Ein Hohelied auf die peruanische Küche

Ein Hohelied auf die peruanische Küche

Inkaruinen anschauen macht hungrig. Da wird es Zeit, einen weiteren Sammelbeitrag einzuschieben: über die hervorragende Küche der Anden, die sich meiner Meinung nach keineswegs hinter der westeuropäischen, ja gar der französischen Küche zu verstecken braucht – im Gegensatz zur Küche meines Einsatzlandes, das leider eine kulinarische Wüste ist, an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten (und das zu dazu umso gesalzeneren und gepfefferteren Preisen). So wird anhand der peruanischen Küche im Gegensatz dazu auch die uruguayische „Küche“ in diesem Beitrag endlich ihr Fett wegbekommen. Doch wie immer gilt auch hier der Single-Story-Hinweis. Allgemein kann man sagen, dass die Andenküche versucht, der nächtlichen Kälte und dem entbehrungsreichen Leben auf über 3000 Metern Höhe zu entkommen, mit heißen Suppen, scharfen und starken Gewürzen und unzähligen Sorten von Kartoffeln. Doch letztlich kann ich nur über das berichten, was ich auch gegessen habe. Eine kleine Hitliste meiner PPK, meiner persönlichen peruanischen Köstlichkeiten[1] also. Guten Appetit!

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Immer mit dabei: Kartoffeln

Beginnen wir mit einer Basiszutat, die es in Europa leider nur in zwei Formen gibt: festkochend oder mehlig kochend. Ein Peruaner würde ob dieser Einöde wahrscheinlich sterben vor Langeweile. Wer den Kartoffelreichtum Perús einmal erleben durfte, vielleicht sogar auf lokalen Märkten, der wird nie wieder verstehen können, warum Kolumbus nur eine Sorte dieser so vielseitigen Knolle mitgebracht hat. Meine peruanische Lieblingszubereitungsform der Kartoffel ist übrigens die papa rellena, also die „gefüllte Kartoffel“. Eine Art panierter Kartoffelbrei, gefüllt mit allerlei Köstlichkeiten in Tausend Variationen Gibt’s, wie Empanadas in Uruguay, an jeder Straßenecke. Nur Empanadas machen, das können sie in Perú nicht. Die genieße ich dann doch lieber „zu Hause“.

Allein, die Märkte. In Perú, das fällt mir auf, lebt eine Tradition noch, die in Deutschland fast ausgestorben ist: der lokale Bauernmarkt. Vom Erzeuger zum Verbraucher direkt auf den Tisch. Keine Zwischenhändler, aber dafür auch: keine Kühlkette. Ich habe es mich nicht getraut, auf diesen Märkten einzukaufen. Das ist auch nicht nötig, denn Essen ist in Perú – für europäische und uruguayische Verhältnisse – unglaublich billig. Ein wirklich gutes, reichhaltiges Hauptgericht in einem guten Restaurant kostet zwischen 20 und 30 Sol, umgerechnet fünf bis sieben Euro. Wer doppelt so viel zu zahlen bereit ist, bekommt bereits Haute Cuisine. Was soll man da noch selber seine Spaghetti kochen, die’s überall gibt, wenn das peruanische Essen im Restaurant fast nichts kostet?

Llama, Alpaca und wie sie sonst noch alle heißen

Natürlich werden in den Anden eben die Tiere gegessen, die da so rumlaufen. In dem Fall: Llamas. Das klingt abschreckender, als es ist, sieht auch sehr gut aus und kostet nur ein Bruchteil dessen, was sie in San Pedro de Atacama dafür verlangt haben:

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Llamafilet, gegessen am ersten Abend meiner Reise in La Paz.

