausgestellt hat, wenn ich nicht drei Tage Reis essen wollte. Mittlerweile macht es mir sogar Spaß, mir Sachen zuzubereiten und dafür einkaufen zu gehen (auch wenn mich so manche Preise hier wirklich immer noch vom Hocker hauen). 

Mit unserem Chef haben wir mittlerweile auch einige Aufgabenbereiche für uns genauer definiert und sind so dabei, Materialien aus dem Museumsarchiv, die auf Deutsch und Englisch sind, durchzugehen und spanische Zusammenfassungen zu erstellen. Auch die Führungen für Tourist*innen zu machen, ist immer wieder schön und abwechslungsreich. Die Phasen, in denen wir planlos in unserem Büro rumsitzen, werden auf jeden Fall zunehmend weniger. Und wenn bei 30 Grad samstags im Museum nichts los ist, wird von den Kolleginnen im Büro auch gerne mal ein Picknick ausgebreitet und Tarotkarten werden gelegt, um sich die Zeit zu vertreiben.
An einem Wochenende bekamen wir auch das erste Mal Besuch von zwei Freiwilligen aus Trinidad im Zentrum des Landes und wir konnten ihnen unsere Einsatzstelle zeigen. Ich nehme aus dem Austausch mit anderen ist schon immer sehr viel mit und in persona ist das Ganze dann natürlich nochmal um Welten besser. Darum freue ich mich schon sehr auf das Ende der kommenden Woche, wenn es für uns am 11.11. für 8 Tage nach Buenos Aires geht, wo wir nach dann über 6 Wochen endlich wieder fast alle der Freiwilligen aus Uruguay wiedersehen werden, mit denen wir auch die erste Zeit in Montevideo verbracht haben. In Buenos Aires werden wir das Zwischenseminar absolvieren und natürlich auch viel Zeit für Sightseeing einplanen (für Emil und mich steht ein Besuch im Asiamarkt auf jeden Fall fest auf der Agenda).

Am 25. Oktober hatte ich dann noch Geburtstag. Mein erster im Ausland und mein erster ohne meine Familie und Freund*innen. Aber im Endeffekt war es ein schöner Tag. Ich hatte mir freigenommen und verbrachte dementsprechend erstmal damit, mit Familie zu telefonieren, was schon locker den halben Tag in Anspruch genommen hat. Danach verbrachten Emil und ich den Nachmittag in einem Café hier in Fray Bentos mit traumhaft leckerem Red Velvet und Carrot Cake und endlich mal wieder einem Kaffee für mich (Ich bin hier etwas auf Entzug). Den Abend ließen wir dann gemütlich an der Rambla ausklingen.
Am nächsten Tag wurden wir dann noch von der südamerikanischen Spontanität überrumpelt und abends von unserem Chef zum Pizzaessen mit zwei weiteren Kolleginnen in ein verranztes, aber sehr leckeres, Restaurant in der Stadt eingeladen, um meinen Geburtstag nachzufeiern.

Jetzt aber mal zum Titel des Blogposts… Hinterher ist man immer schlauer, sagt man ja so gerne. Das durfte ich jetzt ziemlich eindrücklich erleben. Da ich in Deutschland schon mit Übergepäck zu kämpfen hatte, dachten meine Mutter und ich, es sei die bessere Option, ein Paket nachzuschicken, anstatt für das Übergepäck zu zahlen. Falsch gedacht… Das Paket kam zwar nach drei Wochen in Montevideo an, steckt nun aber im Zoll fest. Abgesehen davon, dass ich online erneut eine gesamte Zollinhaltserklärung mitsamt Angabe des Paketwertes (den wir auch nur schätzen können…) abgeben und 60 % dieses Wertes blechen muss, sind das größere Problem die Nahrungsergänzungsmittel/medizinischen Produkte, die im Paket sind. Und somit muss ich nun von einer Ärztin bescheinigen lassen, warum ich diese Sachen nehmen muss und dann noch eine Erlaubnis beim Gesundheitsministerium für das Einführen dieser beantragen. Wenn diese genehmigt wird, sollte das Paket dann hoffentlich bald ankommen. Aber da glaube ich erst dran, wenn es dann auch wirklich hier ist…
Deswegen ein gut gemeinter Tipp, niemals Pakete um die halbe Welt schicken, wenn es nicht unbedingt sein muss, den Stress spart man sich echt lieber! 

