Archiv der Kategorie: Mentalität

Über das Leben und Sein

Grabrovos kurzschwänzige Räuber

Man ist auf den Strassen Gabrovos niemals allein. Am Tag sind die Strassen voller Menschen, welche eilig umherirren und irgendetwas zu erledigen haben. Nachts hingegen sind die Strassen menschenleer und man wird von kleinen, grün leuchtenden Augenpaaren aus dem Schatten der Blockhäuser beobachtet. Innnerhalb ihres Versteckes bewegen sie sich lautlos, treten aber auch nur selten aus diesem hervor. Wenn man auf sie zugeht verschwinden sie so schnell, wie sie gekommen sind.  Es ist wahrscheinlich leicht zu erraten das es sich bei diesen mysteriösen Kreaturen um Katzen handelt. Diese Strassenräuber teilen mit Gabrovo eine gemeinsame Geschichte. Da Gabrov nicht nur die Stadt des Humors, sondern auch der Sparsamkeit ist wurde den Katzen der Schwanz gekürtzt, um den Besitzern zu ermöglichen die Tür früher zu schliessen, wenn die Katze das Haus betritt. Wie viel wahres an dieser Geschichte hängt muss wohl jeder für sich entscheiden.

Mittlerweile fällt es einem schwer diese Tiere aus szenerie Grabrovos herauszudenken. In allen Grössen und Farben säumen sie die Strassen der Stadt. Sie suchen nach Essen, kümmern sich um ihre Kleinen oder liegen dösend in der Sonne. Anders als die wilden Hunde haben sie eine edle und souveräne Art, für welche man sie wirklich nur bewundern kann. Mit perfekt gesäubertem und glänzendem Fell stolzieren sie die Straßen auf und ab, während sie Ausschau nach etwas essbarem halten. Ist solches in Sicht wird die klare Hierarchie in ihren Reihen sichtbar. Hält sich ein Tier nicht an sie wird es mit Tatzen,Krallen und Fauchen in seine Grenzen gewiesen. Mittlerweile sieht man auch immer mehr der Jäger in Kellereingängen und anderen Gebäuden, wo sie sich auf den härtesten Kampf des Jahres vorbereiten, den Winter.Da dieser bald ansteht wird man sie wohl in nächster Zeit nur vereinzelt an der frischen Luft sehen.

 

     

Die Bahnalität des Bösen

Wer aus Deutschland kommt und ab und zu das Wagnis auf sich nimmt, die Bahn zu benutzten um von A nach B zukommen, der weiß zu was für einem Abenteuer sich solch eine Reise, bei schlechter Planung entwickeln kann.

