Durch den Monsun

Nachdem es hier tagelang nur geregnet hat, ist endlich die Sonne raus und der Sommer hat begonnen. Jetzt heißt es 36 Grad und es wird noch heißer.

Bevor ich jedoch meine Urlaub beginnen konnte ist hier noch einiges passiert.

Hier also ein kleiner Rückblick, der letzten Wochen in denen es hier auf meinem Blog ziemlich still war.


 

Das Drachenbootfest

Der genaue Ursprung des Festes ist unbekannt und es wird auch eher nur in Südchina gefeiert, weswegen ich hier leider kein Drachenbootrennen anschauen konnte. Die Geschichte soll so gewesen sein, dass ein Dichter sich in einem See ertränken wollte, weil ihm Unrecht geschehen war. Da die Menschen, die in dem Ort wohnten, ihn retten wollten, warfen sie Reisbällchen in den See. Die Fische, Ungeheuer und Drachen in dem See sollten die Reisbällchen fressen, und somit abgelenkt sein, damit die Menschen den Dichter mit Booten retten konnten.

Heute werden daher in vielen Teilen Südchinas Drachenbootrennen veranstaltet und auch hier gibt es überall Stände, an denen man Zongzi, die oben beschriebenen Reisbällchen, in Bambus eingewickelt, kaufen kann.

 

Abschied nehm

Bloß die Augen schließen, ja niemanden anschauen und los.

Ok, die Menge macht „oahhh“, ich hab also den Ton getroffen, jetzt bloß nicht in Gedanken verlieren, den starken Pulsschlag ausblenden, der gegen meine Adern pocht, und ganz souverän weitersingen.

Heute ist der letzte Tag, an dem die 12. Klasse in die Schule kommt.

Es ist ihr Abschiedsfest. Aber es ist ein bisschen anders als es bei meinem Abitur in Deutschland war. Trotzdem steht es ihm in seiner Emotionalität in nichts nach.

Bei meinem Abiball war es mehr ein Schaulaufen von schicken und pompösen Kleidern.

Man kämpfte mit der Angst vor dem großen Fall, der einem auf viel zu hohen Highheels von seinem Stuhl bis zum Direktor vor ca. 400 Menschen im Raum niederstrecken konnte.

Andere waren besorgt, dass das Makeup zu dick oder zu dünn aufgetragen war. Man konnte natürlich auch Gesprächen lauschen, von Zukunftsängsten oder von großen Plänen die Welt zu verändern oder auch sehr reich zu werden.

Aber man konnte auch hören wie manche sich darüber austauschten was sie anstellen mussten, um in das Kleid zu passen, wer in sein Kleid nicht passt und wer keine Wäsche trug damit das Kleid perfekt sitzt.

Irgendwie ein doch recht oberflächlicher Tag, frei nach dem Motto: „Heiraten kannst du zehnmal, aber dein Abiballkleid trägst du nur heute“.

Das endgültige Motte wurde lange diskutiert, blau und trotzdem schlau?

Und ähnliche Dinge kamen auf den Tisch und brachten hitzige Diskussionen auf.

Jahrelang hatte ich im Orchester und in der Big-Band gespielt und von der Bühne aus die Abiturienten beobachtet und konnte es gar nicht erwarten so wie sie einmal dort auf den Bänken zu sitzen. Als der Tag dann gekommen war, war ich doch irgendwie enttäuscht von der Atmosphäre, und davon, dass mein Abiball eben genauso war, wie die 10 Abibälle die ich davor schon gesehen hatte.

Dahingegen verlief der Abschied der Schüler in Ningbo hier etwas anders.

Lange Zeit dachte ich, es würde überhaupt gar kein Abschiedsfest geben, aber dann erreichte mich eine SMS: “Janna, später sind wir im Klassenzimmer“.

Also bin ich da doch einfach mal hingegangen. Genau zum richtigen Zeitpunkt der Abschied sollte gerade starten. Ein leckeres Stück Schokotorte wurde mir in die Hand gedrückt und ich durfte mich zwischen die 25 Schüler und ihre Klassenlehrerin setzten. Der Klassenbeste und Allroundtalent führte durch das Programm. Die Schüler sangen im Chor und das aus meiner Sicht schüchternste Mädchen der Klasse sang ganz.

Und es wurde getanzt, zu Gangnam Style von Psy, ein Mädchen tanzte in einem traditionell chinesischem Gewand einen chinesischen Volkstanz.

Sehr beeindruckend und mutig. Dann kamen Darbietungen die zwar wohl geplant waren, in ihrer Ausführung aber doch noch etwas holprig waren. Aber man sah allen an, dass es sowohl als Zuschauer als auch als Darsteller furchtbar viel Spaß machte.