Auch sozial finde ich hier langsam Anschluss. Die Uruguayos sind wirklich unglaublich herzliche und hilfsbereite Menschen, nur Leute gerade in meinem Alter kennenzulernen, war bisher irgendwie noch etwas schwierig. Am Wochenende kam es aber zu einem Treffen mit einem Kumpel des letzten Freiwilligen hier, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstanden habe. Und diese Woche werde ich mich mit einer Bekannten einer Kollegin treffen. Die wichtigste Frage natürlich zuerst: „Trinkst du Mate?“ Das ist hier das Nonplusultra für soziale Interaktionen. Gut, dass ich mich bereits an den bitteren heißen Tee gewöhnt habe. Irgendwie ist es auch eine total schöne Geste, sich den Becher zu teilen und immer wieder zu fragen, ob die andere Person Wasser aus der riesigen Thermoskanne nachschenken möchte. Zum Spanisch üben sind diese Treffen natürlich auch perfekt und ich fühle mich immer sicherer, die Sprache auch in ungewohnten Kontexten zu sprechen und mich über neue kompliziertere Themen zu unterhalten.
Am Halloweenwochenende haben wir dann auch mal den Club hier ausgecheckt, die Location mit dem riesigen Outdoor-Bereich direkt am Fluss bekommt von mir auf jeden Fall eine 10/10. Dadurch, dass es noch eine andere Party in der Stadt gab, war zwar nicht so viel los, wie es vielleicht hätte sein können, aber es lohnt sich auf jeden Fall wiederzukommen. Gerade jetzt, wo es auf den Sommer zugeht, findet hier in der Stadt an den Wochenenden wohl einiges statt, man muss nur wissen, wo man hingehen kann. Und sich natürlich an die Ausgehzeiten gewöhnen. Vielleicht sollte ich doch nochmal ausprobieren, vorher zu schlafen? Oder lieber gar nicht? Mal gucken…

Auf jeden Fall zeigt mir diese Kleinstadt am Río Uruguay immer mehr, warum ich hier noch ein paar Monate länger bleiben sollte.

 

 