Genau so ein Abenteuer sollte uns nach unserer Landung in Sofia erwarten. Da wir natürlich gar keine Planung hatten und nicht vermochten auch nur ein Wort bulgarisch zu sprechen, hatten wir die besten Voraussetzungen unseren Zug zu verpassen. Mehr durch Glück als durch Wissen oder Verständnis gelangten wir per Bus zum Hauptbahnhof. Dort war dann das nächste Ziel an Tickets zukommen. Was in Deutschland schon oft schwierig werden kann wirkte hier schier unmöglich. Trotzdem ging ich mit ungebrochem Optimismus auf den Ticketschalter zu, während Tom auf unsere fast 70kg Gepäck aufpasste. Am Ticketschalter fragte ich dann gekonnt:,, Do you speak English?“. Auf der andern Seite des, durch die Jahrzehnte verblichen, Glases saß eine Frau in den 40ern vor einem unverhältnismäßig großem, flackerndem Bildschirm, welche mich nun verdutzt anschaute. Auch das weniger gut formulierte:,, Tickets? Gabrovo!?“ erzielte nicht das gewünschte Ergebnis. Als ich grade aufgeben wollte sprach mich eine raue Stimme aus meiner Peripherie an:,, Sie wollen Tickets?“. Die Stimme gehörte einem älteren Herren, welchem ich nun völlig perplex unser Vorhaben erklärte. Nachdem ich unsere Geschichte und unser Anliegen auf ein paar Worte reduziert wiedergegeben hatte, entgegnete er der Ticketverkäuferin mehrere unfassbar tiefe Worte, welche dann Augenblicklich zwei Kassenbon-ähnliche Tickets durch das kleine Fenster der Glasscheibe hielt.
Unser neu gewonnener Freund bestand nun noch darauf uns zu zeigen in welchen Zug wir steigen mussten und wies sogar noch das Personal darauf hin, dass sie uns doch sagen sollten wann wir aussteigen müssten.
Als wir unsere abstrakte Menge an Gepäck im Zug verstaut hatten, ging die Fahrt auch schon bei moderater Geschwindigkeit los. Der Zug war gleichmäßig in angenehm grosse Abteile unterteilt, welche durch Türen und Wände von einander getrennt waren. Von dem Flug und der Hektik am Morgen geschafft dösten wir fast die ganze Strecke bis zu unserem erstem Zwischenstop. Als dieser in Sicht kam, sammelten wir unser Gepäck und verliessen den Zug. Schon beim Aussteigen merkte ich, dass das lebendige Tageslicht mittlerweile, einer düstern Dämmerung Platz gemacht hatte, welche sich num wie eine dunkle Decke über unser Tal legte. Auch Bahnhof an dem wir uns jetzt befanden hatte wenig mit der belebten Szenerie von Sofias Hauptbahnhofs zutun.
Anstatt gestressten Touristen, welche quietschende Rollkoffer hinter sich herzogen, gab es hier nur ein paar dunkle Gestalten, welche am Rande des Grundstückes in dem Halbschatten einer von Motten umflogenden Lampe standen. Das Gebäude welches sich vor uns auftürmte verschärfte nur noch den Eindruck welcher sich bereits in meinem Kopf formte. An dieser, einst stolzen cremefarbenen Konstruktion hatte eindeutig der Zahn der Zeit genagt. Die Farbe war an vielen Stellen ausgeblichen und löste sich an manchen komplett, was Wunden des nackten Betons zurückgelassen hatte.
Schon nach wenigen Minuten beschlich mich das Gefühl beobachtet zu werden. Mit unserem Gepäck und typischen Touristen-Outfit, konnte man uns leicht ansehen das wir nicht von hier waren, was wohl eine Menge Aufmerksamkeit auf uns zog. Mittlerweile waren auch die letzten Reste des Tageslichtes verschwunden und wir waren von einer schwarzen Kuppel umgeben, welche keine Schluss auf unsere Umgebung zu ließ. Als unser Zug kam,wurde sie von grellen Scheinwerfern durchbrochen und auch die zuvor herrschende Stile wurde von mehrmaligem, Hupen tief erschüttert.
Der Wagon den wir nun betraten warf mich zurück in eine nostalgische Erinnerung, wie ich einst mit meinem Großvater das alte Eisenbahnmuseum besuchte.
Denn genau das war der Ort, wo man diesen Wagon vermutet. Die Inneneinrichtung bestand komplett aus Holz und selbst die Bezüge der mit Federn gepolsterten Sitze waren aus gewebtem Stoff. Hätten ein paar Cowboys auf den Plätzen gesessen, würde er eine schöne Startscene für einen Western abgegeben.
Mit einem schmunzeln wies mich Tom dann auf die Sanitäreinrichtung des Zuges hin. Die ,,Toilette“ befand sich in einem kleinem Raum am Ende des Wagons und bestand aus einem Loch welches mit grober Gewalt in den hölzernen Fußboden geschlagen worden war.
Ein Schild neben der Öffnung empfahl Besuchern die Toilette doch bitte nur bei Fahrt zu benutzen.
Als ich mich dann wieder in meinen Sitz fallen ließ, bekam ich ein gutes Gefühl. Ich schloss die Augen und genoss den Gedanken an die nun anstehende Zeit.