Perú: das Land, in dem Jesus auch Meerschweinchen isst

„In der Nacht, da er verraten wurde, nahm er das Brot, sagte Dank, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach…“

Eifrige katholische Kirchgänger[2] kennen diese Sätze: sie stehen im Zentrum jeder Heiligen Messe, des Hochamtes. Es sind die Wörter, mit denen nach katholischem Glauben Brot und Wein zu Fleisch und Blut Christ gewandelt werden. In Perú müsste es wohl heißen: „In der Nacht, da er verraten wurde, nahm er das Cuy…“. Cuy heißt: Meerschweinchen, und das wird in Perú nicht nur gegessen, sondern auch auf Abendmahlsdarstellungen gemalt, die bekannteste davon hängt in der Kathedrale von Cuzco. Die katholischen Missionare fanden diese Mischung von altem, indigenen Glauben und neuer, katholischer Doktrin anfangs natürlich nicht so lustig, akzeptierten sie aber später, denn so waren ihre Missionsbestrebungen erfolgreicher. Für die Inkas waren Meerschweinchen ein Herrschermahl, ein Privileg der Oberschicht. Heute gibt es Cuy in allen möglichen Varianten an jeder Ecke zu kaufen. Mir fällt als erstes auf: im Vergleich zum Hühnchen ist leider nicht viel Fleisch dran an dem Tier. Bei meinem Cuy war ich viel mehr mit Knabbern und Kratzen beschäftigt als mit Essen. Ein nicht einfach zu verzehrendes Gericht mit mehr Knochen als Fleisch, das aber trotzdem schmeckt.

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Cuy aus Cuzco, der Hauptstadt des Meerschweinchens. Leider (für peruanische Verhältnisse) ziemlich teuer, und leider nur in Smartphone-Kameraqualität.

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Cuy ist ein Naturprodukt, hier der biologisch abbaubare Rohstoff. Gesehen in Lima, im Zoo der Ruine Huaca Pucllana.

Auch Rind und Huhn gibt’s: Lomo Saltado und Ají de Gallina

Nicht ganz so exotisch ist Lomo Saltado, „gesprungene Lende“. Ebenfalls zur Auswahl steht Ají de Gallina, von dem ich leider versäumt habe, ein Foto zu machen. Es handelt sich um Hähnchengeschnetzeltes in Chilisoße. Besagte Chilisoße ist rechts oben im Reis auf dem Lomo-Saltado-Bild zu sehen. Mein absolutes Lieblingsgericht in Perú!

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Lomo Saltado in einem Schnellrestaurant im Miraflores-Viertels von Lima.

Endlich wieder Fisch: Ceviche

Fisch ist ja bekanntlich etwas, das in Uruguay nur recht selten auf den Teller kommt. Umso mehr gefreut habe ich mich, dass in Perú auch Fisch gegessen wird. Und was für einer. Den besten – und billigsten – Fisch bekam ich wohl auf der Isla Taquile im Titicacasee:

Ich meine, gut, dieses Fischessen war jetzt als zuzahlungspflichtiges Extra im Rahmen eines Ausflugs zu den Uros und zur Taquile-Insel mit enthalten, aber wer sich das entgehen ließ, war wohl selber schuld: Top-Aussicht, die mich an Italien erinnerte, ein ganzes Menü mit Vorspeise und Tee sowie (angeblich) frisch gefangenen Fisch aus dem Titicacasee, und das Ganze für nur unglaubliche: 20 Sol[3].

Wenn ich an Fisch denke, denke ich jedoch eher an Ceviche. Ceviche, gerne auch mal mit „b“ geschrieben, wird kalt gegessen und ist eine Art Salat aus Fischstücken, wobei verschiedene Fischarten und auch Hühnchen zum Einsatz kommen können, in einer Marinade aus Zitronensoße, die jedem Freund indischen Essens eine Gaumenfreude bereitet – die für Uruguayos also völlig ungenießbar ist. Lecker!

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Ein Teller Ceviche mitsamt Beilagen steht im Stadtzentrum von Puno, Titicacasee.

Rocoto Relleno

Dieses Gericht stammt aus Arequipa, der zweitgrößten Stadt Perús. Es geht um: gefüllte Paprika. Ebenfalls scharf. Ich kenne diese eigentlich aus der heimischen Küche meines Vaters, der sie nach einem alten Rezept meiner Großmutter auf ostpreußische Art zubereitet, doch hier kommt wohl eine andere Art von Paprika zum Einsatz. Das war dann selbst mir etwas zu scharf…

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Rocoto Relleno, fotografiert in einem Restaurant an der Plaza von Arequipa.