Ein neues Zuhause

Ich bin jetzt knapp dreieinhalb Wochen in meiner Einsatzstelle hier in Fray Bentos. Und ich muss sagen, so langsam fühlt es sich danach an, als wäre ich angekommen. Zumindest habe ich mittlerweile realisiert, dass diese Kleinstadt am Río Uruguay bis August mein Zuhause sein wird. Nach unserer Ankunft Ende September wurden wir von unserem Vermieter abgeholt und direkt herzlich aufgenommen. Zunächst ein kurzer Irritationsmoment, war uns doch nicht bewusst, dass die Schlafzimmer in unserem Studierendenwohnheim mit einer anderen Person geteilt werden. Und so lernte ich meine Mitbewohnerin kennen, mit der allerdings bisher noch keine wirklichen Konversationen zustande kamen, abgesehen von unserem zweiten Tag, an dem wir von ihrer Familie, die zu diesem Zeitpunkt aus Maldonado zu Besuch war, zum Essen eingeladen wurden. Dass wir noch nicht wirklich viel miteinander zu tun hatten, liegt nicht daran, dass wir uns nicht verstehen würden, sondern vielmehr an unseren sehr unterschiedlichen Tagesrhythmen. Während ich meistens gegen 8 Uhr aufstehe, um entweder zur Arbeit zu gehen oder andere Dinge zu unternehmen und gegen 22:30 schlafen gehe, steht sie nie vor 13 Uhr auf und kommt oft mitten in der Nacht nach Hause oder sitzt den ganzen Tag (und die ganze Nacht) vor dem Computer. Das stört mich aber nicht wirklich, denn dadurch habe ich die meiste Zeit irgendwie doch das Gefühl, alleine zu wohnen. Mein Mitfreiwilliger hatte Glück und seine Wohnung aktuell noch mindestens bis März für sich alleine. Aber wie gesagt, so sehr stört mich das Ganze dann doch wieder nicht. Etwas nerviger ist die Tatsache, dass unser Wohnheim außerhalb der Stadt liegt und wir deshalb immer knappe 40 Minuten in die Stadt bzw. zur Arbeit laufen. Wir haben zwar Fahrräder, die sind aber ziemlich niedrig und deswegen nicht so ideal. Der Weg ist eigentlich auch immer ganz schön, aber mal sehen, ob ich die 40 Minuten immer noch laufen will, wenn es hier um die  45 Grad hat, wie uns schon verkündet wurde… Und die Wocheneinkäufe den ganzen Weg zu schleppen ist auch nicht immer so spaßig. Ich muss mir da mal noch eine bessere Lösung überlegen.
Am 25. September war dann unser erster Arbeitstag im „Museo de la Revolución Industrial“, an dem wir unsere Kolleg*innen kennenlernten. Unser Chef war zu diesem Zeitpunkt noch in Urlaub, weswegen wir die ersten Tage, außer bei ein paar Führungen mitzugehen, leider nicht viel tun konnten. Als er dann wieder bei der Arbeit war, wurden wir prompt dem Intendente (vergleichbar mit einem Landrat) der Region „Río Negro“ vorgestellt und bekamen eine Führung durch das kleine Theater der Stadt. Obwohl Fray Bentos klein ist, gibt es außer dem Theater noch ein weiteres Museum, unzählige Supermärkte und zahlreiche Geschäfte, mehrere Sportvereine und sogar einen Nachtclub, den wir allerdings noch nicht besucht haben.
Unsere Arbeit im Museum besteht vor allem darin, Führungen für nicht-spanischsprachige Tourist*innen zu geben. Wir waren ziemlich stolz, nach knapp zwei Wochen bereits komplett alleine Führungen zu machen und nicht nur zu übersetzen. Lediglich ein Kollege hier spricht Englisch und deswegen ist es sehr gerne gesehen, dass wir hier sind und dabei unterstützen können. Der Austausch mit den Gästen ist immer spannend und wir erfuhren, dass es wohl ziemlich beliebt bei einigen Europäer*innen ist, im September einen riesigen LKW mit Wohneinheit nach Montevideo zu verschiffen, dann selber nachzufliegen und dann durch Uruguay und Argentinien zu fahren, um den Jahreswechsel in Feuerland zu verbringen. Das ist zumindest, was uns die Mehrheit derjenigen erzählt hat, für die wir bisher schon Führungen machen durften, wenn wir gefragt haben, was sie nach Südamerika und Fray Bentos führt. Eine Ausnahme bildet das französische Pärchen, was letzte Woche da war und die eine Fahrradtour bis zu den Iguazu-Wasserfällen machen. Es gibt nichts, was es nicht gibt! Jedenfalls sind die Europäer*innen immer äußerst erstaunt und positiv überrascht, dass sie hier sogar eine Führung auf Englisch, Deutsch oder Französisch bekommen können, was im Falle des französischen Pärchens überraschenderweise sogar zu einem kleinen Trinkgeld für mich führte.
Abgesehen von den Führungen haben wir auf Wunsch unseres Chefs angefangen, Aktivitäten im Museum für Kinder zu entwickeln. Hier ist zu erwähnen, dass unser Chef uns selbst oft gerne mehr oder weniger ernsthaft „chiquilines“ nennt, ein uns vorher unbekannter südamerikanischer Ausdruck, der auf Deutsch etwa mit „Kinners“ zu übersetzen wäre. Im Zuge dessen entstand etwa ein Memory-Spiel zu den verschiedenen Produkten der Fabrik.
Wir hatten auch schon darüber gesprochen, dass wir bei der Social Media- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen sollen, das wurde bisher aber noch nicht weiter thematisiert. Leider kommt es ab und zu vor, dass wir 2 Stunden nur im Büro sitzen und nichts zu tun haben, aber sobald wir die Möglichkeit haben, mit unserem Chef über Langzeitprojekte zu sprechen, wird sich das wohl auch ändern. Um die Sprache zu lernen ist unsere Einsatzstelle jedenfalls perfekt, da wir, wie schon angesprochen, hier außer mit Spanisch nicht weit kommen.
Etwas schwierig stellt sich aktuell aber noch das Leute kennenlernen heraus. Es ist halt immer noch eine Kleinstadt, heißt, es kennt sich hier quasi schon jeder und es wird nicht wirklich damit gerechnet, dass sich Deutsche für ein Jahr hier her verirren. Es gibt zwar die „UTEC“, die technische Universität mit knapp 1000 Studierenden, aber irgendwie haben wir noch nicht herausgefunden, wo man diese am ehesten antreffen kann. Auch die Party-Zeiten sind hier etwas gewöhnungsbedürftig. In der Sprachschule in Montevideo wurde uns mit auf den Weg gegeben „In Montevideo geht man erst ab 3 Uhr in den Club, im Rest des Landes noch später!“. Das entspricht ja mal so gar nicht meinem Schlafrhythmus. Ich habe ja die Vermutung, dass ein Zusammenhang zwischen dem exzessiven Mate-Konsum der Uruguayos und diesen extremen Zeiten zusammenhängt… Das andere Extrem erlebten wir dann gestern, als wir zu einer Straßenparty mit vielen jungen Leuten dazustießen, die jedoch um 20 Uhr vom DJ als beendet erklärt wurde. Dementsprechend groß waren die Fragezeichen in unseren Köpfen über dieses abrupte Partyende. Aber das wird schon noch, da mache ich mir keine Sorgen. Ein junger Kollege, mit dem wir uns gut verstehen, ist hier im Ruderverein tätig und will uns mal mitnehmen, sobald die Saison im November wieder startet. Im Verein ist es sicherlich leichter, Leute kennenzulernen. Auch das Schwimmbad öffnet in zwei Wochen wieder, das muss ich dann auch mal auschecken.
Exzessiv ist bei den Uruguayos nicht nur der Matekonsum, sondern auch bei Fleisch und Alkohol sind sie ganz vorne mit dabei. Kein Wunder, denn beim traditionellen „asado“ (Grillen) wird mit 1-2 Kilo pro Person gerechnet. Da braucht man nicht mehr zu fragen, warum ausgerechnet hier die Fleischextraktfabrik gebaut wurde…

