Huang Shan – Bis ans Ende der Welt

(ein BackpackerTeenieAdventurePsychoHorrorKrimiMärchenThriller!)

 

 

Ganze 1864 m hoch ist der höchste Punkt des Huang Shan. Leider haben wir diesen Punkt nie erreicht.

 

Nach dem Zwischenseminar wollten wir fünf eines der beliebtesten chinesischen Ausflugsziele, den Huang Shan, aufsuchen. Voller Energie und Vorfreude starteten wir morgens früh um halb sieben. Ein kleines Stück wollten mit dem Bus den Berg hinauffahren und dann entscheiden, ob wir die Seilbahn nehmen oder selbst hoch laufen. Der Leiter des Hostels hatte uns vorgerechnet, dass wir – selbst wenn wir mit der Seilbahn hinauf und auch wieder hinunter fahren würden – immer noch etwa sieben Stunden lang Treppen steigen würden.

An der Seilbahn angekommen sah es mit unserer anfänglichen Euphorie leider schon ganz anders aus: der Himmel war mittlerweile wolkenverhangen und viele kleine Regentröpfchen nieselten auf uns hernieder.

Zum Glück hatten wir diese besonders modischen Regenanzüge dabei.

auf dem 2. höchsten Punkt des Huang Shan

 

Wir nahmen also die nächste Seilbahn nach oben und genossen einen fantastischen, wenn auch nebligen Ausblick über Täler, Steilwände und Schluchten. Und wir dachten: bloß nicht zu lange nach unten schauen!

 

Gleich hinter der ersten Kurve unseres Wanderweges hatten wir besonders großes Glück: Wir sahen einen Affen in freier Wildbahn mit seinem Baby! Wir versuchten Fotos zu schießen. Langsam kam der Affe auf uns zu und blitzschnell riss er einer Frau neben uns die Tasche aus der Hand. Er machte sich über die in ihr transportierten gebratenen Auberginen her und schaute dabei wütend um sich. Ein anderer Affe stolzierte kampfeslustig um ihn herum. Mitten auf dem Weg hatte es sich der Affe bequem gemacht. Wir mussten an ihm vorbei, daher wurde ein Mutiger vorgeschickt, der sich dem Affen langsam näherte. Doch der Affe war auch mutig. Wütend keifend verteidigte er sein Essen. Und dann rannte er genau auf uns zu… und wir rannten hektisch, panisch und verängstigt schreiend vor ihm weg. Dieses Spiel spielten wir ein paar mal bis eine Reisegruppe kam und der Reiseleiter mit lauten, dumpfen Geräuschen und leider auch Steine werfend die Affen vertrieb.

ziemlich fieser Typ

Weil hinter der nächsten Kurve auch schon weitere Affen lauerten, hielten wir uns erst einmal an die Reisegruppe. Doch weil wir irgendwann auch eigene Wege gehen, nicht an jeder Kurve anhalten und stattdessen an Orten mit einem schönen Ausblick eigene Eindrücke und Fotos sammeln wollten, setzten wir uns nach einiger Zeit mutig von der Reisegruppe ab. Und das klappte wunderbar. Eine Wanderkarte hatten wir dabei und überall gab es Schilder, die den Weg wiesen. Wir liefen durch wunderschöne Schluchten und über verwunschene Brücken, die uns das Gefühl gaben, mitten im Film Herr der Ringe zu sein. Wir wussten ja nicht, dass wir uns wie bei Avatar hätten fühlen müssen, denn die Halleluja-Berge aus Avatar sind dem Huang Shan nachempfunden.

 

Nach länger andauerndem Bergab-Wandern wunderten wir uns dann doch ein wenig. Seit gut zwei Stunden hatten wir keinen einzigen Touristen gesehen! Es war mittlerweile 14 Uhr. Die Lust und Freude am Wandern schwand, beeindruckende wolkenlose Gipfel und bezaubernde kleine Wasserfälle setzten zwar ein paar Glücksgefühle frei, aber die Beine waren müde und der beständige Regen durchnässte unsere leichten Schuhe.

 

Ich konnte nicht mehr.

Während ich da lag und vor mich hin träumte, hörte ich aus dem Hintergrund jemanden murmeln, dass wir uns wohl verlaufen hätten.

In dem Moment, in dem einem klar wird, dass man sich in einem Gebirge mit 72 Gipfeln verlaufen hat, geht einem Vieles durch den Kopf. Natürlich verlässt man sich doch als erstes immer auf sein Handy, das Navi und das Internet. Nur schade, wenn weder Telefon noch Internet zwischen den Bergen funktionieren.