Im Markt von Arequipa gibt es eine noch viel größere Auswahl von Paprika zu bestaunen.

Im Markt von Arequipa gibt es eine noch viel größere Auswahl von Paprika zu bestaunen.

Durstlöscher: Pisco Sour und Inka Kola

Nach so viel Pfeffer und Gewürzen müssen wir erst mal unseren Durst löschen. Dazu empfehle ich die beiden Nationalgetränke Perús, den alkoholischen Cocktail Pisco Sour und das alkoholfreie, aber allgegenwärtige Erfrischungsgetränk Inka Kola.

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Ein Glas Pisco Spur im selben Restaurant von Arequipa.

Pisco ist eigentlich ein Schnaps, der aus Trauben gewonnen wird. Zusammen mit Zitronensaft und Zimt ergibt er einen Cocktail mit dem passenden Namen „Sour“, der als peruanisches Nationalgetränk dient.

Dieses Glas Inka Kola steht zwar nicht in Arequipa, sondern in einem Restaurant gegenüber den Präsidentenpalast von Lima. Dafür...

Dieses Glas Inka Kola steht zwar nicht in Arequipa, sondern in einem Restaurant gegenüber den Präsidentenpalast von Lima. Dafür…

Das zweite peruanische Nationalgetränk, die Erfindung eines Engländers, nach den Inkas benannt, ist laut Wikipedia eines der wenigen Softgetränke der Welt, die auf ihrem Heimatmarkt einen höheren Marktanteil besitzen als die sonst allgegenwärtige Coca Cola. Ich jedenfalls hatte von diesem Getränk zuvor noch nie etwas gehört. Die intensiv gelbe Farbe ist zwar charakteristisch und führt auf den Zitronenstrauch zurück, mag aber auch auf Neulinge durch ihre Assoziationen erst mal verschreckend wirken. Inka Kola ist pappsüß und schmeckt übereinstimmenden Augenzeugenberichten zufolge intensiv nach Kaugummi. Eine 1,5-Liter-Plastikflasche dieses Gebräus fand in meinem Koffer den Weg nach Uruguay, wurde aber dort leider von den allzu durstigen Uruguayos bereits ausgetrunken…

Keine rote Grütze: Mazamorra Morada

Zur klebrig-süßen Inka Kola passt eine ebenfalls bekannte Nachspeise aus Lima, bei der es sich ausdrücklich nicht um rote Grütze handelt: Maramorra Morada. Die Basis bildet anscheinend ein Maisbrei, zu weiteren Einzelheiten kann ich mich leider nicht weiter äußern, außer festzustellen, dass sie sehr lecker schmeckt… Aber eine Naschkatze wie ich ist auch leicht zu beeindrucken.

...ist es aber laut Reiseführer bekannt dafür, dass dort fast alle peruanischen Staatspräsidenten zu Mittag gespeist haben - trotz oder gerade wegen der billigen Preise. Mazamorra Morada im selben Restaurant.

…ist es aber laut Reiseführer bekannt dafür, dass dort fast alle peruanischen Staatspräsidenten zu Mittag gespeist haben – trotz oder gerade wegen der billigen Preise. Mazamorra Morada im selben Restaurant.

Chinesisch für Anfänger

Deswegen zum Abschluss noch mal was Herzhaftes. In Uruguay wird schließlich auch Süßes und Salziges durcheinander gegessen. Es geht um etwas, was mir schon am ersten Tag in La Paz aufgefallen ist: die Andenküche ist international. Während man in Uruguay selbst in der Hauptstadt Montevideo die übliche internationale Küche aus indisch, chinesisch, thailändisch, vietnamesisch, arabisch, griechisch, türkisch und so weiter vergebens sucht, gibt es dort alles, was das Herz begehrt. Sogar das angeblich „höchste Schweizer Käsefondue der Welt“. Ich, der ich dank der wohlwollenden Erziehung meines Vaters liebend gerne alles probiere, was nicht so aussieht wie das, was ich schon kenne, habe in Uruguay diese Auswahl und Vielfalt immer vermisst. Hier sieht jede Speisekarte noch gleicher aus als in diesen berühmt-berüchtigten „gutbürgerlichen Küchen“ in Deutschland, was eigentlich unvorstellbar ist. Doch wenn ich nach Perú fliege, will ich peruanisch essen, und nicht chinesisch, und für Käsefondue hätte ich Nueva Helvecia erst gar nicht zu verlassen brauchen.