Natürlich werden wir nicht das ganze Jahr nur in Fray Bentos bleiben, sondern es sind bereits einige Reisen geplant. Wir haben bereits die Nachbarstadt Mercedes besichtigt und auch geplant, einige der anderen Einsatzstellen in Uruguay anzuschauen. Logistisch ist dies aufgrund der ziemlich enttäuschenden Reisebusverbindungen zwar etwas aufwendig, aber irgendwie wird das schon klappen. Mehrfach haben wir uns bereits darüber ausgelassen, warum es hier keine Highspeedzüge gibt, für die das Land mit einer höchsten Erhebung von sage und schreibe 500m eigentlich prädestiniert wäre. Aber das bleibt wohl ein Traum der europäischen Freiwilligen. Deswegen heißt es teilweise 6 Stunden Fahrt für eigentlich nur 150 km…
Außerdem geht es bereits am 11. November für 8 Tage nach Buenos Aires und somit auf den ersten Auslandstrip unseres Aufenthalts, um dort unser Zwischenseminar zu verbringen, welches zwar online stattfindet, wir uns die Erfahrung eines Seminars gemeinsam mit den anderen aber trotzdem nicht nehmen wollten.
Alle weiteren Reisen sind noch in Planung, aber Argentinien und Brasilien werden auf jeden Fall besonders bereist werden.

Und so schnell kann es gehen, sich an einem neuen Ort 11.000km entfernt zuhause zu fühlen. Auch wenn nicht alles perfekt ist (wir hatten zum Beispiel 3 Tage kein bzw. kaum Wasser) und ich mich an einiges noch gewöhnen muss, zum Beispiel die abartigen uruguayischen Preise, weil quasi alles importiert werden muss. Hier zahlt man für ein Glas Pesto gut und gerne mal 8€, ich muss also immer genau abwägen, was ich kaufe und was nicht. Das Einzige, was man hier wirklich hinterhergeschmissen bekommt, ist mobiles Internet für das Handy. Eine Aufladung für 20 GB bekomme ich für 4,69€. Da kann sich Deutschland mal eine Scheibe von abschneiden.
Aber davon lernt man ja auch für das Leben. Das Gleiche gilt für das Kochen für eine Person, das mich in den ersten zwei Wochen noch vor eine ziemliche Herausforderung gestellt hat, jetzt aber schon viel besser klappt.
Aber eigentlich fühle ich mich doch schon ziemlich wohl. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Stadt so „tranquilo“ ist, man darf halt wirklich nicht erwarten, dass hier viel abgeht, aber dann ist es eigentlich wirklich schön. Mir gefallen besonders die vielen Felder mit Kühen, Schafen und Pferden (die Unmengen an Straßenhunden eher weniger…) und die „Rambla“, die Flusspromenade, an der der Fluss jeden Abend in wunderschöne Orange- und Rottöne getaucht wird, bevor die Sonne in Windeseile hinter den Gebäuden der Fleischfabrik verschwindet.