Und dann, dann klatschte die ganze Klasse in die Hände und rief meinen Namen. Nun war ich also dran mit meiner Darbietung, von der ich bis zu dem Moment aber noch überhaupt gar nichts geahnt hatte. Ich glaube ich habe mich ganz gut geschlagen, ich singe normalerweise zwar gerne unter der Dusche, vor maximal 5 Leuten auch bei KTV aber in der Öffentlichkeit doch nur ungern. Normalerweise überlasse ich diesen Part meinem kleinen Bruder. Aber es hat dann doch auch irgendwie Spaß gemacht. Das Programm ging dann mit Spielen weiter. Zum Schluss spielte ein Schüler, der normalerweise nur als Schlagzeuger bekannt ist, auf einer dizi(Flöte) im Hintergrund lief Musik und jeder Schüler durfte zum Abschied ein paar Worte an alle richten.

Nur Teile wurden mir übersetzt, weil irgendwann fast alle so nah am Wasser waren, dass eine Übersetzung nicht mehr möglich war. Fast hätte ich auch geweint. Es war schon auch wirklich herzzerreißend. Das wäre bei uns vor 400 Gästen überhaupt nicht möglich gewesen.

Es wurden sogar vor der ganzen Klasse Liebesbekundungen gemacht. Offiziell ist Päärchenbildung an meiner Schule wohl verboten, wobei die Restriktionen bei Verstoß eigentlich nicht geregelt sind.

Ich hatte schon bei einem Päärchen einen Verdacht, mochte aber nichts äußern oder Fragen, weil ich eben nicht wusste, wie dieses Thema gehandhabt wird.

Heute nun stellte sich ein Mädchen mutig vor die ganze Klasse und erklärte, das sie ihren Freund schon gefunden habe. Der kam etwas peinlich berührt nach vorne die beiden umarmten sich vor der Klasse und setzten sich wieder hin. Irgendwie ein sehr emotionaler Moment ( auch weil es befremdlich erscheint, dass es ein solches Verbot gibt). Ein zweiter Junge kam nach vorne und erklärte der Klasse, wer seine Freundin sei, ein Lächeln blitzte über ihr Gesicht, sie kam auch nach vorne, umarmte ihn und ein kleines Tränchen näherte sich meiner Wange. Fast ein bisschen zu viel Kitsch. Wo man sonst häufig, das Gefühl hat, dass Dinge gestellt sind, ganze Sätze und Meinungen für die Prüfungen auswendig gelernt wurden, tauchte plötzlich jede Menge Gefühl auf.

Bei einer zweiten offizielleren Abschiedsfeier hatten ein paar Schülerinnen dann auch schon gefärbte Haare und Strähnchen, was vorher auch untersagt war. Bei dieser Abschiedsfeier legten Anita unsere Deutschlehrerin und Jens, ihr Mann, einen flotten Rock’n’Roll Tanz mit Überschlägen aufs Parkett. Auch für Sie hieß es Abschiednehmen. Sie fahren nach nun 3 Jahren wieder zurück nach Deutschland.

 

Freunden von mir habe ich Fotos von Gangnam Style geschickt, die waren dann sofort verwundert darüber, dass die Schüler doch recht knappe Shorts trugen und dort in der Schule so frei tanzten.

Das mit der Schuluniform an meiner Schule ist so eine Sache. Als ich einmal im Unterricht nichts zu sagen und zu tun hatte, habe ich mal gezählt, wie viele Schüler von 25 gerade unterschiedliche Kleidung tragen. 14. Zum einen weil es so viele verschiedene Uniformen gibt, zum Anderen, weil es niemanden interessiert welche Hose man eigentlich dazu trägt, etwas länger sollte sie schon sein und es scheint auch nicht so schlimm zu sein, wenn man einfach in seinen eigenen Klamotten kommt. Von anderen Freiwilligen habe ich da allerdings auch schon von viel strengeren Regeln gehört.

 

Apropos Regeln

Es wurde ja Gaokao geschrieben, die chinesische Abschlussprüfung, und auch da scheint es unterschiedliche Regelungen zu geben.

Für die Lehrer gab es ein extra Seminar, wie sie sich zu verhalten haben.

In deutschen Medien liest man von Scannern, die vor der Schule aufgebaut werden, und das jeder Schüler einzeln abgetastet wird. Das ist hier nicht an meiner Schule passiert, aber die Klausuren wurden tatsächlich von der Polizei gebracht und es wurde auch streng kontrolliert, wer das Schulgelände betreten darf. Eltern, Freunde und Taxen standen den ganzen Tag vor der Schule und warteten auf die Schüler. Spannend ist auch, bei dem ganzen Aufwand, was passiert, wenn die Ergebnisse nicht so ausfallen wie erwünscht. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ich dann mal erzählen werde, wenn ich mich von den nervenaufreibenden letzten Wochen erholt habe.

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