Dennoch: in so eine chinesische Chifa hätte ich mich bei längerem Aufenthalt schon mal reingesetzt. In Lima gibt es auch eine Chinatown, und die dortigen Chinarestaurants waren zur Mittagszeit leider proppenvoll. Erst Wochen später erfuhr ich zufällig durch die Lektüre eines ZEIT-Artikels, warum es in Perú so viele chinesische Restaurants gibt: nach der Unabhängigkeit gab es eine Art modernen Sklavenhandel mit Billiglöhnern aus China. Deren Nachfahren bringen den Peruanern von heute nun ein Stück kulinarischer Heimat näher.

Eingangsportal zur Chinatown von Lima.

Eingangsportal zur Chinatown von Lima.

Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei

Völlerei ist eine Todsünde, und so hoffe ich, dass sich der geneigte Leser beim Lesen dieses Beitrags, einmal wieder länger als geplant, nicht völlig überfressen hat. Als beste Abhilfe bleibt da nur: Bewegung. Am besten in Verbindung mit Sightseeing, Kultur und Museen: auf geht’s, im nächsten, schon lange angekündigten Beitrag, in die alte Inka-Hauptstadt Cuzco. Für mich persönlich, der ich schon lange wieder zurück in Uruguay bin und auch bald schon wieder in Deutschland sein werde, gilt: wenn ich irgendwann mal wieder die Gelegenheit haben sollte, nach Perú zu reisen, würde ich es allein schon deswegen machen, um das gute Essen genießen zu können.

[1] Insiderscherz. „PPK“ ist der Spitznahme des erst kürzlich neu gewählten peruanischen Präsidenten, Pedro Pablo Kaznyzski. Der Mann kommt übrigens aus Polen und hat deutsche Vorfahren. Seine unterlegene Gegnerin in der Stichwahl war mit Keiko Fujimori eine Tochter japanischer Einwanderer. Sind ganz schön international, diese Peruaner.

[2] deren Anteil unter der geneigten Leserschaft ich jetzt mal auf praktisch null schätze

[3] Eifrige Leser dieses Blogs wissen es mittlerweile, denn die Zahl „20 Sol“ kam schon öfters einmal vor: es sind umgerechnet fünf Euro.

3 Kommentare

  1. Carmen · 7. Januar 2017

    sooooo schön .Also falls ich dann Ambitionen(punti punti) hab diese Region zu erkunden,werde ich dich selbstverständlich als Guide buchen.Obwohl….wie du das alles so geschrieben hast…kriegt man das dann auch…

    • Jan Doria · 7. Januar 2017

      …das verstehe ich nicht so ganz? Natürlich entsprechen alle hier und auf dem Nachbarblog janenuruguay geschilderten Berichte meiner (subjektiven) Wahrheit, und ich habe versucht, Fakten so weit wie möglich als richtig darzustellen. Einzig und allein die chronologische Reihenfolge ist manchmal abgeändert. Also, warum sollte man das nicht kriegen?

  2. Norbert · 9. August 2016

    Rocoto Relleno

    Dieses Gericht stammt aus der zweitgrößten Stadt Perús, aus Arequipa, deren Blogbeitrag immer noch weiter auf sich warten lässt. Es geht um: gefüllte Paprika. Ebenfalls scharf. Ich kenne diese eigentlich aus der heimischen Küche meines Vaters, der sie nach einem alten Rezept meiner Großmutter auf ostpreußische Art zubereitet, doch hier kommt wohl eine andere Art von Paprika zum Einsatz. Das war dann selbst mir etwas zu scharf…

    Also wenn Du das Rezept und den Paprika mitbringst, koche ich das zu Hause gerne nach. Auch ich liebe weltweite kulinarische Köstlichkeiten. Probieren tu ich fast alles. Bei den Scorpionen in Peking war dann allerdings auch meine Schmerzgrenze erreicht.

    Also wenn Du wieder nach Peru gehst. Ich bin dabei.

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