Vom Platzangebot bis zur Fahrt in die Einsatzstelle – Was bisher geschah…

Am 12. April 2023 war es endlich soweit. Fast ein halbes Jahr, nachdem ich meine Bewerbung auf dem kulturweit-Onlineportal eingereicht hatte, erhielt ich endlich die langersehnte E-Mail mit dem Platzangebot. Für mich sollte es nach Uruguay gehen. In Anbetracht der Tatsache, dass ich schon seit einigen Jahren den Wunsch verspürte, nach Südamerika zu reisen, war ich somit unglaublich glücklich über diese Möglichkeit. Zugegebenermaßen kam zunächst jedoch auch erst etwas Enttäuschung auf, da ich eigentlich damit gerechnet hatte, durch meine NatCom-Einsatzstelle in der Hauptstadt zu landen und ich mich schon auf das Großstadtleben gefreut hatte, das einen willkommenen Kontrast zu meinem Leben in Deutschland in einem 2000-Seelen-Dorf dargestellt hätte.

Meine Einsatzstelle ist allerdings keine klassische NatCom-Stelle, was ich dann nach etwas Recherche herausgefunden habe. Vielmehr bin ich hier in der sogenannten „Fray Bentos Industrial Landscape“ eingesetzt, eine ehemalige Fleisch-und Konservenfabrik aus dem 19. Jahrhundert, die 2015 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde. Hier wurden von 1861 bis 1979, erst unter deutscher, dann unter englischer Führung, Fleischextrakt nach dem Verfahren des deutschen Chemikers Justus von Liebig, Corned Beef und allerlei andere Konservenprodukte hergestellt. Hierbei handelte es sich nicht nur um Fleisch, sondern auch eingelegtes Obst und Gemüse oder Marmeladen gehörten zum Produktionskader. Insgesamt wurden in der Geschichte der Fabrik mehr als 200 verschiedene Produkte hergestellt.

Dementsprechend liegt meine Einsatzstelle nicht in einer lebendigen Millionenstadt, wie ich mir erst erhofft hatte, sondern in der beschaulichen 24.000 Einwohner*innenstadt Fray Bentos, in der das Leben „tranquilo“ ist, wie hier im Gespräch mit Einheimischen ständig betont wird.

Aber nochmal ganz von vorne, offiziell begann mein FSJ ja bereits am 1. September. In diesen Tag bin ich nach kaum 2 Stunden Schlaf aus dem Nachtzug aus Karlsruhe nach Berlin gestartet. Der Dienst begann schließlich mit einem 10-tägigen Vorbereitungsseminar in der Nähe der Hauptstadt und zu spät kommen wollte ich da natürlich nicht. Wir wissen schließlich alle, wie zuverlässig die Deutschen Bahn ist, wenn es darauf ankommt und deswegen entschied ich mich, bereits am 31. August um 23 Uhr in den Zug zu steigen. Nachdem ich im Anschlusszug nach Eberswalde bereits Bekanntschaft mit einigen Mitfreiwilligen machen konnte, wurden wir dort am Bahnhof von Shuttlebussen abgeholt und zur Tagungsstätte gebracht. Ich hatte mich schon gefragt, wo 315 Freiwillige + Trainer*innen untergebracht werden sollten, aber das „Seezeit Resort am Werbellinsee“ hatte sogar noch Kapazität für weitere Gruppen, so weitläufig ist das Gelände. Und so verbrachten wir die kommenden Tage besonders mit dem Kennenlernen unserer „Homezone“, die meist aus Freiwilligen bestand, die in das gleiche Einsatzland bzw. die gleiche Region reisen, und die besonders in unserer 12-köpfigen Uruguay-Gruppe bereits nach einigen Tagen zu Freundschaften geführt hat und wir das Gefühl hatten, uns schon viel länger zu kennen. Außerdem nutzten wir das wunderschöne Gelände, um im Werbellinsee baden zu gehen oder abends auf dem Steg zu sitzen und zu quatschen. Zudem wurden jeden Tag verschiedene Workshops zur Vorbereitung auf den Vorbereitungsdienst angeboten, die sich mit Begebenheiten vor Ort und persönlichen Aspekten wie der Rolle als Freiwillige beschäftigten. Wir besuchten zudem Einheiten über Kolonialismus und möglichen Schwierigkeiten im Freiwilligendienst sowie eine Infoveranstaltung unserer jeweiligen Partnerorganisation (z.B. die Nationalkommissionen, der Pädagogische Austauschdienst oder das Goethe-Institut). Für mich war das Seminar durch den intensiven und wunderschönen Austausch mit den anderen Freiwilligen die perfekte Einstimmung auf den Dienst und bestärkte mich noch mal mehr, die Entscheidung für diesen sehr großen Schritt aus der Komfortzone getroffen zu haben. Getrübt wurde diese Erfahrung jedoch durch einen großen Corona-Ausbruch unter den Freiwillige. Eigentlich war das doch etwas, womit man mittlerweile nichts mehr am Hut haben will… Einige mussten deshalb früher abreisen, im Speisesaal wurden Masken getragen und auch die Tests am Morgen wären etwas gewesen, das man sich gerne hätte ersparen können. Ich kann mir auch nicht erklären, wie das möglich war, aber ich hatte das riesige Glück, dass ich mich nicht infiziert habe und somit meine Reise ohne Verschiebung und topfit antreten konnte.