Wir mussten also wieder nach oben, am besten den ganzen Berg wieder hoch und zurück! Aber das war unmöglich, bevor die Dunkelheit einbrach. Vielleicht die Nacht mit Affen unter einem Felsvorsprung kuscheln? Erst recht unmöglich!

Wir spürten die Erleichterung, als Lindas Telefon klingelte, endlich hatten wir Empfang!

„Papa, ich habe gerade gar keine Zeit, ich muss jetzt erst mal 110 anrufen!“, hörte ich sie sagen, dann legte sie auf. 110 anrufen. Eine gute Idee! Linda konnte mit ihren Chinesisch-Kenntnissen punkten: ein Suchtrupp würde losgeschickt werden und uns in den Bergen ausfindig machen.Wir sollten derweil weiter ins Tal hinabsteigen. Eine weitere halbe Stunde und mehrere Telefonate mit der Polizei später trafen wir auf ein recht modern aussehendes Haus mitten in der Wildnis. Es schien bewohnt zu sein. Wir klopften, doch keiner öffnete.

Wie war das noch: fünf Jugendliche gehen vergnügt wandern, verlaufen sich und kommen zu einem einsamen Haus in der Wildnis? Klingt irgendwie nach schlechtem BackpackerTeenieAdventurePsychoHorrorKrimiMärchenThriller!

Ich war nicht so mutig wie Lorena und Markus und klopfte deshalb auch nicht mehr am Hintereingang an, wo tatsächlich jemand öffnete. Ein Feuerwehrmann (!) erklärte den beiden, dass sich der nächste Ort eine Stunde flussabwärts befände. Er hielt auch noch einmal Rücksprache mit der Polizei, erklärte wo wir seien und bestellte ein Taxi für uns in den nächsten „Ort“. Etwas später fand uns auch der Suchtrupp. Der war allerdings so schnell unterwegs, dass wir nicht folgen konnten und an der nächsten Kreuzung wieder dumm dastanden, weil wir nicht wussten ob wir links oder rechts abbiegen mussten. Der Weg war auch nicht in unserer völlig durchnässten Karte eingezeichnet. Wir entschieden uns für den Weg, der einfacher aussah. Ein Stück weiter trafen wir endlich wieder auf Menschen, allerdings forderten die uns auf, ihnen in ein Haus zu folgen. Ich dachte an das Zwischenseminar, besonders daran, dass dort jemand sagte, dass man ja schon ganz schon blöd sein müsste, wenn man sich entführen lassen würde. Ich hatte in diesem Moment das Gefühl, dass wir sehr nah dran waren. In diesem dunklen, gruseligen Haus musste Lorena ihre ID hinterlassen und im Gegenzug erfuhren wir, welche Richtung wir als nächstes einschlagen sollten. Und endlich, nur zehn Minuten später erreichten wir den Ort, der aussah wie – das Ende der Welt!

 

Die niedlichen kleinen Steintreppen mündeten in einer lieblosen großen Straße, die wiederum im undurchdringlichen weißgrauen Nebel verschwand. Nichts – wohin man auch schaute.

Aber dann kam doch unser Suchtrupp und ein bisschen später auch ein Taxi, das uns zurück zum Hostel brachte. Wir hatten übrigens einen sehr netten Taxifahrer, der uns, nachdem er uns mehrfach klar machte, dass wir den falschen Weg gegangen seien, im Taxi ordentlich einheizte und sogar noch ungefragt anhielt, um uns Wasser zu kaufen.

Auch der Hostel-Besitzer war sehr erstaunt, uns wiederzusehen und empfing uns mit frohen Worten. Er wunderte sich, dass wir dann doch nicht ganz verloren gegangen waren. Denn weil wir eine Zeitlang zwar Internet aber keinen Telefonempfang gehabt hatten, hatten wir nicht nur an unsere Eltern in Deutschland GPS-Informationen und Hilferufe, sondern auch dem Hostel ein Lost-Mail geschickt.

Was wir uns von diesem aufregenden Tag mitbrachten, war ein furchtbarer Muskelkater und eine im Nachhinein glücklicherweise doch recht lustige Geschichte von einem regnerischen Tag am Hang des Huang Shan.

Vielen Dank an Lorena für die Fotos. Weitere Fotos werden in den nächsten Tagen hochgeladen.

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