Nach einem letzten ganzen Tag zurück zuhause, an dem noch einmal die ganze Wäsche gewaschen wurde und die letzten Dinge erledigt wurden, ging es für mich nach vielen Verabschiedungen auf den Tag genau 5 Monate nach meiner Platzzusage von kulturweit gegen 15:30 auf den Weg zum Frankfurter Flughafen. Zufälligerweise hatte ich den gleichen Flieger wie 3 weitere Freiwillige gebucht und so war ich nach der finalen Verabschiedung von meiner Familie doch nicht ganz auf mich alleine gestellt. Eigentlich hätte das Flugzeug um 21:25 den deutschen Boden verlassen sollen, aufgrund eines starken Gewitters verzögerte sich unser Start leider jedoch um fast 3 Stunden. Auf dem Flug über dem Atlantik konnten wir immerhin noch etwas Zeit aufholen und wir landeten um kurz vor 6 Uhr morgens Ortszeit in São Paulo, Brasilien. Man würde denken, 1h15 Umstiegszeit sollten noch reichen, wenn man sich beeilt, allerdings durften wir ärgerlicherweise über eine Stunde das Flugzeug nicht verlassen und somit verpassten wir den Anschlussflug nach Montevideo. Ich hatte Glück und erhielt kurz darauf eine E-Mail der Fluggesellschaft, dass ich den nächsten Flug gegen 14 Uhr nehmen kann und wartete dementsprechend mit einem Mitfreiwilligen, der diesen Flug von Anfang an gebucht hatte. Die anderen beiden mussten eine Nacht in São Paulo verbringen und konnten erst am nächsten Morgen fliegen…

Und so betraten wir am 13. September gegen 17 Uhr Ortszeit nach 31 Stunden Reise endlich uruguayischen Boden! Nach einer kurzen unkomplizierten Sicherheitskontrolle und ausgestattet mit einer SIM-Karte und einigen bunten uruguayischen Peso-Scheinen verließen wir das Flughafengebäude und waren erstaunt darüber, wie kalt es war. Aber logisch, auf der Südhalbkugel wird es ja gerade erst Frühling. Dadurch, dass wir zu viele Koffer hatten, war es uns leider nicht erlaubt, einen Bus in die Innenstadt zu nehmen und wir stiegen letztendlich in ein Uber, um endlich zur Unterkunft zu gelangen. Die 10 darauffolgenden Tage versuchten wir uns nämlich an einer 9-Personen-WG mit dem Großteil der anderen uruguayischen Freiwilligen, um die Stadt zu erkunden und unseren verpflichtenden Sprachkurs zu absolvieren. Die Tage in Montevideo waren sehr schön und wir unternahmen bereits einen ersten Ausflug nach Punta del Este, einen bekannten Badeort an der Atlantikküste. Der Sprachkurs war sehr hilfreich, um in die Sprache reinzufinden, die viele von uns zwar schon in der Schule gelernt hatten, Konversationen allerdings bisher eher vermieden haben. Hier kamen wir auch das erste Mal in den Genuss des „Mate“, den die Uruguayos hier wie Wasser trinken.

Nach dieser schönen Zeit in Montevideo ging es für meinen Mitfreiwilligen Emil und mich am 23. September dann endlich mit dem Bus nach Fray Bentos, das wir für die nächsten 10 Monate unser Zuhause nennen werden.